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Magisterarbeit, 2022
82 Seiten, Note: 2,3
1 Einleitung
2 Biographische Streiflichter
2.1 Herkunft und Jugend
2.2 Theologischer und beruflicher Werdegang
2.3 Letzte Jahre und Lebensabend
2.4 Theologisches Werk und Vermächtnis
3 Genese des Spaldingschen Predigtverständnisses anhand seiner SchriftUeber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung(31791)
4 Homiletische und theologiegeschichtliche Analyse ausgewählter Predigten aus dem Barther Predigtbuch
4.1 Methodologische Vorentscheidungen und Vorbemerkungen
4.2 Der Trost an Gott bey dem menschlichen Elende (Ps 119,92) [15. Oktober 1771]
4.3 Die Erwartungen, welche wir uns von dem menschlichen Leben hier auf Erden machen müßen (Lk 18,31–43) [13. Februar 1774]
4.4 Der große Wert eines Lebens, welches zum Beßten anderer angewendet wird (Joh 10,12–16) [17. April 1774]
4.5 Das Werk des Geistes Gottes an dem Menschen (Eph 5,9) [3. Mai 1774]
4.6 Wie die Hoffnung des zukünftigen Lebens das gegenwärtige erleichtert (Mk 16,14–20) [15. Mai 1774]
5 Die Rezeption des Spaldingschen Pfarrideals und Predigtverständnisses in Literatur und Theologie
6 Resümee: Spaldings Predigtverständnis – ein Exempel für das protestantische Predigtverständnis in der Aufklärung?
7 Ausblick für die weitere Spalding-Forschung
1 Literaturverzeichnis
1.1 Quellen
1.2 Hilfsmittel
1.3 Sekundärliteratur
2 Endnoten
Johann Joachim Spalding (1714–1804), der von der Forschung mitunter sogar zum „König der Neologen“12stilisiert worden ist, zählt gemeinhin zu den bedeutsamsten und einflussreichsten Vertretern der Neologie, der Spätphase der Aufklärungstheologie, im deutschsprachigen Raum.3 Andere wiederum sehen ihn ihm gar den „Patriarchen der Aufklärungstheologie“ oder einen „theologischen Bahnbrecher der Moderne“.4 Prosopographische Studien über Leben und Werk Spaldings gibt es zuhauf5, doch finden sich nur wenige Arbeiten, die seine Predigtarbeit thematisieren.6 Dabei lässt sich der „Kanzeldienst“ gleichwohl als das eigentliche Zentrum seiner gesamten pastoralen Tätigkeit auffassen7.
Die vorliegende Arbeit verfolgt die Intention das Predigtverständnis Spaldings anhand ausgewählter Predigten aus dem Barther Predigtbuch herauszuarbeiten. Dies soll auch anhand seiner homiletischen GrundlegungsschriftUeber die Nutzbarkeit des Predigtamtes(31791) geschehen. Dadurch sollen Rückschlüsse über das Spaldingsche Predigtverständnis ermöglicht werden, die zur Aufhellung desselben in der Aufklärung insgesamt beitragen können. Da homiletische Tätigkeit untrennbar mit der Persönlichkeit des Predigenden, seinen beziehungsweise ihren persönlichen Überzeugungen und Erfahrungen zusammenhängt, ist es unerlässlich, im Vorfeld dieses Vorhabens biographische Streiflichter zu bieten, die in aller Kürze einen biographischen Überblick über die Persönlichkeit Johann Joachim Spaldings sowie seines theologischen Wirkens verschaffen können. Nicht zuletzt lässt sich das Spaldingsche Predigtverständnis nur im Horizont der gesamten Aufklärungstheologie verstehen und muss innerhalb dieser verortet werden. Am Ende der Arbeit soll darum die Frage gestellt werden, ob und wenn ja, inwiefern das Predigtverständnis Spaldings als ein Musterbeispiel für das protestantische Predigtverständnis in der Aufklärung gelten kann.
Hinsichtlich ihrer Quellengrundlage und Forschungsintention bewegt sie sich dabei an der Schnittstelle zwischen Kirchengeschichte und Praktischer Theologie und möchte nicht nur am Rande aufzeigen, inwiefern die Forschungsergebnisse der einzelnen theologischen Disziplinen füreinander fruchtbar gemacht und gewinnbringend genutzt werden können. An ihr selbst wird quasi dieNutzbarkeitder Kirchengeschichte, ihres Zeichens eine noch recht junge theologische Disziplin innerhalb des Fächerkanons der deutschsprachigen protestantischen Theologie, hier speziell für die Praktische Theologie, erwiesen, indem sie zur Aufhellung der evangelischen Predigtgeschichte in der Aufklärung beiträgt.
Im Konzert der theologischen Disziplinen hat die Kirchengeschichtsschreibung dabei die Rolle eines überaus wichtigen, wenn nicht gar unverzichtbaren Instruments inne: Aus ihrem hermeneutischen Verständnis heraus liefert sie wichtige Erkenntnisse und Deutungsansätze auf der Grundlage der Geschichte des Christentums, der Kirchen- und Dogmengeschichtsschreibung, um die Praxis des kirchlichen Handelns in der Gegenwart angemessen reflektieren, begreifen und zu einer etwaigen Verbesserung beitragen zu können. Da sie sich dieser Schlüsselstellung bewusst ist, ist sie sich in ihrer grundlegenden Bescheidenheit im Klaren darüber, dass es nicht auf die Lautstärke ankommt, indem sie ihre Forschungsergebnisse in den theologischen Diskurs einbringt. Es kommt ihr nicht darauf an, die anderen Instrumente zu „übertönen“, sondern zur stimmigen Harmonie, zur stimmigen Klangfarbe der gesamten orchestralen Aufführung beizutragen. Diesem fachlichen Verständnis weiß sich auch die vorliegende Arbeit verpflichtet und ist sich darüber bewusst, dass sie nur einen marginalen Beitrag zur Erhellung des Spaldingschen Predigtverständnisses darzustellen vermag. Hier möchte sie einen Impuls für die weitere Erforschung desselben liefern und zur vertieften Beschäftigung mit Spaldings Werk anregen.
Johann Joachim Spalding wurde am 1. November 1714 als zweitgeborener Sohn des Schulrektors und Pfarrers Johann Georg Spalding und der Hausfrau Catharina Ilsabe Lehment geboren.89
Neben seinem älteren Bruder Gebhard (1712–1756), der wie sein Vater als Rektor und zweiter Pfarrer von Tribsees wirkte, jedoch bereits im 44. Lebensjahr verstarb, waren ihm noch vier weitere Geschwister beschieden, von denen jedoch nur Carl Wilhelm (1718–1772) sowie Bernhard Heinrich (1723–1771) das Erwachsenenalter erreichen sollten; der 1717 zur Welt gekommene Carl Friedrich sowie die 1721 geborene Schwester Ilsabe Dorothea verstarben bereits im Kindesalter.
Spaldings Jugendzeit lässt sich nur noch schwerlich rekonstruieren: Anfangs erhielt er Unterricht vom Vater, darauf vom Tribseeser Schulmeister Johann Georg Ritter. Dieser unterwies ihn im Lateinischen, Griechischen und Hebräischen sowie in den Angelegenheiten der Religion. Scheinbar trug der Unterricht reiche Frucht, so dass Spalding im Rückblick über sich sagen konnte, dass ihm [durch den Unterricht Ritters] „die Empfindungen von Gott und dem Gewissen schon frühe sehr stark in mein Herz“ eingepflanzt worden seien.10
Bereits in frühen Jahren soll Spalding eine sehr intensive Beziehung zu seinem Vater sowie zu seinem Bruder Gebhard gehabt haben; in abgeschwächter Weise auch mit dem jüngeren Bruder Carl Wilhelm. In seinerLebensbeschreibungerhielt die eigene Kindheit und Jugend jedoch nur wenig Raum.
So fand beispielsweise der frühe Tod der Mutter, der nachdrücklich auf Spalding gewirkt haben muss, keine einzige Erwähnung.
Spalding absolvierte – genau wie sein Vater – ein Studium an der Universität Rostock. Zu Ostern 1731 schrieb er sich erstmals an der dortigen philosophischen und theologischen Fakultät ein. Rostock, damals eine Hochburg der strengen lutherischen Spätorthodoxie11, war zur Zeit Spaldings bereits im Niedergang begriffen, da man sich gegenüber den neueren theologischen Entwicklungen konsequent ablehnend verhielt. Auch Spalding war ganz gewiss nicht angetan von der dort vertretenen Lehre.12Christian Wolff, dessen philosophischer Lehre sich Spalding zeitlebens verbunden fühlte, stieß an der Universität auf harschen Widerspruch. Franz Albert Aepinus war dort einer seiner bedeutendsten theologischen Lehrer.13 Die in Rostock betriebene homiletische Forschung konnte ihn hingegen nicht so ganz überzeugen, weshalb er sich eher an diversen in der Hansestadt tätigen Predigern orientierte. Letztlich brach Spalding im späten Sommer des Jahres 1733 nach insgesamt fünf Semestern sein Studium ohne akademischen Abschluss ab.
Nach Abbruch der akademischen Ausbildung ging Spalding gut sechszehn Jahre lang verschiedenen Tätigkeiten nach: So war er unter anderem als Katechet, Informant, Lehrer oder Hilfsprediger beschäftigt, musste sich aber zunächst meist mit einer eher geringen Dotierung zufrieden geben. Diesen schlossen sich jedoch auch oftmals längere Aufenthalte zuhause an, die ihm die Gelegenheit boten, sich autodidaktisch fortzubilden.14 Im Frühjahr des Jahres 1734 zog Spalding nach Greifswald, wo er als Hauslehrer arbeitete und zunächst bei Albert Georg Schwarz lebte. Im Herbst 1735 ging Spalding erneut in die Heimat. Dort wollte er als Hilfsprediger seinen Vater unterstützen. In dieser Zeit entstanden seine ersten philosophischen Traktate und eine philosophische Dissertation. Darauffolgend zog es ihn wiederum als Informator in das Haus eines nicht näher bekannten Landedelmannes, wo er drei Jahre lang bleiben sollte. Ebenda sollte sein zeitlebens großes Interesse an der Lektüre von guter Literatur und Journalen geweckt werden.15
Weitere Stationen in diesem Zusammenhang waren unter anderem das Haus seines Bruders Gebhard in Tribsees sowie das Haus der Familie von Wolfrath, in das er im Frühsommer 1742 eintrat. Diese wohnte in Plüggentin auf der Insel Rügen. Drei Jahre lang sollte er hier als Hauslehrer und Gesellschafter sein Geld verdienen. Im Hause Wolfrath vertiefte Spalding auch seine schriftstellerische Tätigkeit und fertigte zahlreiche Übersetzungen an. Im Frühjahr 1745 begleitete er schließlich den jungen Herrn von Wolfrath für einen zweimonatigen Studienaufenthalt an die Universität Halle. Während des Zwischenaufenthaltes in Berlin lernte er durch Vermittlung des Grafens Carl Heinrich Berend von Bohlen August Friedrich Wilhelm Sack kennen, der zu dieser Zeit die Stelle des Ersten Hof- und Dompredigers der Hohenzollern16 versah. Am Zielort angekommen begegnete Spalding einigen bekannten Persönlichkeiten des Hallenser Geisteslebens: So unter anderem Siegmund Jacob Baumgarten, der wohl als bedeutender Vertreter des Übergangs zwischen Pietismus und Wolffianismus zur Neologie angesehen werden kann.17 Im Sommer des Jahres 1745 erfolgte die Rückkehr nach Tribsees. Eine rund achtzehnmonatige Berufstätigkeit in Berlin schloss sich durch Vermittlung des Grafen an. Da für ihn keine Chance bestand, in eine eigene Dorfpfarrstelle einzutreten, unterstützte er weiterhin seinen Vater als Hilfsprediger in Tribsees. Aussagekräftige Berufsperspektiven, unter anderem als Pfarrer auf dem Gut Schönfeld bei dem Landvogt der Uckermark, Christian von Berg, sowie als Feldprediger im Regiment des preußischen Generalmajors Christoph Ludwig von Stille schlug Spalding aus. Stattdessen sollte er im Frühjahr 1749 seine erste Pfarrstelle im vorpommerschen Lassan beziehen. Vorher war er von 1745–1747 Sekretär der schwedischen Gesandtschaft in Berlin und pflegte zugleich freundschaftlichen Umgang mit Vertretern der Anakreontik. 1757 wurde er erster Prediger und Präpositus der Synode in Barth. Nachdem er zweimal eine theologische Professur in Greifswald abgelehnt hatte, wurde er 1764 Propst und Oberkonsistorialrat sowie erster Pfarrer an der Nicolai- und Marienkirche in Berlin.
Nach gut vier Jahrzehnten des kirchlichen Dienstes zog sich Spalding im Herbst 1791 wieder in seine familiären Kreise nach Tribsees zurück. Froh war er, dass er von Krankheiten maßgeblich verschont blieb und bei einem ausreichenden Auskommen zusammen mit einer Lebensgefährtin sowie bereits erwachsenen Kindern seinen Lebensabend genießen konnte. Gelassen blickte er seinem irdischen Ende entgegen. Vor dem Tod hatte er keine Furcht und teilte stattdessen mit seiner gesamten Familie den Glauben an die Auferstehung und das ewige Leben, was ihm Trost zu spenden vermochte. Während der wärmeren Monate verweilte er gerne in der kleinen Landwohnung der Familie in Charlottenburg. Er genoss längere Spaziergänge durch die Natur, durch Wälder, Felder und Wiesen und widmete sich dort der literarischen Vertiefung. Ein kleiner Kreis von Freunden besuchte ihn regelmäßig in Berlin und tauschte sich mit ihm über die aktuellsten Erkenntnisse aus Theologie, Philosophie und Politik aus. Unter anderem auch der junge Friedrich Schleiermacher, der im Frühjahr 1796 als reformierter Prediger an die Charité gekommen war.18 Schleiermacher verehrte den „Fürsten der Neologie“ und ließ sich in seinen Jugendwerken deutlich von dessen theologischen Gedankengängen beeinflussen.19 Am 1. November 1796 wurde Spalding 82 Jahre alt. Spalding sollte noch vier weitere Jahre leben dürfen, bis ihn eine im Dezember 1800 erlittene Erkältung allmählich die Lebenskräfte rauben sollte. Dieser schlossen sich eine sich verstetigende Wortfindungsstörung, wohl eine Form der Demenz, sowie eine allgemeine Trübheit der Augen und ein immer schwächer werdendes Gehör an. 1803 erlitt er einen Schlaganfall, aus dem eine Lähmung der rechten Körperhälfte resultieren sollte. Am 22. Mai des gleichen Jahres verstarb Spalding. Im engsten Kreis der Familie wurde er auf dem Friedhof von St. Nicolai beigesetzt. Eine größere Gedenkfeier mit Lebensweggefährten fand mehrere Wochen später statt.20
Als Kondensationspunkt seines theologischen Vermächtnisses kann wohl Spaldings AltersschriftReligion, eine Angelegenheit des Menschenvon 1796 angesehen werden, in der Spalding darlegt, dass die Religion für die Moral unentbehrlich sei und diese damit auch die Aufgabe einer elementaren Offenbarung erfüllen könne.
Der überzeugendste Gottesbeweis ist für Spalding von moralischer Natur:
Es gibt Fähigkeiten in uns selbst, deren wir uns, wenn wir gehörig darauf achten, nicht anders als mit einer hohen feierlichen Befremdung bewußt werden und deren möglichen Ursprung wir uns vergebens zu erklären suchen, wenn wir ihn nicht außer der Welt zu finden glauben. Dahin gehöret in Sonderheit die große Empfindung von Recht und Unrecht, von dem, was wirsollenundnicht sollen; ein durchaus geistiges Gesetz, welches unstreitig eines ähnlich gesinntenGesetzgebersbedarf, der uns also auch darin gewissermaßen das auszeichnendste Gepräge seines Bildes hat aufdrücken wollen (Religion, eine Angelegenheit des Menschen [21798] 131).
Spalding kann darüber hinaus als Urheber bedeutender Reformen in Liturgie und Homiletik angesehen werden.21 Mit dem Tod Spaldings war die Epoche der Neologie an ihr Ende gelangt. Die jungen theologischen Kräfte bemühten sich um einen geistigen Neubeginn, wenngleich sie in ihrem Denken doch der Aufklärungstheologie verbunden blieben. Eher aus lingustischem oder literarischem Interesse widmete man sich nun Spaldings Werken. Aus theologiegeschichtlicher Sicht war er nicht mehr von großem Interesse. Es ist ein Verdienst seines Enkels Karl Heinrich Sack, dass er in der Theologie nicht in Vergessenheit geriet. Ihm ist es wohl zu verdanken, dass Spaldings Werk im 19. Jahrhundert vor allem unter homiletischen Gesichtspunkten untersucht wurde. Im 20. Jahrhundert wurde er zwar vereinzelt in philosophischen oder kirchenhistorischen Dissertationen sowie theologiegeschichtlichen Kompendien in den Blick genommen, teilte jedoch vermehrt das Schicksal der Aufklärungstheologie, die nur ein Randthema des kirchengeschichtlichen Interesses bleiben sollte. Erst seit Beginn des 21. Jahrhunderts gerät die gesamte Aufklärungstheologie und damit auch dezidiert Spaldings Wirken vermehrt in den Fokus des theologischen Interesses. Dieser Trend scheint sich zu verstetigen.
Aus der Perspektive deräußerenQuellenkritik handelt es sich bei der vorliegenden Quelle um eine schriftlich überlieferte homiletische Abhandlung des Neologen Johann Joachim Spalding, die er während seiner Berliner Dienstzeit (1764–1791) im Jahr 1772 erstmals publizierte.
In dieser Zeit versah Spalding dort eine Tätigkeit als Oberkonsistorialrat; zugleich war er der erste Pfarrer an der Nikolai- und Marienkirche.22
Diese liegt in unveränderter Gestalt vor und ist damit alsPrimärquelleaufzufassen. Spalding verfasste die Schrift mit der Intention, Predigenden eine „praktische“ Homiletik23 an die Hand zu geben, um den Angehörigen seines Berufsstandes sein aufklärungstheologisches Predigtverständnis nahezubringen (so unter anderem die ethische und moralische Unterweisung in der Predigt sowie die pädagogisch-katechetische Funktion des Predigtamtes).
Da es in dieser vordergründig um die Predigt, genauer gesagt um das Predigtamt als solches, geht, wurde diese von der neueren Aufklärungsforschung auch lange Zeit als „prinzipielle Homiletik in apologetischer Absicht“ bezeichnet.24 Im gleichen Zuge versuchte man in ihm gleichsam „idealtypische Züge“ einer aufklärungstheologischen Pastoraltheologie zu erblicken und „es dementsprechend als hervorragendes exemplarisches Muster dieser Gattung aufzufassen.“25 Christian Albrecht weist hier darauf hin, dass trotz des Umstands, dass Spaldings „Nutzbarkeit“ in weiten Kreisen als „Summe seines theologischen Denkens“ sowie zugleich als „Hauptwerk der Neologie“ anerkannt worden ist, es immer noch als ein Malum anzusehen ist, dass es „bis heute [...] in seiner wissenschaftsgeschichtlichen Initialfunktion nicht hinreichend gewürdigt“ wurde.26
Unsere heutige Nutzung der Quelle, die wir nicht mehr als Homiletik für die pfarramtliche Praxis nutzen, sondern uns dieser vielmehr zur Rekonstruktion des Spaldingschen Predigtideals habhaft machen, widerspricht der ursprünglichen Abfassungsintention. Deshalb ist sie am ehesten alsÜberrestzu klassifizieren und dem (theologischen)Schriftgutzuzurechnen. In formaler Hinsicht liegt sie uns in gebundener Form als Buch vor.
Zuallererst eine Bemerkung zum Titel der Schrift: Mit dem Terminus der „Nutzbarkeit“ greift Spalding einen Begriff auf, der zur Zeit der Abfassung dieser gerade erst in Mode gekommen war, aber auch in anderen thematischen Zusammenhängen Anwendung fand.27 Erkennbare Motivgrundlage bildete dabei die Religionskritik David Humes und hier speziell die Kritikpunkte Humes gegenüber des katholischen Klerus. Nähere Hintergründe der Abfassung lassen sich Stand der heutigen Forschung nicht mehr eruieren.
Für Spalding gestaltet sich der pastorale Religionsunterricht als Predigt und Gottesdienst sowie als Katechese und Seelsorge.28 Zu jeder dieser Praxisformen äußert er sich ausführlich, aber keiner „wendet er sich mit größerer Intensität zu als der Predigt“.29 Das geistliche Amt ist für ihn ein genuin homiletisches Amt – der Geistliche „zunächst und vor allem Prediger“30. Doch was sollte eine Predigt nach dem Spaldingschen Verständnis ausmachen?
Worin genau soll ihre Intention und die in ihr intendierte Zielsetzung bestehen? Auf diese Fragen lässt sich eine kurze und prägnante Antwort geben: dieErbauung.31 Anfangs war diese lediglich „ein Markenzeichen der pietistischen Reformhomiletik“32, welches jedoch alsbald zu einem predigttheoretischen Paradigma avancierte und wie kein anderes nachhaltigen Einfluss auf die Predigtlehre des achtzehnten Jahrhundert haben sollte, so dass man seitens der Forschung bereits von einem nahezu „inflationären Gebrauch der Vokabel“33 sprechen kann.
Spalding ist sich indessen der Polymorphie des Erbauungsbegriffes bewusst: „eine fast tägliche Erfahrung lehrt es [...], was für ungleiche und zum Theil ganz widersprechende Meinungen [...] in diesem Stücke unter den Christen herrschen.“34 Nun ist jedoch noch zu klären, was genau Spalding unterErbauungversteht. Sein persönliches Verständnis dieses Begriffes entwickelt er unter Bezugnahme seines funktionalen Religions- und Christentumverständnisses.
Für Spalding gilt genau das als erbaulich, „was dazu dienet, die Gesinnungen der Menschen zu verbessern, und sie dadurch des Trostes und der Gemüthsruhe fähig zu machen, welche das Christentum verspricht.“35 Orientierung findet die Erbauungspredigt dabei in der Religion: Wie es das vornehmste Ziel der Religion ist, den Menschen „gut und glücklich“ zu machen, so möchte auch die Erbauungspredigt die Ansichten der intendierten Hörerschaft zum Guten verändern und ihnen den Trost zusprechen, der genuin im Christentum wurzelt.36
Spalding verfasste im Winter 1771/72, „nachdem [er] aus gesundheitlichen Gründen ,von den Geschäften der Landinspection´ freigestellt worden war“37, seine pastoraltheologisch-homiletische GrundlegungsschriftUeber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Befoerderung38.
Diese Schrift, die vom Historiker Hermann Petrich sogar als „die Pia Desideria der Aufklärung“39 tituliert wurde, „läßt sich als eineprinzipielle Homiletik in apologetischer Absichtklassifizieren: Sie will die neuzeitliche Legitimität des Predigtamtes und damit seinen Nutzen erweisen (Teil 1) und durch entsprechende Erwägungen zu dessen sach- und zeitgemäßer Ausübung anleiten (Teil 2).“40
Nachfolgend soll kurz der Aufbau dieser Schrift skizziert werden: Spalding beginnt sein Werk mit einer fundierten Grundlegung des pastoralen Berufes. Im Anschluss an diese wendet er sich dezidiert „dessenpolitisch-moralischer Funktion“41 zu.
Eine bürgerliche Gesellschaft könne – so die Auffassung Spaldings – ohne Moralität nicht existieren und so seien diejenigen von gesellschaftlichem Nutzen, die zur Beförderung der Tugend beitragen.42
Die Geistlichen sind Spalding zufolge „die eigentlichen Depositairs der öffentlichen Moralität“.43
Doch was genau versteht Spalding unter dem Begriff der Moral? Moral ist für ihn ein primär anthropologischer Begriff, der das „menschliche Selbst-, Welt- und Gottesverhältnis“44 beleuchtet. Durch diesen könne nicht nur Aufschluss über Spaldings Moralverständnis, sondern zugleich auch ein besseres Verständnis von Religion insgesamt erzielt werden.45
Von entscheidender Bedeutung ist darüber hinaus seine Begründung des Predigtamtes, welche reinfunktionalerNatur ist:
Seine Bedeutung, ja sein Recht beziehe es allein aus dem Dienst, den es den Menschen in religiöser Hinsicht erbringt. Um diesen Dienst zweckgemäß auszuüben, seien akademisch-theologische Bildung und sachnahe weltliche Gelehrsamkeit gleichermaßen vonnöten. Erst diese komplexe Kompetenz setze den Prediger dazu instand, die Lehren der Religion „bey der Menge einleuchtend und thätig zu machen“ und ihr als Pastor ein religiöser Freund und Ratgeber zu sein.46
Doch auch die politische Relevanz des pastoralen Amtes ist für Spalding von großer Bedeutung, hängt mit dieser doch untrennbar die konstruktive gesellschaftliche Rolle des kirchlichen Amtes zusammen, die ihrerseits wiederum „den Anspruch der Pfarrer auf sozialen und alimentären Respekt“47 begründet.
Der Spaldingsche Begriff derNutzbarkeitwar in diesem Zusammenhang keineswegs despektierlich gemeint, sondern muss als rein funktionale „Beschreibung der faktischen gesellschaftlichen Funktion, die dem Predigtamt in seiner Zeit zukam“ angesehen werden.
Der Spaldingsche Religionsbegriff wiederum, wonach die Religion primär „Tugend um Gottes Willen“48 sei, stamme dabei aus der lutherischen Grundeinsicht, dass es in materialer Hinsicht keine christliche Sonderethik geben könne und es vielmehr darum gehe, das Gute nicht aus Eigennutz, sondern aus altruistischer Motivation heraus zum Wohle des Nächsten zu tun.49
Von dieser gesellschaftspolitischen Funktion des geistlichen Amtes unterscheidet er jedoch strikt die konstitutive religiöse Bedeutung, die diesem obligat ist: Ein Prediger dürfe niemals vergessen, „daß er seine Zuhörer und Lehrlinge hauptsächlich zu Freunden Gottes und zu Erben des Himmelreiches machen soll“.50
Der zweite Teil der Schrift besteht aus einer Skizze der Grundlinien einer prinzipiellen Predigtlehre: Dem Predigenden obliegt vornehmlich die Aufgabe, „seine Hörer zur Wahrnehmung ihrer eigenen religiösen Identität“ anzuleiten: zunächst, indem er die notwendigen religiösen Kenntnisse vermittelt, daran anschließend „durch die Befähigung, dieselben praktisch werden zu lassen“ und nicht zuletzt dadurch, dass die Menschen mit einem Teil des religiösen Traditionsgutes konfrontiert werden, der für sie von existenzieller Bedeutung ist. Der genuine Zweck aller Predigttätigkeit besteht somit darin, die Menschen „weiser, besser und glücklicher“ zu machen.51
Schritt für Schritt sollen diese immer mehr zu derpersönlichenErfahrung angeleitet und zur „Erweckung ihres Gewissens“52 geführt werden. Es ist Aufgabe der Pfarrperson, dass sie einen Beitrag zur religiösen Erfahrung leiste und auch kultiviere.53
Beim Jüngsten Gericht wird die einzige Frage an die Predigenden sein, ob die Zuhörer durch sie „gebessert und zum Himmel tüchtig gemacht worden[sind]“54.
Dass Spalding der Neologie fest verbunden ist, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass er auch in seiner pastoralen Grundlegungsschrift an der für die gesamte Epoche konstitutiven Unterscheidung von Religion und Theologie festhält.
Zwar sei die Theologie eine „rühmliche Wissenschaft“ und auch in der akademischen Praktizierung derselben „ein sehr nützliches Geschäfft“ (142,17f.) zu sehen, doch eine Pfarrperson müsse stets den Unterschied zwischen Theorie und Praxis bedenken können: Die gesamte pastorale Wirksamkeit habe sich – im Gegensatz zum akademisch-theologischen Unterricht – darauf zu beschränken, was „die Menschen zu Gott führet und glücklich macht“55.
Hinreichendes Kriterium für die Unterscheidung zwischen Theologie und Religion ist dabei „die religiöse Selbstwahrnehmung des Pfarrers“, worunter Spalding die „Aufmerksamkeit auf sein eigenes Herz“ und „seine eigene Erfahrung“ versteht.56 Sofern er darauf bedacht wäre, nicht nur in den Dingen der Religion zu unterweisen, sondern zugleich noch Theologie zu lehren, würde er damit den Hörenden eine große Verständnishürde aufbürden, die ihres Zeichens keinen religiösen Mehrwert bietet.
Als Beispiele können hier dieRechtfertigungs-, respektive dieErbsündenlehregenannt werden, die „eine höchst sensible, die Prävalenz des Religiösen jederzeit wahrende homiletisch-katechetische Handhabung“ erfordern.57
Den maßgeblichen Bezugspunkt der Rechtfertigungslehre stelle dabei der Glaube an Gott dar, denn dieser bedeute die „aufrichtige Annehmung der ganzen Lehre als einer Anweisung zur Gnade Gottes und zur wahren Glückseligkeit.“58
Oftmals ist er deshalb mit dem Vorwurf konfrontiert worden, er reduziere die kerygmatische Verkündigung lediglich auf eineMoralpredigt, die ihrerseits wiederum auf rein immanente Nützlichkeit abziele.
Dies trifft jedoch nicht das Wesen seines Predigtverständnisses und diskreditiert seine gesamte Predigttätigkeit.59
Spalding ist dabei von einem grundsätzlichen Vertrauen in die Kraft des Wortes geleitet. Aufgrund seiner Funktionen als „Pfarrer, Prediger, Beichtvater, Seelsorger setze er sich in seinem beruflichen Alltag kontinuierlich mit der kommunikativen Dimension von Sprache auseinander und gewann dadurch eine klare Vorstellung von dem, was er ,die angemessene Art des Vortrags´ nannte.“60
Spaldings Verständnis derNutzbarkeitdes Predigtamtes wird so auch in pragmatischer Hinsicht an seinem eigenen Sprachduktus ersichtlich: Seine Überlegungen entstammen allesamt aus der Alltagswelt der Predigthörenden „und sind deswegen durch eine vorrangig kommunikative Perspektive gekennzeichnet. Dieser pragmatische Blick bestimmt seine Einstellung zur Sprache und prägt sie durch und durch.“61
Bei der Abfassung seiner Schriften und Predigten orientierte er sich stets an dem aufklärerischen Leitsatz, dass nur aus dem klaren Denken heraus auch klare Schreibprozesse resultieren können. Die Konnex von Verständlichkeit und Rationalität sowie der Sachverhalt, dass alle semantischen und stilistischen Phänomene aus dem Denken resultieren sollten, sind als Kennzeichen seiner Sprachreflexion anzusehen: Jede Predigt sollte folgerichtig, schlüssig und klar strukturiert sein, damit die Hörenden ohne große kognitive Anstrengung dieser gut zu folgen in der Lage sind.62
Weitere Bedeutung kommt darüber hinaus auch derrhetorischenGestaltung der Predigt zu: Diese soll konsequent an der Gedanken- und Sprachwelt des Auditoriums orientiert sein – freilich eine Vorwegnahme der Hörer*Innen-Orientierung seitens der modernen Homiletik, die ihrerseits wiederum auf die bedeutenden homiletischen Arbeiten Ernst Langes fußt.63
Der Pfarrer [die Pfarrerin] solle stets der Gemeinde „ein[e] vertraute[r] Freund[in]“ sein und der Prediger [die Predigerin] stehe in der Verpflichtung, „in seiner [ihrer] Kanzelrede ,den Ton des ernsten vertraulichen Gesprächs zu treffen, der gerade auf den Menschenverstand und das Herz gehet“.64
Dem*r Prediger*in wird die Aufgabe zuteil, „den Menschen zu sich selbst zu führen, damit er den Weg zu [den] sittlichen Werten findet.“65
Spalding erkennt hier auch die große Diskrepanz zwischen der fachlich-theologischen Orientierung des*r Predigers*in einerseits und der Hörer*Innen-Orientierung66 andererseits:
Der kalte Locuscommuniston des akademisch-theologischen Unterrichts, „der so wenig wenig Eigenthümliches aus dem Herzen des Lehrenden und aus der individualen Art, wie er die Sachen empfindet, bey sich führet“, könne allenfalls zu leb- und folgenlosen Erkenntnissen führen, „weil Schatten nicht, wie Körper, wirken können.“67
Doch wie genau kann der Pfarrer [die Pfarrerin] nun dagegen vorgehen? Wie kann er [sie] verhindern, dass er [sie] zwar von seiner [ihrer] Gemeinde für seine [ihre] Intellektualität gerühmt, aber für seine [ihre] Kanzelvorträge nicht gemocht wird?
Spaldings Antwort auf diese berechtigten Fragen lautet: Durch sorgfältige Vorbereitung seiner [ihrer] Predigten und Orientierung an den existenziellen Fragen der Gemeindeglieder.
Nur dadurch könne er [sie] verhindern, dass er [sie] nicht „in die alberne Rolle eines [einer] ,geistlichen Possenreissers[in]´“68 fällt.
Von entscheidender Bedeutung ist es, dass er [sie] von seiner [ihrer] Gemeinde als „ein*e ehrliche*r, weise*r, heitere*r, menschenfreundliche*r Mann [Frau]“ wahrgenommen werde, der [die] auch nicht mehr sein möchte, als er [sie] eigentlich ist.69
Hybris schickt sich nicht für eine*n Pfarrer*in. Der [die] Geistliche kann durch seine [ihre] Ausübung des Amtes die genuine Nutzbarkeit desselben erweisen und zudem das Ansehen, das diesem obligat ist, begründen.
Auf der einen Seite geschieht dies für Spalding durch eine entsprechende theologisch-akademische Bildung70, aus der wiederum ein sicherer Umgang mit der biblischen Überlieferung resultiert; auf der anderen Seite aber durch zwischenmenschliche Kompetenz71 – in der heutigen Zeit würde man speziell in der Ökonomie wohl von sog. „soft skills“ sprechen – wie einer allgemeinen „Offenheit des Geistes, die sich in Menschenkenntnis, in Selbstkenntnis und in weltlicher Gelehrsamkeit niederschlägt“.72
Entscheidende Bedeutung kommt dabei aber vor allem auch den sogenanntennichttheologischenWissenschaften zu: Spalding hält diese für besonders wichtig, da sie „konkrete, nützliche Inhalte wie historische Kenntnisse erhalten.“73
In dieser Hochschätzung der nichttheologischen Wissenschaften für die Theologie geht Spalding weit über das zu seiner Zeit übliche Denkmuster hinaus.74
Spaldings Schrift lässt sich nur vor dem Hintergrund seiner Bestrebungen um den Aufweis einer „neuzeitliche[n] Legitimität des Predigtamtes“ richtig verstehen. Im Besonderen war er darum bemüht mit derselben Predigern eine Anleitung zur „sach- und zeitgemäße[n] Ausübung“ dieses Amtes an die Hand zu geben.75
Fest in der lutherischen Lehrbildung stehend, ist es dabei für Spalding unerlässlich, „daß die Predigt ihren Ausgang vom biblischen Text“ nehmen muss.76
Die Heilige Schrift sollte stets die alleinige Grundlage jeglicher Kanzelrede darstellen und der in der Bibel festgehaltene Gotteswille ist als ihre alles entscheidende „Legitimationsbasis“ anzusehen.77
Als Aufklärungstheologe lässt er sich daran aufweisen, dass er in seinem Denken eine strikte Unterscheidung zwischen Religion auf der einen und der biblischen Überlieferung auf der anderen Seite vollzieht. Demzufolge heißt es in seiner Homiletik: „Darum, daß eine Aussage in der Bibel stehet, wird sie nicht zu einer eigentlichen Glaubenslehre, zu einem Theile der Religion, in so ferne diese den Weg zu einer wahren und ewigen Glückseligkeit enthält.“78
Im Vorfeld des Kanzelvortrags bedarf es reiflicher hermeneutischer Überlegungen, damit dieser auch erbaulichen Charakter erhält. In der Erbauungspredigt geht es dann zum einen um die Kenntnis derjenigen Handlungsweisen, die einem zur Seligkeit verhelfen und zum anderen um die Frage nach den notwendigen Anstrengungen, die unternommen werden müssen, um in den Zustand der Glückseligkeit zu gelangen.79
Ausmaterial-homiletischer Sichtist der biblische Text für Spalding demzufolge nur von Relevanz, sofern er den*die Leser*in auf seine*ihre religiös-moralischen Grundfragen ansprechen kann; die philologische Erschließung des biblischen Textes tritt dagegen zusehends in den Hintergrund.80
ExegetischeoderphilologischeFeinheiten dürfen nicht das Proprium des gesamten Kanzelvortrags darstellen, sondern müssen stets die „eigentliche Predigtintention – die religiös-moralische Erbauung der Gemüter“ mit im Blick haben.81
Sprachliche Besonderheiten oder geschichtliche Hintergründe des Predigttextes sollten nicht tiefgehend erläutert werden; vielmehr ist diesem ein Thema von religiös-moralischer Dimension zu entnehmen, um dieses in der Predigt auf seine „für die menschliche Selbstdeutung und Lebensführung relevanten Aspekte“ hin zu befragen.82
Aus Sicht der modernen Homiletik würde man hier konstatieren können, dass Spalding „die thematisch fokussiertesynthetischeder einen Text versweise auslegendenanalytischenPredigtweise vor[ziehe].“83 Hinsichtlich ihrer Themenwahl und –abhandlung sind die Spaldingschen Predigten dabei stets an seinem persönlichen Verständnis des genuin Christlichen gebunden.84 Vom Bibeltext herkommend sind für ihn nur jene Traditionsgehalte von Relevanz, die erwarten lassen, dass sie „wirklich auf das Gemüth und Leben einen Einfluß haben.“85
Einen weiteren großen Schwerpunkt legt Spalding jedoch auf die Persönlichkeit des Predigenden, die eng an den Begriff der Authentizität gekoppelt ist: Ein Glaubensgegenstand kann erst in der Auffassung des Predigenden vollkommen zum Tragen kommen: „Was sagt dieß eigentlich, wovon mir die Ausdrücke und Redensarten so geläufig sind? Was sagt es auch für mich? Was soll es aus mir selbst machen?“86
Wie wahrscheinlich nur wenige Theologen vor ihm legt Spalding den maßgeblichen Fokus auf die Persönlichkeit und die Individualität des predigenden Subjekts.87 Dabei ist er sich jedoch des Sachverhalts bewusst, dass diese „geforderte Selbstdarstellung“ auch schnell zu einer „leblose[n] Routine“ werden kann.88
Die Kommunikation des Evangeliums geschieht für Spalding dabei immer unter einem erkenntnistheoretischen Leitgedanken: Die Sprache der Predigt – so entspricht es seiner Auffassung – müsse die ihr eigene Wahrheit unmittelbar ersichtlich werden lassen, denn nur so ist der Erfolg der Kommunikation als gesichert anzusehen, „dann wird sie ihre Wirkung thun“. Damit wendet er gleichsam „die mathematischen Gewissheitsstandards der wolffschen Logik auch auf kommunikative Verhaltensweisen“ an.89 Für Spalding liegt der generelle Sinn der Sprache darin, zu vermitteln, was man soll beziehungsweise nicht soll. Dabei kommt derresein Primat zu: „,Die Sache selbst´ – das sollte dem Prediger am Herzen liegen, das sollte man mit Lebhaftigkeit in unserer eigenen Seele gegenwärtig erhalten´, und nicht die Begriffe, die sie bezeichnen. Dadurch würde unsere Erkenntnis nur zu leicht ihre Plastizität, ihre Anschaulichkeit einbüßen und nur noch symbolisch aufgefasst werden.“
Unabdingbar ist für Spalding die Verbindung der Sprachzeichen mit der Sache selbst, denn nur so kann zu ihrer Vitalität beigetragen werden, um „das Herz und das Gemüt der Zuhörer“ zu erreichen.90 Dabei solle sich der christliche Prediger nicht an einer „blühenden und schönen Beredsamkeit“ orientieren, denn zuerst geht es um die Wahrheit des gesprochenen Wortes und danach dann, „vielleicht je später nachher, desto beßer“, um den Schmuck, worunter er die sprachlich-stilistische Gestaltung und rhetorischen Mittel subsumierte. Auf seine Ablehnung stoß der Begriff einer „geistlichen Beredsamkeit“: Im Gegensatz zum römischen und griechischen Redner wolle der christliche Prediger nicht primär Leidenschaften und emotionale Regungen bei den Hörenden wecken, sondern zunächst „eine klare Erkenntnis der Sittenlehre [...] vermitteln, die wohl überlegt sein und daher dauerhafte Auswirkungen haben sollte, so dass ,eine gewisse Denkungsart und Gesinnung bey dem Menschen auf immer das regierende Principium seiner Handlungen und seines Lebens werde.“91 Und als Negativfolie benennt er einen Prediger, „der mehr auf die Wahl seiner Ausdrücke, auf die Rundungen seiner Perioden, auf die Feinheit seiner Charaktere als auf die Inhalte seiner Rede achtet.“ Dieser „,kann ein treffliches Werk der Kunst gemacht´ haben; ,aber er hat sicherlich schlecht gepredigt´.“92 Wenn es dem Predigenden aber gelingt, in der Predigt eine Verbindung zwischen Emotionalität und Rationalität, zwischen Leidenschaften und Vernunft herzustellen und er/sie diese in einer ausgewogenen Dialektik auszutarieren weiß, dann kann sie zur Rechtschaffenheit des Menschen beitragen und ihn somit „zu seiner eigentlichen Bestimmung verhelfen.“93 Die ehemaligen Kernstücke des reformatorischen „ordo salutis“ wie Sündenvergebung, Rechtfertigung, Wiedergeburt und Heilsgewissheit werden von Spalding uminterpretiert in Termini wie „Besserung“, „Ruhe“, „Richtigkeit der Gesinnungen“ und in das aus der stoischen Philosophie entlehnte Wort der „Glückseligkeit“. Dogmatische Interessen treten eher in den Hintergrund: So ist es auch nachvollziehbar, weshalb die Katechismen und die Bekenntnisse von Spalding einer Prüfung unterzogen werden und ihr Nutzen daran bemessen wird, inwiefern sie den ethischen Aspekt des Predigtamtes zu unterstützen in der Lage sind. Spekulative Lehrmeinungen, worunter er unter anderem die Trinitäts- und Zwei-Naturen-Lehre, die Lehre von der Versöhnung sowie die reformatorische Imputationslehre zählt, sollen in der Predigt nicht vermittelt werden. Vielmehr sollen die Predigenden von der seligmachenden Kraft des Glaubens ohne Werke künden. Diese Moralisierung des Predigtamtes hat eine anthropozentrische Verkündigung zur Folge. Sittliche Besserung wird nicht mehr nur als eine Frucht des Glaubens angesehen, sondern dient als Conditio sine qua non für ein rechtes Gemüt und die Erlangung der Glückseligkeit. Hieraus entspringt auch ein gewisser Hang zur Gesetzlichkeit. Er erkennt die Notwendigkeit einer volksnahen Verkündigung und schärft den Predigenden ihre Weltverantwortung ein. Das gesamte bürgerliche, staatliche sowie häusliche Leben soll durch die Predigten in die Sphäre der praktizierten Frömmigkeit einbezogen werden, womit er nicht zuletzt die apologetische Intention verfolgt, dass der umgreifende Unglaube und die Gleichgültigkeit gegenüber der christlichen Lehre, speziell seitens des gehobenen Bildungsbürgertums, nicht noch mehr um sich greifen.94 Doch auch der aufklärerisch gesinnte Adel konnte den konfessionellen und dogmatischen Auseinandersetzungen nicht viel abgewinnen. Spaldings Predigtprogramm verfolgt somit auch die sozialethische Intention der Verbesserung des öffentlichen Prestiges des Predigerstandes in der Aufklärung: Er sah, dass der durchschnittliche Adlige auf den Geistlichen herabschaute und man hatte das Bild eines weltabgewandten protestantischen Geistlichen vor Augen. Zwar waren sie meist intellektueller als ihre katholischen Kollegen, doch beklagte man sich über ihre mangelnde „Lebensart“; hier vor allem bei denjenigen, die aus eher kleinbürgerlichen Verhältnissen stammten. Für das aufgeklärte Bürgertum gelten die Angehörigen des geistlichen Standes als „Zopfträger“ von Anhängern einer antiquierten Welt.95
Nachfolgend sollen anhand der Analysefünf exemplarischerPredigten Spaldings – die allesamt im Barther Predigtbuch kompiliert sind – Rückschlüsse auf sein Predigtverständnis gewonnen werden.
Die Auswahl von fünf Predigten, der freilich auch ein gewisser Eklektizismus obligat ist, ist dabei des im Rahmen dieser Arbeit nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raumes geschuldet. Aufgrund dessen möge man es mir auch bitte nachsehen, wenn die Analyse der einzelnen Predigten nicht eingehend so in die Tiefe geht, wie es eigentlich erforderlich und ihnen angemessen wäre.
Ich bin mir dieses Umstandes bewusst und hoffe dennoch, dass anhand ihrer Analyse ein Eindruck davon gewonnen werden kann, ob und wenn ja, inwiefern Spalding das in seiner homiletischen GrundlegungsschriftÜber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung(11772) entwickelte Predigtverständnis auch konkret in der Praxis umzusetzen vermag.
Bei der Auswahl wurde jedoch darauf geachtet, dass sowohl alttestamentliche, als auch neutestamentliche Perikopen aus allen Bereichen des neutestamentlichen Schriftgutes Berücksichtigung finden [Synoptiker, (Deutero-)Paulinen, Corpus Johanneum]. Von den alttestamentlichen Perikopen (Ps 119,92; 68,20f.; Jer 4,22; Hi 16,19; Hes 13,10; Klgl 3,40; Spr 30,9) konnte dabei mangels Kapazität jedoch nur eine einzige Berücksichtigung finden. Spaldingsche Predigten über deuteropaulinische Perikopen sind im Barther Predigtbuch nur wenige zu finden, weshalb sich hier die Wahl auf eine Predigt über Eph 5,9 beschränken musste. Nicht zuletzt sei darauf verwiesen, dass es der Analyse noch weiterer Predigten bedarf, um tiefergehende Aussagen über das Spaldingsche Predigtverständnis treffen zu können. Dies kann im begrenzten Rahmen einer Graduierungsarbeit freilich nicht geleistet werden. Ferner werden bei der Untersuchung der einzelnen Predigten keine modernen Predigtkonzeptionen und Analyseinstrumente, wie sie unter anderem von W. Engemann96 entworfen worden sind, verwendet, um die Spaldingschen Predigten als Größen sui generis wahrzunehmen. Sie sind allesamt in einen zeitgeschichtlichen Kontext eingebettet und können nur aus diesem heraus verstanden werden. Diese methodische Grundsatzentscheidung kann selbstverständlich auch anders getroffen und darf nach wissenschaftstheoretischen Maßstäben kritisiert werden.
[...]
1 In dieser Arbeit habe ich stets versucht, den heutigen Gegebenheiten der pastoralen Berufswirklichkeit im deutschsprachigen Protestantismus und der gängigen Wissenschaftspraxis entsprechend geschlechterbewusste bzw. inkludierende Sprache zu werden, um niemanden zu exkludieren. Dort, wo Spalding vom Pfarrer bzw. Prediger spricht, war ich bestrebt, eine behutsame Anpassung an die heutige Zeit vorzunehmen. Man möge mir aber bitte nachsehen, wenn dies an manchen Stellen unwissentlich nicht geschehen ist und sich bitte unbedingt dennoch angesprochen fühlen. Es gehört in meinen Augen zu den größten Errungenschaften des letzten Jahrhunderts, dass Frauen in der Evangelischen Kirche gleichermaßen Zugang zum geistlichen Amt erhalten haben.
2 Der Begriff wurde erstmals von W. Philipp (Hg.): Das Zeitalter der Aufklärung (KlProt 7), 1963, 174 in den wissenschaftlichen Diskurs eingebracht.
3 So mit A. Beutel: Johann Joachim Spalding, V.
4 Ders.: Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung, 121.
5 So u. a. seitens der deutschen Spalding-Forschung: J. Schollmeier: Johann Joachim Spalding. Ein Beitrag zur Theologie der Aufklärung, 1967; D. Pötschke: Johann Joachim Spalding (in: BLB 5: Theologen, hg. v. G. Heinrich, 1990, 147–159) oder auch A. Beutel: Johann Joachim Spalding. (In: P. Walter / M. H. Jung [Hg.]: Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts, 2003, 226–243); international: D. Bourel: La vie de Johann Joachim Spalding. Problèmes de la théologie allemande au XVIIIe siècle, 2. Bde. (masch.), 1978.
6 Als positive Gegenbeispiele sei an dieser Stelle aber auf die Dissertationsschrift von U. Dreesman: Aufklärung der Religion. In: PThK 20, in der er auf den Seiten 147–172 sehr interessante und ausführliche pastoraltheologische und homiletische Reflexionen über Spalding anstellt sowie auf K. E. Nipkow: Fromme Selbstaufklärung und Selbstvergewisserung. Zu einer Predigt Johann Joachim Spaldings. In: A. Beutel / V. Drehsen [Hg.]: Wegmarken protestantischer Predigtgeschichte. Homiletische Analysen, 1999, 60–70 verwiesen.
7 So hat Spalding im Laufe seines mit langer Dauer gesegneten Lebens insgesamt vier Predigtbände sowie sehr viele Einzeldrucke publiziert. Zu seiner berühmt gewordenen Pfingstpredigt vertiefend: A. Beutel: Aufklärung des Geistes. Beobachtungen zu Spaldings Pfingstpredigt „Der Glaube an Jesum als das Mittel zur Seeligkeit“ (in: Ders.: u.a. [Hg.]: Christentum im Übergang. Neue Studien zu Kirche und Religion in der Aufklärungszeit [AKThG 20], 2006.
8 Neben der Monographie von A. Beutel, die den aktuellen Stand der biographischen Forschung wiedergibt, sei hier freilich auch auf die entsprechenden Lexikonartikel verwiesen: Ders.: Art. „Spalding, Johann Joachim“. In: NDB 24, Berlin 2010, 615–617; Ders.: Art. „Johann Joachim Spalding“. In:RGG4Online. Brill: Leiden; Bourel, Dominique: Art. "Spalding, Johann Joachim (1714–1804)". In:TRE Online.Berlin / New York 2010; Kuhn, Thomas K.: Spalding, Johann Joachim. In: BBKL 10, Bautz: Herzberg 1995, Sp. 668–670.
9 Biographische Informationen zu Leben und Werk Spaldings finden sich u. a. auch in dessen autobiographischer Lebensbeschreibung, s. J. J. Spalding, Lebensbeschreibung von ihm selbst aufgesetzt (in: Ders., Kleinere Schriften 2: Briefe an Gleim – Lebensbeschreibung, hg. v. A. Beutel / T. Jersak [SpKA I/6–2], 2002, 105–240) sowie in der prägnanten Überblicksdarstellung von A. Beutel: Johann Joachim Spalding, speziell zur Herkunft und Jugend Spaldings: 20–24.
10 A. Beutel: J. J. Spalding, 24; hier im Rückgriff auf die Spaldingsche Lebensbeschreibung.
11 So mit Beutel, J. J. Spalding, 24.
12 Beutel verweist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Spalding unter anderem die Vernachlässigung der Kirchengeschichte monierte, konnte aus dieser aus der Sicht Spaldings doch ein großer Nutzen für die Gegenwart gezogen werden.
13 Aepinus hatte in Rostock und Jena studiert und amtierte später in Ratzeburg als Direktor der dortigen Domschule. 1712 wurde er als Professor nach Rostock berufen. Dort lehrte er zunächst an der philosophischen, seit 1721 dann aber auch für fast drei Jahrzehnte an der theologischen Fakultät. Nicht zuletzt, weil seine Theologie streng lutherisch geprägt war und er sich gegen alle mystischen, pietistischen und rationalistischen Tendenzen wehrte, wusste sich Spalding diesem wohl in theologischer Hinsicht eng verbunden [vgl. A. Beutel, Spalding, 26].
14 Vgl. A. Beutel, J. J. Spalding, 28, der auch auf die berufliche Unterstützung hinweist, die Spalding in diesem Zusammenhang von seinem Vater erhielt.
15 So A. Beutel, J. J. Spalding, 31.
16 Zu den Hohenzollern sei verwiesen auf: Frank-Lothar Kroll: Die Hohenzollern, München 2008.
17 So mit A. Beutel, J. J. Spalding, 34.
18 Siehe A. Beutel, J. J. Spalding, 276.
19 Hier sei nur auf sein JugendwerkÜber die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern(1799) hingewiesen, welches deutliche Spuren der Spaldingschen Theologie erkennen lässt. Auch in der 1805 erschienenen Rezension von SpaldingsLebensbeschreibungzollte er Spalding große Anerkennung [vgl. A. Beutel, J. J. Spalding, 277].
20 Zu weiteren Einzelheiten seiner letzten Jahre und seines Verscheidens siehe das V. Kapitel „Ausklänge (1788/91–1804)“ bei A. Beutel, J. J. Spalding, 272–308.
21 So mit D. Bourel, Art. Spalding, in: TRE Online, 607–610, hier: 609.
22 Vgl. C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie. In: A. Beutel; M. Nooke: Religion und Aufklärung, 115.
23 Bis in die Gegenwart wurde Spaldings Nutzbarkeitsschrift immer wieder als ein Dokument aufklärerischer Homiletik angesehen. Siehe hierfür die zahlreichen Belege bei C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie, in: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 117 in Fußnote 17.
24 Vgl. ebd., 114. Siehe hier auch die entsprechenden Verweise in Fußnote 6.
25 Ebd. mit Verweisen in den Fußnoten 7 und 8.
26 Ebd. mit entsprechenden Belegen in den Fußnoten 10 bis 12.
27 C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie, 115 mit Verweis in Fußnote 13 (ebd.).
28 Ebd. 118 und hier speziell Fußnote 22: Wenn Spalding an „Unterricht im engeren Sinne“ denkt, dann spricht er zumeist vom „besondern Religionsunterricht“. Sofern er die Predigt im engeren Sinne als Teil des Gottesdienstes meint, nutzt er den Begriff der „Kanzel“ (ebd.).
29 Vgl. U. Dreesman: Aufklärung der Religion. Die Religionstheologie Johann Joachim Spaldings, PThK 20, 163.
30 Ebd.
31 Spalding verwendet den Begriff der Erbauung im Vorwort seiner zweiten Predigtsammlung und greift damit „einen Leitbegriff der zeitgenössischen Debatte auf“ [vgl. ebd. sowie J. J. Spalding, Neue Predigten, III–XXX]. So heißt es hier: die programmatische „Predigt von dem, was erbaulich ist“ (87–122).
32 Siehe U. Dreesman mit Bezugnahme auf Ph. J. Spener und seiner „Pia desideria“ (1675) (s. ebd., Fußnote 818). So heißt es im sechsten und letzten Reformvorschlag der „Pia desideria“, „daß angehende Geistliche beizeiten lernen sollten, „wie sie alles in solchen Predigten zu der erbauung“ einzurichten hätten, damit „der weck deroselben / nehmlich der glaube und dessen früchten / bey den Zuhörern bestmüglich befördert“ werde (78f.). Dreesman verweist an dieser Stelle auch auf die weiterführende Studie zum Gebrauch und zum Stellenwert des Erbauungsbegriffs in Speners Predigtlehre von A. Haizmann: Erbaulichkeit als Aufgabe der Predigt sowie zum Weiterwirken dieser Chiffre im Pietismus auf M. Schian.
33 So A. Beutel, Art. Erbauung, 297. – Zur Geschichte des Begriffes auch: H.-H. Krummacher: Art. Erbauung. Auch Ph. H. Schuler, seines Zeichens ein Zeitgenosse Spaldings, urteilt: „Erbauung,als der nun allgemein unter den Protestanten anerkannte Hauptzweck des Predigtvortrags, blieb zwar in diesen Zeiten das fast allgemeine Losungs-Wort. Aber jeder suchte bey der Disharmonie der Gemüther nur auf seine Weise die Erbauung. Der eine im seraphischen Ton, der andere in der Deutlichkeit; der eine im Lichte, und der andere in der Wärme der Wahrheit; der eine in der ruhigen Betrachtung über die Religion, in der Läuterung der Begriffe, in der Vernunftmäßigkeit ihrer Lehrsätze, und der andere in der Heftigkeit der Affecten und den hellen Flammen der glühenden Andacht.“ (Veränderungen des Geschmacks Bd. 3,7). Zitiert bei: Dreesman, U.: Aufklärung der Religion, 163f., hier: Fußnote 819.
34 J. J. Spalding, Neue Predigten, Bd. 2, 88 – Was erbaulich sei, darüber sei kein „einstimmiges Urtheil zu erhalten, so lange die unendliche Verschiedenheit der Begriffe, der Denkungsarten, der besonderen Gemüthsfassungen unter den Menschen so oft macht, daß der eine sich durch etwas erbauet findet, was ein anderer für ganz ungeschickt dazu erkläret.“ (A.a.O. IIIf). Zitation bei: U. Dreesman, Aufklärung der Religion, hier: 164, Fußnote 820.
35 Ebd., Fußnote 822.
36 Vgl. Dreesmann, 164, Fußnote 823: „So ist nun auch noch immer jede Lehre, eine jede Betrachtung mit Recht erbaulich, die in der That und Wahrheit dazu dienet, uns zu bessern, uns gutgesinnt und Gott wohlgefällig zu machen, und die Gemüthsverfassung in uns anzurichten und zu unterhalten, bey welcher wir uns einer gegründeten Zufriedenheit und Hoffnung erfreuen können“ (A.a.O. 93).
37 A. Beutel, J. J. Spalding, 225.
38 J. J. Spalding, Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung (11772; 21773; 31791), hrsg. v. T. JERSAK (SpKA I/3), Tübingen 2002.
39 Hier sei auf Fußnote 170 in A. BEUTEL, J. J. Spalding, 226 verwiesen.
40 Ebd., 226f..
41 Ebd., 227. So auch C. Tippmann, Bestimmung, 81, die insbesondere darauf hinweist, dass Spalding das Predigtamt v. a. in der kritischen Kontroverse mit der westeuropäischen Aufklärungsphilosophie sieht [hier verweist sie exemplarisch auf David Hume (1711–1776)] und durch die Fokussierung auf den utilitaristischen Aspekt desselben eine strikte Abgrenzung zum römisch-katholischen Amtsverständnis intendiert. Dieser Meinung möchte ich mich anschließen, wenn auch m. A. nach nicht diegöttlich-kerygmatischeDimension des Amtes vernachlässigt werden darf. „Seinen Wert und seine Berechtigung erhält das Predigtamt laut Spaldingalleinaus seinem verpflichtendenNutzen“ (ebd.) ist nur von beschränkter Gültigkeit, weil es immer noch die biblische Überlieferung ist (man denke hier nur an den Missionsbefehl in Mt 28,16–20 oder die Ordinationsformel in 1 Petr 5,1–4), auf die sich das evangelische Predigtamt gemäß des lutherischensola scripturazu gründen hat. Zum Prinzip dessola scriptura, das Luther erstmals in seinerAssertiovon 1520 gegen die von Papst Leo X. ausgesprochene Bannandrohungsbulle verwendete, s. WA 7, 1897, 98. Hier findet sich die Formulierung „solam scripturam regnare“.
42 Vgl. Tippmann, Bestimmung des Menschen, 82 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 64,25ff. Spalding ist bei seiner Verwendung des Tugend-Begriffs vielleicht von denhimmlischen Tugendenaus derPsychomachiades christlichen DenkersPrudentiusaus dem 4. Jahrhundert sowie durch dasaristotelisch(Tugend als Weg zur Glückseligkeit) undplatonische(Theorie der Grundtugenden) Tugend-Verständnis beeinflusst worden. Als sieben himmlische Tugenden benennt Prudentius: Demut (humilitas), Mildtätigkeit (caritas), Keuschheit (castitas), Geduld (patientia), Mäßigung (temperantia), Wohlwollen (humanitas) und Fleiß (industria). Durch seine im Schulunterricht sowie an der Universität erworbene humanistische Grundbildung darf von Spaldings Kenntnis der philosophischen Tugend-Tradition ausgegangen werden (man denke hier auch speziell an den religiösen und altsprachlichen Unterricht des Tribseeser Schulmeisters Johann Georg Ritter; s. Beutel, J. J. Spalding, 23f.).
43 C. Tippmann, Bestimmung des Menschen, 82 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 70,5f.
44 A. Beutel, J. J. Spalding. Populartheologie und Kirchenreform im Zeitalter der Aufklärung, in: P. Walter/M. H. Jung (Hg.), Theologen des 17. und 18. Jahrhunderts. Konfessionelles Zeitalter – Pietismus – Aufklärung, Darmstadt 2003, 236f.
45 Hier sei auf seine Einleitung in den Vertrauten Briefen verwiesen: Spalding, Vertraute Briefe, SpKA I/4, XXXII: Erst durch die Religion werde sich der Mensch des „universalen Horizont[es] seines Lebens“ gewahr. Treffend C. Tippmann, Bestimmung, 83, Fußnote 373: „So werde aus dem ,Gefühl von der Gottheit [...] das eigentliche Schwungrad der Tugendmotiven, das Principium, welches sie alle umfasst und begleitet“.
46 Ebd.
47 Ebd.
48 J. J. Spalding, Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und deren Beförderung (11772; 21773; 31791), hier: 70,23.
49 Seine biblische Legitimationsbasis erhält diese Auffassung v. a. durch Lev 19,18; neutestamentlich rezipiert im Doppelgebot der Liebe (Lk 10,27), dem Gebot der Feindesliebe (Mt 5,43f.) und dem Gebot der Geschwisterliebe (Joh 13,34f.).
50 Ebd., hier: 88,4–6.
51 Vgl. Tippmann, Bestimmung, 83 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 123,20.
52 Ebd., hier: 122,9; 123,15f..
53 Beutel, J. J. Spalding, 228f..
54 Ebd., 229 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 277,22–27). Hervorhebungen stammen von mir.
55 Ebd. mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 132,19f.
56 Ebd. mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 133,18f.30; so auch: C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung mit Verweis auf A. Beutel, der herausgestellt hat, dass sich Spalding bei dieser Orientierung amPredigtsubjektin der Nachfolge Luthers bewegt [vgl. Ders.: Elastische Identität, ZThK 111, 2014, 1–27, hier: 3].
57 Ebd. sowie A. Beutel, Elastische Identität. Die aufklärerische Aktualisierung reformatorischer Basisimpulse bei Johann Joachim Spalding (ZThK 111, 2014, 1–27.
58 C. Tippmann, Bestimmung, 84 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 179,25–27.
59 Hier übereinstimmend mit Beutel, J. J. Spalding, 230.
60 Vgl. L. Balbiani: „ohne Zweifel würden unzähliche eben so gut schreiben“. Johann Joachim Spalding: eine neue Sprache für eine neue Theologie. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 314. Sie hier auch die entsprechenden Verweise auf J. W. Goethe und J. G. Herder in Fußnote 3, die beide die enorme Sprachgewandtheit Spaldings zu schätzen wussten.
61 Dies., ebd., 315.
62 Vgl. ebd., 316. Man achte hier auch speziell ihre Bezugnahme auf J. C. Lavater, der behauptet hat: „wer Spaldingen in seiner Schreibart nachahmen will, der lerne zuerst so richtig, so deutlich denken“ (ebd. mit Verweis in Fußnote 8).
63 S. E. Lange, Zur Theorie und Praxis der Predigtarbeit, in: PSt [S] 1968 Beiheft 1, 11–46 sowie Ders., Predigen als Beruf. Aufsätze, hg. v. R. Schloz, Stuttgart/Berlin 1976. Zum lange Zeit in der Praktischen Theologie vorherrschenden homiletischen Paradigma der „Kommunikation des Evangeliums“ s. auch den informativen Aufsatz von W. Engemann, „Kommunikation des Evangeliums“ als Grundprinzip der religiösen Praxis des Christentums? Prämissen, Implikationen und Konsequenzen für das Verständnis von der Aufgabe der Praktischen Theologie, in: Kirchentheorie. Praktisch-Theologische Perspektiven auf die Kirche, hrsg. v. B. Weyel u. P. Bubmann, Leipzig 2014, hier: 15–39.
64 A. Beutel: J. J. Spalding, 230.
65 L. Balbiani: „ohne Zweifel würden unzähliche eben so gut schreiben“. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 319.
66 Die konsequente Hörer*innen-Orientierung Spaldings kommt beispielhaft in dessen Predigten, die er anlässlich von Kasualien gehalten hat, zum Tragen (s. hier speziell J. J. Spalding, SpKa II/4: Predigten größtentheils bey außerordentlichen Fällen gehalten (1775), Tübingen 2011. So im Anschluss an U. Dreesman, Aufklärung der Religion, 170, der ebenfalls in den SpaldingschenKasualpredigtendenLocus classicussieht, an dem die Hörer*innen-Orientierung in seinen Predigten am prägnantesten ausgeprägt ist.
67 Ebd., 231.
68 A. Beutel, J. J. Spalding, 231 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 272,6.
69 Ebd. mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 272.
70 C. Albrecht definiert das Spaldingsche Ideal vontheologischer Bildung- heutzutage würde man wohl eher vontheologischer Kompetenzsprechen – m. E. sehr treffend: Spaldings Bildungsverständnis ist von einer grundlegenden Binarität bestimmt: Sowohl „Kenntnisse in den theologischen [als auch] in den nichttheologischen Wissenschaften“ sind aus seiner Sicht unabdingbar. Entscheidend für die Inhalte ist aber stets ihr entsprechenderPraxisbezug: „Die Theologie als Ganze wird, in der konstruktiven Aufnahme der Unterscheidung zwischen Theologie und Religion, als eine berufsbezogene und ausbildungsorientierte Wissenschaft gesehen.“ Und weiter heißt es entsprechend: „Ein theologischer Satz bildet nicht schon per se einen sinnvollen Gegenstand der religiösen Unterweisung in Predigt und Unterricht – und auch seine Bedeutung steht nicht von selbst fest, sondern bemisst sich danach, in welcher Weise er dem Pfarrer seine berufsmäßigen Aufgaben erleichtert; indem er „wirklich auf den Nutzen abziel[t], den wir suchen sollen.“ (vgl. C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 120f.].
71 Die Forderung nach „zwischenmenschlicher Kompetenz“ der Pfarrperson stammt freilich nicht von Spalding, sondern von L. von Mosheim. Dieser hatte 1754 in seiner Pastoraltheologie erklärt, dass die „Erkenntnis der Welt und deren Menschen“ zu den unabdingbaren Eigenschaften eines Pfarrers zählt. Auch Georg Friedrich Seiler hat 1773 dieses Mosheimsche Diktum aufgegriffen und in seiner Pastoraltheologie die These aufgestellt, dass dem Prediger nichts unentbehrlicher sei, „als die Kenntniß der Welt; und an nichts pflegen Studierende gemeiniglich weniger zu denken.“ [vgl. C. Albrecht, J. J. Spaldings Programm der Pastoraltheologie. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 119f. mit entsprechenden Belegen in den Fußnoten 25 und 26].
72 Ebd., 119.
73 Ebd., 121. C. Albrecht verweist in diese Kontext auch auf Theologen wie Semler, Mosheim, Nösselt oder Seiler, die bereits vor Spalding „für die Integration nichttheologischer Wissenschaften plädiert“ hatten [s. hier auch die entsprechenden Verweise in den Fußnoten 28–32, ebd.]. Nach Spaldings Auffassung liefern die nichttheologischen Wissenschaften „das Methodenmaß für den heuristischen Zuschnitt der Theologie“. Deshalb kann die „Überzeugungskraft theologischer Überlegungen [...] keine anderen Gründe für sich in Anspruch nehmen als solche, die auch für nichttheologische Erwägungen in Anschlag gebracht werden können. Jeder auf Offenbarungsmäßigkeit oder verwandte Gründe sich berufende Anspruch auf einen sakralen Charakter der Theologie wird von Spalding entschlossen abgewiesen [...]“ [vgl. ebd.].
74 Hier wäre z. B. die im Zuge des Verwissenschaftlichungsschubes in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig erhobene Forderung „nach auch in nichttheologischen Wissenschaften bewanderten, gleichsam ,intellektuell parkettsicheren´ Theologen“ zu nennen. Aus der Tradition Schleiermachers gesehens fehlt hier aber noch „die konstruktive Bestimmung des Verhältnisses zwischen theologischen und nichttheologischen Wissenschaften.“ [ebd.].
75 A. Beutel, Kirchengeschichte im Zeitalter der Aufklärung, 122f.
76 Vgl. U. Dresman, Aufklärung der Religion, 165.
77 Ebd.
78 Ebd. mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 141.
79 Ebd. mit erneutem Verweis auf Spalding, Predigtamt, 142.
80 Ebd.
81 Ebd. mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 140–143.
82 Ebd. Siehe hier auch speziell Fußnote 836, in der Dreesman auf K. H. Sack, seines Zeichens ein Sohn des Oberhofpredigers und späteren Bischofs Friedrich Samuel Gottfried Sack und Johanna geb. Spalding, einer Tochter Johann Joachim Spaldings, rekurriert. K. H. Sack amtierte u. a. als Theologieprofessor in Bonn und hatte eine Tätigkeit als Konsistorialrat in Magdeburg inne. Zur biographischen Vertiefung: D. Erdmann, Sack, Karl Heinrich, in: ADB 30, Leipzig 1890, 153–161 sowie J. J. Seidel, Karl Heinrich Sack, in: BBKL 8, Herzberg 1994, Sp. 1162–1163. Unbedingt hingewiesen sei an dieser Stelle auch auf die umfassende Studie zur Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger A. F. W. Sack und F. S. G. Sack von M. Pockrandt, Biblische Aufklärung. Biographie und Theologie der Berliner Hofprediger August Friedrich Wilhelm Sack (1703–1786) und Friedrich Samuel Gottfried Sack (1738–1817), in: AKG 86.
83 Dreesman, Aufklärung der Religion, 166 mit Verweis auf die Predigt J. L. von Mosheims in Fußnote 837: Anweisung erbaulich zu predigen, Zweytes Hauptstück, an der sich die Unterscheidung zwischensynthetischerundanalytischerPredigtweise gut exemplifizieren lässt.
84 Dies ist vor allem vor dem Hintergrund, dass gerade im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts Predigten über das Agrarwesen, die Ökonomie, die Gesundheitspflege oder Landesgesetze keine Seltenheit darstellten, äußerst verwunderlich. Solche Predigten sucht man bei Spalding ohne Erfolg [vgl. Dreesman, Aufklärung der Religion, 166f.].
85 Ebd. 167 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 134f.
86 Ebd. 171 mit Verweis auf Spalding, Predigtamt, 273.
87 Dies muss freilich etwas eingeschränkt werden, da A. Beutel herausstellen konnte, dass sich bereits bei Luther eine Orientierung am Subjekt des Predigers findet [vgl. A. Beutel, Elastische Identität, in: ZThK 111 (2014), 1–27, hier: 3].
88 Ebd..
89 Vgl. L. Balbiani: „ohne Zweifel würden unzähliche eben so gut schreiben“. In: A. Beutel, M. Nooke: Religion und Aufklärung, 319 [mit Verweis auf Spaldings Nutzbarkeitsschrift und die rationalistische Sprachtheorie des 17. und 18. Jahrhunderts].
90 Ebd. 320 mit erneutem Bezug zur Spaldingschen Nutzbarkeitsschrift.
91 Ebd. 321.
92 Ebd. mit Verweis auf Spaldings Nutzbarkeitsschrift in Fußnote 26.
93 Ebd. 321. Eine ausführliche Beschäftigung mit Spaldings „Moralbegriff“ sowie der seiner homiletischen Überlegungen zugrunde liegenden Theologie bietet A. Beutel, „Gebessert und zum Himmel tüchtig gemacht“. Die Theologie der Predigt nach Johann Joachim Spalding. In: Ders.: Reflektierte Religion, 210–236; hier speziell zum Begriff der Moral bei Spalding: 230f.
94 So in weitgehender Übereinstimmung mit R. Krause, Die Predigt der späten deutschen Aufklärung (1770–1805), zu Spaldings Nutzbarkeitsschrift speziell: 19–28, hier vor allem Bezugnahme auf Spaldings Hauptanstöße für die Predigtkultur der Aufklärung (vgl. 28).
95 Zum Selbstverständnis und zur Außenwirkung der lutherischen Aufklärungstheologen siehe die aufschlussreiche Studie von A. Schlingensiepen-Pogge, Das Sozialethos der lutherischen Aufklärungstheologie am Vorabend der Industriellen Revolution, hier speziell: 183–191.
96 Verwiesen sei an dieser Stelle auf die verschiedenen Ansätze, die Engemann zur Analyse einer Predigt bietet und die sich allesamt auf den textgebundenen Charakter der Predigt beziehen. In diesem Kontext nennt er dencontentanalytischenAnsatz, densprechakttheoretischenAnsatz, denrhetorischenAnsatz, densemantischenAnsatz sowie denideologiekritischenAnsatz [vgl. Ders., Einführung in die Homiletik, Tübingen 32020, hier: 472–492.