Bachelorarbeit, 2022
35 Seiten, Note: 1,0
1 Szenario
2 Was sind psychische Storungen?
2.1 Definition
3 Angststorungen
3.1 Unterscheidung von entwicklungsangemessener und klinisch relevanter Angst
3.2 Welche Angststorungen gibt es im Kindesalter?
3.3 Epidemiologie
3.4 Faktoren der Entstehung von Angststorungen im Kindes- und Jugendalter
3.5 Modelle der Entwicklung von Angststorungen bei Kindern und Jugendlichen
4 Ansatzpunkte anhand der Modelle zur Entwicklung von Angststorungen
5 Szenario
6 Ganztagsschulen
6.1 Definition Ganztagsschule
6.2 Gesetzliche Grundlagen
6.3 Tragerlandschaft an Ganztagsschulen
6.4 Personalstruktur an Ganztagsschulen
6.5 Angebotsstruktur an Ganztagsschulen
6.6 Elternarbeit an Ganztagsschulen
6.7 Kooperation an Ganztagsschulen
7 Strukturelle Implikationen
7.1 Implikationen im Bereich Personal
7.2 Implikationen im Bereich Angebotsstruktur
7.3 Implikationen im Bereich Elternarbeit
7.4 Implikationen im Bereich Kooperation
8 Szenario
9 Chancen und Grenzen der Implikationen und weitere DenkanstoRe
10 Literaturverzeichnis
Nehmen Sie sich einen kurzen Moment und kommen Sie mit auf eine kleine Reise in die Welt Ihrer Vorstellungskraft. Stellen Sie sich folgendes Szenario vor. Sie leiten als eine studierte und /oder ausgebildete padagogische Fachkraft eine offene Ganztagsschule (OGS) im Primarbereich. Mit Ihrem Team, anteilig bestehend aus ungelernten Kraften, versuchen Sie ein qualitativ hochwertiges, padagogisches Umfeld fur die Kinder zu erschaffen. Sie sehen es als Ihre Aufgabe an, alle Kinder individuell auf ihrem Lebensweg unterstutzend zu begleiten, damit diese sich zu gesellschaftsfahigen und eigenverantwortlichen Personen entwickeln konnen. Uberraschenderweise bekommen Sie von einer Klassenlehrerin mitgeteilt, dass ein Kind, wir nennen es Paul, fur die nachsten sechs Wochen nicht in die OGS kommen wird. Die Mutter hat der Klassenlehrerin lediglich Auskunft daruber gegeben, dass Paul psychisch momentan nicht „ganz auf der Hohe" ware und er etwas Pause brauchte. Als Paul wieder zur Schule kommt stellte sich heraus, dass er die Diagnose Angststorung erhalten hat. Ihnen fallt auf, dass Paul sich nicht mehr so extrovertiert, kontaktfreudig und neugierig verhalt, wie Sie ihn kennen gelernt haben. Es macht den Anschein, dass der Mutter die Erkrankung ihres Sohnes unangenehm ist und nur sehr wenige Informationen, bezuglich Paul und der Umstande preisgibt. Die Situation uberfordert Sie als Fachkraft und das gesamte Team. Im Leitungsteam mit anderen OGS- Leitungen des Tragers stellt sich heraus, dass an anderen Standorten ahnliche Situationen aufgetreten sind. Nun stellen Sie sich gemeinsam die Frage wie Sie Paul strukturell am besten dabei helfen konnen, dass er zu einem glucklichen und gesunden Erwachsenen aufwachsen kann.
Wie wahrscheinlich ist dieses Szenario in dieser Praxis? Das machen epidemiologische Zahlen sichtbar. Der Kinder- und Jugendreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) aus dem Jahr 2017 schildert, dass 26,7% aller Kinder und Jugendlichen unter psychischen- und Verhaltensstorungen leiden und mindestens einmal im Jahr 2017 behandelt wurden (Greiner et al. 2019,S.111). Fur eine epidemiologischen Bewertung der Auftretenshaufigkeit von Angststorungen gibt es verschiedene Quellen, die von einer Lebenszeitpravalenz von ca. 10% fur die Spanne des Kindes- und Jugendalters berichten. Damit sind Angststorungen die haufigsten psychischen Storungen in dieser Lebensspanne (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.5; In-Albon 2011,S.18; Fegert et al. 2012,S.554). Bei Kindern im Alter von acht Jahren wurde eine Pravalenz einiger Angststorungen von 9,5% fur einen sechsmonatigen Zeitraum festgestellt. Unter den untersuchten Angststorungen waren die spezifische Phobie, die Trennungsangst und die generalisierte Angststorung am haufigsten vertreten (Fegert et al. 2012,S.554). Im Durchschnitt ist das Erstauftretensalter uber alle Angststorungen hinweg mit 11 Jahren im spaten Kindes- bzw. fruhen Adoleszenzalter zu verzeichnen (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.5).
Im Kontrast dazu steht der Kinder- und Jugendreport der DAK. Nach dem Report wurden im Jahr 2017 1,9% aller Menschen in der Altersspanne 5-17 Jahren aufgrund einer Angststorung arztlich behandelt (Storm 2019,S.131-133). Die Differenz kommt dadurch zustande, dass ca. ein Drittel bis ein Funftel der Kinder und Jugendlichen mit einer Angststorung in einer psychotherapeutischen Behandlung sind (In- Albon und Pfeiffer 2021,S.6). Da nur wenige der Betroffenen behandelt werden, sind folgende Informationen noch gravierender. Angststorungen weisen eine Komorbiditatsrate von bis zu 60% auf. Das bedeutet, Betroffene haben neben den Angststorungen weitere psychische Storungen, meistens im internalisierenden Bereich wie andere Angst- oder depressive Storungen. AuRerdem konnen externale Storungen, somatoforme Storungen, wie Asthma und Allergien, und im Jugendalter vermehrt Substanzabhangigkeiten auftreten (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.6+7). Untersuchungen zeigen, dass Angststorungen im Kindesalter sehr stabil sind und ein erhebliches Risiko darstellen fur die Entwicklung von weiteren psychischen Storungen bis ins Erwachsenenalter hinein (Fegert et al. 2012,S.554). Angststorungen im jungen Erwachsenenalter gehen einher mit einem Risiko fur eine geringe berufliche Anpassung, Schwierigkeiten im Familienkontext, weniger Lebenszufriedenheit, weniger Bewaltigungsstrategien und mehr chronischen Stress (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.6). Es wurde wahrend der Covid-19-Pandemie ein deutlicher Anstieg in der Lebenszeitpravalenz im Kindes- und Jugendalter fur psychische Storungen gefunden, er stieg von 10% auf 16% (Wagner 2021,S.8). AuRerdem stieg wahrend der Pandemie der bundesweite Bedarf von Therapieplatzen um ca. 60%. Folgend haben ca. 40% der Betroffenen eine Wartezeit von langer als sechs Monaten (PTK NRW 2021,S.3). Bei Angststorungen geht man davon aus, dass die Genetik lediglich ein Drittel der Varianz erklart. Bei Zwillingsstudien wurden die interindividuellen Unterschiede hauptsachlich durch gemeinsame familiare Bedingungen, insbesondere der psychischen Problemlage der Mutter, erklart (Klicpera und Gasteiger-Klicpera 2007,S.24). Durch die geringe Bedeutung der Genetik scheint es eine gewisse Relevanz zu geben sich die Sozialisationsbereiche von Kindern anzuschauen, um Ansatzpunkte in padagogischen Kontexten zu identifizieren, die praventiv und akut zum Wohle des Kindes umgesetzt werden konnen. Ein bedeutender Sozialisationsbereich fur Kinder ist die Schule mit ihren auRerunterrichtlichen Angeboten. Im Jahr 2019 gibt es 10.771 Grundschulen in Deutschland mit einem Ganztagsbetrieb, dies sind lediglich 70,6% aller Grundschulen (KMK 2021,S.23). Die Anzahl der Kinder im Ganztagsschulbetrieb in Grundschulen ist bis 2019 auf 1.352.499 gestiegen. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) ist mit einem Anteil von 306.892 Kindern im Vergleich zu den anderen Bundeslandern an erster Stelle. Jedoch sind dies nur 47,9% aller Grundschuler in NRW (KMK 2021,S.55). Wenn von einer 9,5% Pravalenzrate ausgegangen wird, sind von den 306.892 Schulerinnen und Schulern (SuS) im Ganztagsbetrieb in NRW, 29.154 Kinder von einer Angststorung betroffen. Das legt nahe, dass eine Thematisierung von Angststorungen in der qualitativen Evaluierung der Ganztagsangebote von Grundschulen notig ist. Es ist anzunehmen, dass mit dem neuen Ganztagsforderungsgesetz vom 2.10.2021 (siehe Kap.5.2) die Anzahl der Kinder im Ganztagssystem der Grundschulen bundesweit steigen wird. Bereits jetzt wird der auRerunterrichtliche Bereich der Ganztagsschulen fast zur Halfte von Personen ohne einschlagige padagogische Ausbildung (z.B. Praktikanten, Ubungsleiter) getragen. Durch einen groRen Anteil von befristeten- und Teilzeitvertragen fur Fachkrafte entsteht der Eindruck von einer hohen Unbestandigkeit in der Personalstruktur (Altermann et al. 2018,S.15-18). Zusatzlich spuren die OGS den Fachkraftemangel. Es gibt zu wenige Bewerber oder nur welche mit unzureichender Qualifikation. Falls die Qualifikation den Vorgaben entsprach, war eine entsprechende Entlohnung oft nicht moglich. So blieben viele Stellen lange unbesetzt. Aufgrund der finanziellen Ausstattung in den letzten drei Jahren waren ca. die Halfte der Trager nicht in der Lage vollzeitbeschaftigtes, ausreichend qualifiziertes und genugend Personal einzustellen. Ebenso litt bei ca. 20% der Trager die Angebots- und Fortbildungsstruktur (Altermann et al. 2018,S.40). Eine strukturelle Anpassung, evtl. sogar einrichtungsubergreifend, kann vermutlich effektiver, fachlich fundierter und schneller die Qualitat einzelner Einrichtungen beeinflussen. Es ist anzunehmen, dass in einer qualitativ hochwertigen Struktur alle Krafte eher in der Lage sind qualitativ hochwertiger zu arbeiten. Daher scheint eine Anpassung der OGS-Struktur (Kap.5) notig zu sein, um ein so umfassendes Thema wie die psychische Gesundheit der jungen Generation adaquat zu berucksichtigen. Das deutsche Jugendinstitut formuliert in ihrer Stellungnahme zum neuen Ganztagsforderungsgesetz das Fazit: verstarkt eine konzeptionelle-inhaltliche Debatte gefuhrt werden sollte, wie eine qualitativ wertvolle ganztagige Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern im Grundschulalter aussehen konnte [...]" (DJI 2021,S.7). Schlussfolgernd aus den genannten Umstanden, dass viele Kinder mit einer Angststorung im Kontext der schulischen Ganztagsbetreuung Zeit verbringen und eine strukturelle Anpassung vermeintlich effektiver ist als eine personliche, lasst sich folgende Frage ableiten: Wie konnen strukturelle Implikationen fur die Ganztagsgrundschulen in NRW auf Grundlage von Modellen zur Entwicklung von Angststorungen bei Kindern im Grundschulalter aussehen?
Um diese Frage zu beantworten, wird die Ausarbeitung in drei Teile unterteilt. Der erste Teil umschreibt wichtige Wissensinhalte bezuglich Angststorungen, insbesondere im Kindesalter. Fortfuhrend werden die strukturellen Begebenheiten in einer „typischen" OGS in NRW geschildert und anschlieRend werden aus beiden Teilen strukturelle Implikationen identifiziert. Im Abschlussteil werden Chancen und Grenzen der Ausarbeitung und fortfuhrende Gedanken formuliert.
Um Angststorungen besser verstehen zu konnen ist eine Definition von psychischen Storungen hilfreich.
Es gibt bei der Definition von psychischen Storungen die Besonderheit, dass diese als Ursache meist keine diagnostisch verwertbare strukturelle oder biochemischen Veranderung im Korper aufweisen. Damit fehlen wichtige Marker fur eine objektive Definition (Wagner 2021,S.17+18). Die Disziplin der Psychiatrie hatte das Ziel eine moglichst disjunkte Beschreibung der Storungen zu ermoglichen. Ursprunglich wurden dafur die Symptome, die Atiologie, die Pathogenese und die Pathopsychologie fur eine Diagnose erfasst. Dies anderte sich mit der Veroffentlichung des DSM-III (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) im Jahr 1980. Dieser fokussierte sich auf die reine Beschreibung der Storung und vernachlassigte atiologische Aspekte. Es wurden fur jede Storung spezifische Diagnosekriterien identifiziert. Diese umfassen moglichst exakt die klinischen Merkmale, vor allem jene, die durch Fragen und Beobachtung zuverlassig erfasst werden konnen. Dieser Ansatz wurde auch im ICD-10 (Internationale Classification of Diseases) verfolgt. Ein Kritikpunkt am Ansatz des DSM und ICD-10 ist der mangelnde Bezug zu den Ursachen, denn verschiedene Ursachen konnen ahnliche Symptome hervorrufen. Dies kann zu falschen Klassifikationen der Storung fuhren (Wagner 2021,S.23+24). Beide Diagnoseinstrumente unterliegen einem stetigen Prozess der Evaluierung. Trotz der Kritik haben beide Klassifikationssystem auch offensichtliche Vorteile. Die genaue Definition der Storungsmuster erlaubt es verschiedene Behandlungsstrategien zu vergleichen und so eine Wissensbasis bezuglich Behandlung und Prognose zu erstellen. Ebenso ist der Austausch zwischen verschiedenen Disziplinen exakter, wenn es ein standardisiertes Verstandnis einer Storung gibt. Gleichzeitig ermoglicht Standardisierung Versorgungsforschung und epidemiologische Fragestellungen. Somit ist ein standardisiertes Klassifikationssystem von Noten, damit das Wissen bezuglich der Storungen weiter ausgebaut werden kann. (Wagner 2021,S.25). Durch die hohe Varianz an psychischen Storungen kann eine allgemeine Definition nur sehr unspezifisch sein. Der ICD-10 hat diese wie folgt formuliert: „klinisch erkennbarer Komplex von Symptomen oder Verhaltensauffalligkeiten, die immer auf der individuellen und oft auch auf der Gruppen- oder sozialen Ebene mit Belastungen und mit Beeintrachtigungen von Funktionen verbunden sind" (Kohler 2017,S.13). Zusatzlich wurden bestimmte Merkmale von psychischen Storungen formuliert.
- „Die Storung betrifft das Innere (die Seele, die Person) des Individuums.
- Sie geht mit klinisch signifikanten Beeintrachtigungen des Denkens, Erlebens oder Verhaltens einher.
- Sie ist in der Regel mit personlichem Leid verbunden, etwa mit problematischen sozialen Beziehungen und beruflichen Schwierigkeiten.
- Sie geht mit psychischen, entwicklungsbezogenen und/ oder neurobiologischen Storungen einher, die zu mentalen Funktionseinschrankungen fuhren.
- Sie ist keine kulturspezifische Reaktion auf ein Ereignis (z.B. auf den Tod eines nahestehenden Menschen).
- Sie ist nicht primar das Ergebnis sozial abweichenden Verhaltens oder eines Konflikts mit der Gesellschaft" (Kring et al. 2019,S.25)
Zu Beginn wird die fur das Entwicklungsverstandnis bedeutsame Unterscheidung zwischen entwicklungsangemessener oder klinisch relevanter Angst beleuchtet und anschlieRend knapp die allgemeine Symptomatik. Darauf folgt der Hauptteil des Kapitels, die Beschreibung von Angststorungen im Kinderalter und die Modelle zur Erklarung ihrer Entstehung.
Angste treten im Normalfall in jeder menschlichen Entwicklung auf. In bestimmten Phasen sind bestimmte angstbelastete Inhalte typisch und haben ihre Hohepunkte, die nach der Zeit wieder abflachen. Fur die Intensitat der emotionalen Reaktionen wurden eine fruhzeitige Beeinflussung durch das Temperament nachgewiesen (Klicpera und Gasteiger-Klicpera 2007,S.22). So ist um den achten Lebensmonat herum die Angst vor der Trennung von Bezugspersonen prasent. Ab dem zweiten Lebensjahr ist die Angst vor Dunkelheit und Tieren typisch. Mit sechs Jahren sind Fantasiegestalten oft angstauslosend und mit dem Eintritt in die Schule zeigt sich haufig eine Angst vor Bewertungen (In- Albon und Pfeiffer 2021,S.2+3). In dieser Phase sind die angstbesetzten Inhalte haufig auf die Schule bezogen und hangen mit sozialen Beziehungen zusammen. Sie beginnen oft im ersten Schuljahr und erleben ihren Hohepunkt im Alter von 9-12 Jahren. Neben diesen Angsten werden Sorgen um Geld und die eigene Identitat (Adoptionsfrage) beobachtet (Klicpera und Gasteiger-Klicpera 2007,S.23). Wichtig ist die Unterscheidung zwischen entwicklungsangemessener Angst oder klinisch relevanter. Angste werden dann klinisch bedeutend, wenn sie eine besonders starke Intensitat erreichen, uber einen langen Zeitraum (mehrere Monate) dauern, untypisch fur das Entwicklungsstadium sind und mit einem starken Leidensdruck und Einschrankungen einher gehen (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.2).
Nun folgt die Spezifikation auf Angststorungen im Kindesalter, wobei die in Kapitel 2.1 genannten Diagnoseinstrumente ICD-10 und DSM-5 als Orientierung dienen. Die Auswahl der relevanten Angststorungen wird mit der epidemiologische Datenlage aus Kapitel 3.3 begrundet. Zu beachten ist, dass Angststorungen nur ein Teil der moglichen psychischen Storungen sind, an denen Kinder erkranken konnen (Wittchen und Hoyer 2011,S.645). Im ICD-10 werden im Kapitel V, Abschnitt F die psychischen Storungen definiert. In den Abschnitten F40-F48 und F90-F98 werden diagnostische Kriterien fur Angststorungen geschildert. Da der DSM-5 ahnliche Kategorien in seinem Kapitel Angststorungen aufweist, wird er erganzend herangezogen. Der Abschnitt F40- F48 heiRt „neurotische, Belastungs- und somatoforme Storungen" und beinhaltet folgende Kategorien: phobische Storungen, andere Angststorungen, Zwangsstorungen, Belastungs- und Anpassungsstorungen, Dissoziative Storungen und Somatoforme Storungen (Kring et al. 2019,S.103+103). Phobische Storungen (F40) ist ein Uberbegriff fur Storungen, bei denen die Angst hauptsachlich durch eindeutige, bestimmbare und ungefahrliche Situationen, oder ihrer Antizipation, hervorgerufen wird. Die betroffene Person hat Sorge vor Symptomen wie Herzklopfen und einem Schwachegefuhl. Beide treten oft in Kombination mit der Angst vor einem Kontrollverlust, dem Gefuhl wahnsinnig zu werden oder zu Sterben auf. Allein der Gedanke an das Eintreten einer angstbeladenen Situation kann Angst erzeugen. Daher wird oft mit Flucht und Vermeidung reagiert. Als Beispiele waren die Agoraphobie, die soziale Phobie oder weitere spezifische Phobien z.B. vor Hohe, Tiere, Dunkelheit etc. zu nennen (BfArM 2021). Vergleichbar im DSM-5 ist die Spezifische Phobie. Diagnosekriterien sind eine Dauer von uber sechs Monaten und klinisch relevante Beeintrachtigungen im Sozialen, Beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. Bei Kindern kann sich die Angst in Form von Weinen, Wutanfallen, Erstarren oder Anklammern ausdrucken (Falkai et al. 2020,S.139). Andere Angststorungen (F41) sind im Gegensatz zu den phobischen Storungen unspezifisch. Es konnen depressive und zwanghafte Symptome sowie Symptome einer phobischen Storung vorhanden sein, solange diese eindeutig sekundar oder nur gering ausgepragt sind und somit klar abzugrenzen sind von F40. Als Beispiele konnen die Panikstorungen und die generalisierte Angststorung genannt werden (BfArM 2021). Die generalisierte Angststorung (F41.1) ist eine unspezifische Storung. Es gibt eine Vielzahl moglicher Symptome, wie Bauchschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Benommenheit, Schwitzen, Anspannung, Zittern oder standige Nervositat (BfArM 2021). Vergleichbar im DSM-5 ist die identisch benannte generalisierte Angststorung. Ein Merkmal ist die erhohte Sorge vor den unterschiedlichsten Handlungen oder Ereignissen. Die betroffene Person hat Probleme damit die Sorgen zu bewaltigen. Bei Kindern muss eines der folgenden sechs Symptome in den letzten sechs Monaten an der Mehrheit der Tage aufgetreten sein: Ruhelosigkeit, leichte Ermudbarkeit, Reizbarkeit, hoher Tonus, Schlafstorungen und Konzentrationsschwache. Die Angst und ihre Symptome erzeugt einen hohen Leidensdruck (Falkai et al. 2020,S.145+156). Betroffene Kinder suchen sich oft Ruckversicherungen von nahestehenden Personen, z.B. durch das Kontrolllesen der Hausaufgaben (In-Albon und Pfeiffer 2021,S.5).
Zusatzlich gibt es im ICD-10 den Abschnitt F90- F98 „Verhaltens- und emotionale Storungen mit Beginn in der Kindheit und Jugend“. Der Abschnitt F93 „emotionale Storungen des Kindesalters“ stellt Storungen dar, die vorrangig als eine Verstarkung normaler kindlicher Entwicklungsabschnitte zu verstehen sind. Er umfasst folgende Unterkategorien:
- F93.0: Emotionale Storung mit Trennungsangst des Kindesalters
- F93.1: Phobische Storungen des Kindesalters
- F93.2: Storungen mit sozialer Angstlichkeit des Kindesalters
- F93.3: Emotionale Storung mit Geschwisterrivalitat
- F93.8: Sonstige emotionale Storung des Kindesalters
- F93.9: Emotionale Storung des Kindesalters, nicht naher bezeichnet (BfArM 2021)
Emotionale Storungen mit Trennungsangst des Kindesalters (F93.0) ist dann zu diagnostizieren, wenn die Angst vor der Trennung eindeutig als zentraler Aspekt identifiziert werden kann und in der fruhen Kindheit auftritt. Im Vergleich zur normalen Trennungsangst ist sie intensiver, langanhaltender, bringt klare soziale Dysfunktionen mit sich und geht uber die typische Entwicklungsphase hinaus (BfArM 2021). Die klassische Entwicklungsphase ist im Vorschulalter. Zu dem Zeitpunkt haben Kinder Angst sich von engen Bezugspersonen zu trennen. Sie auRert sich in der Sorge, dass die Bezugsperson nicht mehr wieder kommt, ihr was zustoRt oder das beide ungewollt getrennt werden. Die daraus resultierende Vermeidung von Trennungssituationen beschneidet den moglichen Erfahrungsraum des Kindes, denn es erschwert z.B. den Besuch in der Kita oder von Freunden. Gerade bei Kita- und Schulbesuchen mussen diese Angste durchstanden werden, erzeugen aber haufig viel Leid beim betroffenen Kind (Wittchen und Hoyer 2011,S.656). Vergleichbar im DSM-5 ist die Storung mit Trennungsangst. Die betroffene Person zeigt eindeutige Anzeichen von Widerwillen gegen die Trennungssituation und es konnen thematische Alptraume und/oder korperliche Beschwerden wie Kopf- und Bauchschmerzen oder Ubelkeit auftreten (Falkai et al. 2020,S.137+138). Phobische Storungen des Kindesalters (F93.1) sind in bestimmten Entwicklungsphasen normal. Fur die Diagnose in dieser Kategorie mussen sie aber in besonderer Auspragung vorhanden sein und einen entwicklungsspezifischen Bezug aufweisen, z.B. die Angst vor Tieren. Wenn dieser Aspekt nicht gegeben ist, wird die Storung in F40 kategorisiert (BfArM 2021). Storungen mit sozialer Angstlichkeit des Kindesalters (F93.2) sind dann gegeben, wenn eine wiederkehrende oder dauerhafte Angst vor fremden Menschen besteht. Dadurch werden Orte und Situationen vermieden, an denen das Kind auf fremde Personen treffen konnte. Um die Storung in dieser Kategorie zu diagnostizieren, muss sie spatestens im sechsten Lebensjahr begonnen haben. Und es wird ein stark uberdurchschnittliches Vermeidungsverhalten gegenuber fremden Personen und somit auch vielen neuen Situationen gezeigt (Wittchen und Hoyer 2011,S.656+657). Vergleichbar im DSM-5 ist die Soziale Angststorung (Soziale Phobie). Im DSM-5 liegt der Fokus auf der Angst vor Bewertung durch andere Personen.
[...]
Der GRIN Verlag hat sich seit 1998 auf die Veröffentlichung akademischer eBooks und Bücher spezialisiert. Der GRIN Verlag steht damit als erstes Unternehmen für User Generated Quality Content. Die Verlagsseiten GRIN.com, Hausarbeiten.de und Diplomarbeiten24 bieten für Hochschullehrer, Absolventen und Studenten die ideale Plattform, wissenschaftliche Texte wie Hausarbeiten, Referate, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten, Diplomarbeiten, Dissertationen und wissenschaftliche Aufsätze einem breiten Publikum zu präsentieren.
Kostenfreie Veröffentlichung: Hausarbeit, Bachelorarbeit, Diplomarbeit, Dissertation, Masterarbeit, Interpretation oder Referat jetzt veröffentlichen!
Kommentare