Bachelorarbeit, 2019
65 Seiten, Note: 1,5
1 Einleitung
2 Klärung der Begrifflichkeiten Kunstpädagogik und Kunstvermittlung
2.1 Was ist Kunstpädagogik?
2.2 Was ist Kunstvermittlung?
2.3 Verschiedene Methoden der Kunstvermittlung
3 Klärung der Begrifflichkeit ästhetische Bildung
3.1 Ästhetische Bildung in der Kita
3.2 Ästhetische Bildung nach den Bildungsgrundsätzen NRW
4 Forschungsablauf
4.1 Forschung
4.2 Konstruktion des Fragebogens
4.3 Kontaktierung der Befragten
5 Auswertungsverfahren
5.1 Auswertung der Fragebögen
5.2 Bestimmung des Ausgangsmaterials
5.3 Fragestellung der Analyse
6 Ergebnisse der Forschung
6.1 Qualitative Inhaltsanalyse nach Heinze
6.2 Qualitative Inhaltsanalyse des Fragebogens 1 Kita R (privat)
6.3 Interpretation des Fragebogens 1 Kita R
6.4 Verbindungen von Aussagen des Fragebogen 1 Kita R und der Theorie
6.5 Qualitative Inhaltsangabe des Fragebogens 2 Kita B (kirchlich)
6.6 Interpretation des Fragebogens 2 Kita B
6.7 Verbindungen von Aussagen des Fragebogen 2 Kita B und der Theorie
6.8 Qualitative Inhaltsanalyse des Fragebogens 3 Kita K (städtisch)
6.9 Interpretation des Fragebogen 3 Kita K
6.10 Verbindungen von Aussagen des Fragebogen 3 Kita K und der Theorie
6.11 Ergebnisse der drei Fragebögen
7 Diskussion
8 Schlusswort
9 Literaturverzeichnis
10 Anhang
10.1 Das Anschreiben
10.2 Datenschutzerklärung
10.3 Der Fragebogen
10.3.1 Fragebogen 1 Kita R (privat)
10.3.2 Fragebogen 2 Kita B (kirchlich)
10.3.3 Fragebogen 3 Kita K (städtisch)
Für jeden einzelnen Menschen sind Kunst, Kultur und kulturelle Bildung wesentlich. Kulturelle Bildung bereits im Kindsalter eröffnet neue Welten, sie bietet die Möglichkeit der Auseinandersetzung mit sich selbst und mit der Kunst. Kulturelle Bildung ist eine, der Voraussetzungen, für die Entwicklung individueller Kreativität. Insbesondere ältere Kinder haben ein großes Interesse an der Erwachsenenwelt und dazu gehören auch Kunst, Kultur und Museen. In Kitas ist der ästhetische Bereich meist ein großer und wichtiger Teil der pädagogischen Arbeit. Viele Kindertagesstätten sehen dadurch die Vernetzung als wichtigen Teil ihrer pädagogischen Aufgaben an, um ihr Fachwissen mit speziell ausgebildeten Fachkräften bündeln zu können (vgl. Voigtländer 2011, S. 8f.). Durch den Kontakt zu professionellen Kunstpädagogen*innen/Museumspädagogen*innen/Künstlern*innen usw. können die Kinder und Erzieher und Erzieherinnen vom Fachwissen über Kunst und Kunstvermittlung profitieren.
In den Kitas ist der ästhetische Bereich ein großer und wichtiger Teil der pädagogischen Arbeit. Dabei geht die Vermittlung von Kunst durch Pädagogen und Pädagoginnen weit über Schablonenarbeit, Ausmalbilder und Schneiden lernen hinaus.
‚… irgendwie hat jeder Mensch, selbst der, der auch nur ein klein wenig Umgang mit der Kunst hat, mindestens eine ungefähre Vorstellung, eine allgemeine Idee, ob nun zutreffend oder abwegig, von dem, was Kunst ist oder sein könnte‘ (Regel 2008, S. 17). Auch für Kinder ist die Kunst sehr bedeutende Größe. Kunst ist dabei mehr als nur ein Spiel, sie schafft Geschichten, Kreativität und Erinnerungen (vgl. Trevarthen). Dabei sollen die Kinder die Möglichkeit und den Raum erhalten sich zu entwickeln und sich auf Bilder und Texte einlassen (vgl. Tricarico 2014). Auf Grund der Bedeutung der künstlerischen Entwicklung ist der musisch-ästhetische Bildungsbereich in den Bildungsgrundsätzen des Landes NRW fest verankert und gibt Pädagogen und Pädagoginnen Handlungsanstöße für diesen Bereich (vgl. 2016, S. 102ff.). Auf diesem Hintergrund wird die vorliegende Arbeit sich mit der Frage auseinandersetzen wie Kunst in der Kita im Ü3 Bereich vermittelt wird und werden kann. Somit beschäftigt sich die vorliegende Bachelorarbeit mit dem Thema ‚ Kunstvermittlung im Ü3-Bereich ‘.
Wodurch diese Bachelorarbeit insbesondere einen Blick auf die pädagogische Praxis werfen und herausfiltern soll, ob sich Pädagogen an der Theorie der ästhetischen Bildung in der Kita und den Bildungsgrundsätzen NRW oder sich an der Kunstpädagogik und Kunstvermittlung orientieren.
Beginnend wird sich die Bachelorarbeit zunächst allgemein mit dem Thema ‚Kunstpädagogik‘ und ‚Kunstvermittlung‘ auseinandersetzten. Im Anschluss wird die Theorie zur ästhetischen Bildung in Kitas und die Bildungsgrundsätze NRW unter besonderer Sicht auf den Bildungsbereich ‚musisch-ästhetische Bildung‘ betrachtet. Um die Frage ‚Wie wird Kunst in der Kita im Ü-3 Bereich vermittelt?‘ beantworten zu können, habe ich eine Forschung durchgeführt. Für die Forschung habe ich Bezug auf die verschiedenen behandelten Theorien genommen und so einen Fragebogen konzipiert und durch die qualitative Inhaltsanalyse nach Heinze ausgewertet. Abschließend werden die Theorien und Ergebnisse in der Diskussion zusammengeführt, diskutiert und reflektiert. Ein Schlusswort beendet die Bachelorarbeit.
‚Kunst und Pädagogik gehören nicht unbedingt zusammen. Sie müssen zusammengebracht werden…‘ (Pazzini 2005, S. 5). Aus diesem Grund werden die Begriffe und Theorien der Kunstpädagogik stetig neu diskutiert. In der Intensität der Diskussion und der Vielfalt der Ansätze lässt sich die Breite des Themas und die Dynamik der Kunstpädagogik erkennen, allerdings wünschen sich Fachleute mehr an einem Strang zu ziehen (vgl. Burkhardt 2017, S. 19). Kunstpädagogik ist der pädagogische Umgang mit Kunstwerken (vgl. Hofmann 2016, S. 8), doch mittlerweile hat sich die Kunstpädagogik nicht nur der Kunst, sondern auch allen kulturellen Bereichen, in denen bildnerische Gestaltung wichtig ist, geöffnet (vgl. Bering et al. 2017, S. 295). Hierbei zielt die Kunstpädagogik auf eine ganzheitliche Bildung des Menschen, dies bedeutet, dass nicht nur das fachlich-künstlerisches Können und Handwerk erstrebenswert sind, sondern auch die Bildung des Menschen in seiner eigenen Individualität und Kreativität (vgl. Jordan & Rettkowski-Felten 2011, S. 31). An Kindertagesstätten sollte deshalb kein ausschließlich formaler Kunstunterricht stattfinden, sondern eine interessengeleitete ästhetische-künstlerische Pädagogik gelebt werden (vgl. Brenne 2017, S. 159). Die Kunstpädagogik soll ästhetische Erfahrungen im Bildnerischen ermöglichen. Diese lassen sich produktiv durch das eigene Gestalten oder rezeptiv durch Kunstbetrachtung ermöglichen (vgl. Peez 2012, S. 25). Somit gilt es einen Spagat zu schaffen zwischen offenen Prozessen, also dem Entstehen und Experimentieren und der künstlerischen Projektarbeit und deren Welterkenntnis (vgl. Urlaß 2016, S. 69). Wesentlich dabei ist es, den Verarbeitungsprozess des Erlebten zu beachten um die künstlerischen Fertigkeiten von Kindern zu festigen (vgl. Selle 1988, S. 33). Nach Brenne unterliegt die Kunstpädagogik hierbei zwei Bezugsfeldern: der Aisthesis, also der allgemeinen Bildung der ästhetischen Erfahrungen der Menschen und der Ästhetik, der Begegnungen mit bildender Kunst, visuellen Alltagsstrukturen und verschiedener Medien (vgl. 2013/2012). Diese kunst- und/oder bildbezogenen Vermittlungsprozesse sind sehr wichtig für die Kunstpädagogik und können in unterschiedlichen Einrichtungen stattfinden, z.B. Schulen oder außerschulische Einrichtungen (vgl. Bering et al. 2017, S. 294). Die Kunstpädagogik sagt dabei, dass der Alltag, die Umwelterfahrungen und die Sozialisation nicht ausreichen, um im ausreichenden Maße tiefgehende ästhetische Erfahrungen und Bildungsprozesse zu erfahren (vgl. Kämpf-Jansen 2001, zit. n. Peez 2012, S. 27). Hierbei werden die pädagogischen Wirkungen vom Objekt aus organisiert (vgl. Hofmann 2012, S.325). So sollen Kunstpädagogen und Kunstpädagoginnen die künstlerische Bildung von der Eigenart des Kunstwerkes ausgestalten und aus diesem Kunst- und Werkverständnis sollen Konsequenzen für den Unterricht gezogen werden (vgl. Urlaß 2016, S. 69). Das Wahrnehmungsverhalten von Menschen wird nur mitgängig gebildet, wodurch es geschult und thematisiert werden sollte (vgl. Peez 2012, S. 27). So soll die Kunstpädagogik zu Denkprozessen über das Wesen der Kunst anregen und als Schnittstelle zu unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern wie der Kunstpraxis und Kunstwissenschaft dienen (vgl. Hornäk 2012, S. 444 f.). Zudem wird die emotionale Entwicklung genauso angesprochen wie sachliche Recherchen über künstlerische und geschichtliche Zusammenhänge (vgl. Urlaß 2016, S. 71). So macht jedes Kind individuelle und kulturelle Erfahrungen, abhängig von ihrem sozialen Umfeld und kommuniziert so auf ihre eigene bildnerische Weise mit sich selbst und seinen Mitmenschen. Um dies zu unterstützen und Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern, können Pädagogen und Pädagoginnen die Kinder kunstpädagogisch begleiten (vgl. Uhlig 2010, S. 31). Nach Schnurr werden ästhetische Erfahrungen nur gewonnen werden, wenn die folgenden Aspekte im kunstpädagogischen Handeln berücksichtigt wurden: 1. wenn ästhetischen Erfahrungen genug Zeit gegeben wird, 2. wenn sie eine Kontemplation enthält und 3. wenn sie sinnlich und ganzheitlich sind (vgl. Buddenberg 2017, S. 80f.).
Von großer Bedeutung ist da Bild in der Kunstpädagogik. In der bildorientierten Kunstpädagogik sind insbesondere Franz Billmayer und Gunter Otto die Vorreiter. Auf das Konzept von Gunter und Maria Otto ‚Auslegen‘ werde ich noch später in Kapitel 2 2.3 eingehen, denn dieses hat eine große Bedeutung für die weitere Arbeit und die Forschung hat. ‚Die kunstpädagogische Förderung richtet sich speziell auf die Ausbildung gestalterischer Fähigkeiten und den Erwerb von Bildkompetenzen‘ (Kirchner 2009, S. 9). Auch im Kunstunterricht steht das Bild im Mittelpunkt der fachspezifischen Kompetenzen, wodurch dieser Bereich zugleich von Entwicklung als auch von Einschränkung geprägt ist, denn dadurch könnten originelle Formate einer zeitgerechten Kunstpädagogik unterdrückt werden und deren Bildungspotenziale nicht genutzt werden (vgl. Eremjan 2017, S. 148 f.). Nach Billmayer sollen Kunsterzieher sich nicht nur der Kunst widmen, sondern sich speziell um Bilder kümmern (vgl. 1997). ‚Mit der Orientierung am Bild können wir Methoden und Sichtweisen entwickeln, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, Kompetenzen für die Medien- und Bilderwelt zu entwickeln‘ (Billmayer, S. 120).
Es gibt viele verschiedenen Arten von Bildern und wir sind stetig von diesen umgeben, z.B. im Fernsehen, Internet oder in Zeitschriften. Hierbei soll die bildorientierte Kunstpädagogik auf die vielen verschiedenen Bilder und auf ihre Variation, die in unserem alltäglichen Lebensumfeld auftauchen, vorbereiten. (Vgl. (Billmayer & Kettel 2013, S.166 )
Das Ziel der Kunstpädagogik ist es Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen ästhetische Erfahrungen zu ermöglichen, diese können rezeptiv und produktiv erlangt werden, d.h. in der Wahrnehmung ästhetischer Objekte und Phänomene im eigenen bildnerischen, musikalischen, dichterischem oder darstellerischem Gestalten. (Vgl. Peez 2013/2012)
Setzt man sich mit den Theorien der Kunstvermittlung auseinandersetzt ist dies erstmal keine leichte Aufgabe, denn die Kunstvermittlung besteht nicht aus einem Gesamtkonzept, sondern aus vielen verschiedenen Positionen (vgl. Sabisch et al. 2014, S. 5) In Fachkreisen wird diskutiert ob die Kunst überhaupt vermittelbar ist, schon 1993 sagte der Kunstpädagoge Hermann K. Ehmer, dass Erfahrungen (mit Kunst) nicht durch Vermittlung gelingen wird (vgl. Ehmer 1993 zit. n. Peez 2012, S. 24). Peez bezeichnet in seinem Buch die Kunstvermittlung als ‚blinden Fleck‘ der Kunstpädagogik (vgl. 2012, S.23) wodurch weiterhin die Anerkennung und die Legitimation für die Kunstvermittlung fehlt (vgl. Maset 2003, S. 33). Allerdings lässt sich die aktuelle Kunst dadurch charakterisieren, dass sie Kommunikations- und Informationsformen beinhaltet und sich dadurch automatisch auf einer Vermittlungsebene befindet (vgl. Maset, 2003, S. 32). Die Kunstvermittlung wird dabei nicht mehr als reine Serviceleistung gesehen, die für die Präsentation künstlerischer Werke zuständig und untergeordnet ist, sondern kann soft elber auch künstlerische Züge beinhalten (vgl. Maset 2003, S. 33). Für Mörsch bedeutet Kunstvermittlung Dritte einzuladen um Kunst zu analysieren, zu befragen, zu dekonstruieren und wenn notwendig auch zu verändern, so können alle Bildungspotenziale ausgeschöpft werden (vgl. 2009, S. 9). Pazzinis These zur Kunstvermittlung lautet:‘ Vermittlung ist Anwendung‘ (2003, S. 85) und ‚Ohne Anwendung keine Kunst‘ (ebd.). Womit Pazzini postuliert, dass Kunst in einem Prozess der Übersetzung entsteht (vgl. 2003, S. 86). Die Vertreter der Kunstvermittlung wenden verschiedene Methoden an, um die Kommunikation zwischen Kunst und Adressaten zu ermöglichen (vgl. Peez 2012, S. 24). Kunstvermittlung bedeutet also, sich über Kunst zu unterhalt, über Kunst nachzudenken und Informationen über ein Kunstwerk zu erhalten (vgl. Lessmann & Pöstges 2019, S. 6). Insbesondere der Kunstpädagoge Gert Selle betont die Wichtigkeit der künstlerischen Verarbeitung.
‚Künstlerische Verarbeitung vermittelt zwischen der im sicheren Wissen aufgehobenen Erfahrung und noch ungeklärten Erfahrungspotentialen, sie verbindet das Bekannte mit dem Unbekannten oder entdeckt das Unbekannte am scheinbar Bekannten, sie macht die Grenze zwischen dem Unbewußten und dem Bewußten durchlässig, sie treibt die Erfahrungsneugier an, sich über das bereits Erfahrene hinauswagen.‘ (Selle 1988, S. 30)
Diese Vermittlungsarbeit beschränkt sich nicht nur auf die bildende Kunst wie Grafiken, Malereien, Skulpturen, sondern deckt auch den Bereich Design (z.B. Umwelt- und Produktgestaltung), sowie die Architektur ab (vgl. Kirchner 2009, S. 118).
‚Bildnerisch-ästhetisches Denken und Handeln können zwar angeregt und quasi von außen beobachtet werden, aber letztlich ist das Kind darin autonom, ob und inwieweit es sich auf seine Umwelt sowie (kunst-)pädagogisch arrangierte Situationen einlässt‘ (Peez 2015, S. 11). Das Ziel der Kunstvermittlung ist die Adressaten, sowohl Kinder als auch Erwachsene, ihre Wahrnehmungen mit anderen Wahrnehmungen in Beziehung setzten, denn dann handeln die Adressaten nicht nur sinnlich, sondern ästhetisch (vgl. Peez 2012, S.27). Die Adressaten sollen ihre ästhetischen Praktiken erweitern, persönliche Themen bearbeiten und ihren eigenen Kunstbegriff entwickeln, hierbei helfen können Impulse von Peers, des Ortes und des/der Kunstpädagogen/Kunstpädagogin (vgl. Stern & Brenne 2017, S. 167). In der Kunstvermittlung wird das Gestalten als wichtig angesehen um ästhetische Erfahrungen zu gewinnen, verarbeiten und darzustellen (vgl. Selle 1988, S. 30). Die Kunstvermittler und Kunstvermittlerinnen stellen das künstlerische Denken und Handeln in den Vordergrund (vgl. Kettel 2018). Dabei steht nicht das entschlüsselte Bild an erster Stelle, sondern die Vielfalt der verschiedenen Dimensionen und die erlangten Erkenntnisse, die durch den Gesamtprozess entstanden sind (vgl. Uhlig & Wahner 2012, S. 5). Wenn sich die Kunstvermittlung nur auf visuelle Kompetenzen konzentrieren würde, würden die menschlichen Fähigkeiten im Wahrnehmungs- und Erkenntnisdimensionen eingeschränkt (vgl. Hallmann 2017, S. 86). Die Adressaten sollen sich auf das Fremde einlassen können, dies bedeutet für die Kunstvermittlung, dass die Adressaten ihren bewussten und kontrollierbaren Verstand ausschalten und dafür ihr Sinnesregister einschalten können (vgl. Hallmann 2016, S. 158).
Die Kunstvermittlung soll als Tätigkeit angesehen werden, die die ganze Persönlichkeit aktiviert und in Anspruch nimmt. Dabei sollen sinnlichen, spirituellen, emotionalen, rationalen, bewussten und unbewussten Bewusstseinsinhalte in einem schöpferischen Erlebnis verschmelzen und imaginative, gestalterische Kräfte entwickeln. (Vgl. Regel 2008, S. 315)
Die Kunstvermittlung findet am besten direkt mit dem Kunstwerk statt, durch eine pädagogische Gesprächsführung können durch das Betrachten und Benennen zu intensiven Kunsterlebnissen führen (vgl. Hofmann 2015, S. 27). Denn nur mit einer intensiven und anschaulichen Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk führt dazu, dass sich die Botschaft des Kunstwerks sich dem Betrachter offenbart (vgl. Regel 2008, S. 316).
Im Vordergrund unterschiedlicher Ansätze der Kunstvermittlung stehen oft Konzepte für die Museumspädagogik (vgl. Maset & Halmann 2017, Meyer-Eggenschwiler 2008). Ein Grund hierfür könnte sein, dass das Vermitteln von Kunst zu einer der vier Aufgaben von Museen gehört. Sie sollen Kunst sammeln, erläutern, referieren und institutionalisieren (vgl. Krempel 1994, S. 241). Hier haben Museumspädagogik und Kunstvermittlung ähnliche Aufgaben und Ziele. Dabei soll die Aneignung von Bildung und die Auseinandersetzung mit Kunstwerken ein ‚… absichtsvoll inszenierter Vorgang, der sich aktiv zwischen Subjekt (Kind) und Objekt abspielt…‘ (Weschenfelder & Zacharias 1981, S. 32) sein. Die Museumspädagogik ermöglicht den Kindern sich mit den Sammlungen und Ausstellungen auseinanderzusetzten (vgl. Winderlich 2012, S. 24). Die Vermittlungsarbeit fängt schon bei der Auswahl welches Ausstellungsstücks für einzelne Gruppe interessant sein kann an. So soll die Aufmerksamkeit zielorientiert gelenkt werden (vgl. Meyer-Eggenschwiler 2008, S. 7).
Carmen Mörsch unterscheidet vier Arten der Kunstvermittlung: dekonstruktive, transformative, affirmative und reproduktive Vermittlung. In der Vermittlungssituation sind meist mehrere Arten der Kunstvermittlung vertreten. Die affirmative Kunstvermittlung ist die weitverbreitetste Form der Kunstvermittlung, denn damit sind die Aufgaben des Museums gemeint: sammeln, erforschen, bewahren, ausstellen und vermitteln von Kulturgütern auch in der externen Kommunikation. Die Vermittlung wird bei dieser Methode in Form von Vorträgen, Begleitveranstaltungen, Führungen durchgeführt. Hier wird insbesondere das Interesse der Fachöffentlichkeit berücksichtigt. Die reproduktive Kunstvermittlung ist ebenfalls eine beliebte Form der Kunstvermittlung. Hier soll die Kunstvermittlung neues Publikum ansprechen und die neuen Adressaten an die Kunst heranführen. Dabei sollen Ausstellungshäuser und Museen die Kulturgüter gut zugänglich machen und Schwellenängste mindern. Hier sind vorherrschende Praktiken: Workshops für Kindergruppen, Fortbildungen oder Familienangebote. Die dekonstruktive Kunstvermittlung ist nicht so häufig anzutreffen. Bei diesem Ansatz sollen die Fachleute mit ihren Adressaten die Kunst und ihre Bildungsprozesse kritisch hinterfragen. Hier sind beliebte Praktiken: Interventionen von und mit Künstlern und Künstlerinnen und Kunstvermittler und Kunstvermittlerinnen. Die transformative Form der Kunstvermittlung ist ebenfalls selten zu finden. In dieser Methode soll die Ausstellungsinstitution erweitert werden und zur politischen und gesellschaftlichen Mitgestaltung anregen. Dabei werden keine neuen Gruppen adressiert. Das Museum soll sich als veränderbare Organisation sehen, dass an das lokale Umfeld anpasst. (Vgl. Mörsch 2009, S. 9 ff.)
Kunstvermittlung wird in Deutschland seit den 1990er als Fortsetzung von Kunst gesehen, hierbei ist ein zentraler Aspekt, dass es keine Unabschließbarkeit von Deutungsmustern im Umgang mit Kunstwerken gibt (vgl. Mörsch 2009, S. 20). Kunstvermittlung bezieht sich nicht mehr nur auf den Schulunterricht, sondern soll auch die allgemeine kulturelle Praxis mit Kindern ansprechen (vgl. Uhlig & Wahner 2012, S.1). Somit beschränkt sich die Vermittlung von Kunst nicht mehr auf die sprachliche Vermittlung. Hierbei können auch spielerische Zugänge als Erkenntnisstrategie der Kunstvermittlung genutzt werden (vgl. Herbold & Kirschenmann 2013/2012). Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die die Kinder während des spielerischen Handelns sammeln, führen zum Verstehen (vgl. ebd.). Lediglich das konkrete Vermitteln wird dabei als ‚Kunstvermittlung‘ bezeichnet, während die Gesamtsituation als pädagogische Kunstkommunikation bezeichnet werden soll (vgl. Hofmann 2016, S. 9).
Doch wie genau können Fachleute Kunstvermittlung kindgerecht gestalten?
Die Kunstvermittlung sollte nicht nur reproduktiv sein, sondern auch produktiv sein. Durch eine kritische Analyse und kreative Antworten können neue Aspekte hervorgebracht werden. (Vgl. Hallmann 2016, S. 158f.)
Brenne formuliert verschiedenen Ausgangspunkte, um alle Bildungspotenziale der Kunstvermittlung ausgeschöpft werden können (vgl. Brenne 2013, S. 24):
- eine offene und wertschätzende Lernumgebung schaffen
- gestaltbare und flexible räumliche Situationen gestalten
- eine jederzeit erweiterbare materielle Ausstattung
- thematische offene Lernsituationen
- eine gute fachliche Expertise der Lehrenden
- eine achtsame und moderierende Lernbegleitung
- Partizipationsmöglichkeiten der Kinder im Bereich der organisatorischen und inhaltlichen Gestaltung. (Vgl. Brenne 2013, S. 24)
Für eine kindgerechte Kunstvermittlung könnte eine performative Lernform geeignet sein, denn so können Kinder mit ihrem Körper und deren Raum und Material experimentieren (Lange 2013 zit. n. Hallmann 2016, S. 171). Die Kunstvermittlung an den Interessen der Kinder konzipiert werden (vgl. Brenne 2013, S. 16).
Der Prozess der performative Kunstvermittlung ist teilweise planbar. Wichtig ist hierbei in der Rolle des/der Kunstvermittlers/Kunstvermittlerin offen gegenüber dem Unvorhersehbaren zu sein und dadurch neue Wahrnehmungsmuster anzuwenden und wahrzunehmen. So sollen Wahrnehmungsmuster die Bedeutung von Welt auf den Kopf stellen und die gleichzeitig durch das Entstehen immer wieder neuer Wahrnehmungsmuster ehrfahrbar gemacht wird. (Vgl. Hallmann 2016, S. 171)
Wichtig ist auch die Kunstvermittlung partizipatorisch zu gestalten. Wenn die Kinder den Kunstunterricht mitgestalten dürfen, können sie dabei verschiedene Kompetenzen, wie die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen, erlernen und erhalten. Sie können bezogen auf Inhalte und Prozesse mitentscheiden. Diese partizipatorische Haltung soll sich ebenfalls auf den Lehrenden übertragen, da er sich so ernsthaft mit den Intentionen, Fragestellungen und Suchbewegungen der Kinder einlässt und diese fördert. Demnach kann Kunstunterricht so gestaltet werden wie Kunst ist: als ein zutiefst subjektiver Vorgang. (Vgl. Urlaß 2013, S. 25)
Eine partizipatorische Kunstvermittlung kann nur gelingen, wenn drei Bedingungen erfüllt werden. Diese sind (vgl. US 2013, S. 70 f.):
1. Frage/ Idee/ Bild
2. Dynamischer Prozessrahmen
3. Äußerung
Eine Frage/Idee/Bild ist die Hauptbedingung für einen partizipatorischen Prozess, denn dieser orientiert sich am Aufbau des weiteren Prozessrahmens. Für einen dynamischen Prozessrahmen werden Menschen benötigt. Hier sollte sich der Lehrende fragen: ‚Gibt es eine bestimmte Zielgruppe?‘ oder ‚Können sich alle Mitwirkenden beteiligen?‘. Des Weiteren ist die Kommunikation zu beachten. Hier ist wichtig, dass die Idee, die der Lehrende hat, zu kommunizieren und an Menschen vermittelt und weiter diskutiert wird. Des Weiteren benötigt die Idee/Frage oder das Bild für den Transfer und die Kommunikation Material, welches als Träger dient. Wichtig ist es für die Diskussion bereits anfangs einen Zeitrahmen festzulegen, der neben einem definierten Beginn durchaus ein Ende in der Unendlichkeit finden kann. Der letzte Punkt für den dynamischen Prozessrahmen ist die Verortung, diese hängt maßgeblich von der Idee/ Frage oder dem Bild selber ab. Unter dieser Bedingung, ist die Äußerung, die Sichtbarwerdung des Werkes in seiner Ganzheit gemeint. Also die Idee und der Prozess der sich realisiert hat. (Vgl. US 2013, S. 70f.)
Im Rahmen der praxisbezogenen Kunstvermittlung ist das Konzept von Gunter Otto und Maria Otto für die pädagogische Praxis besonders interessant. In ihrem Konzept wird der Umgang mit Bildern ‚Auslegen‘ genannt, damit ist sowohl der Prozesse des Entstehens eines Bildes, als auch das Bildverstehens gemeint (vgl.1987, S. 10). Beide Anteile werden als Produktion angesehen (vgl. Otto & Otto 1987, S. 20). In ihrem Konzept begrenzen sich die Autoren zwar auf den ästhetischen Lernbereich und somit eher auf die Schule und insbesondere auf Unterrichtsfächer wie Musik, Literatur und Kunst (vgl. Otto & Otto 1987, S. 16), allerdings lässt sich ihr Konzept auch gut für die Kindertagesstätte umwandeln. In dem Konzept wollen sie die Gesamtheit der Bildproduktion ansprechen, also sowohl die äußeren als auch inneren Bilder (vgl. ebd.). Zudem sollen während der Auslegungspraxis auch Theoriebezüge beachtet werden, dieser soll offen gestaltet werden und zum Weiterdenken anregen (vgl. Otto & Otto 1987, S. 17). Durch das Auslegen von Bildern sollen Verknüpfungen der Welt des Bildes zu der eigenen Lebenswelt durch Erfahrungen, Erinnerungen und Handlungen entstehen (vgl. Otto & Otto 1987, S. 20).
Das Auslegen von Bildern ist eine Handlung, welches in drei verschiedenen Formen ausgelebt werden kann: Machen, Sprechen und Sammeln. Allerdings kann dies nur gelingen, wenn das Wahrnehmen und Verstehen von Bildern zuvor erfolgt ist, denn die Wahrnehmung bedingt das Handeln. So darf man auf die Wahrnehmungsereignisse, die ein Bild mit sich bringt, hinweisen. Die Wahrnehmung ist Voraussetzung des Bildermachens, denn ohne wahrnehmen kann es keinen Lernprozess geben. (Vgl. Otto & Otto 1987, S. 24 ff.).
Die drei Auslegungshandlungen (vgl. Otto & Otto 1987, S. 24):
1. Bilder machen:
Der Begriff des Bildermachens soll den Prozess des Bildermachens in den Alltag zurückbringen und ihm etwas Selbstverständliches geben (vgl. Otto & Otto 1987, S. 27).
2. Über Bilder sprechen:
Ein wichtiger Punkt des Sprechens über Bilder, ist das verbalisieren der Wahrnehmungen und des Handelns. Hier kann es aufgrund subjektiver Sichtweisen der Betrachter zu vielen verschiedenen Wahrnehmungen und Meinungen kommen, Verbalisierung unterstützt das Bildverständnis, da so eigene Gedankengänge rezipiert werden. Hierbei ist wichtig alle Gedanken auf- und wahrzunehmen, denn das Erforschen, Befragen, Erinnern und Entdecken ist ein wichtiger und hilfreicher Bestandteil des weiteren Verlaufs des Auslegens. (Vgl. Otto & Otto 1987, S. 27 f.)
3. Bilder sammeln:
Sammeln soll bedeuten einen Auswahlgesichtspunkt zu wählen, diese gegenüberzustellen, zu vergleichen, zu unterscheiden und zu isolieren. Durch das Sammeln werden Grenzen durchbrochen, da im Prozess des Suchens die Grenzen zwischen den einzelnen Bildern aufgelöst werden. Hier soll das Sammeln als Anfang des Forschens gesehen werden. Denn das Sammeln hat zwei Funktionen. (Vgl. Otto & Otto 1987, S. 29)
1. Sie legt eine Richtung des möglichen Auslegens fest oder
2. Sie hilft Auslegungsrichtungen zu finden
Durch das Sammeln werden Assoziationsräume geschaffen. Dadurch wird das auszulegende Objekt mit inhaltlichen, subjektiven, historischen und regionalen Kontexten verbunden. Es ist also besonders wichtig eine gute Vorarbeit zu leisten, denn davon ist die Tiefe der Reflexion abhängig. (Vgl. Otto & Otto 1987, S. 29)
Das Ziel des Auslegungsprozesses soll das Verstehen sein (vgl. Otto & Otto 1987, S. 29). So ‚… daß das Verstehen sich nicht nur auf den Bildinhalt, sondern auf das Bild beziehen muß, auf die Art und Weise, wie Themen- oder Gegenstandszusammenhänge mit ästhetischen Mitteln Bild geworden sind‘ (Otto & Otto 1987, S. 29).
Kulturelle Bildung in der Kita soll ganzheitlich sein und alle Kinder unabhängig von ihrer Milieuzugehörigkeit, Alter, Interesse ansprechen. Kulturelle Bildung umfasst eine frühe und umfassende Allgemeinbildung, durch diese Bildung sollen Kinder insbesondere ihre Wahrnehmungs- und Gestaltungskompetenz stärken. Hier ist die ästhetische Bildung wichtig für sinnliche Wahrnehmungen, denn durch diese Lernprozesse entwickeln Kinder sich weiter und sollen Symbole und Zeichen einer Kultur und deren Tradition erstehen lernen. (Vgl. Reinwand-Weiss, 2013/2012a)
Schon 1795 schrieb Schiller, dass die ästhetische Erziehung bzw. Bildung das Zentrum der Erziehung und Bildung des Menschen sind, denn der Mensch kann nur da Mensch sein wo er sich ästhetisch verhält (vgl. Böhm et al. 2011, S. 408). Schon immer haben Menschen ihre Spuren bildnerisch hinterlassen (vgl. Keller 2009, S. 8). Dieses Bedürfnis haben Kinder ebenfalls, sie freuen sich ein Zeichen setzen zu können und ihre eigenen Spuren zu hinterlassen (vgl. ebd.). Das Wort Ästhetik stammt vom griechischen Wort ‚aisthesis‘ ab, und bedeutet: Sinn, Sinnesorgan, sinnliche Wahrnehmung (vgl. van Dieken 2010, S. 15). Ästhetik wird übersetzt mit ‚Lehre der Kunst‘ (vgl. Heyl & Schäfer 2016, S. 4). Die Pädagogik orientiert sich hier eher am griechischen Wort ‚aisthesis‘ (vgl. Peez 2015, S. 15), da die Sinne einen großen Stellenwert in der ästhetischen Bildung haben. Ästhetische Erfahrungen zeichnen sich dadurch aus, dass diese in einem Moment des Genießens und der Überraschung gemacht werden und somit besondere Aufmerksamkeit und Emotionalität erhalten und sich so von Alltagssituationen abgrenzen (Meis & Meis 2012 zit. n. Kuckerhermann 2015, S. 185). Nach Seel sind ästhetische Wahrnehmungen Aufmerksamkeiten für ein Spiel der Erscheinungen (vgl. 2007, S. 13). Die Fremdheit, die Andersheit und die Unverfügbarkeit nehmen dabei einen großen Stellenwert in der ästhetischen Bildung ein (vgl. Liebau 2013, S. 35).
In verschiedenen pädagogischen Ansätzen z.B. Montessoripädagogik, Reggio-Pädagogik oder Waldorfpädagogik haben die sinnlichen Erfahrungen einen wichtigen Stellenwert für die kindlichen Bildungsprozesse (vgl. Schäfer 2009, S.184). Sinnliche und körperliche Erfahrungen sollen in der pädagogischen Praxis als ästhetische Bildung angesehen werden (vgl. Winderlich 2010, S. 15).
Hierbei werden zwischen zwei Arten der sinnlichen Anteile unterschieden (vgl. Welsch 1993 zit. n. Peez 2015, S.15):
1. Sinneswahrnehmung nach außen
2. die Sinneswahrnehmung nach innen.
Unter äußerer Sinneswahrnehmung sind die Wahrnehmungen, die auf die Welt gerichtet sind wie z.B. Farben, Töne oder Gerüche gemeint. Diese Art der Wahrnehmung zielt somit auf objektivierende Feststellungen. Die Sinneswahrnehmungen die nach innen gerichtet sind zielen auf Empfindungen ab wie z.B. Gefühle, Lust oder Unlust. Diese Art der Empfindungen sind subjektive und individuelle Bewertungen. (Vgl. Welsch 1993 zit. n. Peez 2015, S. 15)
Ästhetische Bildung soll in der Kita nicht nur in den kulturellen Bereichen (Kunst, Musik) stattfinden, sondern sich überwiegend unbewusst in einem ästhetisch gestaltenden Alltag erstrecken (vgl. Schäfer 2009, S. 189). Dies ist wichtig, da für Kinder Ästhetik alltägliche Angelegenheiten sind (vgl. von der Beek et al. 2006, S. 51). Während es im Bereich Musik insbesondere um das Hören oder beim Sport um körperliche Wahrnehmung geht, soll die ästhetische Bildung diese Bildungsbereiche stützen, über diese hinausgehen und miteinander verbinden (vgl. Leutkart & Steiner 2017, S. 15). So muss sich die ästhetische Bildung nicht unbedingt ausschließlich mit Künsten beschäftigen (vgl. Reinwand-Weiss 2013/2012b). Ästhetische Bildung soll als ‚Lernen mit allen Sinnen‘ angesehen werden (vgl. Jordan & Rettkowski-Fetten 2011, S. 56). Das Konzept der ästhetischen Bildung entsteht aus einer Wechselwirkung zwischen Sinnes- und Leibeserfahrungen (vgl. Liebau 2013, S. 27). ‚Für eine ästhetische Bildung, wie man sie heute versteht, stehen also die umfassen- de Entwicklung, Differenzierung und Kultivierung des Wahrnehmungsvermögens im Mittelpunkt‘ (Leutkart & Steiner 2017, S. 15). Die ästhetische Bildung sollte nicht nur von außen gesteuert werden, da hinter Bildung auch immer die Selbstbildung steht (vgl. Dietrich et al. 2013, S. 26). Sie soll so als aktiver Prozess gesehen werden der vom Kind ausgeht (vgl. van Dieken 2010, S.16). Kindern müssen keine ästhetischen Zugangsweisen vermitteln werden, denn diese setzten sie durch ihre Begeisterung tagtäglich um (vgl. Peez 2015, S. 15). Die Aufgabe der Erzieher und Erzieherinnen ist es somit, sich an bereits vorhandenen kindlichen ästhetischen Handlungsdimensionen zu orientieren (vgl. Brenne 2012, S. 114), in denen das Kind seine geistigen Erfahrungen verarbeiten und sich sein Bild von der Welt erschließen kann (vgl. van Dieken 2010, S. 16). Auf diese Weise sollen Kinder lernen ihre sinnlichen Erfahrungen auf kreative Weise ausdrücken zu können (vgl. Leutkart & Steiner 2017, S. 15). Denn die Impulse, die ein Kind von außen erhält, sind wichtig für den Ablauf und den Erfolg der Lern- und Verarbeitungsprozesse (vgl. Biermann 2013, S. 46). In der Welt von Tönen, Farben, Klängen, Formen, Geschichten uvm. kann Kindern die Möglichkeit gegeben werden um sich mit der Welt und sich selbst auseinanderzusetzen (vgl. Liebau 2013 S. 35). Hierbei soll den Kindern genug Raum und Zeit gegeben werden um ihre sinnlichen Erlebnisse zu vertiefen (vgl. Leutkart & Steiner 2017, S. 15). Die primäre Frage in diesem Bildungsbereich sollte nicht sein wie man bestimmte Maltechniken vermittelt, sondern wie man ästhetische Bildungsprozesse unterstützen kann (vgl. Winderlich 2010, S. 15). Meist können die Kinder ihre ästhetischen Bedürfnisse in Ateliers, Werkstätten oder Laboren ausleben (vgl. Schäfer 2009, S. 184). Im pädagogischen Alltag sollen die spontanen Interessen der Kinder aufgenommen werden, hier soll der/die Erzieher/Erzieherin gemeinsam mit den Kindern die Welt umgestalten und dazu passendes Material zur Verfügung stellen (vgl. Thiesen 2010, S. 35). Das Material ist ein wichtiger Bestandteil für die ästhetische Bildung. So sollten die Materialien ,…verschiedene Sinneseindrücke zulassen und damit die Phantasie sowie das kreative Handeln des Kindes anstoßen (Leutkart & Steiner 2017, S. 18), somit ist das Hauptmerkmal der ästhetischen Bildung die Gestaltbarkeit und Veränderbarkeit (vgl. ebd.). Hierfür ist eine gute Beobachtung der Kinder ihrem Spiel und ihrer Interessen notwendig (vgl. Biermann 2013, S. 46). Des Weiteren sollen die pädagogischen Fachkräfte eine geeignete Lern- und Arbeitssituationen schaffen, in denen sie Kontexte aufgreifen und inszenieren (vgl. Peez 2015, S. 26). Dabei sollen die Erzieher und die Erzieherinnen die Vorstellungen und Werke der Kinder wertschätzen, unterstützen und weiterführen (vgl. Dreier 2017, S. 203). Gleichzeitig müssen der/die Erzieher/Erzieherin darauf achten, dass sie nicht zu viel vorgeben (vgl. Thiesen 2010, S. 35). Wichtig ist, dass der/die Erzieher/Erzieherinnen den Kindern viel zutrauen und ihnen genug Raum geben, um ihre eigenen Möglichkeiten zu erproben und kennen zu lernen (vgl. Cantzler 2009, S. 46). Um tiefgehende ästhetische Erfahrungen zu unterstützen ist es wichtig, dass die Erzieher/Erzieherinnen diese nicht nur anstoßen, sondern sich selber auf diese einzulassen (vgl. Leutkart & Steiner 2017, S. 33). Allerdings ist es auch wichtig, dass Spiel- und Lernimpulse behutsam gestaltet werden und die Umgebung klar gestaltet werden soll, um eine Überforderung seitens der Kinder zu verhindern (vgl. Biermann 2013, S. 46). Durch künstlerische Projekte soll die Neugier von Kindern, ihre Bereitschaft von Konstruktion von Welt zu erweitern, kreativ zu unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben gestalterische Ausdrucksformen darzustellen und zu kommunizieren (vgl. Braun 2008, S. 128). Ästhetische Erfahrungen sollen projekt- und werkstattorientiert im Alltag satt finden (vgl. Peez 2015, S. 26). Indem die Kinder neue Räume kennen lernen ungewöhnliche Experimente mit Materialien durchführen, werden Staunen und Überraschungen provoziert (vgl. ebd.). Das Ziel der ästhetischen Bildung soll sein: Offenheit für Neues, Unerwartetes und Mehrdeutiges bei Kindern zu entwickeln und zu fördern (vgl. ebd.).
Die ästhetische Bildung ist in der Reggio-Pädagogik hoch angesehen um die frühkindliche Bildung zu fördern. Auch hier sollen die Kinder nicht zwingend zur Kunst gebracht werden, sondern soll das kindliche Gestalten und die Vertiefung kindlicher Welterfahrung fördern. (Vgl. von der Beek 2006, S. 51)
Die musisch-ästhetische Bildung ist als fester Bildungsbereich in den Bildungsgrundsätzen NRW verankert. Dieser Bildungsbereich unterteilt sich in allgemeine Informationen und das Verständnis über diesen Bildungsbereich. Anschließend werden das Gestalten und Musizieren genauer betrachtet. Zum Schluss werden Anstöße zu Bildungsmöglichkeiten, Leitfragen zur Gestaltung dieses Bildungsbereichs und Ideen für Material und Settings gegeben.
Der musisch-ästhetische Bildungsbereich findet nicht nur im musisch-ästhetischen Bereichen statt, sondern soll alle Bereiche des alltäglichen Lebens ansprechen. Durch die aktive und kreative Auseinandersetzung mit der Umwelt sollen Kinder sinnliche Erfahrungen machen und zu neuen Wissen und Erkenntnissen über die Umwelt erhalten. Dieser Bildungsbereich soll somit insbesondere Wahrnehmungs-, Erkenntnis-, und Selbstbildungsprozesse fördern. Kinder lernen in ihren ersten Lebensjahren zunächst ausschließlich ihre eigenen Sinne kennen. So konstruieren sie sich Wirklichkeiten und Bilder der Welt und geben ihr eine Bedeutung. Dabei können Kinder auch an bereits vorhandene Verarbeitungsprozesse anknüpfen. Durch möglichst viele Bilder und Erfahrungen wird Kindern ein kreatives Denken und ein stetig erweiterndes Verständnis von Welt ermöglicht. Besonders große Bedeutung haben die vielen Sinneswahrnehmungen und Ausdrucksformen, die dieser Bildungsbereich mit sich bringt. Diese sollen Kinder insbesondere durch freies Spiel, Musik, Tanz. Gestalten, Bewegung, Rollenspiele und Singen erlagen. (Vgl. Bildungsgrundsätze NRW 2016, S. 102 f.)
Gestalten wird als Form des besonderen Spiels gesehen, jüngere Kinder unterscheiden kaum zwischen Gestalten und Spiel. Beim Gestalten erhalten Kinder die Chance viele verschiedenen Materialien, Stoffe und Medien zu nutzen und kennenzulernen. Durch das selbstständige Gestalten machen die Kinder positive Erfahrungen in ihrer Selbstwirksamkeit sowie in Entwicklungs- und Erfahrungsprozessen. Hierbei geht es nicht nur um das Gestalten von Produkten sondern auch um das Aneignen von inneren und äußeren Bildern. Diese Bilder sollen zur Konstruktion neuer Wirklichkeit beitragen. So eignen sich Kinder stetig ein neues Stückchen Welt an. Durch das Gestalten können Kinder Gefühle ausdrücken, Wahrgenommenes und Erlebtes mitteilen, reflektieren und verarbeiten. Die Vielfältigen von Techniken und Materialien führt dazu, dass Kinder sich ausprobieren und stetig neue Wirklichkeiten konstruieren können. Zudem erhalten Kinder die Chance durch freies Konstruieren mit vielfältigen Materialien Wissen zu erlangen. Durch Anschauen, Anfassen und Bearbeiten können Kinder verschiedene Materialien vergleichen und testen oder neue Zusammenhänge definieren. Zudem fördert das Gestalten die Feinmotorik, Körperkoordination, Konzentrationsfähigkeit und die Sinne. (Vgl. Bildungsgrundsätze NRW 2016, S. 103 f.)
Kinder haben seit ihrer Geburt Interesse an Musik, besonders daran Geräusche, Töne und Klänge selber zu erzeugen. Schon früh erlangen Kinder ein Gespür für klangliche Eindrücke und Laut- und Klangmuster. Erst später können Kinder Lieder, Reime und Musikstücke erfassen. Die Musik spricht viele Sinne an, sie regt die Phantasie der Kinder an, bietet vielfältige Ausdrucksformen, sie hilft Empfindungen wahrzunehmen und auszudrücken, die die Kinder selbst noch nicht verbalisieren können. Durch freies gemeinsames Musizieren können Kinder Wahrnehmungs- und Erfahrungsmöglichkeiten erlangen. Zum Musizieren können viele alltägliche Situationen genutzt werden und alltägliche Dinge als Musikinstrumente genutzt werden. So können Kinder verschiedene Klangeigenschaften kennenlernen und erforschen. Musik gibt Kindern Identifikationsmöglichkeiten, indem sie sich mit einer Gruppe oder einem bestimmten Musikstil identifizieren können. Durch Singen in einer Gruppelernen sie soziales Miteinander und sich auf andere Menschen einzustimmen. Musik wird hier als sinnliche Sprache gesehen, die von der ästhetischen Bildung untrennbar ist. (Vgl. Bildungsgrundsätze NRW 2016, S. 104)
Die Leitidee des musisch-ästhetischen Bildungsbereichs ist, dass Kinder Musik und Kunst als Quelle der Freude, Entspannung und als Anregung zur Kreativität, sowie als Bestandteil der kindlichen Erlebniswelt angesehen werden sollen. Zudem soll Musik und Kunst Kindern die Möglichkeit geben Emotionen und Stimmungen auszudrücken, zu erleben und verarbeiten zu können. (Vgl. Bildungsgrundsätze NRW 2016, S. 106)
In diesem Abschnitt möchte ich mich auf die künstlerischen Bildungsmöglichkeiten, Leitfragen, Settings und Denkanstößen fokussieren, da diese relevant für die weitere Arbeit sind. Als Bildungsmöglichkeiten für die musisch-ästhetische Bildung werden hier vorgeschlagen, vielfältige Gestaltungsmaterialien und Techniken sowie Instrumente kennen lernen und einzusetzen. Gefühle wahrzunehmen und auf verschiedene Weise ausdrucken zu können oder Mut zur eigenen Schöpfung zu finden. Zudem sollen Leitfragen Pädagogen und Pädagoginnen zur Gestaltung des Bildungsbereichs helfen. So sollen Kinder genug Zeit erhalten für selbstbestimmte sinnesanregende Tätigkeiten oder ob den Kindern genug Material zur Verfügung gestellt wird. Auch wird darauf eingegangen, ob die Originalwerke der Kinder genügend geschätzt werden und ausreichend Platz für Ausstellungen gegeben wird. Abschließend werden Settings und Denkanstöße für die Praxis gegeben, die sind z.B. Anregungen durch ausgestellte Werkstücke, Kunstdrucke usw. oder ein offener, heller Bereich der gut zu überschauen ist und frei zugänglichem Material. (Vgl. Bildungsgrundsätze NRW 2016, S. 106 f.)
Nach Klafki sollte der ganze Bereich der Kunsterziehung und ästhetischen Bildung durch langfristige Untersuchungen und Feldforschung, sowohl im außerschulischen als auch im außerpädagogischen Bereich, gut erforscht werden (vgl. Klafki 2011, S. 88). So kann man die Erfahrungen die dokumentiert wurden erst richtig einordnen (vgl. ebd.). Auch Peez stellt fest, dass meist nur ästhetische Praxen und Rezeptionen im Unterricht und ihre Wirkung sowie eigene Professionen beforscht werden (vgl. Peez 2012, S. 155f.). Billmayer bemerkt ebenfalls, dass es einen großen Forschungsbedarf gibt (vgl. 1997). Dabei ruft er dazu auf, sich Forschungsansätze und -ergebnisse anzusehen und zu nutzen, diese können aus dem Bereich der Zeichentheorie, Kognitionstheorie, Kunstgeschichte, Bildsemiotik, Medientheorie, Wahrnehmungspsychologie kommen (vgl. ebd.).
Es existiert eine Umfrage der Zeitschrift ‚kindergarten heute‘ zum Thema ‚Welchen Stellenwert hat die Beschäftigung mit Kunst und Künstler/innen in Ihrer Einrichtung?‘. Diese hat allerdings keine große Reichweite erlangt und ist somit keine repräsentative Forschung. Da es kaum Informationen zu den Rahmenbedingungen der Forschung gibt z.B. Altersbegrenzung, Trägern oder Form der Betreuung, kann ich leider nicht nachvollziehen welche Einrichtungen an dieser Umfrage teilnehmen konnten. Nach den Statistiken der Destatsis gibt es 56.708 Kindertageseinrichtungen bundesweit (vgl. 2019). Diese sind weitgehend unterteilt in U3, Ü3, integrativ usw. (vgl. ebd.), da an der Umfrage der Zeitschrift nur 58 Kindertagesstätten teilgenommen haben ist ein Rückschluss aus den Daten der Stichprobe auf die Grundgesamtheit nur bedingt zulässig. (Vgl. kindergarten heute 2018)
Dabei kommt die Umfrage zu vier Kernaussagen:
1. 22% der Teilnehmer gaben an, dass die ästhetische Bildung gemäß der Bildungsgrundsätze als selbstverständlich angesehen wird.
2. 10% kooperieren mit Museen/Galerien oder Artotheken.
3. 55% haben angegeben, dass sie sich nicht mit Kunstwerken berühmten Künstlern/Künstlerinnen auseinandersetzten.
4. 12% gaben an, dass die ästhetische Bildung zugunsten anderer Bildungsbereiche „zu kurz kommt“ (Vgl. kindergarten heute 2018).
Nach Bollnow ist es wichtig sich genau mit seiner Forschungsfrage auseinanderzusetzen. Denn nur wenn man sich selbst gefragt hat, was man erforschen möchte und ein vorgängiges Verständnis hat, dessen was man erforschen möchte, erlangt man brauchbare Antworten. (Vgl. Bollnow 1966, zit. n. Krautz 2008, S.40)
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