Masterarbeit, 2022
78 Seiten, Note: 1,3
Medien / Kommunikation - Multimedia, Internet, neue Technologien
2.1 Definition und Begriffsabgrenzung
2.2.1.2 Medienbeschäftigung in der Freizeit
2.2.2 Digitale Bewegtbildinhalte
2.2.4 Digitale Texte und Suchmaschinen
2.2.5 Internet und Smartphones
2.2.4.1 Kommunikation und Social Web
3.1.1 Identität und Selbstbild
3.1.2.1 Impression Management in sozialen Medien
3.2 Einfluss auf Identität, Selbstbild und Selbstdarstellung
3.2.2 Negative Einflüsse und Risiken
3.3.1 Positive Aspekte und Chancen
3.3.1.1 Informationssuche, Vernetzung und Abbau von Vorurteilen
3.3.1.2 Kreativität und Lernen
3.3.2 Negative Aspekte und Gefahren
3.3.2.1 Körperliche Auswirkungen
3.3.2.2. Psychische Auswirkungen
3.3.2.3 Soziologische Auswirkungen
3.3.2.4 Datenschutzrechtliche Auswirkungen
4 Cybermobbing
4.1 Definition und Begriffseinordnung
4.1.1 Ursprung und Begriffserläuterung „Mobbing“
4.1.2 Das Phänomen „Cybermobbing“
4.2 Unterschiede zwischen Cybermobbing und Mobbing
4.3 Ursachen und Motive
4.4 Auswirkungen und Folgen
5 Zwischenmenschliche Kommunikation und soziale Beziehungen
5.1 Einflüsse auf die zwischenmenschliche Kommunikation
5.2 Auswirkungen auf soziale Bindungen
6 Analyse und Vergleich von Fiktion und Realität
6.1 Black Mirror
6.2 Die Folge „Nosedive - Abgestürzt“
6.3 Vergleich von Fiktion und Realität - Ergeht es uns (bald) auch so?
6.3.1 Kritische Betrachtung von Gesellschaft und sozialen Medien
6.3.2 Soziale Bewertungssysteme
7 Fazit und Ausblick
8 Literatur- und Quellenverzeichnis
Es ist nicht die stärkste Spezie die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann. – Charles Darwin
Täglich werden digitale Medien genutzt und viel zu selten werden sie hinterfragt. Die Technologie hat viele Bereiche unseres Lebens verändert. Die moderne Gesellschaft nimmt alle Auswirkungen in Kauf und übersieht häufig, dass die nachfolgenden Generationen bereits im Kindes- und Jugendalter mit den weitreichenden Auswirkungen zu leben haben. Kindheit und Jugend in der heutigen Zeit bedeutet, aufzuwachsen zwischen Realität und Virtualität. Das Angebot digitaler Medien ist mittlerweile unüberschaubar groß, da die Menschheit mit der Digitalisierung ganze Arbeit geleistet hat. Besonders stark genutzt werden sie von Jugendlichen, die noch auf der Suche nach ihrer eigenen Identität und Persönlichkeit sind. Durch die hohe Nutzungsdauer tragen besonders das Medium Internet und die sozialen Medien bei der jungen Generation zur Identitätsbildung und Selbstdarstellung bei. Heranwachsende streben nach Anerkennung im Netz und wollen Teil dieser großen Online-Gemeinschaft sein. Es werden Wertevorstellungen und Verhaltensweisen entwickelt, die durch die virtuelle Welt geprägt sind. Die nachkommenden Generationen sind der wichtigste Faktor unserer zukünftigen Gesellschaft. Wie sie digitale Medien nutzen und wie sie von ihnen beeinflusst werden, ist von enormer Bedeutung, da digitale Medien bereits fester Bestandteil unserer Gesellschaft und auch im Alltag von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken sind. In einer Welt, in der Daten immer wertvoller werden, sind die gesellschaftlichen sowie zwischenmenschlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft von hoher Relevanz und stets kritisch zu betrachten.
Dystopische Geschichten malen ein Bild einer Zukunft, in der ein unaufhaltsamer Technik-Fortschritt über unser Leben bestimmt und was passiert, wenn wir die Kontrolle darüber verlieren. Eine Episode der futuristischen Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ erschafft eine Welt, in der ein soziales Bewertungssystem über Erfolg und Misserfolg im Leben entscheidet. Auf den ersten Blick bestehen einige Übereinstimmungen dieser Welt zu unseren Social Media. Die Identitäten und Verhaltensweisen der Menschen in der fiktionalen Welt haben sich dem Bewertungssystem angepasst, was die Frage aufwirft, ob sich unsere reale Gesellschaft auch in Bereichen wie dem gesellschaftlichen Umgang und der sozialen Bewertungen durch die Nutzung von Social Media verändert. Wie weit reicht der Wunsch nach sozialer Anerkennung in unserer Gesellschaft?
Leben von Anerkennung – ein Endlosmarathon. – Else Pannek
Während besonders die junge Generation die digitalen Medien vermehrt nutzen und immer mehr in ihren Alltag integrieren, sind die Einflüsse auf die Identität und das Selbstbild ebenso wie die gesellschaftlichen Auswirkungen noch weitestgehend unerforscht. Dennoch erfolgt die Nutzung häufig unbedacht, es wird geschaut, gezeigt, gelikt, kommentiert und jeder bewertet alles still für sich. Veränderungen werden kaum wahrgenommen, beispielsweise die Optimierung und Inszenierung von Bereichen des eigenen Lebens, um Anerkennung im Netz zu erlangen. Diese Forschungsarbeit verfolgt daher das Ziel, sowohl die positiven als auch die negativen Auswirkungen der digitalen Mediennutzung auf Jugendliche zu untersuchen. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf die Einflüsse auf die Identität, das Selbstbild sowie die Selbstdarstellung. Es werden die Konsequenzen für die Themen Cybermobbing, zwischenmenschliche Kommunikation sowie soziale Beziehungen beleuchtet. Angesichts dieses Ziels lässt sich folgende Forschungsfrage formulieren:
Inwieweit leben wir in einer Welt, in der ein digitales Bewertungssystem über unsere Identität bestimmt und welche Auswirkungen bringt die digitale Mediennutzung mit sich?
Das digitale Bewertungssystem bezieht sich dabei auf die verschiedenartigen Social Media Plattformen. Des Weiteren soll eine Analyse der Folge „Nosedive“ der Serie „Black Mirror“ Aufschluss darüber geben, wie sich die Gesellschaft verändern könnte, wenn ein soziales Bewertungssystem zur Realität werden würde. Die Erkenntnisse aus der Analyse sollen zielführend in einen Vergleich mit den Veränderungen unserer Gesellschaft aufgrund der Nutzung von Social Media gebracht werden. Neben der ersten Forschungsfrage stellt sich weiterführend die untergeordnete Frage:
Wie nah ist die Fiktion in der Folge „Nosedive“ von „Black Mirror“ an der Realität?
Durch die detaillierte Untersuchung der realen Sozialkredit-Systeme in China kann die dritte Nebenfrage dieser Forschung abgeleitet werden:
Kann ein solches Sozial-Bewertungssystem für uns zur Realität werden?
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wird eine umfangreiche Analyse der Auswirkungen durchgeführt, die durch die Nutzung digitaler Medien entsteht. Diese werden in einen direkten Vergleich mit der fiktiven Welt der Folge „Nosedive“ gebracht und somit Rückschlüsse auf unsere zukünftige Gesellschaft gezogen.
Zu Beginn dieser Arbeit wird die theoretische Grundlage für das Verständnis der Arbeit geschaffen, indem die für diese Arbeit relevanten Begriffe „Medien“, „digitale Medien“ sowie „soziale Medien“ definiert werden. Im Anschluss wird das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen untersucht, wobei detaillierter auf die Ausstattung, Freizeitnutzung sowie die Nutzung unterschiedlicher digitaler Medientypen eingegangen wird.
Im dritten Kapitel werden zunächst als Basis für die Arbeit Begriffserläuterungen von Identität und Selbstbild gegeben, die Thematik in Bezug zur virtuellen Welt gesetzt und erklärt, was es mit Selbstdarstellung in sozialen Medien auf sich hat. Anschließend wird die Theorie in die Praxis übertragen und somit sowohl die positiven Einflüsse als auch die negativen Risiken der Nutzung von digitalen Medien auf die Identität, das Selbstbild und die damit verbundene Selbstdarstellung von Jugendlichen herausgearbeitet. Neben dieser Thematik werden auch allgemeine Auswirkungen beleuchtet.
Kapitel Vier beschäftigt sich mit dem Phänomen Cybermobbing. Anfangs wird die Bedeutung der Begrifflichkeiten „Mobbing“ und „Cybermobbing“ und deren Ursprung näher betrachtet sowie die Unterschiede der Handlungen herausgearbeitet. In Bezug zum Thema dieser Arbeit werden die Ursachen und Motive für Cybermobbing-Angriffe untersucht und eine Verbindung zur Nutzung digitaler Medien hergestellt. Neben diesen Themen wird am Ende des Kapitels auf einige Auswirkungen und Folgen für die Beteiligten von Cybermobbing eingegangen.
Im fünften Teil dieser Arbeit werden die Themen „gesellschaftlicher Umgang und soziale Beziehungen“ bearbeitet. Es werden besonders die zwischenmenschliche Kommunikation und Liebesbeziehungen betrachtet und näher untersucht, wie sich die Nutzung digitaler Medien auf diese Bereiche auswirkt.
Nach der umfangreichen Analyse der Einflüsse digitaler Medien auf unterschiedliche Lebensbereiche von Jugendlichen, wird in Kapitel Sechs die dystopische Welt von „Nosedive“ vorgestellt. Als Grundlage dient eine Beschreibung der Science-Fiction-Serie „Black Mirror“ und deren Hintergründe und Motive. Des Weiteren wird ein kurzer Überblick zum Inhalt der Folge gegeben. Die in den vorangegangenen Kapiteln erarbeiteten Ergebnisse der Einflüsse digitaler Medien werden in einen direkten Vergleich zur Fiktion gesetzt und untersucht. Es wird ein Zusammenhang zwischen der Nutzung sozialer Medien und der Anwendung eines sozialen Bewertungssystems hergestellt. Zudem werden reale Sozialkredit-Systeme in China vorgestellt und bewertet, ob solche Sozial-Bewertungssysteme auch für unsere Gesellschaft Realität werden können.
Das letzte Kapitel schließt die wissenschaftliche Arbeit ab. Innerhalb des Kapitels werden zusammenfassend alle Erkenntnisse dargestellt und zudem Antworten auf die Forschungsfragen gegeben. Es beinhaltet zudem einen Ausblick in die Zukunft.
Als Grundlage für diese Arbeit soll das folgende Kapitel zunächst der Begriffsbestimmung und -abgrenzung dienen. Im Anschluss wird auf das Mediennutzungsverhalten in Deutschland und detailliert auf die digitale Mediennutzung von Jugendlichen eingegangen. Hierbei wird zunächst ein allgemeiner Überblick zur aktuellen Situation gegeben und anschließend die Bereiche Medienausstattung und Mediennutzung in der Freizeit näher beleuchtet. Für die Analyse des Mediennutzungsverhaltens von Jugendlichen wurden die Segmente der digitalen Medien in die Kategorien Bewegtbild, Audio, Text und Suchmaschinen, Internet und Smartphone, Social Web und Kommunikation aufgeteilt.
Die Bezeichnungen „Medien“, „digitale Medien“ sowie „soziale Medien“ werden im Sprachgebrauch häufig verwendet und doch ist nicht immer klar, ob sie auch im richtigen Kontext angewendet werden. Im Folgenden wird auf den Ursprung und die für diese Arbeit relevante Bedeutung der Begriffe eingegangen und diese voneinander abgegrenzt.
Für ein genaues Verständnis des Terminus „digitale Medien“ ist es notwendig, zunächst den Begriff des „Mediums“ zu definieren. Aufgrund der Vielfältigkeit des Medienbegriffes gibt es in der Literatur keine allgemeingültige Definition. Ursprünglich stammt der Begriff „Medium“ von dem lateinischen Adjektiv „medius“ und bedeutet übersetzt „in der Mitte von“ oder „vermittelt“. Aus diesem Grund werden Medien auch als „Mittler“ bezeichnet.[1] Ein Medium ist ein Informationsträger, dessen darstellbarer Zeichenbereich unbegrenzt ist. Ebenso werden verschiedene Gegenstände, wie technische Geräte (Fernseher, Computer, Radio, Smartphone), Druckmedien (Bilder, Bücher, Zeitungen), Organisationsträger (Verlage, Fernsehsender) sowie weitere Formen der Informationsvermittlung (Sprachen, Schriften) als „Medium“ bezeichnet.[2] Medien können allgemein zunächst als Träger und Vermittler von Informationen verstanden werden.[3] Sie können grundlegend als Informations- und Kommunikationsmittel definiert werden.[4] Im weiten Sinne besitzt also „jede Interaktion und Kommunikation eine mediale Komponente“[5]. Medien können als funktionaler Übermittler von Botschaften in Form von Zeichen und Symbolen von einem Sender zu einem Empfänger verstanden werden.[6]
„Digitale Medien“ sind ebenso Kommunikationsmittel und zählen zu einer Unterkategorie von Medien. Sie bilden das Gegenstück zu analogen Trägern und es handelt sich dabei meist um elektronische Medien.[7] Ein digitales Medium ist „eine gezielte Kombination von technischen Medien (aller Typen) unter Digitalisierung aller (oder vieler) Repräsentationen und Zwischenrepräsentationen kombiniert mit einer geeigneten rechentechnischen und netztechnischen Infrastruktur mit dem Ziel der Unterstützung von menschlichen Kommunikationsprozessen, d.h. der Schaffung und Ergänzung von gesellschaftlichen Medien“[8]. Was die digitalen Medien von den analogen Medien unterscheidet, ist die Art der Kodierung der Informationen auf dem zugrundeliegenden Informationsträger. Das Internet ist das bekannteste und am weitesten verbreitete digitale Medium. Alle darauf aufbauenden Medien und Kommunikationsmittel zählen ebenso zu den digitalen Medien. Weitere Beispiele für digitale Medien sind technische Geräte wie das Smartphone, Tablet, Laptop, der Computer inklusive Speichermedien sowie Spielekonsolen. Auch digitales Fernsehen, Digitalfunk, digitale und mobile Telefonie zählen zu den digitalen Medien.[9]
„Soziale Medien“ oder auch „Social Media“ sind dem digitalen Medium Internet untergeordnet. Sie verfolgen das Ziel, ihre Anwender häufig profilbasiert zu vernetzen und dienen deren Kommunikation und Kooperation untereinander. Plattformen wie soziale Netzwerke, Weblogs, Foto- und Videoplattformen werden als Äquivalent sozialer Medien angesehen.[10] Die Benutzer haben über die Plattformen die Möglichkeit, alle Arten von Informationen mithilfe des digitalen Mediums Internet für andere Nutzer zugänglich zu machen. Ein wichtiges Ziel – insbesondere bei sozialen Netzwerken - ist die Pflege bestehender und das Knüpfen neuer sozialer Beziehungen.[11] Als Benutzer kann man sich mit Freunden, Familienmitgliedern oder Arbeitskollegen vernetzen, sich austauschen und somit in Kontakt bleiben. Über die verschiedenen Plattformen können Texte, Bilder oder Videos hochgeladen und veröffentlicht werden.[12]
Die sozialen Medien haben in den letzten Jahrzehnten eine ähnlich rasante Verbreitung und einen enormen Nutzungsanstieg durchlebt wie digitale Medien. Sie spielen bereits eine wichtige Rolle im Leben von Jugendlichen. Die unterschiedlichen Plattformen werden nicht nur zur Unterhaltung oder als Zeitvertreib verwendet, sondern auch für die Selbstinszenierung oder zur Teilhabe am Leben anderer.[13] Die öffentliche Darstellung der eigenen Person nimmt hierbei häufig einen hohen Stellenwert ein, was zunehmend als „bedenklicher gesellschaftlicher Trend“[14] dargestellt wird. Während in der direkten Kommunikation nur ungefähr 30-40% über unsere Person gesprochen wird, sind in sozialen Medien 80% der Posts auf das eigene Selbst bezogen.[15] Auch das Internet wurde zu Anfangszeiten ausschließlich zu Informationszwecken verwendet, während es heutzutage vielmehr der Veröffentlichung und dem Austausch von Texten, Bildern, Videos oder Tonaufnahmen dient.[16] Die eigene Selbstdarstellung scheint heutzutage eher im Fokus zu stehen als die sozialen Beziehungen.[17]
Das folgende Kapitel stellt das Mediennutzungsverhalten der jugendlichen Bevölkerung innerhalb Deutschlands in den Jahren 2020 und 2021 dar und bezieht sich dabei hauptsächlich auf die Befunde, die im Rahmen der Langzeitstudie „ARD/ZDF-Massenkommunikation" und der „JIM-Studie“ veröffentlicht wurden. Es wird weitestgehend auf die Nutzung digitaler Medien mithilfe von medialem Internet in der Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen eingegangen und in einigen Bereichen ein Vergleich zu älteren Generationen gezogen. Das Kapitel wird nach digitalem Bewegtbild, Audioinhalten und Printmedien unterteilt und es wird auf das genaue Nutzungsverhalten von Jugendlichen bezüglich der einzelnen Medientypen eingegangen. Besonders die Nutzung der Medientypen Internet und soziale Medien werden näher beleuchtet, was für den weiteren Verlauf dieser Arbeit bedeutend ist.
„Mit der Aneignung neuer Medienentwicklung verändert sich die Häufigkeit, mit der digitale Medien genutzt werden“[18].
99% aller Deutschen über 14 Jahren nutzen täglich Medien aller Art. Die Gesamtnutzungsdauer von Medien pro Tag in der deutschen Bevölkerung lag 2021 bei mehr als 7 Stunden (429 Minuten).[19] Der Langzeitvergleich zeigt, dass die Zeit, die Menschen insgesamt mit Medien (inklusive Internet) verbringen, kontinuierlich ansteigt. Eine der Ursachen dafür ist das Phänomen der Parallelnutzung. Denn digitale Medien werden nicht nur stark von der jüngeren Generation genutzt, sondern auch regelmäßig zur gleichen Tageszeit.[20] Die 14- bis 29-Jährigen nutzten Medien 2 Stunden pro Tag parallel.[21] Digitale Medienangebote haben während der Covid-19-Pandemie stark an Popularität gewonnen – insbesondere Online-Videoangebote, Online-Artikel und Messenger. Im Jahr 2021 nutzten in Deutschland alle Menschen zwischen 14 und 50 Jahren das Internet (medial und nicht-medial).[22] Die Nutzung des medialen Internets ist bei den 14- bis 29-Jährigen am stärksten verbreitet - 87% nutzten es täglich. Der größte Anteil fiel hierbei auf die Nutzung von Bewegtbildinhalten im Internet. Von der gesamten Nutzungsdauer von 269 Minuten (4,5 Stunden) entfielen 142 Minuten auf Video-, 105 Minuten auf Audio- und der geringste Anteil mit 32 Minuten auf Textinhalte.[23] Allerdings nutzte die Zielgruppe der 14- bis 29-Jährigen die digitalen Medienangebote nochmal deutlich länger – inklusive dem nicht-medialen Internet (Kommunikation, Gaming, Shopping etc.).[24]
Was die Medienausstattung betrifft, ist festzuhalten, dass Jugendliche in Haushalten mit einem breiten Medienrepertoire aufwachsen. Der Besitz, sowie die intensive Nutzung von Smartphones, Computern und besonders dem Internet gehören mittlerweile zum selbstverständlichen Standard für Heranwachsende.[25] Im Jahr 2021 waren fast alle Haushalte (98%), in denen Minderjährige aufwachsen, mit Smartphones, einem Internet-Anschluss sowie mindestens einem Computer oder Laptop ausgestattet. In 91% verfügte der Haushalt über einen Fernseher (in 69% einen Fernseher mit Internetzugang). Die Geräteausstattung wird in vielen Haushalten durch die Nutzung von Medienabonnements ergänzt. In 83% der Haushalte war ein Video-Streaming-Dienst wie Netflix oder Amazon Prime verfügbar. Audio-Streaming-Dienste wie Spotify konnten in 72% der Familienhaushalte genutzt werden. Lediglich 36% der Familien bezogen ein Abonnement einer Tageszeitung.
Abbildung 1 Medienausstattung im Haushalt[26]
Der Blick auf den Gerätebesitz von Jugendlichen selbst zeigt, dass besonders der Besitz von Smartphones weit verbreitet ist. 94% der Jugendlichen hatten ein eigenes Handy oder Smartphone. Auch Computer/Laptops mit Internetzugang waren mit 76% bei fast drei Viertel der Jugendlichen im Besitz. 33% besaßen im Jahr 2021 ein eigenes Fernsehgerät mit Internetzugang.[27]
95% der jungen Generation nutzten die Medienformen Internet und Smartphone täglich oder mindestens mehrmals pro Woche. 92% hörten in ihrer Freizeit über das Internet Musik, konsumierten Videos oder schauten klassisch Fernsehen (jeweils 80%). 72% der 12- bis 19-Jährigen spielten regelmäßig digitale Spiele.[28] 2020 zeigte sich bei fast allen Medien ein Anstieg der Nutzungshäufigkeit (aufgrund der Covid-19-Pandemie), dieser war aber im Jahr 2021 weitestgehend wieder rückläufig.[29] Soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder TikTok, sowie Messenger wie WhatsApp werden häufig von jungen Erwachsenen zur digitalen Kommunikation unter Freunden verwendet, da sie viele Kommunikationsmöglichkeiten bieten.[30]
Obwohl die Nutzung von Fernsehinhalten über das Smartphone, Computer/Laptop oder Tablet noch nicht sehr verbreitet ist, wurden diese Geräte im Jahr 2020 deutlich häufiger in Anspruch genommen als noch im Jahr 2019. Im Jahr 2021 war jedoch wieder ein Einpendeln der alten Werte festzustellen. Die Nutzung von Video-Streaming-Plattformen für Sendungen, Serien und Filme hat sich in den letzten Jahren rasant verbreitet. Die regelmäßige Nutzung der Streaming-Dienste lag bei 82%.[31] Die am häufigsten genutzten Plattformen stellen hierbei Netflix und YouTube dar (fast 60%), gefolgt von Amazon Prime Video (ca. 30%). Der allgemeine Bewegtbild-Konsum über das Internet nimmt immer mehr zu. Neben den Serien und Filmen der Online-Streaming-Anbieter spielen auch weitere Formate wie Kurzvideos und Stories eine Rolle bei der Bewegtbildnutzung von Jugendlichen. Dabei stellt YouTube eine der zentralen Plattformen für die Nutzung solcher Angebote dar.[32]
„Nach wie vor bleibt die Nutzung von Musik zentrales Element im Alltag junger Menschen – sie dient der Identitätsfindung und Abgrenzung ebenso wie der Regulierung und dem Ausdruck von Gefühlen und Stimmungen“[33].
Ebenso wie bei Bewegtbildinhalten setzen Jugendliche im Bereich der Audionutzung vermehrt auf Online-Streaming. Fasst man die vier bekanntesten Musikstreaming-Plattformen zusammen (Spotify, Apple Music, Amazon Music und YouTube Music), so lässt sich sagen, dass diese von 48% der Jugendlichen täglich genutzt wurden, 71% konsumierten die Inhalte der Plattformen regelmäßig.[34] Streaming, Live-Radio sowie zeitversetzte Audio-Formate (z.B. Podcasts) gewannen an Reichweite.[35] Besonders das Thema Podcasts hat in den vergangenen Jahren einen regelrechten Beliebtheits-Boom erlebt, welcher sich 2021 jedoch kaum veränderte. 14% der Jugendlichen hörten täglich oder mindestens mehrmals pro Woche Podcasts.[36]
32% der Jugendlichen lesen - relativ stabil seit 10 Jahren - täglich oder mehrmals pro Woche gedruckte Bücher (ohne schulischen oder beruflichen Hintergrund). Was die Nutzung von E-Books betrifft, zeichnete sich 2020 ein leichter Anstieg der Nutzungszahlen ab, welche sich 2021 jedoch nicht weiter fortsetzte. 10% lasen täglich oder mehrmals pro Woche mit dem E-Book-Reader. In Bezug auf die 34% der Haushalte, in denen E-Book-Reader zur Verfügung stehen ein geringer Nutzungsanteil.[37]
11% der Onlinenutzung wurde von Jugendlichen zur Suche von Informationen verwendet. Für 21% war das Internet die wichtigste Informationsquelle, nach klassischem Fernsehen und Radio. Um sich Informationen zum aktuellen Tagesgeschehen zu verschaffen, nutzten 41% der Jugendlichen Suchmaschinen im Internet.[38] Die dafür am häufigsten verwendete Suchmaschine ist Google – 88% setzten hier mindestens mehrmals pro Woche Suchanfragen ab.[39] Von 30% wurde auf der Suche nach tagesaktuellen Informationen die Plattform Instagram genutzt. Eine weitere Rechercheoption stellt für 26% die Videoplattform YouTube dar.[40] Wikipedia oder vergleichbare Online-Enzyklopädien wurden von 40% regelmäßig zur allgemeinen Informationssuche in Anspruch genommen. Nachrichten und Informationen auf Social Media Plattformen wie Facebook und Twitter oder bei den Onlineangeboten der Zeitungen wurden von rund 25% genutzt.[41]
Im Jahr 2020 lag die Tagesreichweite von Internet und Smartphones bei den 14- bis 29-Jährigen bereits bei 99%.[42] Es ist somit keine erstaunliche Erkenntnis, dass das Internet und das Smartphone zu selbstverständlichen täglichen Begleitern im Alltag von jungen Erwachsenen geworden sind. Neun von Zehn Jugendlichen sind täglich im Netz online und die Nutzungsdauer nimmt mit mehr als 4 Stunden täglich einen beträchtlichen Anteil in der Tagesbeschäftigung ein.[43] Bei der Betrachtung der täglichen Nutzungsdauer im Jahr 2020 war festzustellen, dass diese um rund 26% auf 258 Minuten angestiegen war. Mutmaßlicher Auslöser für diesen rasanten Anstieg ist die Folge der veränderten Situation während der Corona-Pandemie. „Homschooling und das Wegfallen verschiedener Freizeitaktivitäten verursachten eine verstärkte Onlinenutzung sowohl für schulische Zwecke als auch für die Freizeitbeschäftigung“[44].
Im Hinblick auf die lange Nutzungsdauer wurden die Online-Aktivitäten von Jugendlichen in vier Bereiche unterteilt (auch wenn diese nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind). Kommunikation und Unterhaltung spielen bei der Internetnutzung von Jugendlichen eine große Rolle. Der größte Anteil entfiel auf den Bereich Unterhaltung mit 34%. Mit 27% und 28% der Onlinenutzungszeit lagen die Bereiche Kommunikation und Spiele auf dem zweiten Platz. Im Vergleich zu den Vorjahren ist besonders der steigende Anteil an Unterhaltung sowie der gleichzeitig sinkende Anteil im Bereich der Kommunikation hervorzuheben.[45]
Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation waren Messenger-Dienste im Jahr 2021 von hoher Bedeutung. 93% der unter 30-Jährigen nutzten täglich einen Messenger, um mit ihren Mitmenschen zu kommunizieren. Dabei lag WhatsApp mit 70% täglicher Nutzung als bedeutendster Online-Dienst zur Kommunikation an der Spitze, während andere Messenger deutlich geringere Nutzungswerte aufwiesen.[46] Auch unter den Jugendlichen wurde WhatsApp von 85% täglich genutzt, um sich mit anderen auszutauschen. 84% der Schüler waren in einer WhatsApp-Gruppe mit ihrer Klasse.[47] Ein Anstieg zu 2019, der vermutlich an dem eingeschränkten persönlichen Kontakt zu Mitschülern sowohl für schulische als auch für freizeitbezogene Zwecke während der Covid-19-Pandemie lag.[48] Das aktuell beliebteste soziale Netzwerk zum Teilen und Kommentieren von Inhalten unter den Jugendlichen war die Plattform Instagram, die zwar einen Nutzungsrückgang von 72% auf 58% zu verzeichnen hatte, jedoch weiterhin auf Platz 1 lag. Profiteur bei den unter 20-Jährigen war dagegen die Video-Plattform TikTok. Mit einem enormen Zuwachs zu 2020 lag TikTok auf dem zweiten Platz mit 46%. Die Plätze 3 und 4 wurden von Snapchat mit 42% und Facebook mit 26% belegt.[49]
Was die Nutzungsmotive der Social Media Angebote angeht, gibt es kleine Unterschiede zwischen den verschiedenen Plattformen. 40% der Jugendlichen geben an, YouTube zu nutzen, wenn sie Langeweile verspüren oder Zeit vertreiben wollen. 29% entscheiden sich in diesen Momenten für TikTok und 19% wählen Instagram. Wenn es um den Sinn der Unterhaltung geht, sieht es bei der Verteilung ähnlich aus. Als Inspirationsquellen halten YouTube und Instagram her. Bei aktuellen Mode-Trends, um mitzubekommen, was gerade wichtig ist, sowie zur Selbstdarstellung durch das Posten von eigenen Bildern und Beiträgen, nutzen Jugendliche am ehesten Instagram. Jugendliche wollen somit Anerkennung erlangen, denn lobende Kommentare von anderen führen zu mehr Selbstbewusstsein.[50] Für die Kommunikation mit Freunden wird neben Instagram auch Snapchat verwendet. Um neue Kontakte zu knüpfen und sich kennenzulernen, wird entweder mit Abstand die Plattform Instagram oder keine der angegebenen Plattformen gewählt.[51] Somit besitzen besonders soziale Medien einen erheblichen Anteil an der Wirklichkeitskonstruktion von Jugendlichen, da diese über Kommunikation erfolgt. Weitere Gründe für die Nutzung von sozialen Medien sind die Aufrechterhaltung von Beziehungen, die Gesellschaft anderer Nutzer, das Gefühl nicht allein zu sein oder die Ablenkung von negativen Gefühlen oder Stimmungslagen.[52]
Abbildung 2 Nutzungsmotive Social Media Plattformen[53]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass bei der Nutzung von Medien vermehrt auf digitale Medien zurückgegriffen wird, unabhängig davon, ob es sich um Bewegtbild-, Audio- oder Textinhalte handelt. Jugendliche wachsen mit einem breiten Medienangebot auf - sei es die Geräteausstattung oder die Streaming-Abonnements. Da in fast allen Haushalten Smartphones, WLAN-Anschlüsse sowie Computer oder Laptops vorhanden sind, ist es ein Leichtes im frühen Alter damit in Berührung zu kommen. Das Internet ist zum zentralen Alltagsmedium geworden.
„Die intensive Nutzung von Medien zeigt, wie wichtig die Vermittlung eines bewussten Umgangs mit Chancen, aber auch Risiken verschiedener Medien ist“[54].
Die JIM-Studien der letzten Jahre machen deutlich, dass Kinder und Jugendliche mittlerweile in einer von digitalen Medien beherrschten Welt aufwachsen. Aus diesem Grund ist es wichtig, einen Blick darauf zu werfen, welchen Einfluss diese intensive Nutzung auf das Selbstbild und die Identität der heranwachsenden Generation hat und welche weiteren Auswirkungen digitale Medien auf die Psyche und den Körper von Jugendlichen haben können.
Das folgende Kapitel widmet sich zunächst der Frage, wie Identität und Selbstbild definiert sind, was unter Identitätsbildung und Selbstdarstellung im virtuellen Raum verstanden wird und inwiefern die Nutzung digitaler Medien konkret mit der Identitätsbildung junger Erwachsener zusammenhängt.
Die Soziologie beschreibt die Identität als die „Besonderheit eines Individuums (in Bezug auf andere)“[55]. Dass die Gesellschaft einen entscheidenden Einfluss auf die Identitätskonstruktion nimmt, findet hier eine wesentliche Bedeutung.[56] Für die Bildung einer Identität ist somit der Vergleich zu anderen notwendig. Aus psychologischer Sicht repräsentiert die Identität „die erlebte, stabile Einheit der eigenen Personen“[57]. Sie ist definiert als „unmittelbare Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und Kontinuität in der Zeit, und die damit verbundene Wahrnehmung, dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität erkennen“[58]. Diese Definition stellt die Prozesse innerhalb eines Individuums stärker hervor als die Referenz zur Gesellschaft.[59] „Identität ist das Bewusstsein, ein unverwechselbares Individuum mit einer eigenen Lebensgeschichte zu sein, in seinem Handeln eine gewisse Konsequenz zu zeigen und in der Auseinandersetzung mit Anderen eine Balance zwischen individuellen Ansprüchen und sozialen Erwartungen gefunden zu haben“[60].
Das Selbstbild stellt dabei das Bild von einem Individuum dar, wie es sich selbst spezifisch wahrnimmt und umfasst dabei Eindrücke über die eigenen Charaktereigenschaften und Persönlichkeitsmerkmale.[61] Durch das Selbstbild wird das Denken, Fühlen und Handeln einer Person beeinflusst. Es kann deutlich vom Fremdbild anderer abweichen.[62]
Resümierend umfasst die Identität sowohl von außen ersichtliche als auch innere Zustände. Die Identität ist ein permanenter Anpassungsprozess einer Person, um ein Gleichgewicht zwischen den inneren Prozessen (eigene persönliche Erfahrungen, Fähigkeiten, Ziele und Werte) und den äußeren Wandlungen (Erwartungen und Werte der sozialen Umwelt) herzustellen. Identität ist kein von der Natur gegebenes Gut, sondern sie wird von einem Individuum selbst durch Kommunikation und Interaktion mit seiner Umwelt konstruiert.[63] Die Identitätsbildung stellt viele Menschen bereits im Kindes- und Jugendalter vor Herausforderungen. Sie stellen sich die Frage „Wer bin ich?“ und sind auf der ständigen Suche nach einer Antwort, da die Entwicklung einer Identität ein unabgeschlossener, fortlaufender Prozess ist.[64] Durch die vielen neuen Eindrücke kommt es häufig zu Widersprüchen, Verwirrtheit und Unsicherheit. „Identität kann nur als Problem existieren, sie war von Geburt an ein ‚Problem‘, wurde als Problem geboren. (…) Man denkt an Identität, wenn man nicht sicher ist, wohin man gehört. (…) ‚Identität‘ ist ein Name für den gesuchten Fluchtweg aus dieser Unsicherheit“[65]. Zur Unterstützung der Identitätsbildung nutzen Jugendliche häufig digitale Medien. Durch die Vernetzung, dem Austausch und der Kommunikation mit anderen, die Beschaffung politischer und interessenbezogener Informationen sowie der Möglichkeit, die eigene virtuelle Selbstinszenierung durch das Teilen von Beiträgen zu erproben, entsteht eine soziale Umwelt, die zur Identitätsbildung und -entwicklung beiträgt.[66]
Die Identität, die ein Individuum in der realen Welt angenommen hat, findet sich in einer Weise auch im virtuellen Raum wieder. Ebenso wie bei der realen Identität ist es Ziel einer virtuellen Identität, die besonderen Merkmale der eigenen Person prägnant hervorzuheben, „sich aber gleichzeitig auch mit gewissen kollektivierenden Eigenschaften zu präsentieren, d.h. die Gruppenzugehörigkeiten als Teil der eigenen Identität auszudrücken“[67]. In Zeiten der Digitalisierung und Verlagerung vieler Prozesse in die virtuelle Welt ist es nicht verwunderlich, dass besonders das Medium Internet einen entscheidenden Teil an heutigen Individualisierungsprozessen und damit verbunden an der Thematisierung des Selbst beiträgt. Es vermittelt „wichtige Identitätsressourcen wie Rollenmuster oder gesellschaftlich-kulturelle Leitbilder [...] [und bietet ebenfalls] Ansatzpunkte für Selbstreflexion“[68], wodurch besonders Internetanwendungen wie beispielsweise Social Media zum Identitätsmanagement instrumentalisiert werden.
Ein Begriff, der häufig mit der Identität (heutzutage insbesondere in Bezug auf soziale Medien) genannt wird, ist die Selbstdarstellung. Selbstdarstellung oder auch Impression Management ist die Inszenierung eines eigens geschaffenen Selbstbildes nach außen, das so gestaltet ist, wie die Person es selbst möchte - obgleich es der Realität entspricht.[69] Es ist „der Versuch des Menschen, andere dazu zu bringen, ihn so zu sehen, wie er gesehen werden möchte“[70]. Dabei hat jedes Individuum eine gewisse Vorstellung davon, wie es von anderen Menschen wahrgenommen werden soll. Es ist der Wunsch nach Kontrolle über die Wirkung, die man auf das Fremdbild anderer Menschen hat und die Verfolgung von Strategien, um dieses Ziel zu erreichen.[71] Grundmotiv der Selbstdarstellung ist selten ein Selbstzweck. Vielmehr wird sie genutzt, um in der Gesellschaft Anerkennung, Einfluss oder Ansehen zu erlangen.[72] „Impression Management oder Selbstdarstellung steuert und kontrolliert nicht nur den Eindruck, den andere von uns haben (sollen), sondern spielt auch eine entscheidende Rolle beim Aufbau unserer sozialen Identitäten und Rollen“[73].
Der Aufwand der Selbstdarstellung in sozialen Medien liegt in der Inszenierung. Der Nutzen, den eine Person daraus zieht, beläuft sich auf eine gesteigerte Chance auf nützliche Interaktionen bzw. Transaktionen. Das Impression Management stellt somit die aktive Form der Selbstdarstellung zur Nutzenerzielung dar, welche langfristig über Erfolg oder Misserfolg der Person im Netz entscheidet. Wer sich nicht richtig darstellen kann, wird dieses Spiel auf längere Sicht verlieren. Selbstdarstellung in sozialen Medien ist auf vielfältige Weise möglich. Das vorrangige Ziel ist hierbei, überhaupt von der Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Das zweite Ziel ist, nach erwünschtem Selbstbild eingeschätzt zu werden.[74] Impression Management beginnt bereits bei der Erstellung eines eigenen Profils auf einer oder mehreren Plattformen. Die virtuelle Identität setzt sich dann durch den Beitritt bestimmter thematischer Gruppen, das Veröffentlichen von Bildern und Videos inklusive der Verlinkung von Freunden oder Marken, dem Folgen von Personen des öffentlichen Lebens sowie Unternehmen und der Publikation persönlicher Informationen immer weiter zu einem Gesamtbild zusammen. Anhand der veröffentlichten Informationen können andere Nutzer Rückschlüsse auf die individuellen kulturellen Präferenzen, d.h. Interessen, Werte- und Normvorstellungen ziehen und die Informationen zu einem Fremdbild interpretieren. Die Selbstdarstellung in sozialen Medien bewirkt somit eine gewollte Wahrnehmung der eigenen Identität durch die anderen Nutzer.[75] Zusätzlich werden Inszenierungsstrategien zur Herstellung eines bestimmten Ansehens in einer breiten Öffentlichkeit eingesetzt. Besonders beliebt ist die Strategie der Selbstwerterhöhung - „die Neigung, [sich] auf positive Informationen über [sich] selbst zu konzentrieren und sie zu präsentieren sowie negative Informationen zu minimieren“[76]. Häufig werden die eigenen Social Media Profile dazu genutzt, um sich anderen Nutzern so zu präsentieren, dass die eigene Person entsprechend positiver wahrgenommen wird. Die Nutzer schaffen ein Bild von sich selbst, dass eventuell nicht mit ihrem realen Selbst übereinstimmt. Wird diese Strategie verfolgt, wird riskiert, dass die eigene Selbstwahrnehmung manipuliert wird.[77] Eine weitere Strategie ist die Betonung der eigenen Offenheit gegenüber seinen Mitmenschen. Häufig werden immer privatere Einblicke in das Leben der dargestellten Person gegeben, um sich von anderen abzuheben. Auch der bewusste Einsatz von Kleidung, Accessoires, oder Beauty-Produkten zur Betonung der eigenen Attraktivität ist eine Strategie zur bewussten Erzeugung eines gewünschten Erscheinungsbildes. Durch die Inszenierung von Statussymbolen wie Autos, Yachten oder Villen kreiert der Nutzer ein Bild von Macht und Einfluss.[78] Die virtuelle Identität wird von Jugendlichen als Möglichkeit angesehen, sich selbst und unterschiedliche Versionen vom eigenen Ich auszutesten, um sich selbst besser kennenzulernen, ohne sich mit den unmittelbaren Konsequenzen auseinandersetzen zu müssen, die sie im realen Leben erwarten würden. Somit können virtuelle Identitäten falsche Erwartungen bei anderen Nutzern wecken und häufig auch zu Enttäuschungen oder Problemen bei sozialen Interaktionen führen.[79]
Hauptziel dieses Kapitels ist die Darstellung der Thematik, in welcher Weise die Mediennutzung einen Einfluss auf Identität, Selbstbild und Selbstdarstellung von Jugendlichen haben kann. Da besonders soziale Medien eine Plattform für die Selbstdarstellung bieten, wird hier intensiver auf die positiven sowie negativen Folgen deren Nutzung eingegangen.
Besonders das Jugendalter ist eine Lebensphase, in der es um den Aufbau eines Wertesystems geht, welches der Orientierung und der Erschaffung ethischer Werte und Richtlinien für das eigene Verhalten dient. Die Entwicklungsaufgaben sind dieselben wie früher, wobei sich die Umsetzung sichtlich verändert hat.[80] Da für die Entwicklung der eigenen Identität der Umgang mit anderen Menschen besonders wichtig ist, besteht hier heutzutage ein entscheidender Zusammenhang zum Medienkonsum von Jugendlichen.[81] Wie bereits in Kapitel 2.2 beschrieben, wachsen Kinder und Jugendliche mit einem hohen Kontingent an Medienangeboten und -verfügbarkeit auf. Sie nutzen digitale Medien zur täglichen Kommunikation und Unterhaltung. Besonders soziale Medien stellen dabei Plattformen zur Identitätsbildung und -entwicklung dar. Die Frage nach der eigenen Identität entsteht bereits im Kindesalter. Während der Entwicklungsphase ist es für Kinder und Jugendliche notwendig, sich mit jemandem oder etwas identifizieren zu können. Besonders die Suche nach Vorbildern prägt die Persönlichkeitsentwicklung im jungen Alter und soziale Medien stellen dabei die beste Quelle für unterschiedliche Vorbilder-Rollen dar. In diesem Zusammenhang suchen sich Jugendliche häufig Personen aus, die in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld erscheinen, obgleich es nicht von Bedeutung ist, ob diese real, medial oder virtuell sind.[82] In Personen des öffentlichen Lebens finden Jugendliche häufig facettenreiche Identifikationsfiguren wieder, welche ihnen mögliche Identitätsentwürfe aufzeigen können.[83]
Ein zentrales Thema auf sozialen Plattformen ist die Inspiration. Auf den Plattformen werden Inszenierungen von gewünschten Lebensformen und Träumen dargestellt, die meist nicht realisierbar sind, aber dennoch von den Jüngeren angestrebt werden. Um die eigene Persönlichkeit zu entdecken, orientieren sich Kinder und Jugendliche an Gleichaltrigen, Vorbildern und dargestellten Identitätsbildern im Netz und lassen sich von deren Lebenseinstellungen und Ansichten inspirieren.[84] Sie können sich zudem mit Gleichgesinnten über Interessen austauschen und erfahren somit das Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Wertegemeinschaft. Die vielfältigen Identifikationsmöglichkeiten im Internet legen den Grundstein für die Bildung der eigenen Identität.[85] Laut der Umfrage „Idole im Netz. Influencer & Meinungsmacht“, die im Rahmen des Safer Internet Days 2020 durchgeführt wurde, werden knapp ein Drittel der Befragten (im Alter von 13-20 Jahren) in ihrem Meinungsbild durch soziale Medien beeinflusst.[86] Durch das breite Angebot von Medieninhalten entsteht für die junge Generation die Möglichkeit, „sich eigenständig Identifikationsbilder auszuwählen und sich mit denen kritisch auseinander zu setzen“[87]. Durch das Imitieren dieser Rollen, können Jugendliche verdeckt gehaltene Identitätsfacetten finden, ausprobieren und ihre Schlüsse daraus ziehen.[88] Das Erproben unterschiedlicher Identitätsentwürfe bildet einen wichtigen Teilprozess in der Entwicklung von Heranwachsenden.[89] Sie können im Netz ungestört ein ganz eigen erschaffenes Selbstbild entwerfen, anderen vermitteln und sehen, wie die von ihnen entworfene und präsentierte Identität bei anderen ankommt.[90] Ausgehend von diesen Erprobungen im virtuellen Raum kann es zu stärkeren Selbstoffenbarungen und in Folge dessen zu einer Weiterentwicklung der Identität kommen.[91] Zudem können sie den ihnen gegebenen Freiraum nutzen, um Dinge auszuprobieren, die sie in der realen Welt nicht dürften (z.B. roten Lippenstift tragen).[92] Durch die Ablösung von der Familie im Jugendalter und der damit einhergehenden Ablösung von den familiären Vorbilder-Rollen, welche einen wichtigen Teil der Entwicklung von Jugendlichen darstellt, wird die Identitätsfindung durch den Medienkonsum weiter verstärkt.[93]
Ein weiterer positiver Aspekt, der mit der Identitätssuche im Netz einhergeht, ist das soziale Feedback, welches die Jugendlichen bekommen, wenn sie persönliche Informationen oder Eindrücke veröffentlichen. Dieses Feedback spielt eine zentrale Rolle im Lernprozess für soziale Verhaltensweisen und gehört in sozialen Netzwerken zum Alltag. Hier wird grundlegend Feedback anhand von einem Klick auf den „Gefällt mir“-Button geäußert, um die positive Bewertung eines Beitrags auszudrücken. Es können auch Kommentare unter Postings verfasst werden, durch die Jugendliche Rückmeldungen, von einem teilweise deutlich erweiterten Personenkreis, als dies bei Face-to-Face-Interaktionen der Fall wäre, bekommen.[94] Aus den verschiedenen Rückmeldungen können schließlich Rückschlüsse daraus gezogen werden, was bei anderen gut ankommt und was nicht, was wiederum zur Bildung und Weiterentwicklung der eigenen Identität beiträgt. Soziale Netzwerkplattformen zählen zu den wichtigsten Sozialisationsinstanzen neben Familie, Schule und Gleichaltrigen.[95] Es ist stets zu beachten, dass das Feedback zur Selbstinszenierung der Jugendlichen sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Selbstbild haben kann.[96]
Als weiteres Potenzial für die Identitätsbildung durch digitale Medien wird die Möglichkeit gesehen, dass äußerliche Merkmale ebenso wie körperliche Beeinträchtigungen an Bedeutung verlieren können, da diese in der virtuellen Welt nicht direkt dargestellt werden müssen. Das nicht vorhandene Bewusstsein über solche Besonderheiten kann zum Abbau von Vorurteilen und Stereotypisierungen beitragen. Im Netz hat man die Möglichkeit, nur die Eigenschaften von sich darzustellen, von denen man möchte, dass andere Personen sie kennen.[97] Die vorangegangenen Faktoren können Kindern und Jugendlichen dabei helfen, ihr eigenes Selbstkonzept zu stärken und ein positives Selbstbild von sich zu entwickeln.[98] Soziale Netzwerke bieten zudem die Möglichkeit, die Jugend für bestimmte Themen zu sensibilisieren. Da jeder Zugriff auf die Plattformen hat, gibt es auch Menschen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen, die ihre besonderen Eigenschaften gezielt auf Social Media verbreiten, um darauf aufmerksam zu machen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Durch diese Menschen wird auch im Netz deutlich, dass Menschen sehr verschieden sein können und dennoch Teil der Gesellschaft sind.[99]
Ein wichtiges Thema, das mit der Entwicklung des eigenen Selbstbildes einhergeht, ist das Selbstbewusstsein, welches man durch eine bewusste Selbstreflexion erhalten kann. Bei der Erstellung und Bespielung eines Profils werden Jugendliche zu mehr Selbstreflexion ermutigt, da sie hier darüber nachdenken müssen, wer sie sind, was ihre Identität ausmacht und wie sie sich anderen im virtuellen Raum präsentieren wollen. Mehr Selbstbewusstsein kann erlangt werden, indem man seine Aufmerksamkeit bewusst auf sich selbst richtet. Das eigene Verhalten oder die eigenen Gedanken können so gemäß eigener Werte objektiv beobachtet und beurteilt werden. Stimmt das eigene Verhalten mit den eigenen Wertevorstellungen überein, wird das Selbstbewusstsein gestärkt. Falls das nicht der Fall ist, hat man die Möglichkeit sein Verhalten wieder den eigenen moralischen Prinzipien anzupassen.[100] Durch die öffentliche Selbstdarstellung auf dem eigenen Social Media Profil, dem digitalen Spiegel, den man kontinuierlich vorgehalten bekommt, beschäftigt man sich intensiver mit seinem Selbst und seiner Identität und wird zum Reflektieren gebracht. Dieser fortlaufende Prozess der Selbstreflexion kann zur Verbesserung des Gespürs für Richtig und Falsch führen und kann zudem das eigene Selbstwertgefühl steigern.[101]
Selbstdarstellung wird häufig als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit angesehen. Sie findet auch ohne digitale Medien im täglichen Austausch mit anderen Personen statt. Jugendliche nutzen jedoch ebenso gerne den modernen digitalen Weg, um ihre Persönlichkeit zu inszenieren und soziale Medien bieten ihnen hierfür die Plattform. Selbstdarstellung im Netz umfasst dabei mehr als Profilbilder, Namen, persönliche Informationen, Gruppen sowie mittlerweile eigene Playlists. Die Inszenierung des eigenen Selbst besteht aus vielen Puzzleteilen.[102] Auf dem eigenen Profil können Jugendliche zusätzlich Aspekte wie soziale Kontakte, politische Einstellungen, persönliche Erfolgsbekundungen, kulturelle Erfahrungen sowie Statussymbole veröffentlichen und so ihre eigene virtuelle Persönlichkeit erschaffen und darstellen. Sie können hier genau auswählen, welche Teile ihres Lebens sie teilen und welche sie lieber für sich behalten möchten, was den Anreiz zur Nutzung darstellt. Bei erfolgreicher Darstellung bekommen Jugendliche positive Reaktionen und Anerkennung und können so ihr Selbstwertgefühl stärken, sich selbst besser einschätzen oder sogar zwischenmenschliche Beziehungen stärken. „Selbstdarstellung ist nicht nur eine Begleiterscheinung, sondern eines der wichtigsten Motive für die Teilnahme an sozialen Netzwerken“[103].
Das Streben nach Anerkennung und der Wunsch sich anderen mitzuteilen, liegt in den tiefen Motivationen und Bedürfnissen des Menschen verborgen. Anhand seiner Bedürfnispyramide zeigte Sozialpsychologe Maslow bereits vor mehr als 1000 Jahren, dass der Mensch, hat er alle anderen Bedürfnisse befriedigt, als oberstes Ziel nach Selbstverwirklichung strebt.[104] Der Blick auf unser Social Media Profil erhöht enorm unser Selbstwertgefühl. Dort unsere eigene Selbstdarstellung zu sehen, löst Emotionen aus, die das Selbstbewusstsein stärken. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Über soziale Netzwerke haben Jugendliche die Möglichkeit, ihrem sozialen Umfeld zu zeigen, wer sie sind, was sie machen und für was sie sich interessieren. [105]
Die wohl größte Herausforderung für Jugendliche im Netz ist das Dazugehören. Menschen und besonders Heranwachsende haben von Natur aus das starke Bedürfnis, einer Gemeinschaft anzugehören. Dieses Bedürfnis hat seinen Ursprung in der menschlichen Urangst, von der Gesellschaft ausgeschlossen oder verstoßen zu werden. Dieses Bedürfnis hat sich mittlerweile schnell zu einem Drang entwickelt – dem Drang, dazu gehören zu wollen, um soziale Isolation zu vermeiden.[106] Um nicht aufzufallen oder aus der Reihe zu tanzen, verbleiben viele Jugendliche bei der Darstellung ihrer Selbst bei einer gewissen stereotypisierten Darstellung. Junge Frauen veröffentlichen auf sozialen Netzwerken eher Bilder, die sie in freundlicher und lächelnder Pose zeigen. Ihr Blick geht dabei direkt in die Kamera und sie werden von oben herab abgebildet. Im Gegensatz dazu zeigen sich junge Männer häufig ernst und mit eher ausdrucksloser Miene. Zudem schauen sie eher selten direkt in die Kamera. Bei veröffentlichten Bildern wird von männlichen Nutzern ein gewisser Ausdruck von Stärke und „Coolness“ erwartet und dieser meist auch vermittelt. Junge Frauen signalisieren dagegen eine gewisse Körperlichkeit, Unschuld und Ungefährlichkeit.[107] Jugendliche passen sich vorwiegend einer breiten Masse an Darstellungen an, viele zeigen die gleichen Ausdrücke und eher wenige heben sich wirklich aus der Masse hervor. Die Vermittlung gewisser Rollenbilder kann Jugendliche stark in ihrem Selbstbild beeinflussen, da sie sich selbst noch in der Identitätsfindungsphase befinden. Zudem basieren ihre Identität sowie das eigene Selbstwertgefühl häufig auf ihrer virtuellen Präsenz. Die Identitätsbildung ist geprägt von perfekt inszenierten Inhalten und wird durch die Anzahl an Followern beeinflusst.[108]
Mit dieser Thematik einher geht die Problematik des sozialen Vergleichs und des damit einhergehenden Dauer-Vergleichsdrucks. Menschen streben stets nach Selbstverwirklichung und sind ständig im sozialen Vergleich zu verorten. Auch bei der Nutzung sozialer Medien gibt es keine Ausnahme.[109] Denn oftmals werden die Online-Profile anderer Nutzer nicht nur zur reinen Unterhaltung oder Informationssuche aufgesucht, sondern vielmehr entsteht dabei ein unbewusster sozialer Vergleichsprozess mit der eigenen Person, da Jugendliche häufig noch nicht über ein ausgereiftes Selbstkonzept verfügen.[110] Es wird das eigene Aussehen und die gesamte Lebenssituation mit der eines anderen Nutzers (aufgrund dessen Postings) verglichen. Aus den daraus gewonnenen Informationen lernen die Heranwachsenden, wie sie sich in bestimmten sozialen Situationen zu verhalten haben, um den gesellschaftlichen Standards gerecht zu werden. Soziale Medien bieten aufgrund ihrer Personalisierung ein hohes Potential an Vergleichsmöglichkeiten mit Personen aus dem näheren Umfeld bis hin zu Medienpersonen. Diese Art des sozialen Vergleichs kann horizontal oder vertikal stattfinden. Da tendenziell eher positive Inhalte über digitale Medien veröffentlicht werden, entsteht häufig der Eindruck, die Person hinter dem Profil habe mit weniger Problemen zu kämpfen und führe insgesamt ein besseres Leben.[111] Die Hauptursache für den entstehenden sozialen Vergleich ist das Grundbedürfnis des Menschen, sich selbst ständig bezüglich der eigenen Meinung und Fähigkeiten einzuschätzen.[112]
Ein horizontaler Vergleich kann einerseits zu einer besseren Selbsteinschätzung im zwischenmenschlichen Verhalten, der eigenen Meinung zu bestimmten Themen und den persönlichen Fähigkeiten führen. Eine positive Selbstbewertung ist besonders wichtig für ein positives Selbstbild und verhilft Jugendlichen dazu, sich in sozialen Situationen korrekt zu verhalten. Eine Unsicherheit gegenüber der Angemessenheit der eigenen Meinung kann mit dem Heranziehen anderer Personen als Maßstab aufgelöst werden.[113] Wie bei jeder Form des sozialen Vergleichs gibt es jedoch auch hier eine Kehrseite. Denn der Vergleich mit „als gleichgestellt“ erachteten Personen kann auch zu einem negativen Verhaltensmuster führen. Jugendliche sprechen beispielsweise der Zeit, die sie auf sozialen Netzwerkplattformen verbringen, keine hohe Relevanz zu. Sie erachten sie nicht als problematisch, da sich Gleichaltrige ihrer sozialen Gruppe genauso verhalten. Sie folgen häufig blind einem Verhaltensmuster, das durch soziale Medien vorgelebt wird, aus Angst sonst eventuell von ihrer Online-Community ausgeschlossen oder gar gemobbt zu werden. Durch diesen blinden Gehorsam kann es beispielsweise schnell zu Cybermobbing-Attacken kommen.[114]
Der vertikale Vergleich kann abwärts oder aufwärts erfolgen. Sieht der Mensch sich unmittelbar in seinem Selbstwert bedroht, hat er das Bedürfnis diesen zu schützen, indem er sich mit Personen vergleicht, die ihm seiner Meinung nach unterlegen sind. Für das Ziel der Selbstwerterhöhung stellen die Anzahl an Likes und Kommentaren unter den veröffentlichten Inhalten wichtige Einheiten da. Auch die Reichweite und die Followerzahl sind entscheidend.[115] Diese Art von Vergleich wirkt sich zwar kurzfristig positiv auf das Selbstwertgefühl der Jugendlichen aus, zieht aber hauptsächlich negative Auswirkungen nach sich. Vor allem, da es sich bei Likes meist um Reaktionen handelt, die auf äußere Merkmale ausgerichtet sind. Es wird sich hier ausschließlich auf die Optik der abgebildeten Person fokussiert, während intellektuelle Fähigkeiten und menschliche Werte vernachlässigt werden.[116] Viele Jugendliche halten sich aufgrund von vielen Likes oder Abonnenten für besonders und interessanter als andere. „Viele Follower sind ein Statussymbol. Man ist mächtiger und angesagter“[117]. Diese Lobpreisung der virtuellen Währung kann schnell in Selbstüberschätzung der eigenen Person umschlagen. Sie fühlen sich aufgrund dieser erworbenen Eigenschaften überlegen, denken oft, sie seien etwas Besseres. In der Realität sieht es jedoch etwas anders aus. Fähigkeiten wie das Aufgeben eines Briefes, das Binden einer Krawatte oder das Erstellen von Bewerbungsunterlagen sind häufig nicht sehr ausgeprägt. Zudem verstärken ein überlegenes Denken und Handeln die Ausprägung einer Ellenbogengesellschaft sowie narzisstischem Verhalten.[118]
Durch einen Aufwärts-Vergleich versucht der Mensch sich selbst zu verbessern. Das Streben nach einem vollkommenen Selbst kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben. Für einige Jugendliche kann ein Vergleich mit Personen, die ihnen aus ihrer Sicht überlegen sind (in Hinsicht auf Fähigkeiten, materielle Werte, Aussehen, etc.) als Ansporn dienen sich selbst dahingehend zu verändern, sich mehr anzustrengen, um ebenso erfolgreich in einem Bereich zu sein. Wirken die Mühen und Veränderungen jedoch nicht so, wie sie geplant waren, können Unzufriedenheit und Neid auftreten. Digitale Medien konfrontieren uns bei aktiver Nutzung ständig mit dem Leben anderer. Es geht um die Darstellung von Aussehen, Status, Besitz und Erlebnissen. Alles wird mit der Community geteilt, jeder sieht was der andere hat oder macht und man vergleicht sich miteinander. Wenn andere Personen mehr Geld haben oder einen höheren sozialen Stand und Inhalte veröffentlichen, die teuren Besitz, einen schönen Urlaub oder eine Vielzahl an Freunden präsentieren, fühlen sich Jugendliche schnell schlecht und erfahren das Gefühl von Neid. Da - wie bereits erwähnt - tendenziell eher positive, schöne Bilder und Videos auf sozialen Netzwerken veröffentlicht werden, scheint es für junge Erwachsene oft so, als seien andere stets glücklicher oder würden ein besseres Leben führen.[119] Dazu kommt, dass die Inhalte stark durch Filter oder Bearbeitungsprogramme optimiert werden, um einen noch perfekteren Eindruck bei den Betrachtern zu hinterlassen. Durch die optimiert dargestellten Personen und deren scheinbare Leben und Besitztümer fühlen sich Jugendliche oft weniger schön oder weniger wert und verfallen im schlimmsten Fall nach und nach in Selbstzweifel und Depressionen.[120] Da die Scheinwelt auf sozialen Medien also perfektioniert dargestellt wird, ist die Sicht auf das eigene Leben fast immer schlechter, was einen negativen Einfluss auf die Psyche hat.[121] „Es geht um Jugendliche mit einer erhöhten Stressempfindlichkeit, mit einer Neigung zur Depressivität und Ängstlichkeit, Unsicherheit, einem negativen Selbstkonzept“[122]. Durch eine optimierte Selbstdarstellung versuchen Jugendliche ihre „negativen“ Eigenschaften zu kompensieren.[123] Die Einhaltung von gewissen Regeln und Normen bezüglich Darstellung und Ästhetik ist in sozialen Medien besonders für Jugendliche wichtig. Damit einher geht ein gewisser Leistungsdruck, zu performen und dabei zu sein, der von Teilnehmern der „Digital Self vs. Real Self“ Studie beschrieben wird.[124] Zusätzlich ist zu betonen, dass durch die sorgfältige Auswahl an Eindrücken, die gezeigt werden, das ganzheitliche Bild, das in sozialen Medien vermittelt wird, generell oberflächlich bleibt. Es handelt sich nicht um Emotionen, echte Privatheit oder tiefere Verständnisebenen. Jugendliche wenden sich auf Instagram lieber Themen zu, die sie selbst optimieren und kontrollieren können und bleiben so an der Oberfläche, statt sich intensiv mit sich selbst zu beschäftigen.[125]
Als weitere Problematik wird die Vermittlung falscher Ideale und Wertevorstellungen angesehen. Das propagierte Körperbild in sozialen Medien ist tendenziell unrealistisch, besonders für Jugendliche, die sich häufig noch in einer Wachstumsphase befinden. Es ist wichtiger geworden, dass ein Körper gut aussieht und fit ist. Der optimale Körper von Frauen wird meist untergewichtig und der männliche oft muskulös dargestellt. Nach Betrachtung solcher Bilder sinkt häufig die eigene Körperzufriedenheit.[126] Besonders in der Pubertät sind Jugendliche in hohem Maße von Unsicherheit und Selbstkritik geprägt.[127] Durch die optimierten Inhalte sehen andere Nutzer schöner aus, haben einen besseren Körper, geradere Zähne oder volleres, glänzenderes Haar. Bei Jugendlichen, die nicht dem vermittelten Schönheitsideal entsprechen, korreliert der Medienkonsum negativ mit dem körperlichen und psychischen Wohlbefinden.[128] Um Teil dieser Online-Community zu werden unterliegen Jugendliche einem ständigen Druck, den Idealen der virtuellen Welt gerecht zu werden. Meist ziehen sie dabei zwangsläufig den Kürzeren, da das im Netz vermittelte Idealbild oft unerreichbar scheint, was sich schließlich negativ auf das Selbstbild sowie das Selbstwertgefühl auswirken kann.[129] Aus diesem Grund greifen junge Menschen vermehrt zu Operationen und Schönheitsbehandlungen. Selbstoptimierung nimmt viele verschiedene Facetten an. Neben dem technischen Einsatz von künstlichen Lichtquellen und professionellen Kameras ist die Nachbearbeitung von Bildern weit verbreitet. Zudem verändern die Jugendlichen ihr Äußeres durch künstliche Wimpern und Nägel, verwenden Visagisten-Techniken beim Schminken und unterziehen sich immer drastischer werdenden kosmetischen Eingriffen.[130]
Problematisch wird es dann, wenn die Realität verzerrt wird.[131] Die Profile und Inhalte, die Jugendliche veröffentlichen, sagen etwas über ihre Interessen und Vorlieben aus. Sie werden zum Kreieren einer eigenen virtuellen Identität, als eigene Selbstdarstellungs-Plattformen eingerichtet.[132] Das kreierte Bild einer Person im Netz zeigt häufig nur Teilaspekte einer Persönlichkeit sowie sorgfältig ausgewählte Ausschnitte aus dem Leben eines Menschen. Jugendliche präsentieren sich so, wie sie von anderen gerne gesehen werden wollen. Das kann entweder das Aussehen, die Persönlichkeit oder die Umgebung der Person betreffen. Es werden auf sozialen Netzwerken Träume von Status, Erfolg und Schönheit eingefangen und gezielt nur die „Schokoladenseiten“ präsentiert.[133] Das erschaffene perfektionierte Bild soll andere Nutzer in ihrer Wahrnehmung der Person beeinflussen. Sie wollen gemocht und gelobt werden. Die (digitale) Selbstdarstellung ist - anders als früher - nicht mehr nur auf einen engen Freundes- und Bekanntenkreis beschränkt, sondern für alle Menschen weltweit sichtbar. Virtuelle Scheinwelten und inszenierter Perfektionismus können die Entwicklung eines stimmigen Selbstbildes negativ beeinträchtigen.[134] Das liegt daran, dass durch häufige Nutzung vergessen wird, dass es eine virtuelle Welt ist und dass in der realen Welt nicht nur Perfektionismus existiert. Die Spanne zwischen dem normalen Selbst und dem beautifizierten Selbst wird immer größer. Und gleichzeitig wird eine erfolgreiche Selbstdarstellung immer wichtiger. Durch die Selbstoptimierung im virtuellen Raum verändert sich die Wahrnehmung von Realität und Schein und Jugendliche können aufgrund der teilweise großen Diskrepanzen das reale nicht mehr vom medialen Selbstbild unterscheiden.[135]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Nutzung digitaler und besonders sozialer Medien eine große Bandbreite an Chancen und Risiken in Bezug auf die Identitätsentwicklung mit sich bringt. Die hohe Bekanntheit und tägliche Nutzung haben zur Folge, dass Jugendliche stets zu jeder Zeit und über jede angemeldete Person Informationen erhalten können.[136] Dabei können Jugendliche Inspiration für ihre eigene Identität finden, sich an ihrer Umgebung orientieren, ihre Identität frei entfalten und ein positives Selbstbild entwickeln. Die ständige Beschäftigung mit sich selbst, der unbewusste soziale Vergleich und die häufig damit einhergehende Selbstkritik können leicht zu Risikofaktoren werden. Viele Jugendliche leiden unter Depressionen, Ängsten sowie Interessenverlust. Durch Selbstzweifel leiden zudem das Selbstbild, Selbstbewusstsein und die Beziehung zum eigenen Körper.[137] Es besteht eine, wenn auch sehr geringe, Korrelation zwischen einer hohen Bildschirmzeit und einem geringeren Wohlbefinden von Jugendlichen, welches oft mit Mobbing oder Schlafmangel einhergeht. Die Zusammenhänge sind allerdings schwer zu messen, da unterschiedliche Nutzungsweisen und Motive der Jugendlichen existieren. Zudem werden die Inhalte, mit denen sie im Netz konfrontiert werden, durch verschiedene Algorithmen individuell angepasst. Eine gleichmäßige Beurteilung ist somit nicht möglich. Oft stehen Jugendliche unter dem Leistungsdruck, den Zukunftssorgen sowie dem Perfektionismus ihrer Eltern, was die Problematik zusätzlich erschwert.[138] Digitale Medien können nicht in „gut“ oder „schlecht“ unterteilt werden und man sollte ihnen nicht die alleinige Schuld für die negativen Auswirkungen der Nutzung zuschieben. Wichtig beim Umgang mit ihnen ist, kritisch zu bleiben, zu hinterfragen und reflektiert mit ihnen umzugehen.[139]
Dass Medien die Entwicklung junger Erwachsener beeinflussen, ist an dieser Stelle wohl kaum mehr erwähnenswert. Einige Einflüsse auf die Identität und das Selbstbild von Jugendlichen wurden bereits genannt. Weiterführend sollen sowohl positive als auch negative allgemeine Auswirkungen näher beleuchtet werden, die eine überdurchschnittliche Nutzung digitaler Medien nach sich ziehen können.
Die Nutzung digitaler Medien zur Informations- und Nachrichtensuche spielt nicht erst seit der Covid-19-Pandemie eine bedeutende Rolle. Besonders für Kinder und Jugendliche bieten – neben dem klassischen Fernsehen und Radio - auch digitale Medien die Möglichkeit, sich zu informieren, sich auszutauschen und sich eine eigene Meinung zu wichtigen Themen zu bilden.[140] Fast 70% der Jugendlichen gaben in der JIM-Studie 2021 an, sich für Themen wie den Klimawandel und die Corona-Situation zu interessieren. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist zudem ein aktuelles Thema, mit dem sich mehr als die Hälfte der Jugendlichen im Netz auseinandersetzten. Auch die „Black lives matter“-Bewegung war ein für die jüngere Generation wichtiges Thema.[141] Digitale Medien und besonders Social Media Plattformen ermöglichen es den Jugendlichen, sich über zahlreiche Themengebiete zu informieren und ihre eigenen Gedanken und Meinungen dazu mit einer großen Community zu teilen. Praktisch werden soziale Netzwerke auch dazu genutzt, Neuigkeiten oder Veranstaltungstipps in Erfahrung zu bringen.[142] Der unermessliche Informationsaustausch im Internet erleichtert das Leben enorm – sei es das rasche Abrufen des Bahnfahrplans, das Informieren zu aktuellen Fußballspiel-Ergebnissen oder die Weiterbildung durch die neuesten wissenschaftlichen Errungenschaften.[143]
Eine weitere positive Auswirkung der Möglichkeit sich zu informieren und des einfachen Zugangs zu Information und Wissen kann ein Abbau von Vorurteilen sein. Kinder und Jugendliche haben durch das Internet schon früh die Möglichkeit, sich über andere Menschen und Kulturen zu informieren und können sich somit offener mit den Problemen anderer auseinandersetzen. Das Internet bietet die Möglichkeit der Verknüpfung von Menschen auf der ganzen Welt und kann bei einem besseren Verständnis untereinander und füreinander unterstützen. Unbekanntes Wissen über fremde Völker kann zudem das Interesse an politischen und geschichtlichen Entwicklungen wecken. Durch die Verbreitung von Informationen über die Lebensbedingungen psychisch oder physisch beeinträchtigter Menschen können das Verständnis und Mitgefühl gegenüber anderen erhöht werden. Informationen und Wissen können unzählige Arten von sozialen Kompetenzen und Beziehungen beeinflussen. Besonders hervorzuheben ist die Eigenschaft des Internets, dass alle Arten von Menschen zu Wort kommen können und sich frei zu allen Themenbereichen äußern dürfen. So entsteht eine unfassbar große Vielfalt an Meinungen.[144]
Auch die Kreativität der Jugend kommt im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien nicht zu kurz. Es gibt eine Vielfalt an Apps und Plattformen, die ihre Nutzer zur aktiven (Mit-)Gestaltung aufrufen. Durch die Fülle an Inhalten über soziale Netzwerke können sie sich inspirieren lassen, ihre kreativen Fähigkeiten anregen und so neue Impulse für wissenschaftliche oder soziale Projekte erhalten. Dadurch wird die Kreativität angeregt, Gemeinschaften von Gleichgesinnten gestärkt sowie die Beziehung zu den Eltern oder Geschwistern gefördert.[145] Das Erlernen von neuen Fähigkeiten und Wissen begleitet die Entwicklungsphasen zu jeder Zeit.[146]
Im Rahmen der Zusatzstudie „JIMplus 2020. Lernen und Freizeit in der Corona-Krise“ wurde den teilnehmenden Schülern die Frage gestellt, wer ihnen beim Lernen helfen würde. Die häufigsten Antworten waren „Freunde über Chat“ und „Tutorial im Internet“. Digitale Medien stellen somit für die Jugendlichen nicht nur eine Unterhaltungsplattform, sondern auch eine wichtige Quelle für Lerninhalte und lehrbezogene Kommunikation dar. Zudem wurden von den Schülern häufig Lernangebote über Youtube und Wikipedia genutzt, um die schulischen Inhalte zu verstehen oder zu vertiefen.[147] Durch die enorme Reichweite und Beliebtheit der digitalen Medien entsteht die Möglichkeit, die Kinder und Jugendlichen für bestimmte Themen zu begeistern und somit Bildungsinstanzen wie die Schule zu unterstützen. Anhand bereits beliebter Formate wie Apps, digitale Spiele und Fernsehserien können sowohl allgemeine als auch spezielle wissensbezogene Lerninhalte spielerisch vermittelt werden. Digitale Medien können zudem als Didaktik-unterstützende Tools oder als Lerngegenstand selbst im Unterricht eingesetzt werden. Sie können zur Dokumentation, Recherche, Präsentation, Kommunikation sowie für die Kreativität der Schüler instrumentalisiert werden. Zuhause können sie als Unterstützung bei Hausaufgaben, als Informationsquelle für neues Wissen zu speziellen Themen oder zur Vertiefung bereits existierender Interessen fungieren.[148]
Ein Bereich, der immer intensiver mit dem Bereich Lernen verknüpft wird und eine große Rolle im Kindes- und Jugendalter spielt ist das Spielen selbst. Im Zeitalter der Digitalisierung hat sich auch hier der Anwendungsbereich viel in die digitale Welt verlagert. Digitale Spiele hatten im Jahr 2021 einen festen Platz im Medienalltag von Jugendlichen.[149] Diese Medienzeit sollte nicht außer Acht gelassen werden, vielmehr sollte sie als Chance gesehen werden, digitale Medien zum spielerischen Lernen einzusetzen. Das breite Anwendungsfeld für Computer- und Online-Gaming wächst mit der Verbreitung und intensiveren Nutzung digitaler Medien weiter an. Es gibt ein großes Spektrum an Lehr- und Lerninhalten, die durch Spiele vermittelt werden können. Besonders geeignet ist diese Form des Lernens für Jugendliche und Kinder, da die Kommunikation von Wissen in Verbindung mit Unterhaltung stattfindet. Digitale Medien bieten neue und flexible Möglichkeiten spielerisch zu lernen. So können Kinder und Jugendliche ihre Zeit sinnvoll nutzen, wenn sie unterwegs sind. Beispielsweise können sie Rätsel zu wissenschaftlichen Themen lösen, während sie auf den Bus warten oder einen Test über die Verkehrsregeln absolvieren während einer längeren Bahnfahrt. Zudem wird durch das Spielen auf einem mobilen Endgerät die Hand-Augen-Koordination gefördert. Ebenso kann durch digitale Spiele das Denk- und Orientierungsvermögen und besonders die Kreativität erweitert werden. Multi-Player-Spiele bieten den Vorteil, dass die Spieler Teil einer Gemeinschaft werden, was besonders für Heranwachsende ein wichtiger Faktor ist.[150]
Die häufige Nutzung sozialer Medien oder ein überdurchschnittlicher Konsum an digitalen Inhalten kann den zwischenmenschlichen Kontakt zu Gleichaltrigen beschränken, was zur Verminderung der sozialen Akzeptanz bei Freunden oder Klassenkameraden führen kann. Hier kann ein Teufelskreis entstehen, der im schlimmsten Fall in sozialer Abschottung endet.[151] Der häufige Gebrauch von technischen Medien, wie dem Tablet oder Smartphone, kann bei Kindern und Jugendlichen zu motorischer Ungeschicklichkeit führen. Aus den oben genannten Verhaltensmustern können auch Übergewicht, erhöhter Blutdruck und erhöhter Cholesterinspiegel resultieren, von der allgemein verminderten körperlichen Fitness und den Folgen für den Bewegungsapparat abgesehen.[152] Aufgrund der überdurchschnittlichen Nutzung digitaler Medien treten häufig körperliche Probleme wie Erschöpfung, Rücken- sowie Kopfschmerzen, massive Muskelverspannungen, starke Gewichtsab- oder -zunahme, Vernachlässigung körperlicher Hygiene und Schlafmangel auf.[153]
Ein bekanntes und weit verbreitetes gesellschaftliches Phänomen der heutigen Zeit ist FOMO („fear of missing out“). Durch die ständige Konfrontation mit Beiträgen auf sozialen Netzwerken haben Jugendliche permanent die Möglichkeit auf dem aktuellen Stand zu sein, was andere Bekannte oder Freunde gerade machen.[154] Die Angst, etwas zu verpassen steht hier für die Besorgnis, (vermeintlich) spannende oder wichtige Ereignisse nicht mitzubekommen, also nicht auf dem Laufenden zu sein. Nicht zu wissen, was andere machen oder sogar Angst zu haben, dass sie was Besseres erleben könnten oder ein besseres Leben führen als man selbst, ist der häufigste Auslöser. Dieses Gefühl hat - wie in Kapitel 3.2 beschrieben - seinen Ursprung in der menschlichen Urangst, von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Durch die Nutzung sozialer Netzwerke hat sich diese Angst jedoch verstärk und das kann viele verschiedene Auswirkungen auf die Psyche junger Erwachsener haben. Häufig treten Konzentrationsschwierigkeiten, innere Unruhe, Stress und daraus resultierende Schlafprobleme auf. Zudem kann auch die Fähigkeit, Dinge und Erlebnisse zu genießen, abhandenkommen. Weitere Auswirkungen einer exzessiven Mediennutzung können eine schlechtere Stimmung und eine geringere Lebenszufriedenheit sein.[155]
Auch Internetsucht gilt als bekannte negative Folge der Nutzung digitaler Medien. Charakteristisch für ein Suchtverhalten sind unter anderem die ständige Zunahme der Nutzungsdauer sowie -frequenz. Jugendliche erleiden schnell einen Kontrollverlust über den Umfang ihrer Nutzung und die Verringerung realer Sozialkontakte sowie die Vernachlässigung anderer Interessen gehen oft damit einher. Das starke Verlangen danach, immer online zu sein, um Informationen abzurufen oder sich selbst der Welt mitzuteilen, ist unter Jugendlichen allgegenwärtig und diesem Drang geben sie nur zu gerne nach, was wiederum zu Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit, Nervosität sowie verstärkter Reizbarkeit führen kann.[156] Eng mit diesen Verhaltensweisen sind die Auswirkungen der ständigen Informationsüberflutung verknüpft. Jugendliche teilen Bilder und Videos von Erlebnissen, Urlauben oder auch materiellen Dingen, was bei Anderen Niedergeschlagenheit und Frustration auslösen kann, wenn sie sehen, was andere gerade tun oder besitzen, was sie selbst nicht tun oder haben.[157] Es besteht zudem das Risiko, dass Jugendliche aufgrund der Reizüberflutung, speziell auf Social Media, einem Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Anerkennung erliegen. Die Hemmungen davor, problematische Inhalte über die eigene Person oder andere zu veröffentlichen, sinken aufgrund des Wunsches nach Aufmerksamkeit, Anerkennung und positivem Feedback.[158]
Eine weitere negative Auswirkung ist der soziale Druck, der anfänglich oft unbemerkt und automatisch aufgebaut wird. Die Nutzung sozialer Medien bringt viele ungeschriebene Regeln und Normen mit sich, an die man sich besser hält, wenn man akzeptiert und nicht gemobbt werden will. Unter Jugendlichen wird es als sehr wichtig erachtet, diese zu befolgen und sich dementsprechend anzupassen, sei es in der Darstellung oder Ästhetik. Individualität und für eine Sache einzustehen, wird hier eher kleingeschrieben.[159] Beispielsweise kann es unfreundlich wirken, einem Follower umgekehrt nicht auch zu folgen. Auf den meisten Plattformen ist es für andere Nutzer sichtbar, ob man aktuell online ist oder nicht. Man kann somit schnell unter Druck geraten und sich dazu verpflichtet fühlen, direkt auf Nachrichten zu antworten. Viele können gleichzeitig nicht damit umgehen, wenn die Angeschriebenen nicht direkt reagieren. Besonders verstärkt wird dieser Druck durch Dienste wie Snapchat. Die Plattform zeigt an, wie viele Tage lang man mit einer Person ohne Unterbrechung Kontakt hatte. Es entsteht eine Art sozialer Wettbewerb unter den Jugendlichen, die natürlich versuchen, diesen Wert stets zu vergrößern, indem sie online aktiv sind.[160]
Fotos, Videos und Kommentare sind schnell hochgeladen und verbreiten sich in Sekundenschnelle. Die Nutzer haben praktisch keinerlei Kontrolle darüber, was mit diesen veröffentlichten Inhalten geschieht, da andere Nutzer die Möglichkeit haben, die Inhalte zu kopieren, herunterzuladen, zu bearbeiten oder gar selbst für weitere Zwecke zu verwenden. Mit dem Hochladen werden die Nutzerrechte quasi abgetreten.[161] Auch werden häufig persönliche Informationen mit anderen, oft fremden Personen, geteilt. Aufgrund von Informationen über Hobbys, Wohnort oder Schule können leicht Bewegungsprofile erstellt werden. Bei der Nutzung von Social Media Plattformen scheinen Jugendliche dem Thema Datenschutz oftmals keine hohe Signifikanz zuzuschreiben.[162] Durch den sich ausgebreiteten virtuellen Exhibitionismus hat sich das Sicherheitsrisiko verstärkt. Was früher höchstens hinter verschlossenen Türen besprochen wurde, wird heutzutage in die virtuelle Welt hinausposaunt. Häufig werden Begebenheiten veröffentlicht, die intim und privat sind und es scheint, als habe die Jugend vergessen, dass die ganze Welt, inklusive ihrer Familien, Lehrern und eventuell späteren Arbeitgebern mitlesen und zusehen kann.[163]
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