Rezension / Literaturbericht, 2009
2 Seiten, Note: "-"
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Besprechung der Dissertation der Frau Dorothea Bieszk, Titel:
Schadensersatzansprüche gegen Arbeitskollegen bei Mobbing - zugleich Untersuchung der Frage, ob das Recht am Arbeitsplatz ein „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist
- eine Rezension von Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert, Alsterkamp 26, 20149 Hamburg
Die hier zu besprechende Dissertation wurde 2007 im Berliner Logos Verlag veröffentlicht. Sie umfasst 242 Seiten und ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil mit dem Titel „Mobbing im Arbeitsverhältnis“ beleuchtet aus der Sicht der akademischen Verfasserin den Status quo in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht. Im zweiten Teil, dem Kernstück der Arbeit, widmet sich die Autorin der Frage, inwieweit mit der Anerkennung des „Rechtes am eigenen Arbeitsplatz“ als „sonstiges Recht“ eine Rechtsschutzverbesserung für Mobbingopfer verbunden wäre. Des Weiteren geht sie der rechtsdogmatischen Frage nach, was ein „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 BGB auszeichnet und ob es sich beim Recht am Arbeitsplatz um ein solcher Recht handelt. Im dritten und letzten Teil schließlich behandelt die Wissenschaftlerin auf der Grundlage ihres zuvor gewonnenen Zwischenergebnisses, demzufolge das „Recht am eigenen Arbeitsplatz“ kein „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sei, die Probleme der prozessualen Durchsetzung von „Mobbingansprüchen“ nach derzeitiger Rechtslage. Ihre zutreffende Analyse der Schwierigkeiten, Ansprüche von Mobbingopfern gegenüber mobbenden Kollegen arbeitsgerichtlich wirksam durchzusetzen, trägt sie im Ergebnis dadurch Rechnung, dass sie ein Antimobbinggesetz verlangt. Der inhaltliche Ansatz der Autorin besteht im Folgenden:
Gesundheitsschäden in Form von Depressionen oder Neurosen als Folge des Mobbings von anderen Mitarbeitern sind trotz umfangreicher ärztlicher Atteste oftmals nur schwer im Prozess zu substantiieren und zu beweisen. Verliert der gemobbte Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz infolge einer meist ärztlicherseits empfohlenen Eigenkündigung oder weil die krankheitsbedingten Zeiten der mobbingbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Arbeitgeber zur personenbedingten Kündigung veranlassen, stellt sich für ihn die Frage, ob der mobbende Kollege für diesen Verlust und die hieraus resultierenden Schäden aufkommen muss.
Im Gegensatz zur arbeitsvertraglichen Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, in der dem Mobbingopfer eine Vielzahl von vertraglichen Anspruchsgrundlagen zur Verfügung steht, kommen gegenüber den Kollegen nur sogenannte deliktische Ansprüche in Betracht, die allein im Gesetz ihre Grundlage haben. Wäre auch das Recht am Arbeitsplatz deliktisch geschützt, müsste für die erfolgreiche Inanspruchnahme der Kollegen bei einem Arbeitsplatzvelust nach Kollegenmobbing nur noch nachgewiesen werden, dass der Verlust des Arbeitsplatzes ursächlich auf die Mobbinghandlung des oder der Kollegen zurückzuführen ist. Dies verneint die Autorin, indem sie in dem Recht am Arbeitsplatz allein eine Bündelung aller schuldrechtlichen Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sieht. Die Absolutheit des Rechts, als wirksam gegenüber jedermann, also auch gegenüber den Kollegen, verneint die Autorin. Gerade diese Absolutheit sei aber Voraussetzung, um eine Rechtsposition als sonstiges Recht anzuerkennen, deren Verletzung Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Sinn des § 823 BGB auslösen könne.
Die Arbeit weist leider sowohl in der Zuverlässigkeit der angeführten wissenschaftlichen Grundlagen als auch in der argumentativen Absicherung des gewonnenen Ergebnisses Schwächen auf und gibt den Mobbingbetroffenen nur Steine statt Brot. Als Beispiel für die Unzuverlässigkeit der einleitenden Ausführungen sei nur angeführt, dass Konrad Lorenz als Begründer des naturwissenschaftlichen Begriffes „Mobbing“ ein Ethologe (Verhaltenskundler) war und nicht, wie von der Verfasserin angegeben, ein Ethnologe (Völkerkundler). Auch die übrigen Ausführungen im zu besprechenden Werk ließen bei mir Zweifel hinsichtlich des Umfanges, mit dem die Promovendin sich den wirtschafts- und naturwissenschaftlichen Grundlagen des Mobbings widmete, aufkommen. Schwerer wiegt allerdings, die argumentative Absicherung des von der Verfasserin proklamierten Ergebnisses, wonach das Recht am Arbeitsplatz kein „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 BGB sei.
Hintergrund der Ablehnung einer Anerkennung des „Rechts am Arbeitsplatz“ als „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB war die Überzeugung, dass nur so eine schier uferlose Haftung für rechtswidrige Beeinträchtigungen des Arbeitsplatzes verhindert werden könne. Nur deshalb hat auch ein gewichtiger Teil der Rechtsprechung verlangt, dass sonstige Rechte ähnliche positive und negative Befugnisse wie das explizit im § 823 BGB genannte Eigentum verleihen müssten. Alle wesentlichen Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz könnten dieser Auffassung zu Folge sowieso noch als vorsätzlich sittenwidrige Schädigung oder nach § 824 als Kreditgefährdung haftbar gemacht werden. Nichts hätte meines Erachtens näher gelegen, als das Recht am Arbeitsplatz wie das bereits anerkannte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dem Grunde nach anzuerkennen und wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb der Gefahr einer uferlosen Haftung durch eine enge Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Eingriff“ in das Recht am Arbeitsplatz Rechnung zu tragen.
Wie beim Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, bei dem haftungsrelevant nur betriebsbezogene Eingriffe sind, sollte auch eine Haftung des mobbenden Kollegen nach § 823 BGB wegen Eingriffs in das Recht am Arbeitsplatz erfordern, dass die Tätigkeit des Mobbers unmittelbar arbeitsplatzbezogen ist.
Die Rezension befasst sich mit der Dissertation von Dorothea Bieszk mit dem Titel "Schadensersatzansprüche gegen Arbeitskollegen bei Mobbing - zugleich Untersuchung der Frage, ob das Recht am Arbeitsplatz ein „sonstiges Recht“ im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist". Sie bewertet die Arbeit hinsichtlich ihrer wissenschaftlichen Grundlagen, argumentativen Absicherung und praktischen Relevanz für Mobbingopfer.
Die Dissertation untersucht, ob das Recht am Arbeitsplatz als "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt werden sollte, um Mobbingopfern besseren Rechtsschutz zu bieten. Sie analysiert, ob Kollegen für Schäden (z.B. Arbeitsplatzverlust) haftbar gemacht werden können, die durch Mobbing verursacht wurden.
Laut Rezension kommt die Dissertation zu dem Schluss, dass das Recht am Arbeitsplatz kein "sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist. Die Autorin der Dissertation schlägt stattdessen ein Antimobbinggesetz vor, um die rechtliche Situation von Mobbingopfern zu verbessern.
Der Rezensent kritisiert die Dissertation in mehreren Punkten: Er bemängelt die Zuverlässigkeit der angeführten wissenschaftlichen Grundlagen, die argumentative Absicherung des Ergebnisses und die ihrer Meinung nach unzureichende Auseinandersetzung mit den wirtschafts- und naturwissenschaftlichen Grundlagen des Mobbings. Er sieht in der Arbeit "Steine statt Brot" für Mobbingbetroffene.
Die Dissertation lehnt die Anerkennung ab, weil sie eine unkontrollierbare Haftung für rechtswidrige Beeinträchtigungen des Arbeitsplatzes befürchtet. Sie argumentiert, dass andere Rechtsgrundlagen (z.B. vorsätzlich sittenwidrige Schädigung, Kreditgefährdung) bereits ausreichend Schutz bieten würden.
Der Rezensent schlägt vor, das Recht am Arbeitsplatz analog zum Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dem Grunde nach anzuerkennen. Um eine uferlose Haftung zu vermeiden, solle jedoch das Tatbestandsmerkmal "Eingriff" in das Recht am Arbeitsplatz eng ausgelegt werden, so dass nur unmittelbar arbeitsplatzbezogene Mobbinghandlungen haftungsrelevant wären.
Der Rezensent ist Rechtsanwalt Dr. jur. Frank Sievert aus Hamburg.
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