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Masterarbeit, 2021
93 Seiten, Note: 1,7
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlagen
2.1. Werte und Normen
2.1.1. WerteundNormeninderEthik
2.1.2. Entstehung von Werten und Normen
2.1.3. Werte und Normen in der Untemehmensethik
2.2. Diskursethik
2.2.1. Einführung in die Diskursethik
2.2.2. Diskursbedingungen
2.2.3. Die Diskursethik in der Kritik
2.2.4. DiskursethikimWandel
2.2.5. Die Diskursethik im Kontext von Unternehmen
2.3. Zwischenfazit und Ausblick
3. Methodik
3.1. Übersicht
3.2. Systematische Literaturrecherche
3.3. Analyse des Instrumentariums
4. Kl-Ethik
4.1. Einführung
4.1.1. Grundlagen der Künstlichen Intelligenz
4.1.2. Kl-Ethik als Teilbereich der Corporate Digital Responsibility
4.2. Kl-Ethik in der Praxis
4.2.1. Anlass einer Kl-Ethik
4.2.2. MehrwertfürUntemehmen
4.3. Werte und Normen in der Kl-Ethik
5. Herausforderung für die Implementierung von CDR
5.1. Dynamik
5.2. Komplexität
5.3. Normativität
5.4. Finanzierbarkeit
6. Das Instrumentarium zur Implementierung von Kl-Ethik
6.1. Ethik-Training
6.2. Kodizes
6.3. Ethik Boards
6.4. ToolsfürEntwickler:innen
7. Diskussion
7.1. Interpretation der Ergebnisse
7.2. Limitationen und Ausblick
8. Fazit
9. Anhang
10. Literaturverzeichnis
Der verbreitete Einsatz von Kl-Systemen in Unternehmensprozessen verspricht Effizienzgewinne, doch geht mit negativen Begleiterscheinungen wie der Diskriminierung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder mangelnder Transparenz einher. Da es im Bereich der Kl-Ethik an gesetzlichen Vorschriften und verbreiteten Standards mangelt, besteht die Notwendigkeit für Unternehmen, selbst Werte und Normen für einen verantwortungsvollen Umgang mit ihren Kl-Systemen zu erarbeiten. Hierfür analysiert und bewertet die vorliegende literaturbasierte Arbeit verschiedene unternehmensinteme Instrumente. Die Diskursethik, die sich mit der Begründung von Werten und Normen über das Verfahren des Diskurses auseinandersetzt, dient dabei als theoretisches Fundament. Die Evaluation des Instrumentariums vollzieht sich zum einen entlang von aus der Diskursethik abgeleiteten Prinzipien, die das Gelingen diskursiver Verfahren gewährleisten sollen. Zum anderen wird für die Analyse die vorhandene Literatur aus dem Feld der Kl-Ethik systematisch ausgewertet und Herausforderungen herausgearbeitet, die Unternehmen bei der Auswahl und Ausgestaltung ihrer Ansätze adressieren müssen. Dabei zeigt die Arbeit auf, dass die jeweiligen Instrumente mit Vor- und Nachteilen einhergehen und für unterschiedliche Phasen der Implementierung von Kl-Ethik in Unternehmen prädestiniert sind. Zudem bestehen übergreifend Konflikte zwischen der Umsetzung der Diskursbedingungen und der Berücksichtigung der mit der Kl-Ethik einhergehenden Herausforderungen.
Tabelle 1: Darstellung derAnalyse-Ergebnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Verantwortung von Unternehmen für die Konsequenzen des eigenen Geschäftsmodells ist seit geraumer Zeit vermehrt in den öffentlichen Diskurs gerückt. Zuletzt wurde im Rahmen des Lieferkettengesetzes intensiv über die Rolle wirtschaftlicher Akteure für die Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette debattiert (Görg et al., 2021). Daneben stand auch der Anteil der Unternehmen an der Klimakrise im Fokus. Hier hat die gesellschaftliche und wissenschaftliche Problematisierung, gefolgt von Standards und gesetzlichen Rahmenbedingungen, bereits dafür gesorgt, dass sich heutejedes Großunternehmen mit der Nachhaltigkeit seiner Produkte oder Dienstleistungen auseinanderzusetzen muss (Fifka, 2018).
Mit der Künstlichen Intelligenz (KI) rückt derzeit ein weiteres Thema in den Fokus der Debatte. Anlass ist der steigende Einfluss der neuen Technologie auf unseren Alltag, der längst nicht mehr auf unseren Umgang mit digitalen Produkten beschränkt ist. Der Landwirtschafts-, Gesundheits- und Bildungssektor sind nur drei Beispiele, in denen heute komplexe algorithmenbasierte Entscheidungssysteme zum Einsatz kommen (Kavanagh, 2019, S. 13). Dabei ist davon auszugehen, dass sich der Einsatz von Kl- Technologien auf weitere Bereiche unseres täglichen Lebens ausweiten wird (Ryan, 2020, S. 63). Schließlich verspricht der Einsatz von KI Effizienzgewinne für Unternehmen (Buxmann & Schmidt, 2019, S. 137) und positive Auswirkungen auf das öffentliche und private Leben (Floridi & Taddeo, 2016, S. 2).
Jedoch geht die Verbreitung der KI auch mit negativen Begleiterscheinungen einher. So zeigt sich, dass Kl-Systeme zuweilen nicht im Sinne unserer gesellschaftlichen Vorstellungen von Fairness (Zarsky, 2016, S. 123), Transparenz (Introna, 2016, S. 9) oder Respekt (Mac, 2021) agieren. Beispielhaft seien der Fall „Cambridge Analytica“ (Isaak & Hanna, 2018) oder die Diskriminierung von Frauen durch den Einsatz von KI im Recruiting-Prozess von Amazon (Destein, 2018) genannt. Die jüngsten Veröffentlichungen der Whistleblowerin Frances Haugen machen deutlich, dass ein Tech-Konzern wie Facebook für sein KI-basiertes Geschäftsmodell negative Folgen für die Gesellschaft wissentlich in Kauf nimmt und verleihen der Debatte zusätzliche Brisanz (Tagesschau, 2021). Vor dem Hintergrund dieses enormen Einflusses wird die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung mit Kl-Prozessen deutlich.
Diese Dringlichkeit spiegelt sich allerdings noch nicht in der Praxis wider. Die Übernahme von Verantwortung für die eigenen digitalen Prozesse beschränken sich derzeit weitestgehend auf den Bereich des Datenschutzes und gehen auch hier nur selten über die Umsetzung gesetzlicher Verpflichtungen hinaus (Thorun et al., 2018, S. 3). Doch warum agieren Unternehmen im Bereich Kl-Ethik derzeit noch zögerlich? Ein Grund könnte sein, dass klassische Treiber und Orientierungspunkte unternehmensethischer Handlungen hier derzeit noch nicht oder nur unzureichend auszumachen sind. Trotz der weitreichenden Auswirkungen von Kl-Technologien sind die Entwicklung und der Einsatz derzeit noch kaum Gegenstand staatlicher Regulierung (Elliott et al., 2021, S. 3). Auch die Untemehmensethik als akademische Disziplin, die sich mit dem aus ethischer Perspektive erstrebenswerten Handeln von Unternehmen auseinandersetzt, behandelt das Thema der Kl-Ethik derzeit noch kaum (Buhmann et al., 2020, S. 266). In Ermangelung solcher externen Instanzen bedarf es somit Verfahren, mit denen Unternehmen selbst Ansätze für einen ethischen Umgang mit KI initiieren können. Die vorliegende Arbeit leistet hierzu einen Beitrag, indem sie unternehmensinterne Instrumente analysiert, die die Erarbeitung von Werten und Normen für Kl-Prozesse ermöglichen. Ausgangspunkt hierfür ist die Diskursethik, die den theoretischen Unterbau für die Begründung moralisch richtigen Verhaltens durch das Verfahren des Diskurses liefert.
Anspruch dieser literaturbasierten Arbeit ist es, die Instrumente auf ihre Eignung für die Erarbeitung von Werten und Normen im Bereich der Kl-Ethik zu untersuchen. Konkreter werden die Fragen behandelt, für welche Phase der kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Kl-Prozessen das jeweilige Instrument prädestiniert ist und wo die jeweiligen Stärken und Schwächen des Ansatzes liegen. Darüber hinaus sollen Konflikte aufgezeigt werden, die mit der Anpassung der Instrumente an die Anforderungen der Diskurs- und Kl-Ethik einhergehen. Dadurch wird der Mangel an Arbeiten adressiert, die sich mit der Übersetzung theoretischer Erkenntnisse der Kl-Ethik in die Praxis beschäftigen (Stahl et al., 2021, S. 2). Zudem wird das Ziel verfolgt, Erkenntnisse aus der Diskursethik für die Anwendung KI-ethischer Ansätze in Unternehmen herauszuarbeiten. Bisherige Arbeiten, die die Verbindung zwischen beiden Feldern beleuchten, beschränken sich auf den Dialog zwischen Stakeholdern und Unternehmen (Buhmann et al., 2020; Buhmann & Fieseier, 2021).
Der Theorieteil thematisiert dafür die Rolle von Werten und Normen in der Ethik allgemein sowie der Unternehmensethik im Speziellen. Vornehmlich werden dabei deren Begründung bzw. Durchsetzung und die damit einhergehenden Schwierigkeiten aufgegriffen. Beim Problem der Werte- und Normenbegründung setzt die Darstellung der Diskursethik an, deren Grundkonzept, Annahmen sowie Entwicklung beleuchtet und kritisch analysiert werden. Im Anschluss an die Erläuterung des methodischen Ansatzes wird der Fokus auf das Feld der Kl-Ethik gelegt. Als Ergebnis einer systematisch erfolgten Literaturrecherche wird das Thema in zwei Teilen dargestellt. Zunächst wird veranschaulicht, wo genau die ethischen Probleme im Umgang mit KI liegen. Dafür wird auch das Feld der Corporate Digital Responsibility (CDR) näher beleuchtet, welches sich mit der Verantwortung von Unternehmen für digitale Prozesse auseinandersetzt und dessen Inhalt somit auf die Kl-Ethik anwendbar ist. Im zweiten Teil werden dann Hindernisse dargestellt, die sich für Unternehmen im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Kl-Ethik ergeben. Für die Beantwortung der Forschungsfragen wird das Instrumentarium dann aus drei Perspektiven evaluiert. Zunächst werden, unabhängig vom thematischen Schwerpunkt der Kl-Ethik, die Grundidee und damit einhergehenden Charakteristika der einzelnen Ansätze untersucht. Im Anschluss wird beleuchtet, inwiefern das jeweilige Instrument den aus der Diskursethik entnommenen Voraussetzungen für das Gelingen eines diskursiven Austausches gerecht wird. Zuletzt wird analysiert, inwiefern die zuvor herausgearbeiteten Herausforderungen für die Implementierung von Kl-Ethik in Unternehmen bei deren Umsetzung adressiert werden.
Ethik kann der praktischen Philosophie zugeordnet werden, welche sich, in Abgrenzung zur theoretischen Philosophie, in ihren Ausführungen auf das menschliche Handeln konzentriert (Thies, 2006, S. 12). Somit wird die Ethik als Lehre nach dem richtigen Handeln verstanden, beschäftigt sich also im Kern mit der Frage „Was soll ich tun?“ (Göbel, 2017, S. 26). Dem voraus geht der Umstand, dass Menschen frei sind diese Entscheidung für sich zu treffen, also nicht von inneren und äußeren Zwängen zu bestimmten Entscheidungen gedrängt werden (ebd., S. 25). Ethik gibt dabei keine pauschalen Antworten auf die Frage nach dem richtigen Handeln in spezifischen Entscheidungssituationen, da Handlungen immer vor dem Hintergrund der jeweiligen Umstände zu bewerten sind. Jedoch unterstützt die Ethik die Suche nach dem moralisch Richtigen und stiftet beim Entscheidungsfindungsprozess ex ante Orientierung, indem beispielsweise auf Potentiale und Gefahren hingewiesen wird (Esselmann et al., 2020, S. 4). Als solche Orientierungspunkte dienen Werte oderNormen (Göbel, 2017, S. 24).
Unter Werten werden „abstrakte Vorstellungen des Wünschenswerten“ verstanden (Kluckhohn, 1962; zitiert aus: Kopp & Steinbach, 2018, S. 507). Somit stellen sie einen für Individuen oder Gruppen erstrebenswerten Zustand dar (Mayr, 2010, S. 22). Das drückt sich dadurch aus, dass Werte evaluativ formuliert sind, etwa in Form einer Zuschreibung als „gut“ oder „schlecht“ (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 315). Diese Evaluation ist subjektiv, denn jedes Individuum priorisiert Werte unterschiedlich (Dietzfelbinger, 2008, S. 45). Durch ihre graduelle Kodierung können Werte niemals vollends umgesetzt werden (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 316). Sie fungieren vielmehr als Ideale und sind damit „attraktiv-motivierend“ (Joas, 1997, S. 288). Diese Motivation wird jedoch nicht durch äußere Sanktionen erwirkt, sondern geschieht intrinsisch. Grundsätzlich gelten Werte im Vergleich zu Normen als wenig institutionalisiert und somit auch kaum verbindlich (Kopp & Steinbach, 2018, S. 507). Inwiefern Werte im Rahmen einer Handlung also realisiert sind, ist schwer zu bestimmen, da sie für sich genommen nicht mit konkreten Handlungsanweisungen einhergehen (Schöttl & Ranisch, 2016,S.316).
Werden Werte in konkrete Handlungsanforderungen übersetzt, wird von Normen gesprochen (Dietzfelbinger, 2008, S. 45; Kopp & Steinbach, 2018, S. 507). Die Verschiebung weg vom Abstrakten hin zum Konkreten macht die Durchsetzung von Normen somit überprüfbar. Zudem sind Normen binär kodiert, was eine eindeutige Zuweisung als gültig oder nicht gültig ermöglicht (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 316). Normen treten dabei in unterschiedlichen Formen auf. Sie können beispielsweise formal institutionalisiert sein. Dies wären etwa Rechtsnormen wie etwa Gesetze, deren Missachtung strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. (Thies, 2006, S. 14f.). Andere Normen sind eher mit Konventionen vergleichbar. Auf eine Missachtung folgt, wenn überhaupt, eine gesellschaftliche Ächtung. Sie bleibt jedoch von strafrechtlichen Folgen unberührt. Hier ist von „sittlichen Normen“ (Göbel, 2020, S. 29) die Rede. Für die Formulierung von Normen werden deontische Begriffe verwendet, die etwa ein Gebot oder Verbot ausdrücken (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 315). Normen sind demnach „restriktiv-obligatorisch“ (Joas, 1997, S. 288). Eine weitere Unterscheidung zu Werten findet sich in ihrer Universalisierbarkeit. Für Habermas sind Normen universell und absolut. Durch ihren deontologischen Status gelten diese also kontextunabhängig für jede Person gleichermaßen (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 25).
Obwohl Werte und Normen in der angewandten Philosophie als Grundbegriffe gelten, wird eine genaue Unterscheidung wenig thematisiert (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 315). Folglich kommt es immer wieder zu geteilten Meinungen über deren Eigenschaften. Umstritten ist beispielsweise die Frage, inwiefern auch Werte universalisierbar und somit kontextunabhängig geltend sind. Habermas (1985, S. 71) stellt dies in Frage, da für ihn eine Bewertung nur vor dem Hintergrund der historischen oder kulturellen Umstände vollzogen werden kann. Diese Einschätzung istjedoch umstritten (Joas, 1997; Putnam, 2002 zitiert nach Schöttl & Ranisch, 2016, S. 318). Die Entwicklung von Habermas Einschätzung von Werten wird im Rahmen der Ausführungen zur Diskursethik im weiteren Verlauf der Arbeit vertieft.
Normen können grundsätzlich als Ergebnis von spontanen oder geplanten Prozessen entstehen. Bei ersteren, ungeplanten Prozessen spricht man von einer „evolutionären Normenentstehung“ (Opp, 1983, S. 206). Hier wird ein gewohntes Verhalten kollektiv für erstrebenswert befunden und durch dessen Verbreitung informell institutionalisiert. Als Beispiel hierfür gilt etwa die Frage nach einer angebrachten Kleidung, welche in den meisten Fällen nicht formell niedergeschrieben ist. Daneben gibt es die „institutionelle Normenentstehung“, bei der Normen von Personen oder Institutionen geschaffen werden, die als dafür legitimiert wahrgenommen werden. Dies beschränkt sich keineswegs nur auf vom Staat verabschiedete Rechtsnormen in Form von Gesetzen. Auch die Religion oder das Oberhaupt der Familie kann eine solche Instanz darstellen (Suchanek, 2015, S. 169). Legitimiert wird diese Kompetenz zur Schaffung von Normen wiederum durch „sekundäre Normen“ (Hart & Green, 2012 zitiert nach Kopp & Steinbach, 2018, S. 345). Der Verweis deutet eine grundlegende Herausforderung an. So stellt sich die Frage nach der Begründung solcher sekundären Normen, welche wiederum den Rückgriff auf tertiäre Normen erfordert. Die Notwendigkeit zur Inanspruchnahme einerjeweils höheren Norm zur Begründung lässt sich nicht auflösen, sodass ein solcher Prozess infinit ist. In diesem Zusammenhang ist vom Münchhausen-Trilemma die Rede (Gilbert, 2001, S. 794).
Auf die Frage nach der Entstehung von Werten gibt es keine klare Antwort. Forschungsarbeiten aus verschiedensten Richtungen haben sich dieser Frage bereits angenommen (Kopp & Steinbach, 2018, S. 509). Einigkeit herrscht darüber, dass Werte Ausdruck komplexer historischer Prozesse sind und mit der Kultur einer Gruppe in Verbindung stehen (Hradil, 2018, S. 26). Das Ergebnis ist ein Wertepluralismus, welcher sich zwischen und innerhalb von Bevölkerungsgruppierungen vollzieht (ebd., S. 23ff). Ein Werte-Pendant zur institutionellen Normenentstehung, bei dem sich eine Gruppe aus rationalen Überlegungen heraus auf einen Wertekanon einigt, ist dagegen nicht auszumachen. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass Werte zwar teilweise auch Ergebnis rationaler Erwägungen seinen können, darüber hinausjedoch „im Gefühlsleben verankerteBezugspunkte“ (ebd., S. 26) sind.
Vor dem Hintergrund einer komplexer werdenden Wirklichkeit werden kontextübergreifend formulierte Werte und Normen vermehrt nicht mehr ihrer handlungsorientierenden Funktion gerecht. Dieser Umstand führte zur Bildung der angewandten Ethik, die sich auf spezifische Handlungs- oder Lebensbereiche fokussiert (Göbel, 2017, S. 28). Die Unternehmensethik ist, neben der Medizin- oder Medienethik, ein Beispiel einer solchen angewandten Ethik. Gegenstand der Untemehmensethik ist unter anderem die Frage, wie Werte und Normen im Unternehmen begründet und integriert werden können (van Aaken & Schreck, 2015, S. 7f). Die Rolle einer normenschaffenden Instanz können neben den legislativen Anforderungen auch externe Institutionen (z.B. Standards) oder die Unternehmensführung übernehmen (Gilbert & Maier, 2018, S. 66). Für die Integration wird mit Compliance und Integrity in der Unternehmensethik zwischen zwei verschiedenen Ansätzen unterschieden.
Der Compliance-Ansatz definiert Regeln, wie Mitarbeitende in ihrem Arbeitsalltag zu agieren haben und sanktioniert entsprechendes Fehlverhalten. Somit folgt Compliance einer „Verhinderungslogik“ (Steinmann & Kustermann, 1999, S. 212). Diese Vorschriften werden extern an die Mitarbeitenden herangetragen, etwa von Gesetzgebern, Stakeholdem oder der Organisation selbst (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 313). Beispiel hierfür sind etwa die Vorgaben zur Bekämpfung von Korruption oder Kinderarbeit (Gilbert & Maier, 2018, S. 65). In diesem Fall werden rechtliche Anforderungen an das Unternehmen in Form von Compliance-Regeln an die Mitarbeitenden weitergegeben. Das Unternehmen kann jedoch auch selbst Regeln für den Umgang mit korruptem Verhalten definieren (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 312). Schließlich ist es Anspruch eines Compliance Managements, neben gesetzlichen auch gesellschaftliche Normen umzusetzen, gerade wenn eine Missachtung mit ökonomischen Risiken einhergeht (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 312). In diesem Zusammenhang ist von Social Compliance die Rede (ebd.).
Der „legalistische Charakter“ (Schank, 2019, S. 126) von Compliance-Systemen minimiert den Interpretationsspielraum und verhindert somit unternehmensinteme Konflikte über Auslegung und Gewichtung der Anforderungen. Das hohe Maß an Spezifizität geht jedoch zwangsläufig mit einer unvollständigen Abdeckung aller möglichen Szenarien einher (Gilbert & Maier, 2018, S. 71). Zudem verhindert das schlichte Befolgen von Regeln einen Reflexionsprozess bei den Mitarbeitenden sowie die Notwendigkeit zum Austausch über die Thematik (Schön & Argyris, 1996).
Integrity ist hingegen ungleich schwerer zu erfassen. Dies liegt auch darin begründet, dass der Ansatz unterschiedlich definiert wird. So weist Schank (2019, S. 188f.) darauf hin, dass unter dem Begriff einerseits der Einklang persönlicher Überzeugungen mit den postulierten Werten eines Unternehmens („moralische Integrität“) verstanden wird. Andererseits kann sich Integrity auch auf das Maß beziehen, in dem die persönlichen Überzeugungen mit den eigenen Handlungen harmonieren („persönliche Integrität“). Integer wären nach diesem Verständnis solche Personen, deren Taten den eigenen Wertekanon widerspiegeln, selbst wenn diese Werte nicht von der Organisation oder der Gesellschaft geteilt werden. Im Folgenden soll jedoch die moralische Integrität im Vordergrund stehen.
Ein wichtiger Unterschied zum Compliance-Ansatz besteht darin, dass Handlungsanforderungen nicht extern an die Mitarbeitenden herangetragen werden. Vielmehr geht es darum, dass moralisch richtiges Handeln aus einer intrinsischen Motivation heraus abgeleitet wird (Becker, 1998). Ziel ist es hierbei, Mitarbeitende zum reflektieren Handeln zu befähigen (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 324). Dies kann etwa über die Durchführung fiktiver Fallbesprechungen geschehen (Gilbert & Maier, 2018, S. 69). Im Rahmen dieser Formate sollen Mitarbeitende Fähigkeiten zum normen- und wertegeleiteten Handeln entwickeln und im Arbeitsalltag zur Anwendung bringen. Somit wird die Verantwortung für das erfolgreiche Durchsetzen ethischer Werte hier auf das Individuum übertragen (Schank, 2020, S. 126). Der Fokus des Integrity-Ansatzes liegt dabei auf dem Engagement von Mitarbeitenden über gesetzliche Anforderungen hinaus (Crane et al., 2014 zitiert nach Gilbert & Maier, 2018, S 70f).
Generell kann dem Compliance-Ansatz eine Orientierung an Normen attestiert werden, wohingegen Integrity eher mit Werten in Verbindung steht (Schöttl & Ranisch, 2016, S. 313). Eine scharfe Trennung beider Ansätze istjedoch wenig zielführend. So hebt Paine (1994) die Notwendigkeit von Compliance für eine Umsetzung von Integrity in Unternehmen hervor. Zudem müssen sich Unternehmen nicht auf einen Ansatz festlegen, denn eine parallele Verfolgung einer Compliance- und Integrity-Strategie schließt sich nicht grundsätzlich aus (Gilbert & Maier, 2018, S. 64).
Herausfordernd für die Durchsetzung eines Compliance- oder Integrity-Ansatzes sind Kontexte, in denen Werte und Normen nicht klar definiert sind. So bewegen sich besonders Großkonzerne heutzutage in heterogenen kulturellen Zusammenhängen und sehen sich dort mit unterschiedlichen Rechtsnormen und Konventionen, sowie unterschiedlichen Wertevorstellungen konfrontiert, denen Unternehmensentscheidungen gerecht werden müssen (Donaldson & Dunfee, 1999 zitiert nach Gilbert & Maier, 2018, S. 68). Eine kontextunabhängige Festlegung auf einen bestimmten Wertekanon und daraus abgeleiteten Handlungsnormen für die Mitarbeitenden bildet diese Komplexität nicht adäquat ab. Offen bleibt zudem die Frage, wie Unternehmen in Bereichen agieren sollen, die weder von externen Instanzen reguliert oder standardisiert noch Gegenstand informell institutionalisierter Werte und Normen sind. Hier besteht die Notwendigkeit eines Verfahrens zur Begründung von Werten und Normen.
Die Diskursethik ist ein theoretisches Konstrukt, um einen solchen Prozess der „moralischen Willensbildung“ (Göbel, 2020, S. 53) zu ermöglichen. Im Folgenden soll die Theorie in ihren Grundzügen vorgestellt werden. Dabei liegt der thematische Schwerpunkt in ihrer Rolle für die Begründung und Anwendung von Werten und Normen. Die Diskursethik geht im Wesentlichen auf die Arbeiten von Jürgen Habermas und Karl Otto Apel zurück. Die Ansätze weisen in einigen Punkte Unterschiede auf, beispielsweise in der Frage, inwiefern die Diskurstheorie einen Anspruch auf Letztbegründung aufweisen darf (Koenig, 2001, S. 163). Da eine detaillierte Betrachtung der Differenzen beider Autoren nicht wesentlich zum Forschungsziel dieser Arbeit beiträgt, beziehen sich die folgenden Ausführungen über die Grundlagen der Diskursethik ausschließlich auf die Ausführungen von Jürgen Habermas.
Der Diskursethik liegt die Annahme zugrunde, dass nur solche Behauptungen gültig sind, die sich gegenüber konträren Ansichten verteidigen lassen (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 19). Dies geschieht kommunikativ, weshalb die Diskursethik wesentlich auf den Gebrauch von Sprache basiert (Hörster et al., 1995, S. 45f). Innerhalb eines solchen sozialen Handelns, charakterisiert durch die zwischenmenschliche Interaktion, wird zwischen zwei unterschiedlichen Typen der Kommunikation unterschieden. Agieren Menschen innerhalb einer Kommunikationssituation aus egoistischen Motiven, also zum Zwecke der persönlichen Vorteilsgewinnung, ist von strategischem Handeln die Rede. Beim kommunikativen Handeln weichen diese persönlichen Motive der Verwirklichung einer intersubjektiven Verständigung (König, 1997). Das Verfahren, in dem durch kommunikatives Handeln Normen begründet werden, stellt für Habermas der Diskurs dar. Als Diskurs bezeichnet er die „durch Argumente gekennzeichnete Form einer Kommunikation, in der problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden“ (Habermas, 1973, S. 130). Dabei ist ein Diskurs zu keinem Zeitpunkt final abgeschlossen, da dies implizieren würde, dass das Diskursergebnis auch gegenüber zukünftigen Teilnehmerinnen Bestand hätte. Dennoch kann sich eine Norm durch einen Diskurs vorläufig als richtig erweisen, muss sichjedoch offen gegenüber Kritik halten, um gegebenenfalls korrigiert werden zu können (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 15).
Zwei Kernsätze verdeutlichen, wie Normen im Diskurs begründet werden können. Ersterer, der diskursethische Grundsatz >D<, weist Parallelen zu Kants kategorischem Imperativ auf, übersetzt diesen aber von einem monologischem in ein dialogisches Verfahren (Seiler, 2014, S. 37). Gemäß >D< kann eine Norm nur dann durch einen Diskurs Gültigkeit erlangen, wenn alle Diskursteilnehmerinnen ihre Zustimmung finden, bzw. finden könnten (Habermas, 1983, S. 103). Wie aber soll diese Zustimmung erfolgen? Dies drückt Habermas durch seinen Universalisierungsgrundsatz >U< aus. Demnach müssen, wenn eine Norm zur Debatte steht, die Diskursteilnehmerinnen die (ersichtlichen oder unersichtlichen) Folgen ihrer allgemeinen Befolgung zwanglos akzeptieren können (ebd.). >U< und >D< können dabei als übergeordnete Regeln für das Gelingen eines Diskurses angesehen werden, welchejedoch in Form von Diskursregeln weiterkonkretisiertwerden (Rose, 2007, S. 14f.).
Die Bedingungen sind Grundlage, damit Normen im Rahmen eines diskursiven Verfahrens „normative Richtigkeit“ (Habermas, 1985, S. 39) zuteil wird. Dies geschieht durch das Erreichen eines diskursiven Konsenses, bei dem alle Teilnehmerinnen, beruhend auf rationalen Argumenten, zu einer Übereinstimmung gelangen (Seiler, 2014, S. 32). Das ausschlaggebende Argument besitzt somit eine „konsenserzielende Kraft“ (Habermas, 1973, S. 252) und die zur Debatte stehende Norm wird als moralisch richtig eingestuft. Ein solcher Zustand kann dann als analog zur Wahrhaftigkeit von Tatsachenbehauptungen angesehen werden (Seiler, 2014, S. 33f.). Analog zu Aussagen über Tatsachen erfahren Normen als Folge dieser diskursiven Einlösung kontextübergreifend Geltung (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 25). Bewusst beschränkt Habermas den Diskurs als Begründungsverfahren zunächst auf moralische Normen (ebd., S. 242). Werte hingegen seien in Ermangelung an Universalisierbarkeit in ihrer Gültigkeit auf den „Horizont der Lebenswelt einer bestimmten Kultur eingegrenzt“ (Habermas, 1985, S. 71). Dennoch ist ein Austausch über Werte in Form von „evaluativen Äußerungen“ (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 22) möglich. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ästhetische Kritik, die in Ermangelung universeller Geltungsansprüche von Werten nicht für einen Diskurs geeignet ist (ebd.).
Die Diskursethik als Verfahren zur Normenbegründung ist somit
- formalistisch, da die Diskursethik nicht inhaltlich Einfluss ausübt, sondern lediglich ein Verfahren zur Prüfung von Inhalten anbietet (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 17),
- prozeduralistisch, da mit dem Diskurs ein spezifisches Verfahren zur Anwendung kommt (ebd.),
- universalistisch, indem sie den Grundsatz verfolgt, dass Normen durch einen im Diskurs entstandenen Konsens universelle Gültigkeit erfahren und sich nicht auf bestimmte Personen oder Kulturen beschränken (Seiler, 2014, S. 32f),
- kognitivistisch, da die im Diskurs begründeten Normen einen wahrheitsanalogen Geltungsanspruch innehaben (Habermas 1983 66f.)
- sowie deontologisch, da sie Normen einen „kategorischen Geltungssinn“ (Ott, 2013, S. 5) attestiert. Jedoch muss betont werden, dass die Diskursethik, ausgedrückt durch den Universalisierungsgrundsatz >U<, auch die Folgen von Handlungen in den Blick nimmt und insofern auch utilitaristische Elemente aufweist (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 16).
Habermas hat drei Kategorien von Diskursregeln formuliert, deren Einhaltung beim Eintritt in den Diskurs unterstellt wird (ebd., S. 20). Logische Regeln sollen gewährleisten, dass die vorgetragenen Argumente frei von Widersprüchen, sowie konstant und eindeutig sind. Dialektische Regeln setzen voraus, dass die Teilnehmerinnen eines Diskurses wahrhaftig argumentieren, also nur Aussagen tätigen, die sie selbst für gültig erachten bzw. Aussagen in Frage stellen, denen sie selbst nicht zustimmen. Rhetorische Regeln als dritte Gruppe setzen die Erfüllung einer „idealen Sprechsituation“ (Habermas, 1973, S. 174) als Voraussetzung für die Teilnahme am Diskurs voraus. Diese wird kontrafaktisch unterstellt. Man tritt demnach in der Erwartung in den Diskurs ein, dass die Argumentationsvoraussetzungen von den Diskursteilnehmerinnen eingehalten werden (Seiler, 2014, S. 32).
Die ideale Sprechsituation setzt sich wiederum aus vier Bedingungen zusammen (Habermas, 1973, S. 255f.). So sollte erstens gewährleistet sein, dassjede Person einen Diskurs eröffnen oder in Form von Fragen oder Argumenten etwas zum Diskurs beitragen kann. Zweitens sollten alle Diskursteilnehmerinnen ihre Argumente begründen und auch von der Möglichkeit der Widerrede Gebrauch machen können, damit die zur Debatte stehenden Thematiken kritisch beleuchtet werden. Drittens wird vorausgesetzt, dass sich die Teilnehmerinnen des Diskurses ehrlich und authentisch verhalten, ihren Aussagen also ihren eigenen Wünschen und Überzeugungen entsprechen. Als letzte Bedingung nennt Habermas, dass keime Diskursteilnehmerin eine privilegierte Stellung innehat, also beispielsweise zum Aussprechen von Verboten oder Forderungen berechtigt ist. Dies bedeutet nicht, dass im Diskurs nicht auch Erwartungen an die Teilnehmerinnen herangetragen werden können, nur dass diese reziprok von allen sowohl gestellt als auch erfüllt werden sollten. Nur so können die dort getroffenen Entscheidungen ohne die Ausübung von Zwängen, also lediglich auf Basis des „zwanglosen Zwangs des besseren Argumentes“ (Habermas, 1992, S. 13) getroffen werden.
Erwähnt sei in diesen Zusammenhang, dass neben Habermas und teilweise an diesen angelehnt, weitere Autorinnen Regeln zum Gelingen eines Diskurses aufgestellt haben (u.a. Böhler & Gronke, 2011). Dabei sind die Regeln zur Ausführung des praktischen Diskurses von Alexy (1978) hervorzuheben, deren Quantität jedoch eine umfassende Ausführung in diesem Kapitel verhindert. Die Ausführlichkeit bewirkt jedoch, dass Alexy in seinen Ausführungen die Aufmerksamkeit auf Themen richtet, die bei Habermas nicht abgedeckt sind, etwa das Auftreten von Verständigungsproblemen (Rose, 2007, S. 31). Insofern werden einzelne Argumente von Alexy im kommenden Kapitel aufgegriffen, welches die Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Diskursregeln thematisiert.
Das Konzept der Diskursethik ist Gegenstand vielseitiger Kritik. Diese schließt sowohl theoretische Aspekte, etwa für die Argumentation getroffene Annahmen, als auch Unzulänglichkeiten bei der praktischen Umsetzung mit ein. Da die vorliegende Arbeit die praktische Umsetzung diskursiver Instrumente thematisiert, soll das Hauptaugenmerk auf letzterer Kategorie liegen. Theoretische Kritikpunkte dagegen werden nur aufgegriffen, wenn diese praktische Probleme zur Folge haben. Darüber hinaus sollte erwähnt werden, dass Habermas durch die Betonung kontrafaktischer Bedingungen für den Diskurs verdeutlicht, dass die von ihm formulierten Diskursregeln lediglich ein Ideal darstellen. Deren Verwirklichung lässt sich lediglich vorläufig einlösen, indem wir beim Diskurseintritt deren Einhaltung unterstellen. Das Garantieren einer im Kern idealen Sprechsituation, und damit einhergehend die Kopplung des Geltungsanspruches eines Diskurses an deren Erreichung, wirdjedoch seitens Habermas nicht mehr postuliert (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 25). Als Folge dessen wirdjedoch eine klare Bestimmung, inwiefern ein Diskurs den Anforderungen eines normenbestimmenden Verfahrens gerecht wird, erschwert (Seiler, 2014, S. 41).
Einen wesentlichen Kritikpunkt stellt die „praktische Unzumutbarkeit“ (Göbel, 2020, S. 56) idealer diskursiver Verfahren dar. So ist die Durchsetzung von Inklusivität und der Möglichkeit der unbeschränkten Einbringung in den Diskurs theoretisch kaum mit der Forderung nach einem Konsens vereinbar, da das uneingeschränkte Erteilen des Wortes an eine große Anzahl an Teilnehmerinnen eine Einigung erschwert. Folglich kann ein Diskurs nie zur gleichen Zeit ideal und konsensorientiert sein (Seiler, 2014, S. 34). Soll das Kriterium des Konsenses erhalten bleiben, geht dies folglich mit der Einschränkung der idealen Sprechsituation einher. Denkbar wären hier etwa Vorgaben zur Größe und Auswahl der Teilnehmerinnen des Diskurses oder die Vorgabe gewisser Strukturen, etwa in Form einer Tagesordnung (Göbel, 2020, S. 57). Doch wer trifft diese, für das Ergebnis des Diskurses gewichtigen Entscheidungen? Der Logik der Diskursethik folgend müssen diese Regeln diskursiv erarbeitet werden (Alexy, 1978, S. 35). Folglich stellt sich die Frage, wer wiederum über die Rahmenbedingungen dieses Diskurses entscheidet. Ähnlich wie beim Münchhausen-Trilemma weist die daraus resultierende Kausalkette einen infiniten Charakter auf. Ein solches „Problem der Normen dritter Stufe“ (Alexy, 1978, S. 29) ist theoretisch nicht lösbar, sondern verdeutlicht vielmehr, dass sich nicht alle Entscheidungen durch Diskurse regeln lassen. Es benötigt übergeordnete Instanzen, die Ziele definieren, Diskursbedingungen festlegen und diese durchsetzen, etwa in Form von Sanktionen (ebd., S. 57).
Zusätzlich entsteht das Problem der zeitlichen Komponente. So sollen Diskurse einerseits zu keinem Zeitpunkt final abgeschlossen sein - schließlich können sich die Bedingungen für den erreichten Konsens jederzeit wieder ändern (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 15). Andererseits ist Zeit für alle Parteien eine begrenzte Ressource (Alexy, 1978, S. 38). Es gilt somit eine Balance zu finden, sodass die Diskurslänge dem möglichen Umfang und der Komplexität einer Thematik gerecht wird und gleichzeitig gewährleistet, dass der Prozess zielführend ist. Hier bedarf es ebenfalls der Festlegung von Rahmenbedingungen, damit der Diskurs als Verfahren operabel bleibt. Erneut wird dabei deutlich, dass kein Diskurs, der auf eine konkrete Entscheidung hinwirken soll, gänzlich ohne Regeln auskommt (ebd., S. 55).
Des Weiteren wird die von Habermas als Kriterium gesetzte „Ernsthaftigkeit und Wahrhaftigkeit“ (Seiler, 2014, S. 35) als realitätsfern postuliert. Schließlich ist eine Diskrepanz zwischen den von Habermas formulierten idealen Diskursbedingungen und den empirisch feststellbaren Umständen diskursiver Prozesse ausmachbar (Schweidler, 2018, S. 58). So können sich Menschen nicht davon freimachen, in Diskursen gewisse Interessen zu verfolgen. Zudem kann es immer wieder zu Situationen kommen, in denen Positionen nicht offen gelegt, sondern zur eigenen Vorteilsgewinnung verändert werden (Göbel, 2020, S. 57). Dies betrifft nicht nur die verfälschte Wiedergabe des eigenen Standpunktes, sondern beinhaltet auch die bewusste Manipulation der Diskursteilnehmerinnen, beispielsweise durch rhetorische Fertigkeiten (Alexy, 1978, S. 55). Als Folge ist die „Überzeugungskraft einleuchtender Gründe“ (Habermas, 2005, S. 89) nicht mehr alleine ausschlaggebend für die Einnahme einer Position im Diskurs. Ein solches strategisches Handeln verfälschtjedoch das Ergebnis und steht im Widerspruch zum von Habermas eingeforderten „herrschaftsfreien Diskurs“ (Habermas, 1985).
Selbst wenn die von Habermas eingeforderten Verfahrensbedingungen umgesetzt werden könnten, treten nach vollzogener Normenbegründung weitere Probleme auf. Schließlich führt die Verkürzung der Diskursethik auf die Begründung von Normen dazu, dass diese für sich betrachtet normative Richtigkeit erfahren, jedoch im Anwendungsfall nicht durchgesetzt werden können (Seiler, 2014, S. 49). So sind Szenarien denkbar, in denen nicht zwei Normen gleichzeitig verwirklicht werden können, selbst wenn diese Normen im Rahmen diskursiv erörtert wurden, etwa im Falle von Dilemma-Situationen.
Habermas hat seine Diskurstheorie immer wieder angepasst und im Zuge dessen einige der im vorangegangenen Kapitel erläuterten Probleme aufgegriffen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass die formulierten Diskursbedingungen dabei mehr und mehr aufgeweicht wurden und sich damit den empirischen Bedingungen von Diskursen angenähert haben (Seiler, 2014, S. 47). Beispielhaft sei hier die nachträgliche Akzeptanz des advokatorischen Diskurses genannt, der Diskursteilnehmerinnen grundsätzlich die Möglichkeit einräumt, sich im diskursiven Prozess von Repräsentantinnen vertreten zu lassen (ebd.). Zudem räumt er die Möglichkeit ein, dass Aussagen im Diskurs für wahr befunden werden, auch wenn die idealen Diskursbedingungen lediglich annähernd erfüllt werden. Habermas begründet dies damit, dass selbst im Falle einer solchen „hinreichenden Annäherung“ (ebd.) „alle verfügbaren Argumente berücksichtigt und alle relevanten Einwände ausgeschöpft werden“ (Habermas, 1998, S. 324). Auch wenn diese Möglichkeit die im Kapitel 2.2.3. aufgeworfenen kritischen Aspekte wie die Verfolgung egoistischer Interessen oder die Notwendigkeit von Rahmenbedingungen nicht explizit adressiert, so kann die Lücke zwischen theoretisch-normativen und empirisch-deskriptiven Diskursbedingungen durch diesen Schritt ein Stück weit geschlossen werden.
Um den Problemen bei der Operationalisierung von im Diskurs begründeten Normen zu begegnen, führte Habermas eine Unterteilung in Begründungs- und Anwendungsdiskurse ein. Durch die Differenzierung kann Situationen begegnet werden, in denen sich beispielsweise zwei im Begründungsdiskurs als geltend befundene Normen gegenseitig ausschließen. Göbel (2020, S. 56) nennt in diesem Zusammenhang das Beispiel der Normen, nicht zu töten sowie nicht zu stehlen, die sich ausschließen, wenn man durch Diebstahl von Lebensrnitteln den Hungertod von sich oder anderen Personen verhindern kann. Ein Anwendungsdiskurs würde in diesem Fall einem Abwägen zwischen beiden Normen gleichkommen. Dabei büßt die in einem solchen Abwägungsfall als zweitrangig erachtete Norm nicht an Gültigkeit ein. Vielmehr zielt Habermas auf die Bildung einer „kohärenten Ordnung“ (Habermas, 2009, S. 204) gültiger Normen ab.
Des Weiteren wurde die trennscharfe Unterscheidung zwischen Werten und Normen aufgeweicht. So wird grundsätzlich die Möglichkeit des diskursiven Austausches über Werte eingeräumt (ebd., S. 361). Zwar spiele der Kontext bei einer solchen ethischen Diskussion nach wie vor eine Rolle. Jedoch können sich auch Menschen außerhalb dieses Kontextes in die Rolle des Adressaten oder der Adressatin hineinversetzen und sind somit zur Ausübung einer Beurteilung fähig, sofern dasselbe Verständnis des zur Debatte stehenden Wertes gegeben ist (Gottschalk-Mazouz, 2014, S. 141). Darüber hinaus räumt Habermas (1992, S. 126) ein, dass in der Moderne eine „universalistische Werteorientierung“ Einzug gehalten hat (Kang, 2009, S. 871). Zudem spricht er von „zentralen Werten, die sich durch ihren universalistischen Geltungsanspruch von anderen Werten unterscheiden“ (Putnam, 2002, S. 296). Ausschlaggebend für diese Universalisierbarkeit ist, inwiefern Werte nur für einen bestimmten kulturellen Kontext oder allgemein erstrebenswert sind (Ott, 2013, S. 7). Dennoch bleibt eine Form der Diskrepanz zwischen Werten und Normen bei Habermas erhalten. So bleibt Werten der Geltungsanspruch auf normative Richtigkeit weiterhin verwehrt. Analog wird ihnen der Geltungsanspruch der Authentizität zugesprochen (Habermas, 2009, S. 334).
Die vorliegende Arbeit orientiert sich im weiteren Verlauf an dieser Erkenntnis von Habermas und unterstellt Werten die Möglichkeit der Universalisierbarkeit. Somit wird auch die Möglichkeit einer Wertebegründung durch das Verfahren des Diskurses eingeräumt. Gleichzeitig soll Habermas Einwand, wonach die Gültigkeit einiger Werte auf lokale Kontexte beschränkt ist, im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder aufgegriffen werden.
In ihren Grundsätzen entwickelte Habermas die Diskursethik als eine politische Ethik (Seiler, 2014, S. 45). So können seine Vorstellungen einer deliberativen Demokratie im Wesentlichen als die praktische Anwendung der Diskursethik auf der Makroebene interpretiert werden (Reese-Schäfer, 2018, S. 11). Gleichzeitig gibt es auf der Mesoebene von Organisationen eine Reihe von Arbeiten, die auf das Potential diskursiver Verfahren, besonders im Kontext der Unternehmensethik, verweisen (u.a. Remisovâ et al., 2019; Schmidt, 2008). Folglich wird auch im Bereich der Untemehmensethik immer mehr Bezug auf diskursethische Überlegungen genommen (u.a. Koenig, 2001; Schnebel, 2000; Ulrich, 1996).
In diesem Zusammenhang spielt das Feld der „Political CSR“ (Scherer & Palazzo, 2011) eine gewichtige Rolle, das sich mit der Verantwortung multinational agierender Unternehmen auseinandersetzt. Diese Unternehmen sehen sich vermehrt mit komplexen und dynamischen Problemen konfrontiert, die Wertekonflikte zwischen verschiedenen Stakeholdern zur Folge haben (Dentoni, Bitzer & Schouten (2018) sprechen in diesem Zusammenhang von „Wicked Problems“). Vor dem Hintergrund der globalisierten Welt untersucht die Political CSR Möglichkeiten von Organisationen, unter Miteinbeziehung der Zivilgesellschaft selbstregulatorische Govemance-Prozesse zu initiieren und somit Aufgaben wahrzunehmen, die bislang dem Staat vorenthalten waren (Scherer & Palazzo, 2011, S. 901). Wie kommt in diesem Zusammenhang die Diskursethik ins Spiel?
Für die Umsetzung wird vermehrt vom Instrument des Stakeholderdialogs Gebrauch gemacht, welches sich durch eine bilaterale Kommunikation zwischen einem Unternehmen und ihren Stakeholdern über die Geschäftspraktiken eines Unternehmens, häufig im Rahmen eines organisierten Zusammentreffens, auszeichnet (Dentoni et al., 2018, S. 6). Durch die Inklusion verschiedener Gruppen in den Entscheidungsprozess werden verschiedene Perspektiven auf eine Thematik deutlich. Gerade für Unternehmen, deren Handeln auf mehreren kulturellen Kontexten wirkt, kann dies zur Akzeptanz von Entscheidungen beitragen (Gilbert & Maier, 2018, S. 73). Die Verknüpfung mit der Diskursethik findet somit im Zuge der Ausgestaltung dieser Stakeholderdialoge statt, indem auf diskursethische Prinzipien Bezug genommen wird.
Mit der agnostischen Deliberation wurde innerhalb der Political CSR ein Ansatz entwickelt, der Kritik an der Diskursethik, insbesondere die schwer zu realisierende Konsensorientierung und das wiederum schwer zu vermeidende strategische Entscheiden im Rahmen von Stakeholderdialogen, aufgreift (Brand et al., 2020). Die Autoren stellen infrage, ob ein Konsens in diesem Kontext erstrebenswert ist (ebd., S. 11). Zudem wird für die Verwendung von strategischer Kommunikation, welche sowohl im Kontext diskursethischer Theorie (Ott, 2017, S. 4) als auch im Anwendungsfall in der Kritik steht (Brand et al., 2020, S. 5f.), als probates Mittel in Stakeholderholderdialogen argumentiert.
Anlass ihrer Argumentation ist die Beobachtung, dass Unternehmen in einem kompetitiven Markt operieren und sich im Zuge dessen insofern profitorientiert verhalten, als dass sie damit ihr Fortbestehen auf ebendiesem Markt sicherstellen (ebd., S. 12). Die Übernahme sozialer Verantwortung wird durch diesen Umstand nicht in Gänze verunmöglicht, ist jedoch dahingehend eingeschränkt, als dass Unternehmen profitabel bleiben müssen (ebd.). Die Diskrepanz zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen an Unternehmen an eben diese Übernahme sozialer Verantwortung und deren tatsächlichem Handeln führt zur Existenz von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Zu deren Aufgaben gehört es, auf diese Verfehlungen hinzuweisen (ebd., S.13). Somit ist der Beziehung zwischen Unternehmen und NGOs ein gewisser Widerspruch bezüglich ihrer Zielsetzungen inhärent (ebd., S. 14). Eine Konsensorientierung und das damit einhergehende Zurückstellen der eigenen Interessen würde diesen Widerspruch jedoch nicht angemessen berücksichtigen. Ebenso wenig wie Unternehmen aus existentiellen Gründen ihre Profitorientierung aufgeben können, können NGOs ihre kritische Auseinandersetzung mit Unternehmen zurückstellen, zumal deren Finanzierung durch Spenden oder Mitgliederbeiträge oftmals von dieser Rolle als kritische Instanz abhängt. Somit kann eine Festlegung auf einen Konsens als einzig erstrebenswertes Ergebnis eines Stakeholderdialogs problematisch sein. Dies trifft besonders auf Fragestellungen zu, die den Kern des Geschäftsmodels eines Unternehmens respektive die Vision einerNGO tangieren (ebd., S. 14f).
Die agnostische Deliberation als Gegenkonzept erkennt die gegensätzlichen Ziele beider Parteien nicht nur an, sondern hält einen Dissens sogar für erstrebenswert (ebd., S. 16). Anstelle der Communicative Action tritt die deliberative Verhandlung (Warren et al., 2013), welche sich dadurch auszeichnet, dass unter der Bedingung gegenseitiger Anerkennung und Respektierens konträrer Positionen die eigenen Forderungen vorgetragen werden. Dabei wird das Begründen der eigenen Position und der Absicht auf gegenseitige Verständigung als zentrale deliberative Norm gesehen, um ein für beide Seiten akzeptables, verbindliches Abkommen zu erreichen (Brand et al., 2020, S. 17). Im Gegensatz zum Grundgedanken der Diskursethik sind in diesem Prozess das Handeln aus Eigeninteresse ebenso das Eingehen eines Kompromisses, bei dem alle Seiten im Sinne der Verbesserung des Status Quo Zugeständnisse machen, als legitime Mittel akzeptiert (ebd., S. 21).
Das Konzept der agnostischen Deliberation ist im Zusammenhang mit Stakeholderdialogen aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Zunächst wird durch das Aufklaren der unterschiedlichen Positionen der Konflikt als solcher sichtbarer, was auch das gesellschaftliche Bewusstsein für mit unternehmerischen Handeln einhergehende Missstände verstärken kann (Mouffe, 2011). Darüber kann der Ansatz gerade bei Problemen, die durch dynamische Umstände charakterisiert sind (z.B. im Fall von Wicked Problems) von Vorteil sein, da beide Seiten leichter ihre Position an diese neuen Umstände anpassen können. Zuletzt macht die agnostische Deliberation eher auf Machtasymmetrien aufmerksam, als dies bei konsensorientierten Stakeholderdialogen der Fall ist (Brand etal., 2020, S. 18).
Die vergangenen Kapitel haben den Stellenwert von Werten und Normen für Entscheidungen im Bereich der Unternehmensethik aufgezeigt. Besonders externe Instanzen wie gesetzliche Rahmenbedingungen oder Soft-Governance-Mechanismen wie Standards unterstützen Unternehmen dabei, gesellschaftliche Erwartungen in konkrete Handlungen zu übersetzen. Sollten Unternehmenjedoch in Bereichen agieren, die nicht Gegenstand von Regulierung, Standardisierung oder anderen orientierungsgebenden Instanzen sind, müssen Werte und Normen selbst erarbeitet und auf ihre Geltung hin überprüft werden. Die Diskursethik definiert die Bedingungen, wie dies durch das Verfahren des Diskurses umgesetzt werden kann. Die Erkenntnisse lassen sich auf das Feld der Unternehmensethik übertragen, indem Instrumente zur Erarbeitung von Werten und Normen gemäß der Diskursbedingungen ausgestaltet werden. Die Verwirklichung eines „idealen“ Diskurses stellt dabei keine notwendige Voraussetzung einer erfolgreichen Umsetzung dar. Vielmehr sollen die formulierten Bedingungen darauf aufmerksam machen, welche Hürden das Ergebnis diskursiver Verfahren potenziell verfälschen können und welchen Aspekten bei der Ausgestaltung der Instrumente eine besondere Aufmerksamkeit zuteilwerden soll.
Mit der Kl-Ethik soll in dieser Arbeit ein Feld erläutert werden, das noch in geringem Maße reguliert bzw. standardisiert ist. Für Unternehmen, die sich kritisch mit den eigenen algorithmusbasierten Prozessen auseinandersetzen wollen, werden Ansätze zur Erarbeitung eigener Werte und Normen für diese Bereiche umso bedeutender. Jedoch muss ein Instrument nicht nur Erkenntnissen aus der Diskursethik, sondern auch den besonderen Charakteristika des Anwendungsbereiches gerecht werden. Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit das Feld der Kl-Ethik systematisch erfasst, um die dort gewonnen Erkenntnisse für die Ausgestaltung des Instrumentariums verwenden zu können. Im folgenden Kapitel wird ausgeführt, wie diese systematische Erarbeitung vollzogen wird.
Die Arbeit folgt einem literaturbasierten Ansatz. Mithilfe von wissenschaftlichen Quellen aus den Bereichen der Unternehmens- und Diskursethik sowie der digitalen Ethik, soll beleuchtet werden, inwiefern und unter welchen Bedingungen bestimmte diskursive Instrumente für den Einsatz im Bereich der Kl-Ethik geeignet sind. Nach den Ausführungen zur Unternehmens- und Diskursethik im vorangegangenen Kapitel soll nun das Feld der Kl-Ethik definiert und thematisch eingegrenzt werden. Hierzu wird auch das Feld der Corporate Digital Responsibility (CDR) beleuchtet, das u.a. die Kl- Ethik beinhaltet. Betrachtet wurden dabei lediglich Informationen, die sich auf das Feld der CDR als Ganzes beziehen und sich somit auch auf die Kl-Ethik anwenden lassen. Somit wird der thematische Fokus auf die ethische Dimension von Kl-Prozessen gewahrt und gleichzeitig wichtige Beiträge aus der CDR berücksichtigt.
Hierfür wird eine Narrative Review durchgeführt. Bewusst fiel die Wahl auf dieses informelle Format, um flexibel auf neu gewonnene Erkenntnisse aus der Literatursichtung reagieren und die Suche auf weitere Themenfelder ausweiten zu können (Xiao & Watson, 2019, S. 95). Für die Erfassung des Themas wurde die Narrative Review durch Elemente einer Systematic Literature Review (SLR) ergänzt. Hierbei wird systematisch und unter präzisen, vordefmierten Kriterien nach Literatur zu einem bestimmten Thema gesucht und im Anschluss ausgewertet (Parris & Peachey, 2013, S. 4; Rother, 2007). Durch die systematische Literaturrecherche kann das Risiko verringert werden, dass die Ergebnisse einem für Narrative Reviews typischen Subjectivity Bias unterliegen, da die Auswahl der Literatur objektiven Kriterien folgt und nachvollziehbar ist (Xiao & Watson, 2019, S. 95). Bei der vorliegenden Arbeit wurde lediglich die Literatursammlung systematisch durchgeführt, um zu gewährleisten, dass der Forschungsstand allumfassend wiedergegeben wurde. Auf die für SLRs charakteristische, anschließende Auswertung der Literatur in Form einer Datenextraktion, Kodierung oder Meta-Analyse der vorgefundenen Literatur wurde verzichtet, da diese für die Fragestellung dieser Arbeit als nicht zielführend erachtet wurde. Diesist auf zwei Gründe zurückzuführen.
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