Bachelorarbeit, 2021
59 Seiten, Note: 1,4
1 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
2 ZIELSETZUNG
3 GEGENWARTIGER KENNTNISSTAND
3.1 Herausforderungen der heutigen Lebens- und Arbeitswelt
3.2 Darstellung der gegenwartigen Situation in Deutschland
3.3 Begriffserklarung
3.3.1 Gesundheit
3.3.2 Krankheit
3.3.3 Gesundheitsforderung
3.3.4 Stress
3.3.5 Alltagliche Stressoren und Stressreaktionen
3.3.6 Langfristige Folgen von Stress
3.3.7 Wie entsteht Stress?
3.3.8 Stressbewaltigung
3.4 Interventionen gegen Stress
3.4.1 Therapeutisches Achtsamkeitstraining
3.4.2 Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR)
3.4.3 Yoga
3.4.4 Ruhemeditation
3.5 Messinstrumente Stresslevel
3.5.1 Maslach Burnout Inventory
3.5.2 Blutdruck
3.5.3 Kortisol
3.5.4 Connor Davis Resilience Scale
4 METHODIK
4.1 Literaturquellen
4.2 Ein- und Ausschlusskriterien
4.3 Suchbegriffe
4.4 Suchstrategien
4.5 Filtereinstellungen
4.6 Suchvorgang
4.7 Flussdiagramm zur Literaturrecherche
5 ERGEBNISSE
6 DISKUSSION
6.1 Kritische Betrachtung der eigenen Vorgehensweise
6.2 Kritische Betrachtung der Ergebnisse
6.3 Schlussfolgerung und Ausblick
7 ZUSAMMENFASSUNG
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ABBILDUNGS-, TABELLEN-, ABKURZUNGSVERZEICHNIS
9.1 Abbildungsverzeichnis
9.2 Tabellenverzeichnis
9.3 Abkurzungsverzeichnis
Der Begriff „Stress“ ist aus unserem Alltag heutzutage nicht mehr wegzudenken.
Gerade in den letzten eineinhalb Jahren hat der Begriff „Entschleunigung“ das Leben vieler gepragt und durch den technischen Fortschritt wird der Eindruck eines Zeitgewinns geweckt, letztendlich wird dieser aber wieder vereitelt. Auch durch Sprichworter, wie „Morgenstund‘ hat Gold im Mund“ oder „Zeit ist Geld“ empfinden wir Zeitdruck. Die Entwicklung zur Schnelllebigkeit fuhrt dazu, dass Stress zu den groBten gesundheitlichen Risikofaktoren zahlt, unter denen die Menschen der modernen westlichen Welt leiden konnen (Kaluza, 2014, S.4).
Nicht jeder Stress wird negativ beurteilt und ist somit gesundheitsschadlich. Verschie- dene Ausloser von Stress, auch Stressoren genannt, fuhren zu einer bestimmten Stressre- aktion. Stress wird erst dann zu einem nachteiligen Erlebnis, wenn wir uns unsicher sind, eine bestimmte Aufgabe oder Situation zu meistern (Kaluza, 2014, S.8). Der Stress, den wir dann erleben, ist zwar nicht lebensbedrohlich, kann aber einen groBen Einfluss auf den Gesundheitszustand haben, besonders dann, wenn man unter chronischem Stress lei- det (Kaluza, 2018, S.31).
Laut einer Online-Umfrage aus dem Jahr 2017 von Alexander Kunst, bei der 1039 Leute zu ihrem Stress und der Arbeitsbelastung befragt wurden, gaben 21% der Frauen und 18% der Manner an, gestresst zu sein. Jede dritte befragte Person sagte aus, dass sie den Stress im Alltag gerne reduzieren wurde (Kunst, 2017).
Die Folgen von chronischem Stress sind zahlreich. Stress kann zu Herz-Kreislauf-Erkran- kungen, chronischen Schmerzen, Storungen des Magen-Darm-Trakts, aber auch zu psy- chischen Problemen fuhren (Kaluza, 2014, S.38). Speziell durch sich standig weiter er- hohende Arbeitsanforderungen und den wirtschaftlichen Wandel setzen sich viele Arbeit- nehmer zunehmend unter Druck, welches haufig psychische Probleme, wie Burnout, De- pressionen oder Angststorungen, zur Folge hat (Stauder, 2009, S.9). Laut der Weltge- sundheitsorganisation, WHO, sind psychische Erkrankungen der haufigste Grund fur Fehlzeiten am Arbeitsplatz (WHO, 2010).
Der Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse aus dem Jahr 2019 stellt dar, dass psychische Erkrankungen mit 15,2% an dritter Stelle des Arbeitsunfahig- keits-Tage-Volumens je 100 Mitarbeiter stehen. Diese Zahl ist zwar im Vergleich zum Vorjahr gesunken, dennoch gehoren psychische Erkrankungen zu den haufigsten und auch kostenintensivsten Erkrankungen. Bis zum Jahr 2018 war ein Anstieg der Arbeits- unfahigkeitsfalle aufgrund psychischer Erkrankungen zu erkenne (Marschall, et.al., 2019).
Der psychologische Psychotherapeut Gert Kaluza (2014, S.7) hat festgestellt, dass es fur eine erfolgreiche Pravention stressbedingter Gesundheitsrisiken nicht allein reicht, Ar- beitnehmer mit bestimmten Forderungsprogrammen an die neuen Arbeitsanforderungen zu gewohnen. Vielmehr mussen individuelles und strukturelles Stressmanagement mitei- nander kombiniert werden (Kaluza, 2014, S.58).
Ziel der Arbeit ist es, im Rahmen eines systematischen Reviews, eine Zusammenfassung des gegenwartigen Kenntnisstands zum Thema Interventionen gegen Stress und ihre Ef- fekte bei Berufstatigen zu verfassen. Genutzt wird dazu einschlagige theoretische und empirische Forschungsliteratur. Weiterhin werden Primarstudien mit in die Arbeit einge- hen. Diese werden unter zuvor festgelegten Schlusselwortern in Datenbanken ausfindig gemacht.
Diese Arbeit widmet sich der Thematik, welche Effekte Interventionen gegen Stress bei Berufstatigen erzielen konnen. Bestehende Daten und Interpretationen der einzelnen Stu- dien zu dieser Fragestellung werden dargestellt und kritisch reflektiert.
Es wird ein Uberblick uber bestehende Interventionen gegeben, sodass sich sowohl Ar- beitnehmer als auch Arbeitgeber einen positiven Nutzen fur das eigene Arbeitsfeld schaf- fen konnen. Jedem Arbeitgeber ist es wichtig, gesunde, motivierte und leistungsfahige Mitarbeiter zu beschaftigen, allerdings erschwert die hohe Datenlage zu diesem Thema einen Uberblick uber das Thema zu bekommen und gegen bereits bestehenden Stress an- zugehen oder praventiv zu handeln. Vorher muss jedoch geklart werden, was Stress uberhaupt ist und wie er entsteht. All dies wird in diesem systematischen Review behandelt. Weiterhin wird eine universelle, unvoreingenommene Antwort auf die Frage „Welche Interventionen gegen Stress werden bei Berufstatigen durchgefuhrt und welche Effekte erzielen sie?“ gesucht.
Sowohl Stresspravention als auch Stressbewaltigung stellen eine groBe Herausforderung fur Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Krankenkassen dar. Egal ob Online-, Zeit-, Bezie- hungs- oder Leistungsstress, Stress ist mittlerweile in allen Lebensbereichen prasent. Durch Globalisierung, Digitalisierung und standige Veranderungen in der Arbeitswelt stellen wir uns taglich Stressoren, die das Leben vieler mittlerweile pragen (Kaluza, 2014, S.51). Unvermeidbar ist damit ein weiterer Anstieg des Stresslevels, was zur Folge hat, dass das Nachdenken uber ein Leben in Balance von An- und Entspannung gefordert werden muss (Kaluza, 2014, S.52).
Nicht zu verachten sind neben den Auswirkungen von Stress auf den Menschen auch die okonomischen Folgen. Laut des Berichts „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ des Bundesministeriums fur Arbeit und Soziales betrugen die Produktionsausfallkosten im Jahr 2019 in Folge psychischer Krankheiten und Verhaltensstorungen etwa 14,4 Milliarden Euro. Im Jahr 2017 lagen die Produktionsausfallkosten noch bei 12,2 Milliarden Euro. Somit ist ein Anstieg dieser Kosten aufgrund psychischer Krankheiten festgestellt wurde. (Bundesministerium fur Arbeit und Soziales, 2019, S. 48).
„Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts“.
Dieses Zitat von Arthur Schopenhauer beschreibt sehr gut, wie wichtig eine effektive Stresspravention bei Arbeitnehmern ist.
Um die Auswirkung von Stress auf die Menschen messbar zu ermitteln, fuhrt die Tech- niker Krankenkasse (TK) eine umfangreiche Stressstudie durch. Die folgenden Daten be- ziehen sich auf die 2016 veroffentlichten Ergebnisse. Mehr als 60% der Deutschen sind gestresst, davon 23% sogar haufig. Das sind 3% mehr als noch drei Jahre zuvor, im Jahr 2013. Nach der Altersspanne fuhlen sich schon die jungeren zwischen 18 und 29 Jahren zu 66% mindestens manchmal gestresst. Bei den 30- bis 39-Jahrigen sind es sogar 82%. In Deutschland ist Stressor Nummer Eins die Arbeit mit insgesamt 46%, wobei sich die Manner deutlich gestresster von der Arbeit fuhlen (54%), als die Frauen (39%). Dicht gefolgt von hohen Anspruchen an sich selbst 43% und zu viele Termine und Verpflich- tungen in der Freizeit 33%.
Mehr als die Halfte der Deutschen ordnen sich in stressigen Situationen der Gruppe der Durchhalter zu. Somit akzeptieren 56% der Deutschen den Stress, wahrend 16% erst unter Stress mehr Leistung bringen konnen und 22% versuchen, den Stress zu vermeiden.
Allerdings ist es egal, wie man sich dem Stress stellt, im Endeffekt braucht Jedermann einen Ausgleich zu stressigen Situationen.
71% gaben an, dass ihr Hobby ein Ausgleich zum stressigen Alltag ist. Faulenzen liegt mit 68% dicht dahinter, gefolgt von Familie und Freunden mit 67%. Der Altersspanne nach ist Sport eine beliebte Methode zur Entspannung bei den 18- bis 39-Jahrigen. Die uber 60-Jahrigen sehen vor allem im Fernsehen, Spazierengehen und in der Gartenarbeit eine gute Moglichkeit zum Ausgleich.
Im Arbeitsalltag fuhlen sich die Meisten von zu viel Arbeit (64%) und Termindruck bzw. Hetze (59%) gestresst. Dies hat zur Folge, dass 43% der Befragten angaben sich oft ab- gearbeitet und verbraucht zu fuhlen. Durch zu viel Arbeit kommt fur 36% die Familie und Freunde zu kurz. Gerade die Zeiten, in denen entspannt werden soll, zum Beispiel im Urlaub, konnen nicht zur Regeneration genutzt werden, denn 29% geben an, sogar dann nicht richtig abschalten zu konnen. Diese Faktoren fuhren auf Dauer zu Krankheit, so gaben 36% der 40- bis 49-Jahrigen an, in den vergangenen drei Jahren unter Depressio- nen, Burnout oder Angststorungen gelitten zu haben. Uber einen langeren Zeitraum wird dies zu einem echten Problem, welches unter anderem zu Fehlzeiten und Ausfallen fuhrt. Daher muss der Stressor Nummer Eins, die Arbeit, minimiert werden. Durch verschie- dene Interventionen gegen Stress bei Berufstatigen kann der durch die Arbeit verursachte Stress reduziert werden. Daraus folgt, dass die Arbeitnehmer leistungsfahiger, zufriede- ner und seltener krank sind.
Die Gesundheit ist ein hohes Gut und die Bereitschaft der Menschen, sich mit ihrer Ge- sundheit auseinanderzusetzen und in ihre Gesundheit zu investieren, wachst stetig. Der Begriff Gesundheit ist fur uns selbstverstandlich, allerdings gibt es keine allgemeine Definition. In dieser Arbeit wird sich an der Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO) orientiert. Diese lautet wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand des vollstandigen korperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krank- heit oder Gebrechen.“ (WHO, 2020).
Als „gesund“ bezeichnet man sich jedoch nicht nur, wenn keine Krankheiten vorliegen, sondern wenn man sich psychisch und sozial wohl fuhlt, aber auch leistungsfahig ist und sich selbst verwirklichen kann (Lippke, Rammelstein, 2006, S.8). Primar ist man biologisch gesund, wenn physiologische und anatomische Prozesse reibungslos ablau- fen. Dagegen darf man die politischen, wirtschaftlichen, finanziellen, kulturellen, tech- nischen und okologischen Faktoren, welche vor allem direkten Einfluss auf unsere psy- chische Gesundheit haben, nicht auBer Acht lassen (Hurrelmann, 2016, S.3).
Mit steigendem Alter nimmt die Bedeutung des Gesund-Seins fur jeden Menschen zu und man ist dazu bereit bewusster und gesundheitsorientierter zu handeln.
Gesundheit ist mehr als das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen, sie wird von vielen Lebensbereichen beeinflusst.
In einer Wechselbeziehung zur Gesundheit steht die Krankheit. Auch der Begriff der Krankheit ist nicht klar zu definieren. Krankheit beschreibt neben einem biologisch ver- anderten Zustand des Korpers, Unwohlsein, eine zugeschriebene Krankenrolle, um be- stimmte Privilegien in Anspruch zu nehmen, oder eine arztliche Diagnose (Hoyer, Knappe, 2020, S.32). Krankheitsursachen liegen sozialen, biologischen, psychologi- schen, aber auch okologischen Faktoren zu Grunde. Krankheit und Wohlbefinden schlie- Ben sich nicht gegenseitig aus, so kann man zum Beispiel an Diabetes erkrankt sein, al- lerdings empfindet die Person keine Schmerzen und ist glucklich.
Allgemein sind Gesundheit und Krankheit als subjektive Empfindungen anzusehen.
Nach Ende des zweiten Weltkrieges erlebte Deutschland einen Aufschwung, welcher auch Fortschritte in Diagnostik, Therapie und Pharmakologie und damit auch eine Ver- besserung des Krankenversorgungssystems zur Folge hatte (Niederberger, Finne, 2021, S.36).
1977 fand die 30. WHO Versammlung statt, dort wurde festgelegt, dass „das vorrangige soziale Ziel von Regierungen und der WHO in den kommenden Jahrzenten die Errei- chung einend Grades von Gesundheit fur alle Burger der Welt bis zum Jahr 2000 sein soll, der ihnen erlaubt, ein soziales und okonomisch produktives Leben zu fuhren“ (WHO, 1977). Dadurch war nun klar, dass Gesundheit und Lebensbedingungen zusammenhan- gen, und es zeigte sich deutlich eine weltweite ungleiche Verteilung von Gesundheitsres- sourcen (Niederberger, Finne, 2021, S.38).
Mit der Primary Health Care (PMC), einem Konzept aus dem Jahre 1978, erklarte die WHO Gesundheit zu einem Grundlegenden Menschenrecht. Es wurde ein Konzept erar- beitet, welches eine Neuorientierung der weltweiten Gesundheitspolitik beinhaltet. Die Deklaration versteht sich als Basis der Gesundheitsversorgung, die in jedem Land gege- ben sein soll. Dadurch sollen die Lebensbedingungen der Menschen verbessert werden und es soll jedem Menschen moglich sein, sein volles Gesundheitspotenzial ausschopfen zu konnen (WHO, 1978).
Daraufhin kamen 1986 Personen aus Politik, Forschung und Praxis zusammen, um an der ersten Internationalen Konferenz fur Gesundheitsforderung teilzunehmen. Dort wurde die Ottawa-Charta zur Gesundheitsforderung verabschiedet. Dort heiBt es: „[...] zielt auf ei- nen Prozess, allen Menschen ein hoheres MaB an Selbstbestimmung uber ihre Gesundheit zu ermoglichen und sie damit zur Starkung ihrer Gesundheit zu befahigen.“ (WHO, 1986). Im Jahr 2012 wurde ein neues Rahmenkonzept fur die Gesundheitspolitik „Ge- sundheit 2020“verabschiedet. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden durch eine Gewahrleistung von burgernahen, nachhaltigen und flachendeckenden Gesundheitssystemen (WHO, 2013).
Der Report der Organisation for Economic Co-operation and Development aus dem Jahr 2020 zeigt auf, dass gerade nach der schnellen Ausbreitung von COVID-19 schnellst- moglich Handlungsbedarf besteht, um die Gesundheitssysteme mit der wachsenden Er- wartung der Burger, dem immer hoheren Alter der Bevolkerung und den komplexeren und auch kostspieligeren Bedurfnissen, zu entlasten (OECD, 2020).
Die Begrifflichkeit Stress pragt unseren Alltag in vielerlei Hinsicht. Er beginnt schon im Kindergarten- und Schulalter, setzt sich im Berufsalltag fort und auch Leistungsdruck, zwischenmenschliche Beziehungen oder Freizeit konnen uns stressen.
Niclas Schaper, ein deutscher Psychologe und Didaktikforscher hat Stress folgenderma- Ben definiert: „Stress ist ein subjektiver, intensiver, unangenehmer Spannungszustand, der aus der Befurchtung entsteht, dass eine stark aversive, subjektiv zeitlich nahe (oder bereits eingetretene), subjektiv lang andauernde Situation sehr wahrscheinlich nicht voll- standig kontrollierbar ist, deren Vermeidung aber subjektiv wichtig erscheint.“ (Schaper, 2014, S.477). Der osterreichisch-kanadische Arzt Hans Seyle pragte den Begriff Stress 1926. Er definierte Stress als „unspezifische Reaktion des Korpers auf jegliche Anforde- rung“. Der Mensch stellt sich taglich unzahligen Reizen, welche biochemische Prozesse im Korper auslosen. Das Stressempfinden ist sehr individuell, fur die einen ist Stress im- mer prasent, andere hingegen nehmen ihn kaum wahr. Stress wird von jedem Menschen unterschiedlich empfunden (Rusch, 2019, S.6). Hans Seyle formulierte etwa zehn Jahre spater Stress als eine „unspezifische, stereotype Reaktion des Organismus auf jede An- forderung und bewirkt das „Allgemeine Adaptionssyndrom“ (AAS), welches die Anpas- sung des Organismus an die Stresssituation beschreibt.“ (Rusch, 2019, S.13). Das AAS wird dabei in drei Phasen unterteilt. Die erste Phase, welche als Alarmreaktion bezeichnet wird, beschreibt, dass der Mensch mit einem Reiz konfrontiert wird und sich daraufhin der Sympathikus aktiviert, Adrenalin wird ausgeschuttet und die Blutversorgung von Herz, Hirn und Muskeln wird verbessert. In der zweiten Phase, der Widerstandsphase, wird die Stressabwehr eingeleitet und es wird entschieden, ob der Organismus mit der Situation umgehen kann. Kann der Organismus mit dem Stress umgehen, ihn aber nicht vollig bekampfen, erfolgt die dritte Phase, das Erschopfungsstadium. Hierbei wird keine Energie mehr zur Stressbekampfung zur Verfugung gestellt und der Organismus ist uber- lastet (Rusch, 2019, S.14).
Seyle hat auch die Begriffe „Eustress“ und „Disstress“ eingefuhrt. Eustress wird als der positive, Disstress als der negative Stress bezeichnet. Eustress kann den Menschen regel- recht beflugeln und hochmotivieren, um schwierige Situationen meistern zu konnen. Dis- stress hingegen uberfordert, er stort das Gleichgewicht zwischen Korper und Geist und kann langfristig auch krank machen (Rusch, 2019, S.6).
Der amerikanische Physiologe Walter Cannon umschreibt mit seiner „Flight-or-fight“- Theorie den korperlichen Vorgang einer Stressreaktion. Die Reaktion auf einen Reiz wird im Gehirn in einem Sekundenbruchteil analysiert und es wird eingeschatzt, ob Gefahr besteht und wie reagiert werden muss - mit „Kampfen oder Fliehen“. Laut Cannon akti- viert ein Reiz, der Stress auslost, einen Fluchtmechanismus, der im Korper die Ausschut- tung von Adrenalin und Noradrenalin zur Folge hat. Zur Zeit der Jager und Sammler war dies ein wichtiger Prozess, der dem Uberleben diente. Heutzutage reagiert der Mensch immer noch auf stressige Situationen mit einer Energiebundelung in den Muskeln, welche sich verkrampfen (Rusch, 2019, S.11).
Reize, die Stress auslosen, werden als Stressoren bezeichnet. Das was daraufhin im Men- schen ausgelost wird, nennt man Stressreaktion. Stress entsteht haufig dann, wenn die an den Menschen gestellten Anforderungen, nicht den Bewaltigungskapazitaten des Men- schen entsprechen (Rusch, 2019, S.45).
Als Stressoren werden alle Reize, sowohl innere als auch auBere, bezeichnet, die eine bestimmte Reaktion zur Folge haben, die von unserem Organismus als positiv oder nega- tiv eingestuft wird. Stressoren konnen Ereignisse, Personen, bestimmte Situationen oder Einflusse aus der Umwelt sein (Buchenau, 2014). Laut der Umfrage der Techniker Kran- kenkasse aus dem Jahr 2016 sind die groBten Stressoren in Deutschland die Arbeit, hohe Anspruche an sich selbst und eine Uberlastung mit Terminen. Die folgende Abbildung zeigt die genauen Ergebnisse der Umfrage (TK, 2016).
Das stresst Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1 Das Stresst Deutschland, eigene Darstellung, mod. Nach Umfrage TK, 2016
Stressoren konnen in objektive und subjektive Stressoren unterteilt werden. Die objekti- ven Stressoren sind chemischer, sozialer, seelischer oder organisatorischer Natur, also zum Beispiel Larm, Hitze, Kalte, Drogen, Prufungsangst oder Zeitdruck. Bei subjektiven Stressoren spricht man von negativen Denkmustern, zum Beispiel Angst, Wut oder Leis- tungsdruck (Rusch, 2019, S.15).
Aufjeden Reiz folgt eine Reaktion. Aus unserer Entwicklungsgeschichte ist bekannt, dass schon in der Fruhzeit auf eine stressige Reaktion mit Angriff, Kampf oder Flucht reagiert wurde. Auch der Korper reagiert in diesen Situationen, indem sich die Pupillen erweitern, die Atem- und Herzfrequenz und der Blutdruck steigen und Systeme, wie das Schmerz- empfinden oder die Verdauung runterreguliert werden. In der heutigen Zeit reagiert der Mensch teilweise genauso, wie zur Fruhzeit. Dies wird im Folgenden tabellarisch darge- stellt (Reif, 2018, S.88).
Tab. 1 Stressreaktionen und ihre Folgen (vgl. Reif, 2018, S.88)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Da in Deutschland, laut TK-Stressstudie, Stressor Nummer eins die Arbeit ist, wurden weitere Umfragen zu diesem Thema durchgefuhrt. Ziel der Umfragen war es, den Haupt- grund fur Stress am Arbeitsplatz herauszufinden. Die meisten Personen klagen uber ein Missverhaltnis zwischen Arbeitszeit und Arbeitsmenge, welches einen hohen Druck auf die Arbeitnehmer ausubt. Auf Platz 2 und 3 rangieren Termindruck/Hetze und Unterbre- chungen/Storungen. Dies hat zur Folge, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeiten schnell aus- fuhren mussen, keine Zeit zur Kontrolle oder kreativen Entfaltung haben, was wiederum zu schlechteren Arbeitsergebnissen und letztendlich zu Frustration fuhren kann (TK, 2016).
„Hoher und vor allem dauerhafter Stress wirken sich auf die korperliche und seelische Gesundheit aus. Das zeigen auch die vorliegenden Studienergebnisse. Bei den Befragten, die ihren Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht bezeichnen, ist fast jeder Dritte haufig im Stress.“ (TK, 2016).
Durch eine Dauerbelastung kann Stress auch gesundheitliche Folgen haben. Nach Frederic Vester fallen diese besonders schlimm aus, wenn man sich keine oder zu kurze Er- holungszeiten gonnt, der Stressor nicht durch Flucht oder Angriff gemieden werden kann, oder eine symbolische Umsetzung der Alarmbereitschaft durch Umwandlung in zum Bei- spiel Interesse oder Neugier unmoglich ist (Litzcke et al., 2013, S.30). Indirekte Gesund- heitsfolgen von Stress sind beispielsweise ungunstiges Essverhalten, welches zu Uberge- wicht fuhren kann, auBerdem kann es zu Alkohol- bzw. Drogenmissbrauch kommen. Al- kohol dient oft als Entspannungsmittel und wird nach stressigen Tagen vor allem abends zur Forderung des Schlafs konsumiert. Direkte Folgen von Stress konnen Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems sein. Durch eine Stressreaktion steigen sowohl der Blutdruck als auch der Puls. Dies ist eigentlich unbedenklich und wird erst zum Problem, wenn auf eine blutdrucksteigernde Kreislaufreaktion kein Moment der Entspannung folgt. Stress schwacht unser Immunsystem, was zu haufigeren Infekten fuhrt. Auch psychische Er- krankungen, wie zum Beispiel Depressionen, gehoren zu den Folgen einer standigen Stressbelastung (Litzcke et al., 2013, S.31).
Tab. 2: Mogliche Krankheitsfolgen bei chronischem Stress (vgl. Kaluza, 2014, S.33)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Richard Lazarus hat 1984 das Transaktionale Stressmodell von Lazarus dargestellt. Hingegen fruherer Stresstheorien beschreibt er Stresssituationen als subjektiv bewertbar. Der Mensch kann laut ihm seine Ressourcen und die Gefahr selbst am besten einschatzen, wobei dabei das Selbstbewusstsein und auch die subjektive Empfindung des Stressreizes eine groBe Rolle spielen. Das Transaktionale Stressmodell wird in drei Stufen eingeteilt. Zum besseren Verstandnis dient die nachfolgende Abbildung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2 Eigene Darstellung Transaktionales Modell Nach Lazarus, modifiziert nach Lazarus, 1981 (Rusch, 2019, S. 67)
Einfach erklart: Entscheidet der Mensch in einer Stresssituation, dass er mit der Situation umgehen kann, entsteht kein Stress. Ist dies nicht der Fall, folgt die Stressreaktion. Damit es nicht zu einer negativen Bewertung kommt, muss die objektive Wahrnehmung trainiert werden.
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