Bachelorarbeit, 2022
45 Seiten, Note: 2,0
II. Danksagung
III. Abstract
IV. Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Weltfußballverband FIFA
2.1 Historisches
2.2 Verbandsorgane
2.2.1 Der Kongress
2.2.2 Der FIFA-Rat
3 Korruption - ein „Dunkelphänomen“
3.1 Begriffsdefinition
3.1.1 Strafrechtliche Definition
3.1.2 Korruption im Sport
3.2 Wahrnehmung von Korruption
3.2.1 Formen von Korruption
3.2.2 Arten von Korruption
3.3 Faktoren und Gründe für Korruption
3.3.1 Prinzipal-Agent Theorie
3.3.2 Rent-Seeking Theorie
3.4 Korruption in der FIFA
3.4.1 Überblick und Varianten
3.4.2 Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften
4 Anti-Korruption
4.1 Good Governance
4.1.1 Transparenz
4.1.2 Integrität und Compliance
4.2 Kontrollierte Zufallsauswahl
4.3 Anti-Korruption in der FIFA
4.3.1 Reformen der FIFA
4.3.2 Ethik-Kommission
4.4 Lösungsvorschläge
4.4.1 Wahl des FIFA-Präsidenten
4.4.2 Amtszeitbeschränkung und Zwischenwahlen
4.4.3 Ausrichtung der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft
5 Fazit
Literaturverzeichnis
An dieser Stelle möchte ich mich bei jenen Personen bedanken, die mich während des Bachelorstudiums und des Schreibens dieser Bachelorarbeit unterstützt und motiviert haben.
Als Erstes gebührt mein Dank Ass. Prof. Dr. Florian Follert, der meine Abschlussarbeit im Rahmen des Bachelorseminars betreut hat und mich mit wertvoller Grundlagenliteratur zu meinem Thema vertraut gemacht hat.
Ebenfalls zu bedanken habe ich mich bei meinen Eltern. Allen voran für die finanzielle und moralische Unterstützung im gesamten Studium. Ohne sie wäre das Studieren für mich in dieser Form erst gar nicht möglich gewesen. Leider durfte meine Mutter das Schreiben und die Abgabe dieser Arbeit nicht mehr miterleben. Aber in meinen Gedanken war sie in jeder einzelnen geschriebenen Zeile mit dabei.
„Danke für deine Liebe, deine Unterstützung und alle deine Ratschläge. Danke für alles,
Mama!“
Der größte Dank gilt aber meiner (schwangeren) Frau und meinen beiden Söhnen, die das ein oder andere Mal stark zurückstecken mussten, damit ich mich dem Studium widmen konnte. Die mir die Zeit gaben, dies alles zu machen und meine universitäre Ausbildung mit Freude und Stolz begleitet haben. Ohne euch hätten mir die Ruhe und die Gelassenheit gefehlt, um schlussendlich ans Ziel zu kommen.
For years, or even decades, there have been repeated allegations of corruption around FIFA. What began under President Joao Havelange continued under his successors. These corrupt structures culminated in the arrests around the FIFA Congress in Zurich in 2015. Despite the relative accumulation of corruption scandals in the past, FIFA decided to remove the head of its own ethics committee during its investigations and removed the word "corruption" from its ethics regulations.
FIFA seems to be a breeding ground for corruption and lacks some consistency in its handling of these cases. New rules are therefore needed to make corrupt acts more difficult or even impossible. This leads to the following research question: What institutions (rules) would be needed to reduce or prevent corruption scandals in FIFA? To answer this question, existing literature is examined to find out how and why corruption occurs in FIFA.
It is found that most of the corruption is "interpersonal" and that much of it revolves around the FIFA World Cup, the bidding process and the hosting of the event. Those involved in the corruption are often high-ranking FIFA decision-makers, including the President.
This leads to three recommendations for action against corruption in FIFA. Firstly, the term of office of presidents and officials should be shortened again. Secondly, the election procedure should be changed and positions should be filled by controlled random selection. And thirdly, the bidding process for the FIFA World Cup is to be reformed. Here, too, controlled random selection is to be the method to counter corruption.
Abb. 1: Nutzungsmöglichkeiten diskretionärer Handlungsspielräume Quelle: Eigene Darstellung vgl. Steinrücken (2003, S. 57)
Abb. 2: Prinzipal-Agent-Klient Model im Fall des WM-Vergabeprozesses in der FIFA Quelle: Eigene Darstellung vgl. Steinrücken (2003, S. 57)
„FIFA has officially eradicated corruption. All it took was pressing the delete key.“ (Harris, 2018) Diese sarkastische Headline der Nachrichtenagentur ,The Associated Press‘ betrifft die aktuelle Fassung des FIFA-Ethik-Reglements (2018), in der das Wort „Korruption“ und dessen Wortformen nicht mehr vorkommen. Doch das Löschen, respektive das Nichtvorhandensein eines Wortes im Ethik-Reglement der FIFA reicht naturgemäß nicht aus, um korruptes Verhalten innerhalb des Weltfußballverbandes tatsächlich zu eliminieren. Umso mehr aber zeigt dieses Vorgehen, dass der Umgang mit dem Thema der Korruption in der FIFA mangelhaft erscheint und Verbesserungspotenzial bietet.
Denn trotz der relativen Häufung von Korruptionsskandalen in der Vergangenheit, Berichten über unlauteres Verhalten von Funktionären und den Vergleichen der FIFA mit Verbrechersyndikaten, hatte sich der Verbandbeispielsweiseim Jahr 2017 dazu entschieden, die Spitze der eigenen Ethik-Kommission inmitten derer Ermittlungen abzusetzen. Dies verstärkte die ohnehin schon negative öffentliche Wahrnehmung bzgl. der Integrität des Verbandes, weil darin ein politisch motiviertes Manöver des selbst in die Ermittlungen geratenen Verbandspräsidenten Gianni Infantino, gesehen wurde (Wagner, 2017).
Korruption in Zusammenhang mit der FIFA kreist allgegenwärtig über dieser. Unmittelbare Aktualität in den Medien erhält dieses Thema während des Verfassens dieser Arbeit insofern, alsdass im November 2021 gegen die ehemaligen Präsidenten der FIFA und UEFA, Sepp Blatter und Michel Platini,in der Schweiz Anklage erhoben wurde. Der Vorwurf beläuft sich auf Betrug. So sollen unrechtmäßig Gelder in Hohe von zwei Millionen Schweizer Franken von der FIFA an Platini geflossen sein(Der Standard, 2021). Auch wenn diese vorgeworfene Tat bereits 10 Jahre in der Vergangenheit liegt und eigentlich nurein weiteres Vergehen mit „schiefer Optik“ zu sein scheint, zeigt das Ganze eines umso mehr auf: die Relevanz dieser Arbeit.
Diese setzt sich hierbei aber nicht primär mit der Auflistung verschiedenster Korruptionsskandale auseinanderund beleuchtet die Personen dahinter, sondern behandelt vielmehr das Thema Korruption in Zusammenhang mit der FIFA auf wissenschaftlicher Basis. Es wird versucht, einenBlick hinter den Vorhang der Korruption zu geben, um zu verstehen, welche Parameter erfüllt werden müssten, um der Korruption innerhalb der Organisation entgegenzuwirken und diese weniger empfänglich für unlautere Praktiken zu machen.
Schlussendlich soll dadurch folgende Forschungsfrage beantwortet werden:
Welche Institutionen (Regeln) bräuchte es, um Korruptionsskandale in der FIFA zu mindern beziehungsweise zu verhindern?
Um die Forschungsfrage adäquat beantworten zu können, ist es essenziell, die Beweggründe für korruptes Handeln zu begreifen. Menschen reagieren auf (An)reize. Doch wie genau Personen dazu verleitet werden, sich beispielsweise „schmieren“ zu lassen, führt zu folgenden Unterfragens:
Wie kommt es zu korruptem Verhalten innerhalb von Sportverbänden?
Welche Formen und Arten von Korruption kommen in der FIFA vor?
Damit die oben genannte Forschungsfrage samt Unterfrage beantwortet werden kann, wird zu Beginn der Arbeit einführend auf die FIFA, deren Historie sowie Strukturen eingegangen. Nach diesem eröffnenden Kapitel zum Weltfußballverband wird im nachfolgenden Kapitel das Thema Korruption wissenschaftlich skizziert und aufgearbeitet. Nach anfänglicher Definition des Korruptionsbegriffs an sich, seiner strafrechtlichen Definition sowie der Definition von Korruption im Sport, werden die Punkte der Wahrnehmung von Korruption, Gründe für diese sowie das Thema Korruption in der FIFA behandelt.
Das vierte Kapitel widmet sich aufbauend dem Entgegenwirken und der Eindämmung von Korruption innerhalb der FIFA. Zunächst werden dafür geeignete, in einschlägiger Literatur erwähnte Praktiken erläutert und nachfolgend die bereits vorhandenen Anti-Korruptionsmaßnahmen der FIFA vorgestellt. Am Ende des Kapitels folgen drei Lösungsvorschläge, die es ermöglichen sollen, der Korruption in der FIFA entgegenzuwirken.
Die Fédération Internationale de Football Association, kurz FIFA, ist der Weltfußballverband. Sie ist ein Verein mit Sitz in Zürich und als solcher im Handelsregister des Kantons Zürich eingetragen (Fédération Internationale de Football Association, 2021). Als Rahmen beziehungsweise Leitfaden für das Handeln der Fédération Internationale de Football Association als Weltfußballverband gelten deren Statuten.
Darin wird der Zweck der FIFA wie folgt beschrieben (Fédération Internationale de Football Association, 2021):
- „den Fussball fortlaufend zu verbessern und weltweit zu verbreiten, wobei der völkerverbindende, erzieherische, kulturelle und humanitäre Stellenwert des Fussballs berücksichtigt werden soll, und zwar im Einzelnen durch die Förderung des Fussballs durch Jugend- und Entwicklungsprogramme,
- das Organisieren eigener internationaler Wettbewerbe,
- der Erlass und die Durchsetzung von Vorschriften und Bestimmungen zur Regelung des Fussballs und damit verbundener Aspekte,
- die Kontrolle des Association Football in all seinen Formen, indem alle notwendigen Massnahmen ergriffen werden, die die Verletzung der Statuten, Reglemente und Entscheide der FIFA sowie der Spielregeln verhindern,
- sich dafür einzusetzen, dass der Fussball für alle, die mitmachen möchten, ungeachtet von Geschlecht oder Alter zugänglich ist und finanziert wird,
- den Frauenfussball zu fördern und die Frauen auf sallen Ebenen der Fussballverwaltung voll einzubinden,
- Integrität, Ethik und Fairness zu fördern und dadurch zu verhindern, dass Methoden oder Praktiken wie Korruption, Doping oder Spielmanipulation vorkommen, die die Integrität der Spiele, Wettbewerbe, Spieler, Offiziellen und Mitgliedsverbände gefährden oder zu Missbräuchen des Association Football führen könnten.“ (S. 10-11)
Gegründet wurde die FIFA als Weltfußballverband am 21.5.1904 in Paris. Die Gründungsmitglieder waren hierbei die sieben nationalen Fußball-Dachverbände von Belgien, Dänemark, Frankreich, der Niederlande, Spanien, Schweden und der Schweiz. Als erster Präsident wurde Robert Guérin eingesetzt (Hübner, 1995). Der Gründung vorangegangen war der Wunsch den Fußball international zu organisieren (Eisenberg, Lanfranchi, Mason, & Wahl, 2004, S. 58).
Nach anfänglichen Rückschlägen, wie der Ablehnung durch den englischen Verband (FA) oder dem Nichtzustandekommen eines bereits geplanten, internationalen Turniers, etablierte sich die FIFA im Laufe der folgenden Jahre als ernstzunehmender, globaler Verband (Tomlinson, 2014).Dies unterstrich auch die Ausrichtung der ersten Fußball-Weltmeisterschaft in Uruguay. Auch wenn sich viele europäische Mannschaften die Reise nach Südamerika nicht leisten konnten und daher nicht teilnahmen, festigte die Veranstaltung der Weltmeisterschaft den Anspruch der internationalen Zuständigkeit der FIFA (Eisenberg et al., 2004, S. 69).Die FIFA wuchs weiter und bereits 30 Jahre nach Gründung zählte der Verband über 50 Mitglieder bzw. Mitgliedsverbände und weitere 30 Jahre später waren es dieser 125(Hübner, 1995, S. 408).Am 66. FIFA-Kongress in Mexiko City wurden die Verbände von Gibraltar und dem Kosovo als Mitgliedsverbände aufgenommen, somit werden aktuell1 211 nationale Verbände als Mitglieder der FIFA geführt (Sky Sport Austria, 2016).
Die FIFA als Weltfußballverband hat regelmäßig kleinere, aber auch weitreichende Entscheidungen rund um den Fußball zu treffen, sei es bezüglich neuer Regeln, Veranstaltungen etc. Nachdem dem die FIFA, deren Zweck und deren Geschichte in diesem Kapitel bereits prägnant behandelt und verständlich gemacht wurden, gilt es nunzu beleuchten, wie es innerhalb des Verbandes zu Entscheidungen kommt, wie diese getroffen werden und vor allen von wem. Nach den aktuellen FIFA-Statuten ist eine Trennung in die Bereiche ,strategische Aufsicht[4], ,exekutive Funktion[4], ,operative Funktion[4] und , administrative Funktion[4], vorgesehen (Fédération Internationale de Football Association, o. D.).Die folgenden Punkte widmen sich den wichtigsten Organen der FIFA. Zu diesem Zweck werden nun der FIFA-Kongress, der FIFA-Rat sowie deren Aufgaben beschrieben.
Das oberste und zugleich gesetzgebende Organ in der Organisationsstruktur der FIFA stellt der Kongress dar.Im durch den Rat einzuberufenden außerordentlichen- wie auch im jährlich abgehaltenen ordentlichen Kongress haben alle 211 Mitgliedsverbände jeweils eine Stimme (Fédération Internationale de Football Association, 2021, S. 27f).
Mit diesen Stimmen wird im Kongress unter anderem festgelegt, wie und in welcher Form die Statuten anzuwenden sind.Auch der FIFA-Präsident wird alle vier Jahre vom Kongress ge- wählt.Des Weiteren wird über mögliche Aufnahmen, sowie eventuelle Suspendierungen oder Ausschlüsse von Mitgliedsverbänden und über Änderungen oder Ergänzungen der FIFA-Sta- tuten entscheiden (Wiemann & Pyritz, 2019, S. 2). Um über die eben genannten, die Mitgliedschaft betreffenden Fälle wie Aufnahme, Suspendierungen und Ausschlüsse abstimmen, beziehungsweise entscheiden zu können, muss dem Kongress eine Empfehlung des FIFA-Rats vorliegen (Fédération Internationale de Football Association, 2021, S. 14).
Der FIFA-Rat ersetzt seit der FIFA-Reform 2016 das ehemalige FIFA-Exekutivkomitee, dessen Vorsitz weiterhin der FIFA Präsident innehat (Simeoni, 2016). Der Rat besteht aus 37 Personen, dies sind neben dem Präsidenten dessen acht Vizepräsidenten und 27 weitere Mitglieder aus allen Konföderationen und teilen sich wie folgt auf:
- AFC (Asian Football Confederation): ein Vizepräsident und sechs Mitglieder
- CAF (Confédération Africaine de Football): ein Vizepräsident und sechs Mitglieder
- Concacaf (Confederation of North, Central America and Caribbean Association Football): ein Vizepräsident und vier Mitglieder
- CONMEBOL (Confederagäo Sul-Americana de Futebol): ein Vizepräsident und vier Mitglieder
- OFC (Oceania Football Confederation): ein Vizepräsident und zwei Mitglieder
- UEFA (Union of European Football Associations): drei Vizepräsidenten und sechs Mitglieder (Fédération Internationale de Football Association, 2021, S. 23 u. 36)
Während der Präsident alle vier Jahre vom FIFA-Kongress gewählt wird, werden die weiteren Ratsmitglieder auf den Konföderationskongressen der Mitgliedsverbände gewählt. Im Rat werden „die Mission, die strategische Ausrichtung, die Politik und die Werte der FIFA“ definiert. Unter anderem wird durch den Rat über die Rahmenbedingungen von FIFA-Wettbewerben (Ort, Datum, Anzahl der Teilnehmer etc.) entschieden, der FIFA-Generalsekretär ernannt (auf Vorschlag des Präsidenten), Budgets bewilligt, die Regelung von Zuschüssen (z. B. Fußballförderungen) festgelegt und die „Vorsitzenden, Vizevorsitzenden und Mitglieder der ständigen Kommissionen“ festgelegt (Fédération Internationale de Football Association, 2021, S. 37-38). Zu diesen ständigen Kommissionen zählen mitunter die Organisationskommission für FIFA- Wettbewerbe, die Finanzkommission, die Kommission der Mitgliedsverbände oder die Entwicklungskommission (Fédération Internationale de Football Association, o. D.).
Die Korruption an sich ist wohl so alt wie die Menschheit selbst und tritt auf der ganzen Welt in Erscheinung. Jedoch weisen das Erscheinungsbild, die Intensität und die Akzeptanz korrupter Handlungen geografische wie auch kulturelle Unterschiede auf (Müller S. , 2002, S. 492). Korruption ist nicht per se die Tat einer unmoralischen oder kriminellen Person oder verfolgt einen unlauteren Zweck. Was in „Land A“ als korrupt angesehen wird, ist in „Land B“ möglicherweise Usus und mit den kulturellen Werten dieses Landes vereinbar. Der Blick darauf, was genau als korruptes Handeln zählt, verschiebt sich somit von Land zu Land und Kultur zu Kultur (Giannakopoulos & Tänzler, 2009).
Um eine genaue Vorstellung zu bekommen, was genau Korruption im Kontext dieser Arbeit bedeutet, beziehungsweise den Korruptionsbegriff verständlich zu machen, wird in diesem Kapitel näher auf diesen eingegangen sowie der Begriff ,Korruption‘ aus ökonomischer, strafrechtlicher und sportlicher Sicht definiert.
In der Literatur gibt es keinen wirklichen Konsens, was Korruption ist, beziehungsweise wie sich diese definieren lässt. Vielmehr werden in verschiedensten Forschungsprojekten jeweils eigene Definitionen verwendet, die oftmals dem Ergebnis von diesen dienlich erscheinen (Duncan, 2006, S. 131). Es kann gesagt werden, dass keine einheitliche, umfassende, allgemein akzeptierte Definition von Korruption existiert und das Schaffen einer solchen unweigerlich zu Problemen führen würde (Langseth, 2006, S. 9). Doch es besteht in der Literatur zumindest ein gewisser Konsens darüber, dass ein Fall von Korruption vorliegt, wenn folgendes Szenario zutrifft (Philp, 2006):
Ein Beamter (A), der aus persönlichem Gewinnstreben handelt, verstößt gegen die Normen des öffentlichen Amtes und schadet den Interessen der Öffentlichkeit (B), um einen Dritten (C) zu begünstigen, der A für den Zugang zu Waren oder Dienstleistungen belohnt, die C sonst nicht erhalten würde (S. 45).
Diese Definition lehnt sich an der in der Literatur vielfach zitierten Definition von Joseph S. Nye (1967, S. 419) an, in welcher Korruption als ein Verhalten, das von den formalen Pflichten eines öffentlichen Amtes abweicht, um einen privaten Geld- oder Statusgewinn zu erzielen, beschrieben wird. Die wichtigsten Bestandteile der Definition von Philp (2006) sind zum einen die Auffassung, dass das Amt durch das öffentliche Interesse, dem es dient, definiert ist. Weiters, dass Korruption die Verzerrung der Ausübung eines öffentlichen Amtes beinhaltet, damit es eher privaten als öffentlichen Interessen entspricht und zum anderen, dass normalerweise drei Akteure an korrupten Handlungen beteiligt oder davon betroffen sind: der Inhaber des öffentlichen Amtes (A), der beabsichtigte Nutznießer dieses Amtes (B) und der tatsächliche Nutznießer der besonderen Ausübung dieses Amtes (C) (Philp, 2006, S. 45).
Im Hinblick auf die FIFA und korruptes Verhalten innerhalb des Verbandes lässt sich diese Definition vorzugsweise auf den Vergabeprozess von Weltmeisterschaften hinleiten. Doch im Allgemeinen zielt diese Definition, auch wenn sie Korruption und dessen Folgen greifbar darstellt, zu sehr auf den öffentlichen Sektor ab. Die Korruptionsfälle in und um die FIFA betreffen hingegen den privaten Sektor, da in der Regel keine öffentlichen Amtsträger involviert sind, beziehungsweise nicht in der Ausübung dieser Funktion und es sich bei der FIFA um eine private Organisation handelt (Köbis & Huss, 2018, S. 159).
Ebenso würde eine Adaption der Definition von Philp (2006) auf Korruption im Zusammenhang mit der FIFA den Autor vor das Problem stellen, die Partei „B“ (Interessen der Öffentlichkeit) neu zu definieren. Dies würde wiederum bedeuten, „Öffentlichkeit“ zu ersetzen und in einem konkreten Kontext (beispielsweise der Vergabe einer WM-Endrunde) zu beschreiben. Eine Möglichkeit wäre es, für „B“ eventuell besser geeignete Bewerbungen zur Ausrichtung einer Fußball-Weltmeisterschaft einzusetzen oder aber die Endkonsumenten (Fußballinteressierte, Zuseher vor Ort etc.), die durch einen mutmaßlich weniger geeigneten Veranstalter um ein besserer Fußballerlebnis gebracht werden würde. Dieses Vorgehen wäre für den Fall der WM-Vergabe von 2022 in Katar womöglich relativ einfach zu begründen (Zeitpunkt der WM, Fußballinteressen im Land, Infrastruktur, Arbeitsbedingungen, Klima usw.), würde aber im Fall um die Vergabe der Fußball-WM 2006 wiederum zu Schwierigkeiten in der Argumentation gegen den Austragungsstandort Deutschland führen. Da dieses Unterfangen für die Beantwortung der Forschungsfragen in der vorliegenden Arbeit den Rahmen sprengen würde und auch nicht von Relevanz ist, wird von dieser Definition Abstand genommen.
Für diese Arbeit eher geeignet erweist sich hingegen die Korruptionsdefinition von Transparency International. Die weltweit in über 100 Ländern agierende Bewegung gegen Korruption beschriebt diese als „so undurchsichtig wie die Strukturen, in denen Korruption gedeiht“ und definiert den Begriff als den „Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“ (Transparency International, 2021).
Diese, etwas offenere Definition lässt mehr Spielraum und definiert Korruption allgemeiner, beziehungsweise nur das korrupte Handeln an sich, ohne mögliche Geschädigte. Dadurch kann es, wie in weiter oben genannter Definition von Philp (2006), eine Partei „B“ geben, es ist aber nicht zwingend erforderlich, respektive kann von einer Benennung einer solchen abgesehen werden. Folge dessen wird sich in dieser Arbeit an der Definition von Transparency International angelehnt.
Im österreichischen Strafgesetzbuch (StGB) war der Begriff „Korruption“ lange Zeit nicht vorhanden. Seit dem Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz aus dem Jahr 2012 ist im StGB der Abschnitt „Strafbare Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandte strafbare Handlungen“ (Abschnitt 22 StGB) vorhanden (Bundesministerium für Justiz, 2012, S. 3). Unter dem strafrechtlichen Korruptionstatbestand fällt unter anderem der Missbrauch der Amtsgewalt (§ 302 StGB), Bestechlichkeit (§ 304 StGB), Vorteilsannahme (§ 305 StGB), die Vorteilsannahme zur Beeinflussung (§ 306 StGB) und die Vorteilszuwendung (§ 307a StGB).
In Summe ist die Definition von Korruption aus strafrechtlicher Sicht unmissverständlich. Seit über zwei Jahrzehnten wird in sämtlichen neuen Strafbestimmungen im Zusammenhang mit Korruption grundsätzlich folgendes unter dieser verstanden (Sickinger, 2011):
... Fälle pflichtwidriger Vorteilsannahme bzw. Vorleilszuwendung als Gegenleistung (oder Vorleistung) für ein (hoheitliches oder privatwirtschaftliches) Verhalten. ... Korruption in diesem Sinne ist - wie auch im sozialwissenschaftlichen Verständnis - eine Austauschbeziehung mit Dritten, nicht die bloße Ausnützung einer (amtlichen oder privatrechtlich übertragenen) Funktion zur persönlichen Bereicherung (oder gar jegliche Kriminalität von Beamten). (S. 17)
Da nun der ökonomische wie auch strafrechtliche Begriff ,Korruption‘ definiert und verständlich dargestellt wurde, wird nun auf die Korruption im Sport eingegangen. Diese reicht bis in die frühesten Jahrhunderte zurück, als die ersten Sportereignisse aufkamen (Andreff, 2016). Der erste dokumentierte Fall von Korruption im internationalen Sport wird dem Athleten Eu- polos von Thessalien zugeschrieben, der bei den Olympischen Spielen 388 v. Chr. drei seiner Konkurrenten im Faustkampfturnier bestach (Maennig, 2005, S. 187).
Generell kann unter Korruption im Sport jegliches illegale, unmoralische oder unethische Verhalten verstanden werden, welches das Ergebnis eines sportlichen Wettbewerbs absichtlich zu verfälschen versucht (Gorse & Chadwick, 2010, S. 43). Zunächst wurden unter Korruption im Sport hauptsächlich Handlungen verstanden, die darauf abzielten, Geld zu verdienen. Beispielsweise indem der Ausgang von Sportwettkämpfen durch Bestechung mit Geld oder nicht monetären, wirtschaftlichen Entschädigungen, verzerrt wurde. Heutzutage hat sich korrupter Sport auf andere unethische Verhaltensweisen ausgeweitet, wie zum Beispiel die Manipulation der Vergabe, beziehungsweise beim Vergabeprozess von Sportgroßereignissen, die Beeinflussung bestimmter Entscheidungen von Sportverbänden oder Absprachen im Zusammenhang mit Wetten (Andreff, 2016, S. 46-47).
Es zeigt sich somit, dass es Korruption im Sport wie auch Korruption generell schon seit jeher gegeben hat. Doch im Laufe der Zeit wurden die korrupten Handlungen umfangreicher und teilweise ebenso unübersichtlich. In der Literatur wird versucht, diese zu klassifizieren, beziehungsweise in Kategorien einzuteilen. Maennig (2005, S. 189) beschreibt, dass Korruption im Allgemeinen in zwei Kategorien unterteilt werden kann:
- Wettkampfkorruption (Athleten, Offizielle aber auch Schiedsrichter etc. beeinflussen das Ergebnis von Sportereignissen)
- Managementkorruption (z. B. Bestechung oder Einflussnahme bei der Vergabe von Rechten, der Nominierung für Ämter, der Auswahl von Austragungsorten für wichtige Wettkämpfe)
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Transparency International (2010, S. 24) und teilt Korruption im Sport in folgende Kategorien ein:
- Korruption innerhalb von Sportinstitutionen (z. B. ein systemisches Problem wie Wahlmanipulation bei der Vergabe von Sportgroßereignissen)
- Korruption im Zusammenhang mit Sportergebnissen (häufig im Kontext mit Glückspielen - Spielmanipulationen)
Insgesamt zeigt sich, dass beide Ansätze zur Klassifizierung darauf abzielen, Korruption im Sport in zwei Hauptkategorien zu teilen. Hierbei wird eine Trennung zwischen Korruption mit direktem Einfluss auf den sportlichen Wettkampf (z. B. Spielmanipulation durch Spieler, Funktionäre etc.) und nicht wettkampforientierten Entscheidungen von Sportgremien und Sportfunktionären, wie etwa bei der Vergabe von Veranstaltungen, vorgenommen. Diese Form der Korruption wird auch ,Veranstaltungskorruption‘ genannt (Maennig, 2004, S. 265). Doch die Schaffung eines Rahmens zur Untersuchung der Korruption, wie auch der Korruption im Sport gestaltet sich schwierig, zumal es sich dabei um einen komplexen Bereich handelt, der nicht leicht zu beurteilen ist. So reichen die bisher aufgedeckten Korruptionsarten im Sport von Betrug auf niedrigem Niveau, über das Erbringen einer absichtlich schlechten Leistung‘, bis hin zu auch strafrechtlich relevanten Delikten wie Bestechung (Brooks et al., 2013; Transparency International, 2010).
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1 Stand 31.01.2022
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