Bachelorarbeit, 2013
60 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Empirische Untersuchung
2.1. Methodenwahl
2.2. Beschreibung des Erhebungsinstrumentes
2.3. Auswertungsverfahren mittels Inhaltsanalyse nach Meuser/Nagel
2.4. Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes
2.5. Durchführung der Untersuchung
3. Ergebnisdarstellung
3.1. Bedeutung von Leistungsbeurteilung
3.2. Prozessablauf und eingesetzte Verfahren
3.3. Ziele und Beurteilungskriterien
3.4. Kommunikation
3.5. Handlungs- und Gestaltungsspielraum
3.6. Trainings/Schulungen
3.7. Potentielle Erfolgsfaktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung..
3.8. Reihung der Erfolgsfaktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung
3.8.1. Kommunikation
3.8.2. Auswahl Beurteilungsverfahren
3.8.3. Beurteilungskriterien
3.8.4. Zielgruppe
3.8.5. Trainings/Schulungen
3.8.6. Auswahl und Anzahl der beurteilenden Personen
3.8.7. gender-gerechte Sprache
3.9. Verbesserungspotentiale in den untersuchten Unternehmen
3.10. Die Rolle von HR
4. Interpretation der Ergebnisse
4.1. Rahmenbedingungen für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung
4.2. Transparente Kommunikation und Partizipation als zentrale Faktoren
4.3. Sensibilisierung durch Trainings
5. Conclusio und Diskussion
6. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang A: Sensibilisierendes Konzept
Anhang B: Interviewleitfaden
Anhang C: Reihung der Erfolgsfaktoren
Anhang D: Darstellung der Beurteilungsmatrix von IP6
Die vorliegende Arbeit befasste sich mit der Thematik der diskriminierungsfreien Leistungsbeurteilung. In einer vorangegangenen Literaturrecherche im Rahmen der Bachelorarbeit 1 wurden Einflussfaktoren auf den Beurteilungsprozess ermittelt. Die vorhandenen Ansätze befassten sich mit der Thematik allerdings hauptsächlich in Bezug auf den öffentlichen Sektor und den Hochschulbereich. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, herauszufinden, inwieweit die genannten Faktoren für die diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung in der betrieblichen Praxis in Unternehmen relevant sind. Dazu wurde die Methode der qualitativen Befragung gewählt und problemzentrierte Interviews mittels teilstrukturierten Leitfäden mit Personalverantwortlichen von sieben Unternehmen im Raum Wien durchgeführt.
Es zeigte sich, dass die in der Literatur genannten Faktoren weitgehend als wichtig für faire und diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung erachtet werden. Die einzelnen Faktoren werden jedoch im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit in der Praxis unterschiedlich beurteilt. Insbesondere den Faktoren „Kommunikation“, „Auswahl des Beurteilungsverfahrens“ und „Beurteilungskriterien“ wird in Zusammenhang mit der Gestaltung fairer Beurteilungsprozesse große Bedeutung zugeschrieben. Die Faktoren „Auswahl der Zielgruppe“, „Auswahl der beurteilenden Personen“ und „Anzahl der beurteilenden Personen“ werden zwar als wichtig und von Einfluss auf den Beurteilungsprozess gesehen, jedoch als weniger relevant für die Praxis bewertet. Das lässt sich darauf zurückführen, dass im Fall der Zielgruppe in den befragten Unternehmen ohnehin alle MitarbeiterInnengruppen in den Beurteilungsprozess eingebunden werden. Die Anzahl und Auswahl der beurteilenden Person ist in der betrieblichen Praxis beschränkt auf die BeurteilerInnen, die direktem Kontakt mit den jeweiligen MitarbeiterInnen haben und daher auch deren Performance beobachten können. Trainings werden als relevant eingeschätzt, um Führungskräfte und MitarbeiterInnen auf den Beurteilungsprozess zu schulen. Als nicht relevant für einen fairen Beurteilungsprozess wird hingegen gender-gerechte Sprache angesehen, da sie keinen direkten Einfluss darauf hat, wie der Prozess tatsächlich gelebt wird.
Abbildung 1: Übersicht der InterviewpartnerInnen
Abbildung 2: Reihung der Faktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung
Leistungsbeurteilungen spielen in Unternehmen eine wichtige Rolle. Sie bilden die Basis für eine Vielzahl personalpolitischer Maßnahmen: Sie liefern die Grundlage für leistungsbezogene Entlohnung, bilden die Entscheidungsbasis für Personalauswahl und Beförderungen und werden überdies herangezogen, um den TeilnehmerInnenkreis für betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen auszuwählen. Richtig eingesetzt, ist Leistungsbeurteilung ein Instrument zur Leistungssteuerung und MitarbeiterInnenmotivation (vgl. Dulisch 2006, S. 66-67).
Diese „Multifunktionalität“ von Leistungsbeurteilungen birgt allerdings die Gefahr vielfältiger Diskriminierungspotentiale: „Personen werden in Abhängigkeit spezifischer struktureller Merkmale, wie z.B. der Dauer ihrer Beschäftigung (Benjamin-Effekt), ihres Arbeitsvolumens (Teilzeit-Effekt) oder ihrer Stellung in der Organisation (Hierarchie-Effekt) unterschiedlich beurteilt“ (Englert 2006, S. 25).
Empirische Studien zeigen eine unterschiedliche Beurteilung von Männern und Frauen im Rahmen von Leistungsbeurteilungen (vgl. Eagly et al. 1992, S. 3-22). Im Schnitt werden weibliche Führungskräfte deutlich schlechter beurteilt als ihre männlichen Kollegen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beurteilenden Männer sind und die Frauen in einer Männerdomäne arbeiten. Es konnte nachgewiesen werden, dass Leistungsbewertungen in frauendominierten Berufen generell schlechter ausfallen als in den männerdominierten (vgl. Krell 2006, S. 51).
Diskriminierungseffekte entstehen aufgrund von impliziten Annahmen über die zu beurteilende Person (vgl. Jonnergard et al. 2010, S. 721). Hier können im Zuge von Beurteilungsprozessen Geschlechterstereotype virulent werden. Sie führen dazu, „dass gleiches Verhalten bei Frauen und Männern unterschiedlich beurteilt wird“ (Englert 2006, S. 27). Der Unterschied ergibt sich dabei nicht aus der erfolgten Leistung, sondern aus der Zuschreibung durch den/die BeurteilerIn.
Dies führt allerdings zu bedeutenden Konsequenzen: Leistungsbeurteilungen sollen gewährleisten, dass MitarbeiterInnen bestmöglich performen, um ihren Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele zu leisten. Im Fall von Diskriminierung können die Potentiale der MitarbeiterInnen jedoch nicht optimal genutzt und das Ziel der Leistungseffizienz aufgrund von Diskriminierungseffekten nicht erreicht werden (vgl. Baitsch/Katz 2006, S. 104). Auf Seiten der MitarbeiterInnen ist die Folge häufig Motivationsverlust (vgl. Baer 2006, S. 15).
Ausgehend von der oben beschriebenen Thematik wurde in der BA1 mit dem Titel „Leistungsbeurteilung in der Personalentwicklung unter dem Gender-Aspekt“ im Zuge einer Literaturrecherche folgende Forschungsfrage beantwortet: Welche Beurteilungsverfahren können im Sinne des Gleichstellungsprinzips in Unternehmen eingesetzt werden, um geschlechtsspezifische Diskriminierung bei der Leistungsbeurteilung zu minimieren? Es wurde untersucht, welche Maßnahmen von Unternehmen ergriffen werden können, um gender-gerechte Leistungsbeurteilung zu implementieren, welche Verfahren sich eignen, um Diskriminierungseffekte zu reduzieren und welche Vorteile aus dem Einsatz dieser Verfahren resultieren.
In der Literaturrecherche wurde der Einfluss bestimmter Faktoren auf den Beurteilungsprozess ermittelt. Dazu zählen neben der Wahl des Beurteilungsverfahrens auch die Auswahl der Zielgruppe für Leistungsbeurteilungen, die Kommunikation des Beurteilungsprozesses, gender-gerechte Sprache, die Auswahl und Anzahl der Beurteilenden sowie die Schulung der potentiellen BeurteilerInnen auf mögliche Beurteilungsfehler und Diskriminierungseffekte (vgl. Englert 2006, S. 15; Hennersdorf 1998, S. 84 f.).
Die Bachelorarbeit 1 ergab, dass diese Faktoren bei der Gestaltung diskriminierungsfreier Leistungsbeurteilung eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Lirsch 2012). Die vorhandenen Forschungsansätze beziehen sich allerdings großteils auf den öffentlichen Sektor und den Hochschulbereich. Hingegen ist wenig Forschungsliteratur zur diskriminierungsfreien Leistungsbeurteilung im Unternehmenskontext vorhanden.
Die Forschungsfrage, die in der vorliegenden Arbeit beantwortet werden soll, lautet daher: Was sind die relevanten Faktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung in Unternehmen?
In der Bachelorarbeit 2 soll aufgezeigt werden, welche Relevanz die Erkenntnisse aus der Literaturrecherche für die Unternehmenspraxis haben. Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden, welche der oben genannten Faktoren in Unternehmen eine Rolle spielen und sich auch in der Praxis umsetzen lassen und tatsächlich umgesetzt werden bzw. welche zusätzlichen Faktoren als relevant für eine diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung angesehen werden. Dazu sollen zunächst die Rahmenbedingungen analysiert werden, unter denen der Prozess der Leistungsbeurteilung derzeit abläuft. In einem weiteren Schritt sollen die InterviewpartnerInnen mit den in der Literatur genannten Erfolgsfaktoren für diskriminierende Leistungsbeurteilung konfrontiert und nach möglichen Verbesserungspotentialen im Unternehmen befragt werden. Die daraus resultierenden Ergebnisse werden schließlich den Erkenntnissen der Literaturrecherche gegenübergestellt und Schlussfolgerungen im Hinblick auf die betriebliche Praxis gezogen.
Die Arbeit ist so aufgebaut, dass in Kapitel 1 zunächst die Herleitung des Themas aus der Bachelorarbeit 1 erfolgt. Im Anschluss daran wird die Ausgangslage skizziert und die Forschungsfrage aufgeworfen, die in der vorliegenden Bachelorarbeit 2 beantwortet werden soll. Außerdem werden Zielsetzung und Gliederung der Arbeit dargestellt. Kapitel 2 widmet sich der Methodologie. Darin werden die gewählte empirische Methode, Erhebungsinstrumente, Auswertungsverfahren, Untersuchungsgegenstand und Durchführung der Untersuchung beschrieben. Kapitel 3 befasst sich mit der Darstellung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung. In Kapitel 4 werden diese interpretiert und Schlussfolgerungen gezogen. Im Rahmen der Conclusio im Kapitel 5 richtet sich der Fokus auf die Zusammenführung und Diskussion der Ergebnisse und Kapitel 6 fasst schließlich die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit nochmals zusammen. Dem Anhang der vorliegenden Bachelorarbeit 2 sind das sensibilisierende Konzept, der Interviewleitfaden und das kombinierte Modell der Leistungsbeurteilung beigefügt (siehe dazu auch: Kapitel 3.3).
In dem folgenden Kapitel wird die gewählte empirische Methode vorgestellt, Untersuchungsgegenstand sowie das Erhebungsinstrument beschrieben und die Durchführung der Untersuchung dargestellt.
Für die vorliegende Arbeit wurde die Methode der qualitativen Befragung gewählt. Im Vergleich zu anderen Methoden wie der Beobachtung oder dem Experiment bietet sich die Befragung dann an, wenn durch die Interaktion der ForscherInnen mit den Befragten Antworten in Bezug auf die Forschungsfrage generiert werden sollen (vgl. Kleining 2011, S. 216).
Die qualitative Sozialforschung unterscheidet sich von der quantitativen in vier wesentlichen Punkten. Zum einen in der Stichprobengröße, da eine relativ kleine Anzahl von Personen untersucht wird. Des Weiteren in der Stichprobenwahl, die bei der qualitativen im Gegensatz zur quantitativen nicht durch Zufallsprinzip, sondern nach spezifischen Auswahlkriterien im Hinblick auf die zu untersuchende Fragestellung erfolgt. Außerdem werden hier nicht wie bei quantitativen Methoden metrische Variablen gebildet und diese für statistische Auswertungen herangezogen (vgl. Lamnek 2010, S. 3-18).
Der Einsatz qualitativer Methodik erweist sich dort als sinnvoll, wo in der Forschung zu wenige bzw. unzureichende Daten vorliegen. Zentrale Prinzipien qualitativer Sozialforschung nach sind Offenheit, Flexibilität, Prozessualität, Kommunikation und Reflexivität und Explikation (vgl. Steger 2003).
Das Prinzip Prozessualität bezieht sich auf den sozialen Kontext, innerhalb dessen die Befragung passiert. Befragungssituationen sind niemals statisch, sondern als Momentaufnahme, als Prozess zu sehen. Befragende/r und Befragte/r interagieren miteinander. Auf diese Weise wird in der Kommunikation miteinander soziale Realität reproduziert und konstruiert (vgl. Lamnek 1995, S. 25). Damit verbunden ist auch das Prinzip der Reflexivität. Dieses besagt, dass Äußerungen nur in Bezug auf den Kontext, in dem sie entstanden sind, verstanden und nachvollzogen werden können (vgl. Lamnek 1995, S. 74 ff.)
Die nötige Offenheit und Flexibilität für neue Aspekte, Sichtweisen und Informationen des Gegenübers bedingt, dass Hypothesen erst auf Basis der Befragung entwickelt werden und nicht bereits im Vorfeld ausformuliert und in der Befragung auf ihre Richtigkeit abgeprüft werden, wie das etwa bei der quantitativen Forschung der Fall ist. Die qualitative Forschung agiert daher eher hypothesenbegründend, die quantitative dagegen hypothesenüberprüfend (vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 7ff). Auch das Prinzip der Explikation spielt eine wichtige Rolle. Es bezieht sich darauf, dass der Forschungsprozess transparent und nachvollziehbar ablaufen soll (vgl. Steger 2003, S. 4-5).
Ein weiterer Aspekt und wesentlicher Unterschied zur quantitativen Sozialforschung besteht schließlich darin, dass der/die ForscherIn mit dem/der InterviewpartnerIn in direkten Kontakt tritt und Sachverhalte durch Interaktion und Kommunikation mit dem/der Befragten ermittelt werden. Damit bindet die qualitative Forschung den/die ForscherIn als InteraktionspartnerIn in den Kommunikationsprozess mit ein und nutzt die intersubjektive Verstehensbasis zwischen InterviewerIn und Interviewperson zur Gewinnung neuer Erkenntnisse (vgl. Mayring 1990, S. 107).
Für die Interviews wurde ein halbstrukturierter Leitfaden verwendet. Dieser ermöglicht Flexibilität und Unabhängigkeit des Interviewenden, da die Fragen in beliebiger Reihenfolge gestellt werden können. Auch die Formulierung der Fragen kann an das Gegenüber angepasst werden. Der Vorteil des halbstrukturierten Leitfadens besteht außerdem darin, dass er durch zusätzliche Fragen ergänzt werden kann, wenn dies in Hinblick auf die Thematik sinnvoll erscheint (vgl. Atteslander 2008, S. 125)
Im Vergleich zu standardisierten und stark strukturierten Fragebögen, bei denen sowohl Reihenfolge als auch die Formulierung der Fragen vorgegeben ist und keine Abweichung davon erlaubt ist, kann die interviewte Person im Falle halbstrukturierter Leitfäden eigenständig Schwerpunkte setzen und gänzlich neue Aspekte in die Befragung einfließen lassen. Es entsteht eine kommunikative Situation, die den befragten Personen ermöglicht, im Gespräch ihren Blickwinkel und ihre persönliche Sicht auf die gewählte Problemstellung einzubringen und dieses aktiv mitzugestalten. So ist es möglich, weitaus umfassendere Informationen zu erhalten als bei standardisierten Fragebögen (vgl. Lamnek 1995, S. 55). Gleichzeitig stellt die Orientierung an dem Leifaden sicher, dass alle für das Thema relevanten Themengebiete abgedeckt werden (vgl. Mayer 2008, S. 37) und das Gespräch nicht zu Themen abschweift, die mit der Thematik der Untersuchung nicht zu tun haben (vgl. Meuser/Nagel 2005, S. 77 f.).
Kohli unterscheidet unterschiedliche Formen von qualitativen Interviews: Intensivinterviews, Tiefeninterviews, unstrukturierte Interviews, detallierte, zentrierte und offene Interviews (vgl. Kohli 1978, S. 7). Zusätzlich werden in der Fachliteratur u.a. das narrative Interview, das situationsflexible Interview und das problemzentrierte Interview erwähnt (vgl. Lamnek 1995, S. 68).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde eine qualitative Befragung mittels eines problemzentrierten Interviews gewählt. Dieses stellt die Wahrnehmung und Erfahrung der Befragten zu einem bestimmten Thema in den Mittelpunkt. Dabei „nutzt [der Interviewer] die vorgängige Kenntnisnahme von objektiven Rahmenbedingungen der untersuchten Orientierungen und Handlungen, um die Explikationen der Interviewten verstehend nachzuvollziehen und am Problem orientierte Fragen bzw. Nachfragen zu stellen“ (Witzel 2000, o.S.). Die Interviewperson geht zwar von einem theoretischen Konzept aus, überprüft und adaptiert es aber laufend entsprechend den Aussagen der Befragten im Interview (vgl. Witzel 2000, o.S).
Für die vorliegende empirische Arbeit erweist sich diese offene Vorgehensweise als vorteilhaft. Nachdem in der BA1 das theoretische Konzept entwickelt und in diesem Rahmen potentielle Erfolgsfaktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung identifiziert wurden, sollte nicht nur die Relevanz dieser Faktoren in der Praxis abgeprüft, sondern auch mögliche weitere Faktoren ermittelt werden, die in Zusammenhang mit Diskriminierungsfreiheit bei der Leistungsbeurteilung eine Rolle spielen. Damit alle themen-relevanten Aspekte im Leitfaden Berücksichtigung finden, empfiehlt sich die Erarbeitung der wesentlichen Themenbereiche anhand eines sensibilisierenden Konzeptes. Ist eine Gliederung in Themenblöcke erfolgt, können im Anschluss daran mögliche Fragen zu den einzelnen Blöcken vorbereitet werden (vgl. M ayer 2008, S. 43 f.).
Die Auswertung der Interviews erfolgt nach dem Auswertungsverfahren von Meuser/Nagel. Grundlage für die Auswertung ist die Transkription sämtlicher Interviews. Die mit dem Aufnahmegerät aufgezeichneten Interviews werden wortwörtlich transkribiert. Nachdem im Fall von problemzentrierten Interviews der Fokus auf dem behandelten Thema liegt, werden non-verbale Elemente und Pausen beim Transkribieren nicht berücksichtigt. Auf die Phase der Transkription folgt die Paraphrasierung. Dazu werden jene Passagen ausgewählt, die einen Bezug zu der untersuchten Thematik aufweisen. Die entsprechenden Passagen werden in der Folge in eigenen Worten wiedergegeben, wobei darauf geachtet werden soll, dass der Sinn der Aussagen erhalten bleibt. Der Text wird somit auf die wesentlichen Aspekte zusammengefasst und erstmals verdichtet. Die Paraphrasen werden mit Überschriften versehen, ähnliche Interviewpassagen zusammengestellt und mit einer Hauptüberschrift betitelt (vgl. Meuser/Nagel 2005, S. 84 f.).
Ein weiterer Schritt besteht im thematischen Ordnen. Das vorhandene Textmaterial wird dabei entsprechend seinem Inhalt geordnet: Textpassagen aus verschiedenen Interviews mit ähnlichen Inhalten werden dabei einander zugeordnet. Im nächsten werden ähnliche Textpassagen miteinander verglichen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Meuser/Nagel empfehlen, die Ergebnisse des thematischen Vergleichs nochmals kritisch auf ihre Vollständigkeit zu überprüfen. Auch ist anhand von Interviewpassagen nachzuprüfen, ob die gewonnenen Resultate valide sind und die Aussagen auch sinngemäß wiedergeben (vgl. Meuser/Nagel 2005, S. 86-92). In einem weiteren Schritt kommt es zur Loslösung von den Texten und der Terminologie der InterviewpartnerInnen. Diese Phase wird als soziologische Konzeptualisierung bezeichnet, da hier der Anschluss an soziologische Konzepte erfolgt. Das Gemeinsame in den Aussagen wird kategorisiert, um in weiterer Folge zu Verallgemeinerungen und allgemein gültigen Deutungsmustern zu gelangen (vgl. Meuser/Nagel 2005, S. 89 f.). Der letzte Schritt leitet zur theoretischen Generalisierung über. Hier kommt es zur endgültigen Lösung vom Interviewmaterial. Im Zentrum steht die Verdichtung, Typisierung und Generalisierung von Deutungsmustern, mit dem Ziel, diese im Zuge einer soziologischen Theorie miteinander zu verbinden (vgl. Meuser/Nagel 2005, S. 89f.).
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit kam es zu einer Adaption des oben beschriebenen Verfahrens. Da bereits im Vorfeld während der Erstellung des Interviewleitfadens Kategorien gebildet wurden, die die relevanten Aspekte des Themas abdecken, wurden die vorhandenen Kategorien verwendet. Das vorgenommene Verfahren lässt sich kurz folgendermaßen beschreiben: Nach Transkription und Paraphrase wurden den einzelnen Paraphrasen Kategorien zugeordnet. Die Interviewpassagen wurden anschließend in einer gemeinsamen Tabelle zusammengefügt, wobei die Ergebnisse jeweils pro Kategorie zusammengefasst und schließlich ausgewertet und interpretiert wurden.
Im Zuge der qualitativen Studie wurden Unternehmen im Raum Wien kontaktiert. Es wurde davon ausgegangen, dass Klein- und Mittelbetriebe aufgrund des relativ aufwändigen Performance-Management-Prozesses womöglich nicht über die entsprechenden Ressourcen verfügen, um einen standardisierten Leistungsbeurteilungsprozess, wie er in der BA 1 beschrieben wurde, im Unternehmen zu implementieren und systematisch durchzuführen. Um diese Annahme zu testen, wurden für die empirische Arbeit sowohl Großunternehmen als auch KMUS (=kleine und mittlere Unternehmen) in Wien kontaktiert. Von den angeschriebenen Klein- und Mittelbetrieben stand, wie erwartet, kein einziges für die Studie zur Verfügung.
Bei den an der Befragung teilnehmenden Unternehmen handelt es sich somit sämtlich um Großunternehmen. Die befragten Unternehmen sind international aufgestellte Unternehmen aus den Branchen Produktion, Chemie, IT, Technik und der Bankenbranche. Eines der Unternehmen hat seinen Sitz in Wien mit Ende Dezember 2012 geschlossen und ist seit Jänner 2013 nur mehr in Linz (Bundesland Oberösterreich) vertreten. Das Interview wurde in der vorliegenden Arbeit dennoch berücksichtigt. Als Zielgruppe der Befragung wurden PersonalistInnen in Wiener Unternehmen gewählt. Die untenstehende Abbildung 1 zeigt eine Übersicht der InterviewpartnerInnen.
Abbildung 1: Übersicht der InterviewpartnerInnen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Eigene Darstellung
Bei den interviewten Personen handelt es sich um vier Frauen und drei Männer, die im Personalbereich tätig sind. Für die Auswahl der InterviewpartnerInnen war ausschlaggebend, dass diese in ihrer Funktion als PersonalistInnen im jeweiligen Unternehmen für das Thema Leistungsbeurteilung zuständig sind. Abbildung 1 zeigt, dass die Zuständigkeit für das Thema der Leistungsbeurteilung in den befragten Unternehmen oft in der Führungsebene von HR angesiedelt ist. Fünf der sieben InterviewpartnerInnen üben eine Führungsfunktion im Personalbereich aus.
Bei der Wahl der Stichprobe wurde darauf geachtet, dass ungefähr gleich viel Männer und Frauen vertreten sind, da davon ausgegangen wurde, dass das Geschlecht eine Variable ist, die, wenn auch bislang in der Literatur nicht berücksichtigt, möglicherweise Einfluss auf die Einschätzung der Situation in den betreffenden Unternehmen haben kann.
Im Zeitraum zwischen Anfang und Ende Februar 2013 wurden mit sieben Unternehmen Interviews durchgeführt. Ausgehend von einem sensibilisierenden Konzept wurde ein Interviewleitfaden entwickelt. Der Interviewleitfaden wurde so aufgebaut, dass zunächst die Rahmenbedingungen abgeprüft werden, unter denen Leistungsbeurteilung in den Unternehmen stattfindet. Dabei soll zunächst der Status quo in der Leistungsbeurteilung in den untersuchten Unternehmen erhoben werden, um diesen später im Hinblick auf förderliche und weniger förderliche Rahmenbedingungen für die Durchführung diskriminierungsfreier Leistungsbeurteilung analysieren zu können. Im zweiten Teil werden die InterviewpartnerInnen dann mit dem Thema „diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung“ konfrontiert und zu ihrer Einschätzung der relevanten Faktoren befragt. Diese Vorgangsweise wurde bewusst gewählt, um aus der anschließenden Gegenüberstellung von Ist-Situation und subjektiver Einschätzung der InterviewpartnerInnen im Rahmen der vorliegenden Arbeit zusätzliche Erkenntnisse zu generieren.
Im Vorfeld wurde entsprechend der in der Literatur empfohlenen Vorgangsweise ein Pretest durchgeführt, um die Verständlichkeit des Fragebogens abzuprüfen (vgl. Balzert et al. 2010. S. 61 f.). Um die volle Aufmerksamkeit auf die Durchführung der Interviews richten zu können, wurde ein digitales Aufnahmegerät verwendet. Dieses wurde vor den Interviews auf seine Funktionstüchtigkeit überprüft. Damit sich die BefragungsteilnehmerInnen auf das Interview einstellen konnten, erhielten sie im Vorfeld Information zu den Schwerpunkten der Interviews. Zu Beginn des Interviews wurde den InterviewpartnerInnen Vertraulichkeit im Hinblick auf Personen- und Unternehmensdaten zugesichert. Diese wurden daher im Zuge der Auswertung der Interviews anonymisiert (siehe auch Abb. 1: Übersicht der InterviewpartnerInnen).
Dann wurden zunächst die demografischen Daten abgefragt. In weiterer Folge wurden die Rahmenbedingungen für Leistungsbeurteilung ermittelt. Konkret beschäftigten sich die Fragen mit den Bereichen Unternehmen, Prozessablauf und eingesetzte Verfahren, Zielgruppe/Beurteilungskriterien, Kommunikation, Handlungs- und Gestaltungsspielraum sowie Schulung und Trainings. Danach wurden mit einer Schlüsselfrage in den zweiten Teil des Interviews übergeleitet. Die InterviewpartnerInnen wurden als Einstieg in das Thema mit dem Begriff „diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung“ konfrontiert und nach den Vorstellungen und Assoziationen dazu befragt.
Daran anschließend wurden sie nach möglichen Erfolgsfaktoren für diskriminierungsfreie Leistungsbeurteilung interviewt und schließlich mit den in der Literatur genannten Faktoren konfrontiert. Dazu war bereits im Vorfeld eine Liste erstellt worden, auf denen die Faktoren in beliebiger Reihenfolge aufgelistet waren. Im Zuge der Befragung wurde allen Interviewten die Liste vorgelegt und sollten diese je nach der Einschätzung ihrer Wichtigkeit von 1 bis 8 reihen, wobei der wichtigste Faktor einen Einser, der unwichtigste einen Achter erhielt. Gegen Ende des Interviews hatten die Befragten selbst schließlich noch die Möglichkeit, weitere Ideen und Sichtweisen zum Thema einzubringen und somit selbst noch weitere Inputs zu liefern.
Die Interviews wurden mit einer Ausnahme in den Räumlichkeiten der Unternehmen geführt. Im Fall einer interviewten Person fand das Gespräch in einem Kaffeehaus statt, da das Wiener Büro der betreffenden Firma geschlossen wurde und diese sich dankenswerterweise bereit erklärt hatte, das Interview dennoch in Wien abzuhalten. Dies führte allerdings auch dazu, dass manche Textpassagen aufgrund der Hintergrundgeräusche nur mit Mühe verständlich waren und zu einem erhöhten Zeitaufwand bei der Transkription führten.
Im folgenden Kapitel werden nun die Ergebnisse aus den Interviews, geordnet nach Kategorien dargestellt.
Leistung wird in den befragten Unternehmen an vorher fixierten Leistungszielen festgemacht. Die Leistungsziele werden dabei aus der Unternehmensstrategie abgeleitet. Die Koppelung der in Leistungsvereinbarungen festgeschriebenen Ziele an die Unternehmensziele soll sicherstellen, dass die gewünschten Unternehmensziele auch erreicht werden (vgl. IP2 :82-85; IP1 :40-42; IP7 :76-81). Leistungsorientierung ist teilweise sogar als strategisches Unternehmensziel in der Unternehmensstrategie verankert (vgl. IP3 :18-22).
Leistungsbeurteilung dient dazu, „Leistung zu differenzieren zwischen Mitarbeitern“ (IP7: 29-30). Die Beurteilung ist die Basis für die Analyse der erbrachten Leistung der MitarbeiterInnen. In weiterer Folge ermöglicht sie die gezielte Förderung von TopPerformerInnen, auf der anderen Seite werden dadurch auch Low-PerformerInnen identifiziert (vgl. IP7 :30-32). Wichtig dabei ist, den Grund für ihre schlechte Performance zu analysieren: Handelt es sich um fehlendes Können, können gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen helfen, die Leistung zu verbessern (vgl. IP7 :32-35). Möglicherweise findet sich der/diejenige auch in der derzeitigen Rolle nicht zurecht und würde in einer anderen Position, für die er/sie sich besser eignet, auch besser performen (vgl. IP7 :40-45). Liegt es hingegen an der mangelnden Leistungsbereitschaft der jeweiligen Person, ist es nötig, die betreffenden MitarbeiterInnen wieder aus dem Unternehmen „raus zu managen“ (IP7 :36).
Die Beurteilung ist oftmals direkt an Bonifizierungssysteme gekoppelt, wobei sich die Bonushöhe an der erbrachten Leistung orientiert (vgl. IP7 :32).
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