Masterarbeit, 2022
86 Seiten, Note: 1
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Ausgangslage in Österreich
1.1 Alternative Wirtschaftskonzepte
1.1.1 Der Grundgedanke des Bedingungslosen Grundeinkommens
1.2 Die aktuelle Wirtschaft und ihre Grenzen, Probleme und Risiken
1.2.1 Ungleichgewicht, Verteilung und Armut
1.2.2 Arbeitsmarkt und Beschäftigung
1.2.3 Einfluss der Corona-Pandemie
1.2.4 Individuelle und kollektive Folgen und Kosten der Arbeitslosigkeit
1.2.5 Soziale Unterstützung in Österreich
2 Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Theorie
2.1 Funktionsweise
2.2 Finanzierung
2.3 Chancen und erwartete positive Folgen
2.3.1 Ungleichheit, Verteilung und Armut
2.3.2 Arbeitsmarkt und Beschäftigung
2.3.3 Sonstiges
2.4 Risiken und mögliche Probleme
2.4.1 Steuern, Preisniveau und Inflation
2.4.2 Internationale Konkurrenzfähigkeit
2.4.3 Der Effekt auf die Beschäftigung anhand der neuklassischen Arbeitsmarkttheorie
2.4.4 „Ausnutzung“ des Systems und Zuwanderung
2.5 Zusammenschau der Pro- und Contra-Argumente
3 Das Bedingungslose Grundeinkommen in der Praxis: Das Finnische Experiment
3.1 Stand und Probleme der praktischen Forschung
3.1.1 Das Mincome-Experiment
3.1.2 Weitere Experimente und Pilotprojekte
3.2 Planung, Ziele und Rahmenbedingungen des Finnischen Experiments
3.3 Durchführung des Finnischen Experiments
3.4 Ergebnisse und Schlussfolgerungen
4 Empirischer Teil: Die mediale Rezeption des Finnischen Experiments in Österreich
4.1 Forschungsdesign und Vorgehensweise
4.2 Darstellung der Ergebnisse
4.2.1 Ausmaß der medialen Berichterstattung in Österreich
4.2.2 Thematisierte Aspekte
4.2.3 Erwähnte Pro-Argumente
4.2.4 Erwähnte Contra-Argumente
4.2.5 Allgemeines Stimmungsbild
4.2.6 Offene Fragen
4.3 Einordnung in den österreichischen Kontext
4.3.1. Höhe und Finanzierung eines Grundeinkommens in Österreich
4.3.2. Parteipolitische Meinungen und Stellungnahmen
5 Gegenüberstellung der medialen Rezeption und Erwartungen mit den tatsächlichen Ergebnissen des Experiments
5.1 Berichterstattung und tatsächliche Erwartungen
5.2 Berichterstattung und tatsächliche Ergebnisse
5.3 Vergleich der Berichterstattung und der Erkenntnissen aus der Literatur
6 Fazit und Ausblick
6.1 Zusammenfassung
6.2 Implikationen und weiterführende Fragen
7 Literaturverzeichnis
8 Abbildungsverzeichnis
Anhang
Diese Masterarbeit befasst sich mit den Auswirkungen der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens auf eine Gesellschaft und Wirtschaft. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die möglichen Effekte auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigung gelegt und untersucht, ob es zu einer Steigerung der Beschäftigung führen kann. Dafür wird unter Anderem das Finnische Experiment zum Bedingungslosen Grundeinkommen aus den Jahren 2017 und 2018 und seine Ergebnisse miteinbezogen. Zudem erfolgt eine Analyse der medialen Rezeption betreffend dieses Experiment. Dazu werden Berichte aus den österreichischen Medien, die dieses Experiment adressieren, aus den Jahren 2015 bis 2020 analysiert, kategorisiert und ausgewertet. Das Ziel ist es, dadurch zu erkennen, welches Bild vom Bedingungslosen Grundeinkommen von den Medien verbreitet wird, welche Argumente und Risiken genannt werden und ob sich diese Berichterstattung mit den Forschungen aus der Literatur und Empirie decken.
This master thesis deals with the effects of the introduction of an unconditional basic income on a society and economy. A special focus is placed on the possible effects on the labor market and employment and examined whether this can lead to an increase in employment. For this purpose, among other things, the Finnish experiment on unconditional basic income from 2017 and 2018 and its results are included. In addition, an analysis of the media reception of this experiment is carried out. For this purpose, reports from the Austrian media that address this experiment from the years 2015 to 2020 will be analyzed, categorized and evaluated. The aim is to recognize which image of the unconditional basic income is spread by the media, which arguments and risks are mentioned and whether this reporting coincides with research from literature and empiricism.
Die vorliegende Arbeit wurde im Rahmen des Masterstudiums „Lehramt Sekundarstufe“ an der Johannes Kepler Universität Linz - als Institution innerhalb des Cluster Mitte - verfasst. Sie stellt den Abschluss der 12-semestrigen Studienrichtung „Lehramt Sekundarstufe“ dar, innerhalb welcher ich die beiden Studienfächer „Geographie und Wirtschaft“ sowie „Ernährung und Haushalt“ gewählt habe.
Beim Verfassen dieser Arbeit kamen mir nicht nur die in den letzten Jahren angeeigneten Fähigkeiten zum kritischen und ökonomischen Denken und wissenschaftlichen Arbeiten zugute, sondern auch die Festigung diverser Charaktereigenschaften durch das Studium - wie etwa Sorgfalt, Geduld und Verantwortungsbewusstsein - halfen mir bei der Recherche, der Forschung und dem Schreiben dieser Arbeit.
Mein großer Dank gilt meinem Betreuer Herrn Professor Halla, der mir durch seine Denkanstöße und sein großzügiges Feedback beim Finden der Forschungsrichtung und beim Verfassen der Arbeit unterstützend zur Seite stand.
Das Thema der vorliegenden Masterarbeit ist das Bedingungslose Grundeinkommen mit seinen möglichen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Das Ziel der Literaturarbeit ist es, den Einfluss eines Grundeinkommens auf das Arbeitsangebot seitens der EmpfängerInnen in der Theorie zu erklären. Im empirischen Teil wird die mediale Rezeption der Idee „Grundeinkommen“ vor und nach dem Finnischen Experiment dazu analysiert.
Als Forschungsfrage dienten die folgenden:
Welche Auswirkungen hätte die Umsetzung eines Bedingungsloses Grundeinkommen auf den Arbeitsmarkt?
Wie reagieren österreichische Medien auf das Konzept „Bedingungsloses Grundeinkommen“?
Da die Vermögensverteilung in kapitalistischen Ländern dazu tendiert, immer ungleicher zu werden und selbst ein wohlhabendes Land wie Österreich kaum schafft, jedem hier lebenden Menschen eine soziale und finanzielle Existenzsicherung bieten zu können, was sich beides durch die Corona-Pandemie seit 2020 noch weiter verschärft hat, bekommen alternative wirtschaftliche Konzepte wie das Bedingungslose Grundeinkommen immer mehr Aufmerksamkeit. Anhand dieser Masterarbeit soll das mögliche Potential eines Grundeinkommens hinsichtlich aktueller und möglicher zukünftiger wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Probleme, insbesondere bestehender Dysbalancen auf dem Arbeitsmarkt, analysiert werden. Durch die Medienanalyse von österreichischen Zeitungsartikeln, die sich auf das Finnische Experiment zum Grundeinkommen (2017/2018) beziehen, soll zudem aufgezeigt werden, wie es um die allgemeine Stimmung gegenüber diesem Konzept steht.
Die zentralen Ergebnisse lauten, dass ein Bedingungsloses Grundeinkommen positive Auswirkungen auf die Vermögensverteilung und soziale Absicherung der Menschen hätte und auch die Gesundheit und Lebenszufriedenheit derer verbessern würde. Der Effekt auf den Arbeitsmarkt ist schwer vorherzusehen, laut Theorie würde er jedoch dahingehend ausfallen, dass das Grundeinkommen eine Reduktion der Arbeitsstunden der Menschen zu Folge hätte. Weitere fragliche Aspekte sind die schwierige Finanzierung sowie der Umgang mit der wahrscheinlich daraus resultierenden Inflation. Hinsichtlich der Medienanalyse sei gesagt, dass das Grundeinkommen sowohl vor als auch nach dem Finnischen Experiment mit sehr geteilter Meinung medial präsentiert wurde. Die Schwerpunktsetzung der Berichterstattung gleicht den Erwartungen und Ergebnissen des Experimentes, jedoch verbleibt die Gesamtstimmung vorher sowie auch nachher eher skeptisch und das Grundeinkommen als utopische Idee wertend.
Im ersten Kapitel wird die wirtschaftliche Ausgangslage in Österreich beschrieben, wobei besonders auf die Probleme am Arbeitsmarkt eingegangen wird.
Im zweiten Kapitel erfolgt nun die theoretische Erläuterung des Bedingungslosen Grundeinkommens. Ein besonderer Fokus liegt auf den Effekten, die es laut arbeitsmarktökonomischer Theorie auf das Arbeitsangebot haben würde. Zudem werden weitere Chancen und mögliche Risiken debattiert.
Im dritten Kapitel werden die Rahmenbedingungen und Ergebnisse des Finnischen Experiments zum Bedingungslosen Grundeinkommen in den Jahren 2017 und 2018 beschrieben sowie mit den theoretischen Erkenntnissen aus Kapitel 2 in Relation gesetzt.
Im vierten Kapitel erfolgt die Medienanalyse, für welche österreichische Zeitungsartikel aus den Jahren 2015 bis 2020, welche Bezug auf das Finnische Experiment nahmen, in fünf Kategorien ausgewertet und interpretiert wurden. Diese Kategorien lauten
1. Ausmaß der Berichterstattung
2. Thematisierte Aspekte
3. Pro-Argumente
4. Contra-Argumente
5. Allgemeines Stimmungsbild.
Kapitel 5 befasst sich nun mit der Gegenüberstellung der medialen Rezeption des Experimentes mit den tatsächlichen Ergebnissen dessen und den theoretischen Ausführungen, die zuvor hinsichtlich des Grundeinkommens abgegeben wurden.
In Kapitel 6 werden die Ergebnisse zusammengefasst, interpretiert und auch ein weiterer Ausblick inklusive offener Fragen und weiteren Forschungsmöglichkeiten gegeben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bevor der Gedanke der Umsetzung eines Bedingungslosen Grundeinkommens sowie die erwarteten Folgen thematisiert werden können, gilt es, die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Ausgangslage für dieses Projekt zu analysieren.
Obwohl Konzepte wie die Soziale Marktwirtschaft auch ökologische Fragen beachten und auch nicht auf rein kapitalistischem Denken basieren, streben sie dennoch weiterhin ein Wirtschaftswachstum an und missachten andere gesellschaftliche Werte wie die Verteilungsgerechtigkeit, die Ressourcenknappheit, die Chancengleichheit sowie das Gemeinwohl ignorieren.
Kapitalistische Systeme basieren auf Fortschrittsglauben, Globalisierung, permanenter Wachstumslogik und einer Gesellschaft, die weit über ihren Verhältnissen lebt, deren Konsum teilweise entkoppelt von eigentlichen Bedürfnissen stattfindet und die eine „Arbeitsgesellschaft“ geworden sind, um sich diesen Lebensstandard zu erhalten.
„Was als zivilisatorischer Fortschritt gefeiert wird, droht in einer Sackgasse zu enden.“ (Paech, 2018, S. 101) .
Aufgrund mehrerer, teils im vorhergehenden Teil benannten Problematiken, die das aktuell vorherrschende marktwirtschaftliche und kapitalistische Wirtschaftssystem mit sich bringt, beziehungsweise besonders beim Blick in die Zukunft auffällig werden, macht es Sinn, sich mit alternativen Wirtschaftskonzepten vertraut zu machen. Schließlich ist auch das Grundeinkommen Teil einer solchen alternativen Idee von Wirtschaft und Sozialstaat.
Dafür, was ein Bedingungsloses Grundeinkommen (im folgenden auch BGE genannt), gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Der Grundgedanke basiert jedoch auf der Sicherung der Existenz aller und auf der Verringerung von Armut und sozialer Notlagen (Netzwerk Grundeinkommen, 2020). So scheinen besonders die Ungleichheiten in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen - sei es einerseits aus Sicht der Einkommens- und Vermögensverteilung, als auch die ungleichen Chancen, die Menschen aufgrund ihrer Situation in Bereichen wie der Bildung, des beruflichen Werdegangs, des Freiheitsspielraums und der individuellen Entwicklung des Einzelnen erleben.
Ungleichheit ist in vielen Dimensionen prägend für die kapitalistische Marktwirtschaft, was eigentlich widersprüchlich scheinen mag. In einer solch fortgeschrittenen Gesellschaft leben arm und reich Tür und Tür und während die Vermögenden ein leichtes Spiel haben, ihren Reichtum immer weiter zu vermehren, stehen den ärmeren Menschen tatsächlich weniger Möglichkeiten zur Verfügung, in denselben Genuss zu kommen. Ein BGE würde es zwar nicht schaffen, wirtschaftliche, finanzielle und persönliche Ungleichheiten auf ein Minimum zu reduzieren, jedoch zielt es darauf auch nicht primär ab. Vielmehr geht es darum, allen Menschen eine ausreichende Absicherung sowie ein Mindestmaß an persönlichen Chancen im Leben zu garantieren.
Der Grund, wieso der Gedanke an ein BGE überhaupt realistisch wurde, ist der steigende Fortschritt in der Digitalisierung und deren Effekte auf den Arbeitsmarkt. Langfristig werden immer mehr Jobs dadurch ersetzt oder der Anteil der menschlichen Arbeitskraft dahinter reduziert werden. Da das wirtschaftliche Ergebnis trotz abnehmender menschlicher Arbeitszeit dann jedoch trotzdem gleichbleibt, ist es naheliegend, dass Menschen weniger arbeiten müssen und trotzdem dieselbe Leistung und dasselbe Geld für die Bevölkerung vorhanden ist. Unersetzbar sind jedoch einige systemrelevante Berufe, wie in Bereichen der Reinigung, des Verkaufs, der Erziehung und Bildung, der Abfallwirtschaft, der Pflege oder auch aus dem Handwerk. Auffällig ist, dass es genau diese Sparten sind, die mit verhältnismäßig niedrigem Lohn und schlechten Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Ein BGE würde diese Jobs, die auf menschliche Arbeitskraft angewiesen sind, fairer und humaner gestalten (Hoynes & Rothstein, 2019, S. 24).
Wirtschaftswachstum gilt als eines der absoluten Hauptziele der kapitalistischen Wirtschaft und ihrer dazugehörigen Politik und Gesellschaft eines Landes. Dass ein permanentes „Mehr“ an Produktion und Leistung nicht nur begrenzt ist, sondern auch viele negative Schattenseiten mit sich bringt, wird bei näherer Betrachtung einzelner Bereiche klar:
Ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen sind ein weltweites Phänomen, das im Verlauf der vergangenen Jahrzehnten zwar durch das Aufholen der Schwellenländer verbessert wurde, jedoch gerade in den letzten Jahren wieder einen Effekt in die gegenteilige Richtung erfahren musste. Die reichsten 10% der Welt sind im Besitz von 84% des Gesamtvermögens, wobei das eine reichste Prozent etwa 44% des Gesamtvermögens besitzt (Allianz, 2020). Diese Zahlen bestätigen den Verdacht, dass die Superreichen immer reicher und reicher werden und sich von der restlichen Gesellschaft weiter entfernen. Auch in Österreich zeichnet sich dieses Bild ab: 1% der ÖsterreicherInnen besitzt laut einer Studie 39% des Vermögens und den reichsten 10% steht mehr als die Hälfte des Gesamtvermögens zu - ein noch gravierenderer Wert als im weltweiten Vergleich (Heck, Kapeller, & Wildauer, 2020). Bei der Erhebung von Vermögensstatistiken dürfte es jedoch häufig zu gewissen Datenlücken kommen. So scheinen besonders vermögende Haushalte selten bereit dazu zu sein, an diesen Umfragen teilzunehmen und wenn sie es doch tun, unterschätzen sie ihr tatsächliches Vermögen sehr oft bewusst oder unbewusst (Arbeiterkammer, 2017). Ein noch höheres Vermögen der ohnehin schon reichsten Menschen ist demnach sehr wahrscheinlich.
Der Gini-Koeffizient, der ein abstraktes Maß für die Verteilung von Vermögen innerhalb eines Landes ist, liegt in Österreich bei 27,5%, während die EU-28 mit 36,2% ein noch ungleicher verteiltes Vermögen hat (STATISTIK AUSTRIA, 2020). Etwas aussagekräftiger für die Praxis ist die Verteilung der Einkommensquintile, bei deren Berechnung das Einkommen der ärmsten 80% in Relation mit den reichsten 20% gesetzt wird. Für Österreich ergibt sich hier ein Ergebnis von 4,2, welches wiederum besser und somit geringfügig gerechter ausfällt als der EU-28- Durchschnitt, welcher bei 5,1 liegt (STATISTIK AUSTRIA, 2020).
In Österreich liegt die Armutsgefährdungsschwelle, die 60% des Median-Einkommens entspricht für einen Einpersonenhaushalt bei 1286€ pro Monat und erhöht sich mit einem zweiten Erwachsenen im Haushalt um den Faktor 0,5. Mit einem Einkommen unter diesem Wert gilt man in Österreich als armutsgefährdet, was auf etwa 13% der Bevölkerung zutrifft. In absoluter Armut leben 2,6%. Nicht nur Alleinerziehende und Langzeitarbeitslose, sondern auch Frauen im Alter und Menschen mit chronischen Erkrankungen sind besonders gefährdet. Zudem besorgniserregend ist, dass mehr als 20% der armutsgefährdeten Personen in Österreich Kinder sind (Armutskonferenz, 2020), was schließlich mit ungleichen Bildungs- und Aufstiegschancen korreliert. Dazu kommen mehrfache wissenschaftliche Bestätigungen, die nahelegen, dass Kinder aus bildungsfernen Haushalten auch schwächere Schulleistungen zeigen und es in den meisten Fällen nicht weit über das Bildungsniveau ihrer Eltern hinausschaffen (Agenda Austria, 2019), was einer Chancenungleichheit entspricht und zur Festigung bestehender Verteilungsprobleme führt.
Die Arbeitslosigkeit in Österreich unterlag im Verlauf der letzten Jahren naturgemäß kleineren und größeren Schwankungen und pendelte sich mit Jahresende 2019 auf einen Wert von 7,4% ein, wobei sie unter Männern laut der nationalen Definition traditionellerweise etwas höher ist als unter Frauen (STATISTIK AUSTRIA, 2020). Einen großen Umbruch in der Statistik brachte die Corona-Pandemie. Einerseits verloren viele Menschen ihre Jobs, andererseits wurden auch viele in monatelange Kurzarbeit geschickt, die dank einer Ausnahmeregelung bis zu 100% des Arbeitsvolumens ermöglicht wurde, was einer Arbeitslosigkeit nahezu gleichkommt, in der Statistik jedoch nicht als solche aufscheint. Im Jänner 2021 lag die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition bei geschätzten 11,4%, was einem absoluten Wert von mehr als 530 000 Menschen entspricht, die noch durch etwa 470 000 aktuell in Kurzarbeit befindlichen Personen ergänzt werden und somit zu einem Rekordwert seit Jahrzehnten führen (AMS Österreich, 2021). Weswegen die Arbeitslosenquote so hoch ist, hängt aber naturgemäß auch mit dem Prinzip der nationalen Definition der Arbeitslosigkeit zusammen - mit ihr scheinen alle Menschen auf, die eine Arbeit haben möchten und danach mit Hilfe des AMS suchen. Dieser Anteil an Menschen dürfte in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen sein - durch die Emanzipation der Frauen wollen diese verstärkt einer beruflichen Tätigkeit außerhalb des eigenen Haushalts nachgehen und auch demographische Entwicklungen wie die Zuwanderung und das Bevölkerungswachstum mit dem dadurch steigenden Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter sowie die gestiegene gesunde Lebenserwartung führen zu einer höheren
Arbeitsbereitschaft der Menschen. Die steigende Zahl der Arbeitskräfte sorgt für eine Differenz von diesen und den verfügbaren Stellen am Arbeitsmarkt. Diese Beschäftigungslücken zu schließen, wäre unter anderem durch eine Verringerung der üblichen Arbeitszeit möglich, da sich dann mehr Menschen um die Tätigkeit kümmern könnten. Um den finanziellen Ausgleich zu schaffen, müssten signifikante Lohnerhöhungen und/oder alternative Konzepte wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen durchgesetzt werden. Ohne einer solchen Veränderungen ist es laut jetziger statistischer Lage unmöglich, allen Menschen, die einen Job wollen, auch einen zu geben.
Doch nicht nur demographisch begründet und zahlenmäßig lassen sich Veränderungen am Arbeitsmarkt darstellen. Seit Jahrzehnten stellen wir kurz- und langfristige Schwankungen in der Art und Nachfrage bestimmter Berufe fest. Mit den weitreichenden Fortschritten der Digitalisierung und Automatisierung ist es als nicht verwunderlich, dass digitale Fähigkeiten immer wichtige werden und Berufe in der Datenanalytik, Software- und App-Entwicklung, im digitalen Marketing oder in der Big-Data-Verarbeitung immer wichtiger werden, während Berufe der Dateneingabe, Büroassistenz, Buchhaltung und Rechnungswesen, aber auch Kundenberater und Fabrikarbeiter eine sinkende Nachfrage am Arbeitsmarkt erfahren (Agenda Austria, 2020).
Durch vorübergehende Betriebsschließungen in diversen Branchen, die nicht nur die Gastronomie, den Handel sowie viele Arten von Dienstleistern umfassten, brach deren Wirtschaftsleistung während der Pandemie tief ein. Insgesamt verzeichnete Österreichs BIP im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang von 7,3%, während es in den Jahren zuvor stets eine zwar kleine, aber dennoch zuverlässige Steigerung erlebte (wifo, 2021). Vor der CoronaPandemie, im Jahr 2019, betrugen die Staatsschulden pro Kopf in Österreich etwa 31.600 €. Im Jahr 2020 stiegen sie um mehr als 12% auf 35.000 € pro Kopf an. Insgesamt belaufen sich die österreichischen Staatsschulden mit Ende des Jahres 2020 auf 317,4 Milliarden Euro (Agenda Austria, 2021).
Die Arbeitslosigkeit stieg durch die Corona-Pandemie Jahresdurchschnitt um etwa 4%, wobei sie auch Schwankungen unterlag, sodass sie im Jänner 2021, während eines harten Lockdowns, nach nationaler Definition bei geschätzten 11,4% lag, was einem absoluten Wert von mehr als 530 000 Menschen entspricht. Dazu kommen noch etwa 470 000 aktuell in Kurzarbeit 15
befindliche Personen (AMS Österreich, 2021), sodass etwa 1 Millionen Menschen, oder fast 20% der Erwerbsfähigen momentan ohne Arbeit sind. Doch der Arbeitsmarkt veränderte sich nicht nur indem ihn viele Menschen gezwungenermaßen verlassen mussten, sondern auch dahingehend, dass die Technologisierung, Digitalisierung und Automatisierung in vielen Jobs einen bedeutenden Fortschritt gemacht haben, was je nach Branche und Tätigkeit im Extremfall bis zum kompletten Ersatz einer menschlichen Arbeitskraft führte. Diese Entwicklung ist zwar schon seit längerem im Gange und wird auch unabhängig von der Pandemie weiterlaufen, jedoch kann vermutet werden, dass die Umstände und Maßnahmen der Pandemie zu einem gewaltigen Digitalisierungsschub geführt haben.
Die individuellen Veränderungen, besonders für die Menschen, die von Arbeitslosigkeit oder längerer Kurzarbeit betroffen sind, sind zwar schwer in Worte zu fassen, jedoch lässt sich nicht nur österreichweit, sondern weltweit zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten wieder ein Anstieg der Armut beobachten, was als Indiz dafür betrachtet werden kann, dass die Pandemie die Ungleichheit wiederum verschärft hat (Agenda Austria, 2021).
Eine hohe Arbeitslosigkeit hat gravierende Folgen für die gesamte Volkswirtschaft. Zwar steigen die Kosten für die Auszahlung von Arbeitslosengeldern, aber gleichzeitig sinkt die Konsumnachfrage deren BezieherInnen, wodurch sie weniger Geld an den Staat durch indirekte Steuern zurückzahlen. So sinkt di Nachfrage und mit ihr das Angebot. Um eine hohe Arbeitslosigkeit finanziell tragen zu können, kann auch das Einführen höherer Steuern für Unternehmen notwendig sein, die durch die erhöhten Kosten infolgedessen noch weniger bereit sind, neue Arbeitskräfte einzustellen. Das Resultat ist eine Abwärtsspirale, die den Stand der Volkswirtschaft immer weiter verschlechtert (Lehrer, 2018).
Ein weiterer Faktor, der bedenkenswert ist, ist die Zunahme der Kriminalität und besonders der Schattenwirtschaft bei Arbeitslosigkeit (Keppeler, 2017). Diese lässt sich unter Anderem auf die hohen Lohnkosten bei einem Anstellungsverhältnis zurückführen, welche mit zu der Arbeitslosigkeit geführt hat. Generell ist bei an Bedingungen geknüpften Sozialtransfers ein Hang zur Schattenwirtschaft zu vermuten, da die materielle und finanzielle Deprivation Kriminalität begünstigt (Lehrer, 2018) und ein kleiner Zuverdienst eine partielle oder vollständige Kürzung der Sozialtransfers auslösen würde. Somit ist es für die BezieherInnen von Arbeitslosengeld verlockend, eine Nebentätigkeit auf dem Schwarzmarkt zu verrichten, um das Arbeitslosengeld aufzubessern und nicht den Anspruch darauf zu verlieren. Eine florierende Schattenwirtschaft ist für die Volkswirtschaft insofern ein großes Problem, da ihm bei all diesen Tätigkeiten Steuereinnahmen entgehen.
Abgesehen von diesen und vielen weiteren wirtschaftlichen Folgen für das Kollektiv und/oder die arbeitslose Person selbst, wirkt sich dieser Umstand auf einige weitere Lebensbereiche aus. Zu den schwerwiegendsten persönlichen Folgen gehören die drastische Abnahme von Gesundheit und Lebenszufriedenheit bei Arbeitslosigkeit. Zudem ist deutlich, dass sich der subjektive Gesundheitszustand mit steigendem Einkommen verbessert (STATISTIK AUSTRIA, 2020, S. 84f). Dieser Aspekt betont die Relevanz finanzieller Absicherung und deren vielschichtige Auswirkungen, die nicht nur von persönlicher Bedeutung sind, sondern gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung auch für den Staat an sich ein wichtiges Thema, welches mit potentiell hohen Ausgaben verbunden ist, darstellt. Zudem kommen Forschungen zu der Erkenntnis, dass Arbeitslosigkeit mit einer Schwächung und Ausdünnung der sozialen Beziehungen einhergeht, was nicht nur die weitere Arbeitssuche erschwert, sondern auch psychische Belastungen mit sich bringt (Fink, Titelbach, & Mürzl, 2018, S. 5).
Das Arbeitslosengeld wird in Österreich grundsätzlich für 30 Wochen ausbezahlt, wobei Verlängerungen auf bis zu 52 Wochen möglich sind, und beträgt 55% des zuvor vorhandenen Bruttoeinkommens (AMS, 2021). Bei einem Durchschnittseinkommen von 2400€ brutto (Arbeiterkammer, 2018) würde dies ein Arbeitslosengeld in der Höhe von 1090€ ergeben. Beim kollektivvertraglich geregelten Mindestgehalt von 1500€ brutto (AMS, 2021) ergibt dies eine Bezugshöhe von 828€. Nach Ablauf des Anspruchs auf Arbeitslosengeld kann die Notstandshilfe beantragt werden, wobei diese grundsätzlich bei bis zu 909€ im Monat liegt (AMS, 2021). Auf die „häufig gestellte Frage“, wie man mit so niedrigen Beträgen leben soll, antwortet das AMS auf der eigenen Homepage, dass die Höhe gesetzlich geregelt ist und man bemüht sei, den Arbeitslosen eine Beschäftigung zu vermitteln (AMS, 2021). Das Arbeitslosengeld in Österreich mindert zwar die finanzielle Deprivation der Betroffenen, jedoch stellt es keine zwangsläufige Absicherung gegen Armutsgefährdung dar, was besonders bei Langzeitarbeitslosen zu beobachten ist (Fink, Titelbach, & Mürzl, 2018, S. 4).
Insgesamt betrugen die Staatskosten für das Arbeitslosengeld im Jahr 2019 (bewusst vor der Corona-Pandemie) mehr als 6 Millionen Euro pro Jahr, was in etwa 5% der 17
Gesamtsozialausgaben ausmachte (STATISTIK AUSTRIA, 2020). Zusätzlich sollte in die Rechnung einfließen, dass der Verwaltungsaufwand hinter dem Konzept des Arbeitslosengeldes und anderen Sozialtransfers in Österreich mehr als 5000 MitarbeiterInnen stehen (Herndler, 2019), die dem Staat weitere implizite Kosten verursachen.
Bevor die Ergebnisse aus praktischen Studien und Experimenten wie dem in Finnland analysiert und in den österreichischen Kontext verortet werden können, gilt es, das Bedingungslose Grundeinkommen in seinen theoretischen Grundzügen zu betrachten.
Die Grundidee für das Bedingungslose Grundeinkommen basiert auf der Tatsache, dass der technologische Fortschritt sowie die zunehmende Digitalisierung auch Einfluss auf den Arbeitsmarkt hat und immer stärker haben wird. Immer mehr Tätigkeiten werden langfristig von Maschinen übernommen, die im Gegensatz zum Menschen genauer, rund um die verfügbar und nie in Krankenstand oder auf Urlaub sind. Zwar entstehen auch einige ganz neue Jobs, jedoch wird vermutet, dass langfristig sehr viele Menschen ihre Arbeit verlieren und keine neue finden werden. Zwar können die Technologisierung und Digitalisierung von gewissen Tätigkeiten definitiv als Fortschritt gefeiert werden, jedoch verstärken sie den bereits bestehenden Mangel an offenen Arbeitsplätzen für Arbeitssuchende langfristig weiterhin. Gleichzeitig gibt es andere Berufe, die unersetzbar und systemrelevant sind, und gleichzeitig, aber niedrig entlohnt werden, wie Jobs in der Pflege Reinigung, Erziehung, Gastronomie oder auch in der Abfallentsorgung. Zwar gibt es staatliche Transferleistungen wie das Arbeitslosengeld oder auch die Mindestsicherung, jedoch wäre eine einheitliche Leistung sinnvoller, um das Leben aller Menschen in gleichem Maße abzusichern. Diese Ausgangssituation zeigt, dass eine Veränderung in den bislang üblichen Beschäftigungskonzepten notwendig ist, um keine weiteren gesellschaftlichen Dysbalancen und Probleme zu schüren.
Eine international einheitliche Definition eines Grundeinkommens gibt es bislang nicht, sodass es auch in der Diskussion von Literatur und Experimentalstudien zu möglichen Fehlschlüssen kommen kann, sofern nicht genau darauf geachtet wird, dass von den gleichen Rahmenbedingungen und Vorstellungen eines Grundeinkommens gesprochen wird. So gehen Hoynes und Rothstein (2019) von folgenden drei Kriterien für ein Grundeinkommen aus:
- Ist existenzsichernd
- Endet nicht, oder nur in einem langsamen Übergang, wenn man ein zusätzliches Einkommen generiert
- Wird ein „einen großen Teil der Bevölkerung“ ausgezahlt.
Für den österreichischen Kontext hat attac Österreich (2019) folgende vier Grundprinzipien formuliert:
- Bedingungslos
- Allgemein
- Personenbezogen
- Existenz- und teilhabesichernd
Anhand dieser beiden Definitionen erkennt man, dass die Auffassungen eines Grundeinkommens sehr unterschiedlich ausfallen können, was auch die theoretischen und experimentellen Auseinandersetzungen damit beeinflussen kann, sodass immer der Kontext Mitbeachtung finden muss.
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist laut der Definition für Österreich von attac (2019) also eine monatliche Zahlung an jeden Einwohner eines Landes, welches weder an Voraussetzungen noch an Leistungen wie Arbeit geknüpft ist und auch keine Bedürftigkeitsprüfung der BezieherInnen vornimmt. Jede und jeder im jeweiligen Land Lebende hat also Anspruch darauf und kann diesen auch nicht verlieren. Die Höhe der Zahlung schwankt in den Modellen von Land zu Land, da sie über der nationalen Armutsgrenze liegen muss. In Österreich wäre ein Betrag von 1000€ angedacht (Herndler, 2019). Ob man sich mit diesem Betrag zufriedengibt oder noch zusätzlich einer Erwerbstätigkeit nachgeht, um Geld dazuzuverdienen, ist jedem selbst überlassen. Zu beachten gilt, dass Sozialleistungen, wie Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe und auch die staatliche Pension wegfallen. Das bedeutet, jeder Mensch wäre selbst für seine finanzielle Vorsorge verantwortlich.
Die Frage der Finanzierung wird in der Diskussion um das Grundeinkommen immer wieder gestellt. Zwar muss die Finanzierung im Detail länderspezifisch betrachtet werden (siehe Kapitel 4.3.1 Höhe und Finanzierung eines Bedingungslosen Grundeinkommens in Österreich), jedoch gibt es Grundzüge, die international ähnlich sind.
Staatenübergreifend gleich ist, dass ein Grundeinkommen enorm hohe Kosten mit sich bringen würde. Summen in Milliardenhöhe wirken im ersten Moment abschreckend, jedoch wird häufig vergessen, dass ein Teil des Grundeinkommens selbstfinanzierend ist. Sofern das Grundeinkommen zur Berechnung der Steuerbasis zählt, fließt ein Teil davon automatisch durch erhöhte Steuereinnahmen aus dem Arbeitseinkommen direkt an den Staat zurück und weitere große Teile werden durch Steuereinnahmen aus der Konsumation an den Staat zurückgezahlt. Ein weiterer Teil würde durch die reine Umverteilung von momentan gewährten Sozialleistungen finanziert werden. Und auch die Reststumme könnte durch Umverteilung erbracht werden: wenn Vermögen, Erbschaften und hohe Einkommen sowie Kapitalerträge und Finanztransaktionen höher besteuert werden würden und stärker gegen Steuerprivilegien sowie Steuerhinterziehung vorgegangen werden würde, wäre die Finanzierung des Grundeinkommens im Sinne der Gerechtigkeit möglich (attac Österreich, 2019, S. 12).
Da das BGE zur Berechnung der Steuerbasis zählt, fließt ein Teil durch erhöhte Steuereinahmen aus den Besteuerung von Vermögen und hohen Einkommen - Besteuerung von Kapitalerträgen und Finanztransaktionen - Wegfall von Steuerprivilegien von (internationalen) Unternehmen.
Befürworter des Grundeinkommens erklären, dass es langfristig viel teurer wäre, kein Grundeinkommen zu etablieren. Aktuelle Problematiken wie die steigende Arbeitslosigkeit und der Wegfall von Kaufkraft bei immer mehr Betroffenen würden sich verstärken, genau wie die Tatsache, dass die Superreichen ihr Geld nicht ausgeben, sondern es hauptsächlich zur Vermehrung horten (attac Österreich, 2019, S. 10). Durch die Vertiefung der Kluft zwischen reich und arm könnten soziale Unruhen oder eine erhöhte Kriminalitätsrate entstehen, die der Gesellschaft nicht nur schaden, sondern demnach für den Staat auch hohe Kosten bedeuten.
In der Diskussion um das Bedingungslose Grundeinkommen werden unterschiedliche Dimensionen angesprochen, in denen Veränderungen erwartet werden. Diese berufen sich jedoch hauptsächlich auf theoretische Erarbeitung oder Berechnung, da nur wenige und wenn kleinmaßstäbliche Praxiserfahrungen vorliegen.
Im österreichischen Kontext wird häufig ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der Höhe von 1000€ fiktiv diskutiert. Dieses liegt somit über der Notstandshilfe (AMS, 2021), weswegen es als Fortschritt im Kampf gegen die Armut gesehen werden kann. Zudem ist seine Bedingungslosigkeit, sprich die Möglichkeit, Geld wenn auch nur in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen dazuzuverdienen, eine Verbesserung im Vergleich zum aktuellen System. Zudem ist das Wegfallen von Antrags- und Amtswegen eine große Bereicherung, die dafür sorgt, dass tatsächlich jeder Mensch niederschwelligen Anspruch darauf hat.
Auf die großen und bekannten Verteilungsprobleme des Einkommens und Vermögens hätte ein Grundeinkommen wohl nur geringe Auswirkungen, da die Diskrepanzen zwischen den Armen und Reichen erstmal nicht geschlossen werden würden. Je nach Art und Quelle der Finanzierung könnten sich jedoch Folgeeffekte einstellen. Beispielsweise würde die Kluft zwischen arm und reich schrumpfen, wenn zur Finanzierung des Grundeinkommens neue Erbschafts- und Vermögenssteuern eingeführt werden würden, was in mehreren Modellen wie bereits beschrieben angedacht wird.
Ein aktuelles Problem, welches die ungleiche Verteilung von Vermögen befeuert, ist die JobPolarization. Dieses Phänomen besagt, dass die Beschäftigung in sehr hoch sowie sehr niedrig bezahlen Jobs immer weiterwächst, während die Beschäftigung im Mittelfeld der Lohnhöhe stagniert oder gar zurück geht. Diese Beobachtung, die man hauptsächlich in Städten, aber immer mehr in allen Teilen von industriell fortgeschrittenen Ländern macht, führt auf Dauer zu immer stärker ungleich verteiltem Einkommen und letztlich auch Vermögen, was mit einem Ungleichgewicht der Machtverhältnisse und einer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Spaltung der Bevölkerung einhergeht (Dauth, 2014, S. 5ff.).
Da die Auswirkungen der Corona-Pandemie sämtliche Statistiken des Arbeitsmarktes in extremer Form beeinflussen, die nicht langfristig so bestehen wird, empfiehlt sich in diesem Zusammenhang auch eine Betrachtung der Daten, die vor der Pandemie festgehalten wurden.
Die Arbeitslosigkeit laut nationaler Definition betrug im Jänner 2020 ungefähr 8,6%, was etwa 421.000 Menschen entsprach. Dem gegenüber standen zum selben Zeitpunkt knapp 71.000 offene Stellen beim AMS zur Verfügung. Ein Jahr später - im Jänner 2021 - waren mit einem Prozentsatz von 11,4% etwa 535.000 Menschen arbeitslos, wobei gleichzeitig auch nur mehr 58.000 freie Stellen zur Verfügung standen (AMS Österreich, 2021). Zwar ist diese Corona- bedingte Extremsituation nicht zwingend für einen langfristigen Vergleich geeignet, jedoch wird bei Betrachtung beider Datensituationen klar, dass zu jedem Zeitpunkt ein viel kleineres Angebot an offenen Stellen im Vergleich zu den potentiellen Arbeitskräften herrscht. Laut statistischer Rechnung kamen im Jänner 2020 also fast 6 BewerberInnen auf eine Stelle und im Jänner 2021 etwas mehr als 9.
Ein bestimmtes Phänomen, das in gewissen Branchen eine große Rolle spielt, ist die saisonale Arbeitslosigkeit. Besonders im Baugewerbe oder im Tourismus ist es für viele Arbeitskräfte üblich, eine gewisse Zeit des Jahres keinen Job zu haben. In dieser Zeit beziehen die Menschen meist Arbeitslosengeld, denn nur wenige finden für diese kurzen Zeiträume eine alternative Beschäftigung. Auch sind die häufig betroffenen Branchen von einem eher niedrigen Einkommen geprägt, weswegen häufig vermutlich auch nur wenig für diese Zeit angespart werden kann. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde die Menschen auch in dieser Zeit eine finanzielle Absicherung verschaffen.
In Kreisen der BefürworterInnen eines Grundeinkommens wird vermutet, dass sich die Qualität der geleisteten Arbeit verbessern würde, weil arbeitssuchende Menschen weniger unter Druck stehen und somit auf eine wirklich gut geeignete Arbeitsstelle warten können und nicht aus Verzweiflung das erstaufkommende Angebot annehmen müssen. Da durch die garantierte Sicherung der Lebensexistenz auch das Risiko bei selbstständiger Arbeit sinkt, kann von einer Zunahme der Unternehmensgründungen ausgegangen werden. Diese könnte entweder neben der herkömmlichen Arbeit im Angestelltenverhältnis stattfinden, oder diese gar ersetzen.
Die Auswirkungen des Bedingungslosen Grundeinkommens auf die Beschäftigung in der Theorie werden in Kapitel 2.4.3 anhand der neoklassischen Arbeitsmarktökonomie weiter erläutert.
Des Weiteren werden viele andere positive Effekte in diversen Lebens- und Gesellschaftsbereichen vermutet. Dazu gehören einerseits gesundheitliche Verbesserungen auf physischer und psychischer Ebene sowie eine Steigerung der Lebenszufriedenheit aufgrund der verbesserten Work-Life-Balance und den verminderten Geldsorgen und Existenzängsten. Da finanzielle Armut häufig ein Antriebsfaktor für kriminelle Tätigkeiten aller Art ist, kann auch ein Rückgang der Kriminalität vermutet werden, unter anderem einen Rückgang der Schattenwirtschaft. Durch die zeitliche und persönliche Freiheit, die das Grundeinkommen jedem Menschen gewähren würde, könnte auch wieder mehr Zeit in ehrenamtliche Tätigkeit sowie in die unentgeltliche Pflege von Angehörigen und Erziehung sowie Betreuung von Kindern aufgewendet werden. Dies sind Tätigkeiten, die zwar auch jetzt schon ausgeführt werden, jedoch in keiner ökonomischen oder arbeitspolitischen Statistik angeführt werden können, obgleich sie gesellschaftlich von höchster Relevanz sind. Andere Theorien gehen auch davon aus, dass sich der Konsum von qualitativ hochwertigen Produkten wie beispielsweise regionalen Bio-Lebensmitteln steigern würde, was letztendlich auch der Umwelt zugutekommen würde.
Von den Gegnern des Grundeinkommens werden unterschiedliche Argumente präsentiert, die Aspekte einer volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schädigung zeigen.
Neben dem Wegfall der aktuellen Sozialleistungen wären für die Finanzierung auch Erhöhungen der Unternehmenssteuern sowie der Mehrwertsteuer notwendig. Zusätzlich könnte der Staat gezwungen sein, in anderen Bereichen Einsparungen vorzunehmen: zum Beispiel bei der Bildung, der Sicherheit oder der medizinischen Versorgung. Höhere Steuern und die zuvor erwähnten höheren Löhne würden jedoch auch zu höheren Preisen führen, sodass der Wert des zusätzlich ausbezahlten Geldes sinken würde. Experten vermuten besonders hohe Preissteigerungen am Wohnungsmarkt im städtischen Bereich, da viele Menschen sich dann ein Leben in der Stadt ermöglichen möchten (Herndler, 2019). Zudem müssten gewisse Leistungen, die aktuell vom Staat aus Steuergeldern finanziert werden, dann privat bezahlt werden, da Einsparungen in den Bereichen Bildung, Infrastruktur oder Gesundheit notwendig wären. Durch diese neu entstandenen Kosten würde das Grundeinkommen an realem Mehrwert verlieren. Zudem könnten hohe Einsparungen und somit eine Privatisierung in sensiblen Bereichen wie der medizinischen Versorgung letztendlich zu einer Verstärkung von Ungleichheiten und Qualitätsverlusten in der Versorgung führen.
Auch ÖkonomInnen, die sich mit der neuklassischen Arbeitsmarkt-Theorie beschäftigen, kommen zu dem Schluss, dass die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens zu einer Erhöhung der Löhne führen müsste, um das Interesse der Menschen an Arbeit weiterhin hoch zu halten (S.37ff). Diese Lohnerhöhungen führen in der Konsequenz zu höheren Preisen und somit einer Inflation. Diese würde je nach Höhe das „mehr“ an Einkommen durch das Grundeinkommen wieder relativieren.
Durch die Erhöhung der Löhne und Preise wäre letztendlich auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der nationalen Wirtschaftstreibenden geschwächt, da man nicht mehr mit dem Preisniveau anderer Länder mithalten kann. Es ist jedoch schwer einzuschätzen, wie groß dieser Effekt und seine Folgen sein könnten. Zudem kann vermutet werden, dass dieser Effekt nur dann zu tragen kommt, wenn das jeweilige Land das einzige ist, das ein solches Grundeinkommen einführt. Würden mehrere Länder, beispielsweise die gesamte EU ein derartiges Modell durchsetzen, käme es vermutlich innerhalb dieser Länder zu keinen Verschiebungen hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit. Auch wäre eine höhere Besteuerung des Faktors „Arbeit“ notwendig, was Österreich als Wirtschaftsstandort für ausländische Unternehmen unattraktiv machen könnte, sofern das Grundeinkommen nicht staatenübergreifend eingeführt wird.
Um die tatsächlichen Effekte eines Bedingungslosen Grundeinkommens auf die Beschäftigung in einem Land einschätzen zu können, kann die arbeitsmarktökonomische Theorie der Neoklassik herangezogen werden, wie sie von diversen Ökonomen, unter Anderem George Borjas, 2013, erklärt wird.
Die Arbeitsmarktökonomische Theorie geht davon aus, dass jeder (arbeitsfähige) Mensch vor der Entscheidung steht, wie viele Stunden seiner Woche er Freizeit haben möchte und wie viele Stunden er Arbeit verrichten möchte, um Geld zu bekommen, welches er anschließend für Konsum nutzen kann. Dabei wird angenommen, dass jeder Mensch danach strebt, Freizeit und Arbeit in das gewisse Verhältnis zu setzen, mit dem er persönlich die höchste Zufriedenheit generieren kann (Borjas, 2013, S. S.33).
Dabei besteht das Geld, da für den Konsum ausgegeben werden kann einerseits aus dem Einkommen, welches man als Entschädigung für die geleisteten Arbeitsstunden erhält, aber andererseits auch aus Nichterwerbseinkommen, sozusagen passives Einkommen. In diese Kategorie würde demnach auch das Bedingungslose Grundeinkommen fallen. Jede zusätzliche Arbeitsstunde, die man von seiner Freizeit hergibt, generiert zusätzliches Einkommen, welches für Konsumgüter verwendet werden kann (siehe Abbildung 1). Dabei ist es selbstverständlich, dass die Höhe der Löhne ein sehr wichtig Faktor ist, wenn sich jemand entscheidet, ob er eine weitere Stunde arbeiten oder Freizeit haben möchte (Borjas, 2013, S.32).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Punkt E in der Funktion in der Abbildung 1 würde die Situation beim Erhalt eines Bedingungslosen Grundeinkommens ohne zusätzlicher Arbeit zeigen. Man würde T Stunden Freizeit, also die maximal mögliche Gesamtzeit, genießen, während man das Einkommen V erhält. Für jede zusätzliche Arbeitsstunde würde sich das Budget vergrößern, und zwar um den Lohn w pro geleisteter Arbeitsstunde. Von diesem Punkt an geht die „Budget Line“ linear nach oben, abhängig davon, wie viele Stunden der Freizeit man für die Arbeit aufopfert.
Die Frage, die man sich beim Gedanken an ein Bedingungsloses Grundeinkommen unbedingt stellen muss, ist, inwiefern dessen Einführung einen Effekt auf die Beschäftigung der Menschen haben würde. Anhand der Arbeitsmarktökonomischen Theorie lässt sich folgendes feststellen:
(1) Wenn das Nichterwerbseinkommen steigt, reduziert sich die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, was man auch als den Einkommenseffekt bezeichnet (Borjas, 2013, S. 35) (siehe Abbildung 2).
(2) Gleichzeitig verringert sich bei arbeitslosen Menschen dadurch die Bereitschaft, in den Arbeitsmarkt einzutreten (Borjas, 2013, S.40ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dabei ist es auch wichtig anzumerken, dass sich ein Bedingungsloses Grundeinkommen anders verhält als Sozialleistungen, die sehr wohl Bedingungen mit sich tragen. Ein Arbeitslosengeld oder andere Sozialtransfers, die an ein geringes oder nicht vorhandenes Einkommen gekoppelt sind, führen zu einem signifikanten Rückgang der Bereitschaft Arbeit aufzunehmen und werden daher als „Arbeitshemmnisse“ bezeichnet (Borjas, 2013, S.40). Dies liegt daran, dass ohne Beschäftigung die volle Zeit als Freizeit genutzt werden kann und gleichzeitig ein Nichterwerbseinkommen vorliegt. Würde man eine Beschäftigung starten, würde sich die Freizeit verringern du das Nichterwerbseinkommen fällt weg. Somit wäre eine Vielzahl an Arbeitsstunden nötig, um auf das selbe Einkommenslevel zu kommen, wobei aber gleichzeitig die Freizeit darunter leidet. Ein Bedingungsloses Grundeinkommen würde jedoch bei Aufnahme einer Beschäftigung nicht wegfallen - somit kann dieses nicht automatisch als Arbeitshemmnis eingestuft werden.
Zusammenfassend kann in Hinblick auf die Arbeitsmarkttheorie vermutet werden, dass die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens zu einer Reduktion der Arbeitsstunden bei einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis führen würde beziehungsweise die Bereitschaft zur Aufnahme einer neuen Beschäftigung reduzieren würde, wobei anzumerken ist, dass das Ausmaß dieser Effekte nicht realistisch geschätzt werden kann. Unbeachtet sind dabei außerdem die individuellen Präferenzen der Menschen. Da es einen sehr großen Einfluss haben kann, ob ein Mensch seine Arbeit unabhängig vom Lohn gerne ausrichtet oder nicht oder wie viel Wert er auf Freizeit legt aber auch wie viel Wert er auf Konsum legt, und diese Variablen in der ökonomischen Forschung nicht berücksichtigt werden können, sind diese Ergebnisse kritisch zu betrachten. Außerdem hat auch bei Vorhandensein eines Grundeinkommens die Höhe der Löhne einen großen Einfluss darauf, ob und wie viel Menschen arbeiten möchten.
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