Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Magisterarbeit, 2007
130 Seiten, Note: 2,00
VORWORT
Einleitung
1 Lerntheoretische Grundlagen
1.1 Instruktionalismus
1.1.1 Lernbedingungen
1.2 Konstruktivismus
1.2.1 Lernen
1.2.2 Lernbedingungen
1.2.3 Rolle der Lehrenden
1.2.4 Rolle der Lernenden
1.2.5 Systemische Benotung
1.2.6 Evaluation
2 Institution Schule
2.1 Differenzierung Regelschule und Alternativschule
2.1.1 Die Regelschule
2.1.1.1 Geschichtlicher Abriss
2.1.1.2 Rechtsgrundlage
2.1.1.3 Allgemeines Bildungsziel
2.1.1.4 Unterrichtskonzept
2.1.1.5 Leistungsbeurteilung
2.1.2 Montessorischule bzw. -klassen
2.1.2.1 Allgemeiner geschichtlicher Abriss
2.1.2.2 Die österreichische Montessori-Bewegung
2.1.2.3 Rechtsgrundlage
2.1.2.4 Bildungsund Erziehungsaufgabe
2.1.2.5 Unterrichtskonzept
2.1.2.6 Leistungsbeurteilung
2.1.2.7 Sittliche Persönlichkeit
3 Das Kind im Grundschulalter – ein entwicklungs psychologischer Abriss
3.1 Kognitive Entwicklungstheorie von Jean Piaget
3.1.1 Stufe der „sensomotorischen Intelligenz“
3.1.2 Stufe des symbolischen oder vorbegrifflichen Denkens
3.1.3 Stufe des anschaulichen Denkens
3.1.4 Stufe des konkret-operativen Denkens
3.1.5 Stufe des formalen Denkens
3.2 Soziale und moralische Entwicklung des Kindes
4 Lernfähigkeit
4.1 Definition und Abgrenzung
4.2 Faktoren bzw. Beschreibungsdimensionen der Lernfähigkeit
4.2.1 Neugier
4.2.2 Motivation
4.2.2.1 Motivation allgemein
4.2.2.2 Leistungsmotivation
4.2.2.2.1 Das Risiko-Wahl-Modell
4.2.2.2.2 Attribution von Erfolg und Misserfolg intern extern
4.2.2.3 Lernmotivation
4.2.3 Volition
4.2.4 Strategische Komponenten
4.2.4.1 Kognitive Lernstrategien
4.2.4.2 Metakognitive Lernstrategien
4.2.4.3 Ressourcenmanagement
4.2.5 Lerntypen
4.2.5.1 Lernstile
5 Intelligenz
5.1 Intelligenzdiagnostik
5.2 Intelligenztheorien und -modelle
5.3 Intelligenztests
5.4 Intelligenz gleich Lernfähigkeit?
6 Fragestellung
6.1 Forschungsfragen & Hypothesen:
7 Erhebungsmethode
7.1 Zugang
7.1.1 Die untersuchten Klassen
7.1.2 Rolle im Feld
7.2 Erhebung
7.2.1 Das Multidimensionale Lernprofil (MLP)
7.2.2 Statistische Merkmale des MLP
7.2.3 Testdurchführung
7.2.4 KLI 4 – 5
7.2.4.1 Testaufbau Intelligenzteil (Teil I)
7.2.4.2 Statistische Merkmale des KLI 4 – 5
7.2.4.3 Testdurchführung
7.2.4.4 Ermittlung des Intelligenzquotienten
7.2.5 Beobachtung der Lehrpersonen
7.2.5.1 Gütekriterien
7.2.5.2 Unterrichtsvorbereitungen
8 Ergebnisdarstellung
8.1 Beobachtung
8.2 Unterrichtsvorbereitung
8.3 KLI 4 - 5 und MLP
8.3.1 Erste Ergebnisübersicht
8.3.2 Unterschied bezüglich LQ zwischen R-Klasse und M-Klasse (Frage 1)
8.3.3 Unterschied innerhalb der Subtestwerte zwischen der R-Klasse und der M-Klasse (Frage 2)
8.3.4 Zusammenhang zwischen den Konstrukten Intelligenz (IQ) und Lernfähigkeit (LQ) von SuS der 4. Klassen Grundschule – R-Klasse und M-Klasse (Frage 3)
8.3.5 Signifikanter Unterschied zwischen „SuS mit guten Schulleistungen“ und „SuS mit ausreichenden Schulleistungen“ bezogen auf die Höhe ihres LQ – R-Klasse und M-Klasse(Frage 4)
8.3.6 Signifikanter Unterschied zwischen „SuS mit guten Schulleistungen“ und „SuS mit ausreichenden Schulleistungen“ bezogen auf ihren IQ – R-Klasse und M-Klasse (Frage 5)
9 Zusammenfassung und Diskussion
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Graphikverzeichnis
Anhangsverzeichnis
Dank
In Diskussionen, wo die Sprache auf diese Diplomarbeit kam, wurden die Autorinnen sehr oft mit der Frage konfrontiert, welche der beiden untersuchten Schultypen (Regelschulklasse und Montessoriklasse) nun der Bessere sei. LeserInnen, die sich eine Antwort auf diese Frage von uns erwarten, müssen wir leider enttäuschen. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist keine Beurteilung und Wertung des jeweiligen Schulsystems, sondern lediglich ein Vergleich einer Basisqualifikation, der Lernfähigkeit, die in Grundschulen grundgelegt werden soll. Der Zugewinn an, sowie die Förderung von Lernfähigkeit ist ein Ergebnis von verschiedensten Handlungsund Wirkungszusammenhängen.
Es geht hier also nicht darum, herauszuarbeiten, wo welches Schulsystem dem anderen inwiefern überlegen ist, sondern darum, darzustellen, ob eine bestimmte Lernkultur, die einem jeweiligen Schulsystem eigen ist, auf die Lernfähigkeit der SchülerInnen Einfluss nimmt. Es geht um einen Vergleich, wobei im Kapitel 9 (Zusammenfassung und Diskussion) einige Kriterien festgemacht werden, welche von Regelschulklassen bzw. Montessoriklassen mehr oder weniger beachtet werden, und die für die Entwicklung hin zu einem lernfähigen Menschen unerlässlich sind.
Salzburg, im Juni 2007 Heike Niederreiter & Maria Prommegger
„Das Leben der Morlocks nahm in diesen Gebärfarmen und Kindertagesstätten seinen Anfang – zu meiner schmerzlichen Erinnerung war die ganze Erde in eine solche verwandelt worden – und dort wurde den Kindern zusätzlich zu den Grundformen zivilisierten Verhaltens eine essentielle Fertigkeit vermittelt: Lernfähigkeit. (Hervorhebung durch die Verf.) Wie wenn ein Schuljunge des neunzehnten Jahrhunderts – anstatt sich eine Menge Unfug über Griechisch und Latein und obskure Theoreme in seinen armen Schädel zu prügeln – gelernt hätte, sich zu konzentrieren, Bibliotheken zu benutzen, sich Wissen anzueignen – und vor allem, zu denken. Gemäß dieser Philosophie erfolgte die Aneignung von spezifischem Wissen in Abhängigkeit von den anstehenden Aufgaben und den Neigungen des Individuums.“ (Baxter, 2002, S. 131)
Dieses Zitat stammt aus dem Buch „Zeitschiffe“, einem Science–Fiction–Roman, und soll am Beginn dieser Diplomarbeit stehen, denn dieser Ausschnitt umfasst in groben Zügen das, was heute Forderung an unser Bildungssystem ist. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit „Lernfähigkeit“ als einer Qualifikation, mit der SchülerInnen ausgerüstet werden sollen, auseinander. Die Autorinnen finden es hoch interessant, dass die Fähigkeit zu Lernen in einem Science–Fiction–Roman zur Sprache kommt, also in einem fiktiven, zukünftigen Raum spielt. Um über das Jetzige hinauszuwachsen, um die Evolution voran zu treiben, um tiefere Einblicke in Gesamtzusammenhänge zu bekommen, muss Kindern mehr anvertraut werden als nur die Grundformen der Zivilisation. Eigenständiges Denken, die Fähigkeit zu lernen – ein Leben lang – als bedeutungsvolle Güter der Zukunft.
Baxter (2002) trifft mit dieser Thematik einen sehr wunden Punkt unserer Zeit. Im Zuge der gesellschaftlichen Entwicklungen werden dem Bildungssystem zunehmend mehr Aufgaben überantwortet. Von der Erziehung zu demokratischen StaatsbürgerInnen, zu ökologiebewussten KonsumentInnen bis hin zu sozialverantwortlichen Mitmenschen, spannt sich neben der inhaltlichen Qualifikation der Bogen an Erwartungen an das Bildungssystem. Allen diesen Erwartungen liegt die Annahme zugrunde, dass die Zukunft der Gesellschaft entscheidend von der Bildung der jungen Generation abhängt. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft – alle beschäftigen sich zurzeit damit, eine qualitative Verbesserung unseres Bildungswesens herbei zu führen. Wenn darüber gesprochen wird, was SchülerInnen (SuS) heutzutage lernen sollten, so hört und liest man oft von „Schlüsselkompetenzen“. Die Forderung der Wirtschaft, nach qualifizierten MitarbeiterInnen mit zahlreichen Kompetenzen, verlangt eine entsprechende Antwort vom Bildungssystem Schule. Die heutige Gesellschaft stellt andere Anforderungen an das Leistungsvermögen der SchulabgängerInnen als noch vor 20 Jahren. Zu dieser Entwicklung gehört auch die rasant vor sich gehende Zunahme von vielfältigem Wissen, das wiederum ein ebenso schnelles Veraltern vorher bewährter Wissensinhalte impliziert. Die Bedingungen in der Ausbildungsund Arbeitswelt wandeln sich sehr rasch. Aufgrund der veränderten Ansprüche der heutigen Gesellschaft wurde – ausgehend von der Organisation for economic cooperation and development (O- ECD) und in Zusammenarbeit mit WissenschaftlerInnen, ExpertInnen und Organisationen – das Definition and selection of key competencies-projekt (DeSeCO-Projekt) ausgearbeitet und durchgeführt. Dieses Projekt erhob jene Merkmale, die Schlüsselkompetenzen auszeichnen. „Welche Kompetenzen benötigen wir für ein erfolgreiches Leben und eine gut funktionierende Gesellschaft?“, steht zu Beginn des Skripts „Definition und Auswahl von Schlüsselkompetenzen“ der OECD (2005, S. 6). Im Rahmen des DeSeCo-Projects wurden drei Kategorien von Schlüsselkompetenzen erarbeitet, wie in Abb.1 sichtbar wird:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Kategorien von Schlüsselkompetenzen (aus: OECD, 2005, S. 7)
All diesen Kompetenzkategorien geht die Lernfähigkeit voraus, und dieser Fähigkeit gilt der Interessensschwerpunkt dieser Studie.
Die Kompetenz „Lernfähigkeit“ erfordert unter anderem folgende Fähigkeiten:
- Eigene Interessen zu erkennen
- Ziele zu setzen
- Ziele zu definieren
- Ressourcen zu evaluieren
- Prioritäten zu setzen
- reflexiv zu handeln
- Fortschritte zu überwachen… (vgl. ebd., S. 17)
Dieser thematische Kontext bildet für die Autorinnen den Ausgangspunkt dafür, die Frage zu stellen, ob die praktizierte Lernkultur (einerseits Regelschule und andererseits Montessoripädagogik eingebunden im Regelschulwesen) eine Auswirkung auf die Ausbildung der Lernfähigkeit der Kinder hat. Konkret soll im Rahmen dieser Studie versucht werden, den Unterschied von zwei verschiedenen Schulphilosophien (Regelschulsystem, Montessoripädagogik) in ihrer Wirkung auf das Ausmaß an Lernfähigkeit ihrer SchülerInnen festzumachen. Die als quasiexperimentelle Studie angelegte Untersuchung wird in je einer
4. Klasse der Grundschule eines jeden Schultypus durchgeführt werden. Die Grundschule wurde bewusst ausgewählt, da bereits hier eine Basis für die Lernfähigkeit grundgelegt werden soll. Außerdem gibt es in diesem thematischen Bereich kaum Untersuchungen mit GrundschülerInnen.
Die aus eben dieser Unterscheidung erzielten Ergebnisse, könnten ein Anstoß für eine Diskussion über Vorund Nachteile der verschiedenen Schulphilosophien und ihrer Institutionen darstellen. Ziel dieser Arbeit ist, die mögliche Wirkung und Konsequenz von Handlungen aufzuzeigen und Zusammenhänge bewusst zu machen, welche nicht selten in der Geschäftigkeit des Alltags untergehen.
Der theoretische Teil der Arbeit (Kapitel 1 – 5) gliedert sich wie folgt:
In Kapitel 1 wird auf die für die ausgewählten Schulsysteme (Regelschulwesen und Montessoripädagogik) relevanten Lerntheorien eingegangen. Der Konstruktivismus wird hier im Bezug auf die Pädagogik von Maria Montessori dargestellt, und die Wesenszüge des Instruktionalismus im Regelschulsystem aufgezeigt. Erste Parallelen und Gegensätzlichkeiten der beiden Schulphilosophien werden herausgefiltert. Wobei bereits hier anzuführen ist, dass es sich dabei um keine trennscharfen Kriterien handelt und vor einer Tendenz zur Polarisierung abgeraten wird.
Im Kapitel 2 folgt vorerst eine Definition von Regelschule und Alternativschule. Im Weiteren sollen die Unterschiede und Differenzen von Schule und Unterricht (im Allgemeinen und Besonderen) bezogen auf das Regelsystem und die Montessoripädagogik heraus gearbeitet werden.
Kapitel 3 widmet sich der Entwicklung des Kindes im Grundschulalter. Um Kinder im Bezug auf ihre Lernfähigkeit unterstützen und fördern zu können, braucht es bestimmte geistige und intellektuelle Voraussetzungen im Kind. Hier wird einerseits ein Überblick über die Entwicklung im Grundschulalter gegeben, andererseits wird dargestellt, in welcher Entwicklungsstufe sich SuS der 4. Klasse Grundschule (Stichprobe) befinden.
Das nachfolgende Kapitel 4 widmet sich ausführlich dem Konstrukt der Lernfähigkeit. Vorab wird der Begriff der Lernfähigkeit definiert, danach folgt eine genaue Erläuterung zu den bestimmenden Faktoren: Neugier, Volition, Lernstrategien, Lerntypen, Lernstile. Dabei werden zum einen die theoretischen Hintergründe dargestellt, zum anderen soll ein Bezug zur Schule (zum Unterricht) hergestellt werden.
Das Thema Intelligenz wird in Kapitel 5 aufgegriffen und ein Überblick über Diagnostik und Theorien wird geboten. Es wird darauf eingegangen, welche Rollen Tests übernehmen und ob Intelligenz mit Lernfähigkeit gleichzusetzen ist.
Die theoretischen Ausführungen münden in das Kapitel Fragestellung, wo diese explizit und ausführlich angegeben wird. Weiters werden, aus der Theorie folgernd, die Hypothesen angeführt.
Kapitel 7 beschreibt Zugang, Stichprobe und Erhebungsmethoden dieser Arbeit. Auswertung und Interpretation der Studie werden in Kapitel 8 dargestellt und abschließend in Kapitel 9 zusammengefasst und diskutiert.
In dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass das Ausmaß an Lernfähigkeit der einzelnen SchülerInnen abhängig ist von der Art der Schulphilosophie. Die Montessoripädagogik und das Regelschulwesen arbeiten nach ihrem eigenen Verständnis und ihrer eigenen Theorie. Die Lernfähigkeit von Kindern einer Regelschulklasse und Kindern einer Montessoriklasse (räumlich integriert in eine Regelschule) wird in dieser Arbeit vergleichend betrachtet. Laut Aff gibt es in aktuellen Debatten eine Tendenz, indem die Instruktion mit dem lehrerzentrierten Frontalunterricht assoziiert wird und selbstorganisierte Wissensaneignung und effizientes Transferwissen mit konstruktivistischem Lernen. Er warnt zugleich aber auch vor einer „Schwarz-Weiß-Malerei“, denn diese ist in der Praxis nicht gegeben. (vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion) In diesem Sinne wollen sich die Autorinnen im folgenden Abschnitt dieser Thematik nähern.
Der Instruktionalismus folgt dem Modell des Behaviourismus (Reiz-Reaktions-Ketten), aber es ist auch hier schwierig (ähnlich dem Konstruktivismus) eine gemeinsame und stringente „Theorie der Instruktion“ festzumachen. Den Instruktionalismus schlechthin gibt es also nicht.
Die als instruktionsbestimmt definierten Lehrund Lerntheorien haben jedoch laut Reinmann & Mandl (vgl. 2006, S. 618ff) gemeinsame Merkmale. Sie charakterisieren den Instruktionalismus wie folgt: In gegenstandszentrierten Lernumgebungen herrscht das „Primat der Instruktion“ vor. Unterrichten heißt demzufolge Anleiten, Darbieten, Erklären. Abbildung 2 soll dies verdeutlichen. Ziel ist im Ideal „ …den Gegenstand des Lehrens und Lernens als fertiges System zu vermitteln, weshalb auch von gegenstandszentrierten Lernumgebungen gesprochen werden kann. Das Lehr-Lern-Geschehen wird als ein Prozess betrachtet, bei dem der Lehrende objektive Inhalte so zu übermitteln versucht, dass der Lernende am Ende dieses „Wissenstransports“ den vermittelten Wissensausschnitt (Lerngegenstand) in ähnlicher Form besitzt wie der Lehrende.“ (Reinmann & Mandl, 2006, S. 619)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Schematische Darstellung der instruktionalistischen Position zum Lernen und Lehren (aus: Reinmann & Mandl, 2006, S. 618)
Skinner (1971, S. 11), ein Vertreter instruktionalistischen Unterrichtens bringt diese Position auf den Punkt: „Er (der Lehrer) gibt, der Schüler nimmt.“ Dies stellt auch den gravierenden Unterschied zum Konstruktivismus, wo die lernende Person KonstrukteurIn der Wirklichkeit ist, dar.
Instruktionsbestimmte Vorstellungen von Lehr-Lern-Prozessen, bei denen die Kenntnisvermittlung im Zentrum steht, wo Bildungsinhalt in einzelne Wissenskomponenten aufgespalten werden, methodisch allen voran der klassische Frontalunterricht, prägen das traditionelle Bild von Schule und Unterricht. (vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion) Aff konstatiert zur derzeitigen Debatte rund um den Frontalunterricht „Die vorwiegend negative Etikettierung des Frontalunterrichts als bevorzugtes didaktisches Biotop zur Förderung trägen Wissens rührt u. a. daher, dass vielfach sinvoll-rezeptives Lernen mit mechanisch-rezeptivem Wissenserwerb (unstrukturierte Aneinanderreihung von Faktenwissen) gleichgesetzt wird.“
Eine Großzahl historisch gewachsener Ansichten über das Unterrichten und die Planung des Unterrichts reichen bis in die Gegenwart.
Reinmann & Mandl (2006, S. 621ff) erwähnen z.B.:
- Die Formalstufen des Unterrichts nach Ziller:
Unterricht als ein geschlossener, sequentieller und mechanistischer Prozess: Analyse > Synthese > Assoziation > System > Methode
- Die Konzeption des „sinnvoll rezeptiven Lernens“ nach Ausubel
Einbindung des Neugelernten in das Vorwissen
Lerninhalte und Darbietungsart werden systematisch geplant
- Das „sinnvoll-entdeckende Lernen“ oder „discovery learning“ nach Bruner (komplementär zu Ausubels „sinnvoll rezeptivem Lernen“; vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion)
Problemhaltige Situation wird vorgegeben oder vom Lernenden gefunden Lösungsstrukturen werden selbständig entwickelt; die Lehrperson gibt Hinweise
- Den Programmierten Unterricht nach Skinner komplexer Lerninhalt wird fragmentiert und in kleinen Einheiten dargeboten Verstärkung durch positives Feedback
Trainingsphase mit konkreten Lernaufgaben Reaktionsanforderung (Beantworten einer Frage) Rückmeldung: richtig = Verstärkung falsch = keine Reaktion systematischer Aufbau
- Instruktionsdesign-Modelle nach Bloom
Taxonomie von kognitiven Lernzielen
Lerndiagnose auf jede Lehr-Lern-Einheit folgend, um Lernlücken zu erfassen
Diese lernpsychologischen Ansätze, speziell jene von Ausubel und Bruner zeigen, dass Lernen zwischen den Polen „Instruktion“ und „Konstruktion“, einem Kontinuum gleich, liegt. Die Gewichtung des instruktionalen und konstruktivistischen Aspektes variiert situativ. (vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion)
Ironisierend gezeichnet, bildet der Lehrer Lämpel von Wilhelm Busch (Abbildung 3) mit erhobenem Zeigefinger und strengem Blick die Vorstellung einer Lehrperson im instruktionsbestimmten Unterricht der damaligen Zeit ab.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Lehrer Lämpel (vgl. Busch, 1999)
Die Lehrperson ist der Mittelpunkt des instruktionsbestimmten Unterrichtgeschehens. Sie animiert, trägt vor, ist ExpertIn, BeraterIn und KontrolleurIn und vieles mehr. Die Lehrperson ist für die Aufbereitung und Darbietung des Lernmaterials verantwortlich.
Zur Darbietung des Lernmaterials hat Ausubel (1974) verschiedene Prinzipien entwickelt, die ein rezeptives Lernen fördern sollen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(vgl. Reinmann & Mandl, 2006, S. 624; Eigendarstellung)
Innerhalb des Unterrichts bleibt im Vergleich zu offeneren Lernformen wenig Platz für ungeplante Aktivitäten und Individualität.
Die Lernenden müssen wenig Eigenverantwortung für die Initiierung eines Lernprozesses übernehmen, da dieser gänzlich geplant und vorgegeben ist. Die Lernziele sollen von der Lehrperson vordefiniert werden und somit ist der Lernerfolg sehr gut kontrollierbar. Allerdings bleiben die Lernenden in ihrer Individualität größtenteils unberücksichtigt. Der Unterricht und Lernprozess nimmt wenig Rücksicht auf Vorwissen, Erfahrungen und Stärken. Der Neuerwerb von Wissen erfolgt rezeptiv. Wichtig ist, dass die Struktur des Lerninhaltes von den SuS verstanden wird, damit ist eine wesentliche Voraussetzung für weitere Transferaufgaben und für sinnvoll-rezeptives Lernen gegeben. (vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion)
Die Autorinnen schließen sich am Ende dieser Ausführungen der Auffassung von Reinmann
& Mandl (2006, S. 639) an: „Konstruktion und Instruktion lassen sich nicht nach einem Alles-oder-Nichts-Prinzip realisieren.“ Die meisten Lehrund Lernprozesse weisen in der Praxis mehr oder wenigere Merkmale beider oben ausgeführten Lerntheorien auf. Eine strikte Trennung ist unrealistisch. Schule und Unterricht heißt Arbeit mit Menschen und ist daher immer bis zu einem gewissen Grad unplanbar und unvorhersehbar. Damit ist gemeint, dass viele Handlungen und Interaktionen gesetzt werden, die (wissentlich oder unwissentlich) dem Einfluss einer Lehrperson entzogen sind.
Welche Art des Unterrichtens mehr Raum und Methode bietet, jene Faktoren (siehe Kapitel 4) fördernd zu unterstützen, die zur Ausbildung der Lernfähigkeit notwendig sind, soll diese Arbeit zeigen.
Schulen bzw. Klassen in öffentlichen Schulen, geführt nach dem Prinzip von Maria Montessori und die Regelschule, egal wie unterschiedlich ihre Ideologien sein mögen, können unter dem Oberbegriff „Institution“ zusammengefasst werden. Dies ist eine Gemeinsamkeit, die im Folgenden näher erläutert werden soll, damit darauf aufbauend die Differenzierung vorgenommen werden kann.
„Die Grundannahme konstruktivistischer Theorien liegt darin, dass die Wahrnehmung keine Gegebenheiten einer von uns unabhängigen Realität abbildet, wie sie „an sich“ sind, sondern dass wir lediglich Modelle entwerfen, deren Objektivität oder Wahrheit nicht überprüft werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass das einzelne Subjekt sein gesamtes Erleben aufgrund interner Kriterien konstruiert. Zentraler Ausgangspunkt des Konstruktivismus ist daher die Erkenntnistheorie, also die Frage danach, wie Menschen Erkenntnisse bzw. Wissen erlangen.“ (Lindemann, 2006, S.13)
In der Institution Schule wird Wissen auf sehr unterschiedliche Weise vermittelt. Diese Arbeit richtet ihren Blickpunkt auf die didaktischen Schwerpunkte sowie die Lernkultur, die Einfluss auf die Lernfähigkeit der SuS in der Regelschulklasse und in der Montessoriklasse nimmt.
Da sich in der Unterrichtsmethode von Maria Montessori wesentliche Grundgedanken konstruktivistischer Didaktik finden, erachten die Autorinnen den Konstruktivismus als eine für diese Arbeit tragende Theorie. Dabei bleibt nicht unvergessen, dass Alternativpädagogik, und um eine solche handelt es sich bei der Montessori-Pädagogik, kein so differenziertes Bild von Lernvorgängen zeigt, wie konstruktivistische Ansätze dies tun.
Der Konstruktivismus ist nicht als einheitliche Theorie zu verstehen. Vielmehr gibt es je nach Denkrichtung und Zuordnung unterschiedliche Formen von Konstruktivismen. Als Beispiele seien hier nur einige wenige genannt: Peter L. Berger - Sozialer Konstruktivismus; Kersten Reich - interaktionistischer Konstruktivismus; Ernst von Glaserfeld - Radikaler Konstruktivismus; Jürgen Mittelstrass - Methodischer Konstruktivismus.
Vielfach lassen sich demnach konstruktivistische Positionen nicht eindeutig voneinander unterscheiden. Aussagen, Reden, Zitate verstehen sich daher immer in Bezug auf ihre spezifische Theorie und dürfen nicht als der Konstruktivismus gesehen werden. (vgl. Lindemann, 2006, S.13ff)
Vorweg jedoch ein Blick an die Anfänge dieser Lerntheorie. Unter den theoretischen Vorläufern einer Didaktik, die vom Konstruktivismus bestimmt wird, sind drei besonders nennenswert:
- John Deweys Ansatz: Er „...sieht menschliche Erfahrungen als eine Vermittlung von erfahrenen (experienced) und erzeugten (processes of experiencing) Handlungen, wobei im Handeln Wissen aufgebaut und interaktiv durch ein untersuchendes, neugieriges, experimentierendes Verhalten konstruiert wird.“ (Reich, 2002, S. 158) Dabei wird Lernen als aktiver Vorgang verstanden, der Handlungsprozesse selbst herstellt.
- Lev S. Wygotskis Ansatz: Dieser betont den Zusammenhang von Kognition und Sozialisation. Es weist der soziokulturelle Ursprung der Kognition auf die soziale Konstruktion von Wirklichkeit hin, die durch Interaktion aufgebaut werden muss. Die kooperative menschliche Tätigkeit soll dabei einen lernsteigernden Effekt auslösen. Lernende Personen sind dabei aktive GestalterInnen des eigenen Lernprozesses. (vgl. ebd., S.159)
- Jean Piagets Ansatz: In seiner konstruktiven Psychologie legt er besonderen Wert auf die Entwicklungsstufen die jeder Mensch durchläuft „um seine konstruktiven Lernfähigkeiten in handelnder, aktiver Auseinandersetzung mit der Umwelt zu regulieren und zu optimieren.“ (ebd., S.159) Dies führt zur Verinnerlichung von Handlungsschemata. Piagets Ansatz ist nicht unumstritten, seine Erkenntnis, dass Lernen subjektiv konstruiert werden muss, nimmt aber hohen Stellenwert ein.
Die konstruktivistische Didaktik betont die aktive Seite des Lernprozesses. Sie baut auf die Spannung zwischen Individuum und Umwelt auf, ohne dabei ein dualistisches Weltbild zu konstituieren. Und sie nimmt Abschied von einem sehr engen Lernmodell, das lernende Personen als reine NachahmerInnen sieht und in geringer produktiver Abhängigkeit von Lehrenden bringt. Lernen passiert auf vielen Ebenen und in mannigfaltiger Variation. Die Autorinnen beziehen sich in diesem Kapitel ganz auf Kersten Reichs (2002) Ansatz einer konstruktivistischen Didaktik, wobei es um Lehren und Lernen aus interaktionistischer Sicht geht. Reich stellt konstruktivistische Grundannahmen über Lernvorgänge wie folgt zusammen:
- Konstruktives Lernen
Was muss ich lernen und was ist überflüssig? Lernen lernen, Lernvorgang reflektieren
- Reund dekonstruktives Lernen
Bereits Gelerntes wird modifiziert bzw. verändert, mitunter auch verworfen
- Kreatives Lernen
Ermöglicht divergentes, produktives, nonkonformes Denken
- Soziales Lernen
Eine soziale Organisationsfähigkeit entwickeln und Interaktionen anderen verständlich und zurechenbar machen
- Situated learning
„Menschliche Kognitionen entstehen zwischen intelligenten Individuen in sozialhistorisch definierten Kontexten, in denen sie miteinander agieren. Die Situationen, in denen wir als Lerner stehen, werden damit sehr wichtig. „ (Reich, 2002, S.180)
- Emotionales Lernen
Lernen beruht nicht nur auf kognitiven Fähigkeiten, sondern es bedarf auch sozialer und emotionaler Bereitschaft
- Individuelles Lernen
Individuelles Lernen ist singuläres Lernen, gekoppelt mit Interaktion in vielfältiger Weise (beispielsweise: SuS mit SuS, SuS mit Lehrperson, …) (vgl. ebd., S.161ff)
Aus konstruktivistischer Sicht sind Lernbedingungen nicht nur externe Bedingungen, wie z.B. hierarchische Entscheidungen oder Lehrplangestaltung, die als unveränderbar gelten, sondern es sind soziale Konstruktionen. Lehrende stellen demzufolge selbst die Lernbedingung her und stellen sie selber dar, sie „sind“ die Lernbedingung, die für die Lernenden gilt. (vgl. ebd., S. 201ff)
Montessori schreibt dazu: „ Der Lehrer wäre im Irrtum, der meinte, er könne sich auf seine Aufgabe ausschließlich durch Studium und Anhäufung von Wissen vorbereiten: in allererster Linie ist für ihn eine klare innere Haltung erforderlich.“ (Montessori, 1993, S. 153) Damit meint Montessori, dass PädagogInnen eine eindeutige, mit diesem Konzept übereinstimmende Grundhaltung einnehmen sollen. Dabei prägt Respekt das Verhältnis zwischen Kindern, PädagogInnen und Eltern. Das Kind steht an erster Stelle. Weiters stellte sie auf Grund ihrer Beobachtungen fest: „Mit der Zeit begriff ich dann, daß [sic] alles in der Umwelt des Kindes nicht nur Ordnung, sondern ein bestimmtes Maß haben muß [sic], und daß [sic] Interesse und Konzentration in dem Grad wachsen, wie Verwirrendes und Überflüssiges ausgeschieden wird.“ (ebd., S.127) Damit spricht sie die Vorbereitung der Lernumgebung an.
Konstruktivistische Lernumgebungen sollten vor allem aus didaktisch aufbereiteten Materialien und Lehr-Lern-Arrangements bestehen. Betont wird die Nutzung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, wobei die Persönlichkeit der Lehrperson auf die Rolle eines Lernberaters reduziert wird. Eine Gefahr sieht Aff darin, die SuS unter der konstruktivistischen Zielformel vom eigenständigen Lerner „elektronisch zu entsorgen“. Ein Beispiel wären Laptop-Klassen, in denen SuS durch ungenaue Aufträge im Rahmen von
Internetrecherchen ermöglicht wird, sich vom Unterricht zu „verabschieden“. (vgl. Aff, Lehren und Lernen in Schule und Betrieb zwischen Instruktion und Konstruktion)
An diesem Beispiel wird deutlich, dass nicht nur ein traditionell geführter Unterricht unprofessionell vorbereitet und gestaltet werden kann.
Im konstruktivistisch orientierten Unterricht ist die Rolle der lehrenden Person definiert durch Zurücknahme. Die Lehrperson soll die Aktivität der Lernenden nicht zu sehr leiten und dadurch in die Rekonstruktion treiben.
„Die klassische Rolle des vortragenden, kontrollierenden, besserwissenden Dozenten wird mehr und mehr durch eine moderierende Rolle abgelöst, was allerdings keineswegs fachliche oder kommunikative Abstriche bezogen auf die Lehrerrolle bedeutet, sondern den Schwierigkeitsgrad sogar erheblich steigert. Lehrende müssen nunmehr mindestens in einer Doppelrolle agieren: Einerseits als mehrwissende Experten, andererseits als lernerorientierte Moderatoren der Wissensund Handlungskonstruktion.“ (Reich, 2002, S. 205)
Lehrpersonen sollten ständig reflektieren, wann es besser ist, in der klassischen LehrerInnenrolle zu verbleiben, in der vorrangig rekonstruktiv Wissen präsentiert wird und wann in die ModeratorInnenrolle gewechselt werden soll, um möglichst eigenständig viables Wissen zu erarbeiten. (vgl. ebd., S. 206f)
Montessori stimmt mit dieser Darstellung wesentlich überein. Sie schreibt über die Aufgabe der Lehrerin:
„Die Lehrerin hat jedoch zahlreiche, nicht leichte Aufgaben: Ihre Mitarbeit ist keineswegs ausgeschaltet, doch sie wird vorsichtig, feinfühlig und vielfältig. Ihre Worte, ihre Energie, ihre Strenge sind nicht erforderlich, doch es bedarf einer Weisheit, die, dem einzelnen Fall oder den Bedürfnissen entsprechend, umsichtig ist bei der Beobachtung, beim Dienen, beim Herbeieilen oder beim Zurückziehen, beim Sprechen oder Schweigen.“ (Montessori, 1969, S. 167)
Jede lernende Person ist stets Konstrukteur oder Konstrukteurin des eigenen Lernens (auch wenn das Lernen stark Richtung Reproduktion geht), da immer aktiv gearbeitet werden muss um etwas zu lernen. Dabei wird erwartet, dass Inhalte selbst ausgewählt werden, eine Methodenkompetenz entwickelt wird und das richtige Medium verwendet und eingesetzt wird. Lernen verlangt in diesem Sinne auch Visionen. Gelernt wird immer mit Blick
„auf etwas“ und nicht als Abbild. (vgl. Reich, 2002, S. 209f)
In der Montessoripädagogik lernen die Kinder bereits im Kinderhaus (Vorschulkinder) sich ihre Arbeit selbst auszuwählen. Sie holen sich die dazu nötigen Materialien selbst, nehmen die Hilfe der LehrerInnen in Anspruch, wenn sie diese brauchen, arbeiten alleine oder im Team und verräumen ihre Materialien auch wieder. Dieses zentrale Prinzip der Montessoripädagogik nennt sich Freiarbeit. Dabei erwerben Kinder nicht nur rein inhaltliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, die guten, aufnahmefähigen SuS lernen dabei vielmehr auch
„Schlüsselkompetenzen“ wie kommunizieren, kooperieren, disponieren. Lernende lernen das selbstregulierte Lernen in Verbindung mit Kompetenzerwerb. (vgl. Montessori, 1969, S. 109)
Im Regelschulwesen trifft man häufig auf die so genannte (Wochen-)Planarbeit. Dabei wird in einem vorgegebenen Rahmen „frei“ gearbeitet. „Frei“ bezieht sich hier jedoch lediglich auf die Zeiteinteilung und die Sozialform, nicht aber auf die Wahl der Inhalte.
Den in der Regelschule gängigen Unterrichtsmethoden zufolge (lehrerzentriert, direktiv, frontal), erfolgt die Benotung mit Ziffernnoten - was ein klares Machtverhältnis zwischen Lehrenden und Lernenden beinhaltet. Jedoch nicht alle Schulsysteme arbeiten mit diesem Benotungssystem. Immer öfter wird auf lernfördernde Rückmeldungen mit Konsequenzen (Zielvereinbarungen) übergegangen. Ein neues Benotungssystem wird aus der Sicht konstruktivistischer Didaktik benötigt. Reich (2002) schlägt eine systemische Notengebung vor (siehe Abbildung 4). Dabei spielen Zielvereinbarungsgespräche, Fördergespräche und herkömmliche Benotung eine wesentliche Rolle. (vgl. Reich, 2002, S. 301f) An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Forderung – auch im Regelschulwesen - dahingeht, dass die Lehrperson, die Bezugsnorm (individuell, curricular oder sozial) nach der sich die Notengebung richtet, eindeutig auszuweisen hat.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Systemische Notengebung (aus: Reich, 2002, S. 303)
Im Rahmen von Schulversuchen gibt es an Grundschulen auch die Möglichkeit alternativer Beurteilungsformen, wie etwa die verbale Beurteilung oder die kommentierte, direkte Leistungsvorlage. Durch Klassenbzw. Schulforumsbeschluss kann zu den Noten auch eine Leistungsbeschreibung eingefordert werden. (vgl. bm:ukk, Informationsblätter zum Schulrecht. 3.Teil, S. 19)
Im Vergleich dazu war für Montessori eine Ziffernbenotung nie Thema. Sie stellte die individuelle Entwicklung des Arbeitsund Leistungsverhaltens der Kinder in den Vordergrund und nicht den Vergleich in der Klasse. Es gab daher von jedem Kind auf Grund kontinuierlicher Beobachtung und Dokumentation ein Entwicklungsund Leistungsprofil für jede Schülerin und jeden Schüler. Dies entspricht den Pensenbüchern wie in Kapitel 2.2.6. beschrieben.
In einer konstruktivistischen Didaktik sollen Lehrende
- ihr Verhalten reflektieren und Feed-back erhalten
- Kommunikationstrainings absolvieren
- Metakommunikation erproben
- Supervision in Anspruch nehmen
- von EinzelkämpferInnen zu TeamarbeiterInnen werden.
Lehrende sollen sich als BeobachterInnen, TeilnehmerInnen und AkteurInnen sehen und verstehen, denn: Als beobachtende Person will man eine Situation möglichst genau erfassen, als teilnehmende Person will man daraus Konsequenzen ziehen und als AkteurIn muss man handeln, wenn man evaluieren will. (vgl. Reich, 2002, S. 309f)
Der Konstruktivismus als Lerntheorie hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Der traditionell orientierte Schulunterricht verläuft laut Untersuchungen im Vergleich zu vor 20 Jahren noch immer stark instruktionsbestimmt. In einer Replikationsstudie von Wiechmann (2002) zum „Methodenrepertoire von Lehrern“ zeigte sich, dass 71 % der Beobachtenden einen eher lehrergelenkten Unterricht gesehen haben. Der Vermittlungsstil der Lehrperson wird in der Pflichtschule mit 40 % als dozierend und lediglich mit 39 % als entdeckend charakterisiert. (vgl. Wiechmann, 2002, S. 324) In Kapitel 2 wird darauf näher eingegangen.
Berger/Luckmann (2004) setzen sich in ihrem mittlerweile klassisch gewordenen Buch, „Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit“ mit dem Begriff „Institution“ auseinander. Sie erklären, wie diese Form der Gesellschaft entstanden ist und funktioniert.
Nach dem Verständnis von Berger/Luckmann (vgl. 2004, S. 56 ff) ist eine Institution (unter anderem) ein System, eine Anordnung sozialer Beziehungen, in denen verschiedenste Handlungstypen in typischen Situationen und typischer Art miteinander interagieren und dabei typische Erwartungen an deren Verhalten aneinander richten.
Der zentrale Begriff dieser Auseinandersetzung mit dem Begriff „Institution“ ist „typisch“. Typisch und Typen sind Ausdruck für etwas Allgemeines, die Wörter implizieren eine Abwendung vom Individuellen. Typisches ist zu erkennen, wenn Individuelles miteinander verglichen und die herausstechenden Gemeinsamkeiten zusammengefasst werden. An Typen werden Erwartungen gestellt, mit Typen ist eine Identifikation möglich und Typen sind durch bestimmte Handlungsschemata wieder erkennbar (z.B.: Lerntypen). Typen beschränken sich also nicht nur auf Institutionen.
Institutionen verlangen von ihren Angehörigen als Handlungstypen in typischen Situationen gemäß typischer Verhaltenserwartung kompetent zu handeln, also Handlungsmuster auszubilden und das dafür notwendige Wissen zu erwerben. Den übergeordneten Rahmen stellt die jeweilige (typische) Gesellschaft.
Schulen als Institutionen (und zwar unabhängig vom Schulsystem) definieren den Raum, in dem Lernen, der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten, das Ausformen der eigenen Persönlichkeit und die Vergesellschaftung stattfinden. Die Institutionen können also in ihrem Ausmaß, welches sie den Individuen für Individualisierung zugestehen, für eine (unter anderem) selbstbestimmte Bildung ihrer Fähigkeiten, Fertigkeiten und Charaktere, unterschieden werden. Dass dieses Maß je nach Schulsystem sehr unterschiedlich sein kann, hat Kapitel 1 bereits gezeigt. Folgend soll speziell auf die Unterscheidung Regelschule und Alternativschule eingegangen werden.
Um den empirischen Teil dieser Studie aufbauen zu können, ist es vorweg unerlässlich, genau abzugrenzen, wo die Differenzen bzw. Überschneidungen zwischen den beiden gewählten Schulsystemen, nämlich „Regelschule“ auf der einen und „Alternativschule“ auf der anderen Seite zu sehen sind.
Was eine „Regelschule“ bzw. eine „Alternativschule“ ausmacht, ist nicht so einfach abzugrenzen. Der im Jahr 1993 entstandene „Bundesdachverband für selbstbestimmtes Lernen“ legte Kriterien fest, nach denen eine Unterscheidung möglich wird. In Österreich wird aufgrund der darin festgehaltenen Kennzeichen entschieden, ob eine Schule als „alternativ“ bezeichnet werden kann. (vgl. Fischer-Kowalski, et.al., 1993)
Somit definieren die Autorinnen Regelschulen als vom Bund betriebene und von diesem gesetzlich geregelte Lehranstalten, die in ihrer Tätigkeit den festgelegten Lehrplan verfolgen und nach dem Schulorganisationsgesetz organisiert sind.
Alternativen definieren sich über ihr eigenes pädagogisches Konzept, welches sich von dem der Regelschule unterscheidet.
Es gibt mehrere Ebenen, auf denen sich Alternativschulen von Regelschulen abgrenzen können. Um im österreichischen Alternativschuldachverband aufgenommen zu werden, müssen fünf Kriterien erfüllt sein. Von den fünf Kriterien sind die beiden erst genannten für die Auswahl der Stichprobe dieser Arbeit von besonderer Bedeutung:
- Pädagogisches Konzept: ganzheitliches, soziales, selbstbestimmtes und integratives Lernen: Dies bedeutet, dass den PädagogInnen in der Konzeptwahl freie Hand gelassen wird (innerhalb des vorgegebenen Rahmens).
- Mitgestaltung der Eltern bei der Arbeit mit den Kindern: Es geht darum, dass sich die Schulen gegenüber den Eltern nicht als verselbständigte Institutionen verhalten, sondern diese eine zentrale Stellung bei der Gestaltung des schulischen Alltags einnehmen. (Dieser Punkt wird von Fischer-Kowalski als trennscharfes Kriterium angegeben, die Forderung nach Einbeziehung der Eltern/Erziehungsberechtigten findet sich aber auch im Schulorganisationsgesetz wieder!)
- Finanzielle Eigenständigkeit der Initiative: Keine Abhängigkeit von Groß- oder Mutterorganisationen.
- Religionsfreiheit: Die Institution fühlt sich keiner Kirche verpflichtet.
- Selbstverwaltung: Die Initiative wird von den Lehrpersonen und den Eltern getragen.
(vgl. Fischer-Kowalski, et.al., 1993, S. 21ff)
Je nachdem, nach wie vielen Kriterien sich Alternativschulen von dem idealtypisch gesetztem Bild der Regelschule unterscheiden, lassen sich auch Unterscheidungen zwischen den einzelnen Alternativschulen treffen. Alle weisen jedoch, im Hinblick auf die pädagogische Praxis, nachstehende Gemeinsamkeiten auf:
- Pädozentristische Haltung: Das Kind und sein Wesen stehen im Mittelpunkt.
- Ganzheitliche Bildung: Alle Entwicklungspotentiale (nicht nur die intellektuellen) sollen gefördert werden.
- Selbstverwaltung
- Lebensverbundenes Lernen: Orientierung an der Lebenswelt der Kinder, lernen von praktisch verwertbarem Wissen.
(vgl. Fischer-Kowalski, et.al., 1993, S. 21ff)
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit einer in Österreich weit verbreiteten alternativen Pädagogik – der Montessoripädagogik. Um die Wissenschaftlichkeit dieser quasiexperimentellen Studie zu sichern, das heißt einen Vergleich zweier Schulsysteme, einmal Regelschulpädagogik, einmal Montessoripädagogik, hinsichtlich der Lernfähigkeit ihrer 4. KlässlerInnen möglich zu machen, ist es notwendig, ein für den Rahmen dieser Studie geltendes, idealtypisches Bild einer Regelschule im Grundschulbereich und einer Montessorischule (bzw. einer Klasse, geführt nach den Grundsätzen der Montessoripädagogik) zu zeichnen. Auf die Probleme des Vergleichens gehen wir in Kapitel 7.1.1 näher ein.
Die folgenden Kapitel geben über die charakteristischen Merkmale jedes Schulsystems Aufschluss. Es mag sein, dass dabei so manche Leserin oder mancher Leser feststellen wird, dass sich wesentliche Teile decken. Bei einem genauen Vergleich der beiden didaktischen Modelle wird aber ersichtlich, dass zwar die Forderungen des Lehrplanes durch die Montessoripädagogik abgedeckt werden, dies aber umgekehrt nicht ganz der Fall ist, da Montessori mit ihrer Forderung nach dem Prinzip der Freiheit, der Jahrgangsmischung oder dem Umgang mit der Leistung des Kindes mehr fordert, als der derzeitig gültige Lehrplan zulässt. (vgl. Haberl, 1994, S.142 f)
Das Regelschulwesen war in den letzten Jahren einem bemerkenswerten Wandel unterzogen. Eine „neue“ Unterrichtskultur hat sich entwickelt. Was soviel bedeutet wie: Es gibt ein Kontrastprogramm zu den nicht mehr als angemessen erscheinenden Vorstellungen von Schule. Die neue Schulkultur ist bestimmt durch einen mächtigen Kontext: durch bildungspolitische Diskussionen und Entscheidungen, veränderte Rahmenbedingungen und vor allem durch jahrelange Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Lernwissenschaften (z.B. Kognitionspsychologie, Konstruktivismus, Hirnforschung etc.) Es gibt solide Theorien, Zielund Forderungskataloge für die verschiedensten Gebiete und überzeugende Begründungen. Forderungen nach Teamarbeit, Integration, alternativen Beurteilungsformen und vieles mehr wurden im österreichischen Schulgesetz verankert. Dies macht es schwieriger, eine klare und eindeutige Abgrenzung zu alternativen Schulformen zu zeichnen. Es ist den Autorinnen aus der Praxis bekannt, dass viele Klassen ihre Türen öffnen und im Unterricht selbstgesteuert und selbstorganisiert gearbeitet wird. Wiechmann (2002, S. 328) konstatiert in seiner Studie „Methodenrepertoire von Lehrern“, dass 19% des Unterrichts der Grundschule als schülergesteuert und 63 % als lehrerInnengesteuert beschrieben werden können. Der Rest verteilt sich auf Sonstiges. Dieser Form des Unterrichts wollen wir in dieser Arbeit unsere Aufmerksamkeit widmen. Und wir wollen sie in keinster Weise gering schätzen. Prof. Dr. Herbert Gudjons, Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg, schrieb dazu in seinem Buch „Frontalunterricht – neu entdeckt“ aus dem Jahr 2003 (S. 42 f): „Frontalunterricht ist unter Schülern und Schülerinnen beliebter als man denkt! Nach einer von ihm (Anm. d. Verf.: von Aschersleben) durchgeführten Schülerbefragung (Aschersleben, 1986, 36) wird das gebundene Unterrichtsgespräch mit Beteiligung des Lehrers am meisten geschätzt (80% positive Nennungen).“
Ausgehend von der langen Entwicklungsgeschichte der österreichischen Schule und den vielen Forderungen und Vorgaben wird nachfolgend ein kurzes Bild des Regelschulsystems, und anschließend des Montessorisystems konstatiert.
Das staatliche Schulwesen in Österreich geht auf Maria Theresia zurück. Sie ließ 1774 die
„Allgemeine Schulordnung“ ausarbeiten. Darin wurde für beiderlei Geschlecht die Schulpflicht eingefordert und zwar ab dem sechsten Lebensjahr, für sechs Schuljahre. Mit dem Reichsvolksschulgesetz von 1869 wurde die Schule endgültig dem Staat unterstellt, die Kirche verlor ihren starken Einfluss. Die Schulpflicht verlängerte sich auf acht Jahre. Es herrschte über lange Zeit ein gravierender Unterschied in der Ausbildung von Mädchen und Buben. Erst mit Otto Glöckl, (Präsident des Wiener Stadtschulrates) wurde 1918 eine bis heute wirkende Schulreform durchgeführt, die Mädchen zu einer ebenbürtigen Ausbildung verhilft.
Ein umfassendes Schulgesetz von 1962 stellte das österreichische Schulwesen auf eine einheitliche Rechtsbasis. Die Schulpflicht erhöhte sich um ein weiteres Jahr. 1975 schließlich wurde die Koedukation als Regelfall eingeführt. Integrativer Unterricht für Kinder mit Behinderung ist seit 1993 im Primarbereich und seit 1997 im Sekundarbereich möglich. (vgl. bm:ukk, Bildungswesen in Österreich - Historische Entwicklung)
Das Schulgesetzwerk von 1962 bildet die allgemeingültige Rechtsgrundlage. Wesentliche Änderungen im Schulgesetzwerk können nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat durchgeführt werden. Es gilt im Wesentlichen eine bundeseinheitliche Regelung für das österreichische Schulwesen.
Die Gesetzgebung über die Grundsätze für die äußere Organisation (Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Schulzeit, Anzahl der SchülerInnen pro Klasse) der öffentlichen Pflichtschulen ist Bundessache. Ebenso die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung. Grundsätzlich sind alle Schulen koedukativ zu führen. Der Schulbesuch an öffentlichen Schulen ist unentgeltlich, die Schulpflicht beginnt nach der Vollendung des sechsten Lebensjahres und dauert neun Schuljahre. (vgl. bm:ukk, Das heutige Schulsystem. Rechtsgrundlagen und Allgemeines.)
Im Lehrplan der Volkschule (VS) sind folgende Bildungsziele festgeschrieben: SchülerInnen sollen zu gesunden, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Mitgliedern der Gesellschaft herangebildet werden. Sie sollen zu Selbständigkeit beim Denken, Urteilen und Handeln befähigt werden, und Freiheitsund Friedensliebe soll gefördert werden. Es wird eine für alle SchülerInnen gemeinsame Elementarbildung unter Berücksichtigung einer sozialen Integration von Kindern mit Behinderung verlangt. Es wird erwartet, dass eine ausgewogene soziale, emotionelle, intellektuelle und körperliche Bildung stattfindet, und zwar ausgehend von den individuellen Möglichkeiten der SchülerInnen. Die individuelle Förderung eines jeden Kindes ist wesentliches Ziel des Bildungsauftrages in der Primarstufe. Es soll dadurch die Basis für ein erfolgreiches Lernen in den weiterführenden Schulen geschaffen werden. Nicht zuletzt soll dem sozialen Lernen sowie dem interkulturellen Lernen besonderes Augenmerk geschenkt werden. (vgl. bm:ukk, Volksschullehrplan. Stand: 22. August 2006, S.6 ff)
Neben der Vermittlung der vier Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen, Suche und Aufbereitung von Informationen) erwartet sich die Gesellschaft von der Institution Schule, dass folgende wesentliche Funktionen erfüllt werden:
- Qualifikationsfunktion: Den SchülerInnen wird das, von der Gesellschaft als notwendig erachtete Wissen vermittelt, damit diese sich in ihrer Welt zurechtfinden und für das gängige Berufsund Beschäftigungssystem qualifiziert werden.
- Selektionsund Allokationsfunktion: Auslese und Zuweisung eines gesellschaftlichen Ortes durch Noten, Zeugnisse und Beurteilungen. Davon wiederum sind viele Sozialchancen abhängig!
- Integrationsund Legitimationsfunktion: Einführung in das gesellschaftliche System durch Erziehung und durch Vermittlung von Werten. (vgl. Fend, 1980)
Der österreichische Lehrplan der Volksschule hat Rahmencharakter und ist zielorientiert. Er bildet die Grundlage für die eigenverantwortliche Planung und Durchführung des Unterrichts durch die Lehrperson. (vgl. bm:ukk, Volksschullehrplan. Stand: 22. August 2006, S. 9)
Das Schulorganisationsgesetz gliedert den Lehrstoff nach Unterrichtsgegenständen. Diesen Gegenständen werden weiters Zeiteinheiten zugeteilt. Daraus entsteht für die Lehrperson die Verpflichtung, den Kindern Bildungsangebote aus allen angeführten Lernbereichen zu machen, wobei fächerübergreifend gearbeitet werden kann bzw. soll. Da von der Konzentrationsfähigkeit und Lernfähigkeit der Kinder ausgegangen werden muss, sind im Stundenplan keine Unterrichtsstunden auszuweisen sondern lediglich der raumbzw. personengebundene Unterricht. (vgl. ebd., S. 11)
- Rolle und Aufgabe der Lehrperson
Der Lehrplan hält fest, dass eine günstige Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit und des Lernens eines Kindes in hohem Maße von der Persönlichkeit der Lehrperson abhängt. Sie übernimmt eine Vorbildrolle bezüglich Verhalten in Konfliktsituationen und mitmenschlichen Beziehungen. „Im täglichen Unterricht darf sich die Lehrerin bzw. der Lehrer nicht ausschließlich als Wissensvermittler und Belehrender, sondern auch als Lernender verstehen.“ (ebd., S. 8)
Was für den Montessoriunterricht selbstverständlich erscheint, ist in der Regelschule aber noch keinesfalls Alltag.
Wolf Dieter Kohlberg, Professor an der Universität Osnabrück, schreibt folgendes darüber in seinem Aufsatz über „Die Modernität der Reformpädagogik“ (2005): In den letzten Jahren lässt sich ein Paradigmenwandel bezüglich Unterrichtsarbeit erkennen. Galt bisher das pä- dagogische Leitbild als geisteswissenschaftlich geprägt, wandelt es sich in den letzten Jahren in Richtung konstruktivistisch-systemische Pädagogik. Der konstruktivistische Ansatz, mit seiner Forderung lernenden Personen die Selbststeuerung bei Lernprozessen zu überlassen und die Lehrpersonen als LernprozessberaterIn zu betrachten, legt die Basis für ein selbstreguliertes Lernen. Da wir uns auf dem Weg in eine Wissensgesellschaft befinden, ist es unumgänglich der kommenden Generation zu vermitteln, wie sie sich aus der Flut von Informationen das (momentan) nötige Wissen zugänglich machen, herausfiltern, aufbereiten und im Endeffekt so organisieren, dass sie es dauerhaft lernen und/oder wieder finden können. Die Basis für diesen hohen Anspruch stellt die Lernfähigkeit dar.
Kohlberg (2005) sieht einen Wandel von der „Objektiven Didaktik“ zur „Subjektiven Didaktik“: „Aus der Sicht der Didaktik – als Kernbereich der Professionalisierung von Lehrern – ist ein vorherrschendes didaktisches Modell insbesondere geprägt durch die bildungstheoretische und die lehr-lerntheoretische Didaktik, entstanden, das ich als „Objektives Modell“ (Objektive Didaktik) bezeichnen möchte“. (Kohlberg, 2005, S.66) Was meint er nun damit? Seiner Ansicht nach trug bislang die Lehrperson eine allumfassende Verantwortung für die lernende Person in Bezug auf das Lernen. Er setzt die Objektive Didaktik gleich dem fremdorganisierten Lernen. Die Lehrperson ist demnach allgegenwärtig. Auf Grund hoher Ansprüche an die Pädagogik, zunehmender Überlastung von Lehrpersonen, Ungleichheit und Komplexität von Lerngruppen und -situationen kommt es in der Gegenwart immer öfter zum Kollaps, wenn sich Lehrpersonen in Unterrichtssituationen weiterhin am objektiven Didaktik-Modell orientieren. Daher entwickelt sich zurzeit ein alternatives Didaktik-Modell (siehe Abbildung 5), in dem Verantwortung für das Lernen an die Lernenden abgegeben wird. Kohlberg (2005, S. 66ff) spricht in diesem Zusammenhang von der „Subjektiven Didaktik“ und meint damit auch selbstorganisiertes Lernen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Didaktische Modelle (aus: Kohlberg, 2005, S. 67)
- Unterrichtsformen
Eine zentrale Forderung an Schule und somit an die tätigen Lehrpersonen, lautet „Einsatz von Methodenvielfalt“. In der Schule geht es um ein Einüben elementarer Lern-, Kommunikations-, Arbeits-, Präsentationsund Kooperationsmethoden und dies muss bereits in der Vorund Grundschulzeit konsequent begonnen und verfolgt werden. Erfolgreiches Lernen ist also mehr als Stoffvermittlung und braves Befolgen von Lehranweisungen. Nachhaltiges Lernen und die Hinführung zu eigener Lernfähigkeit erfordert ein Lernen unter Einsatz möglichst vieler Sinne, ein mehrkanaliges Lernen. Voraussetzung dafür ist ein methodenreicher Unterricht. (vgl. Klippert/Müller, 2004, S. 11 ff)
[...]