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Bachelorarbeit, 2021
55 Seiten, Note: 1.0
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Allgemeine Klassifikation von Depression
3 Neurowissenschaftliche Grundlagen
3.1 Funktionsprinzip des Nevensystems
3.1.1 Gehirn
3.1.2 Neuron
3.1.3 Synapsen
3.2 Neurobiologische Mechanismen
3.2.1 Neurotransmitter und Rezeptoren
3.2.2 Das glutamaterge System
3.2.2.1 NMDA-Rezeptor
3.2.3 GABA
3.3 Neuronale Grundlagen der Depression
3.3.1 Monoamin-Mangel-Hypothese
3.3.2 Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achsen (HPA-Achse) System Störung
3.3.3 Neurodegenerationshypothese
4 Pharmakologische Klassifikation von Antidepressiva
4.1 Wirkung von Antidepressiva
4.2 Wirklatenz und unerwünschte Wirkungen
5 Pharmakologische Eigenschaften von Ketamin
5.1 Grundsätzliches
5.2 Klinische Wirkung - Ketamin als Antidepressivum
5.3 Molekulare Wirkfaktoren
5.4 Ketamin - in der Behandlung der TRD
5.5 Aktuelle Studienlage
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Die Abbildungen 2, 3, 6, 10, 11 und 13 wurden aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Informationsverarbeitung
Abb. 2: Basale Ansicht des Gehirns
Abb. 3: Synaptische Signalübertragung
Abb. 4: Ausschüttung von Glutamat
Abb. 5: Dopaminerges System
Abb. 6: Zusammenhang zwischen antidepressiver Medikation und Besserung der Symptome 17
Abb. 7: HPA-Achse
Abb. 8: Die ausgelöste neuronale Atrophie
Abb. 9: Wirkung von Antidepressiva im Synaptischen Spalt
Abb. 10: Behandlungsverlauf
Abb. 11: Zelluläre Mechanismen der antidepressiven Wirkung von Ketamin
Abb. 12: Die Konfokale Mikroskop Aufnahme von markierten Schicht-V- Pyramiden-Neuronen im medialen Präfrontalen Cortex
Abb. 13: Die Bindung an TRKB
Tab. 1: Kriterien zur Auswahl eines Antidepressivums
Tab. 2: Die an der antidepressiven Wirkung von Ketamin beteiligten Angriffspunkte
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist die Depression eine weit verbreitete psychische Störung, die 5% der Erwachsenen weltweit betrifft. Eine therapieresistente Depression (TRD) bezeichnet das Nichtansprechen auf mehr als zwei Therapieversuche mit Antidepressiva und tritt bei etwa 10-30% aller Patienten mit schweren depressiven Störungen auf. (Schosser et al., 2012; Balestri et al., 2016) Zudem ist die behandlungsresistente Depression mit einem höheren Suizidrisiko, hohen Rückfallraten und einer großen sozio-ökonomischen Belastung für die Patienten selbst verbunden. (Schosser et al., 2012; Mrazek et al., 2014; Kautzky et al., 2015) Entsprechend den aktuellen Leitlinien gehören zu den medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen die herkömmlichen Antidepressiva. (Nuninga et al., 2020)
Auf der Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten hat sich das Medikament „S- Ketamin“ als vielversprechend erwiesen. Die jüngste Entdeckung, dass eine einmalige intravenöse Infusion von Ketamin in einer subanästhetischen Dosis bei Personen mit behandlungsresistenten Depressionen robuste, schnelle und anhaltende antidepressive Wirkungen aufweist, hat das Potenzial, die Therapie der Depression zu revolutionieren. Allerdings scheinen die genauen molekularen und zellulären Mechanismen, die der antidepressiven Wirkung zugrunde liegen, noch erforscht zu werden.
„Mit der Entwicklung der Molekularbiologie nähern wir uns heute neuen Modellen an, (...) die entwicklungsgeschichtliche Aspekte zur Depressionsgenese zu integrieren versuchen.“ (Imboden et al., 2013)
Damit sind in erster Linie bereits zwei wichtige Themen dieser Arbeit genannt. Ich habe mich dafür entschieden, die Verringerung der depressiven Symptome nach einer Ketamin-Zugabe, in Zusammenhang mit einer Reihe von neurobiologischen Faktoren zu untersuchen. In der vorliegenden Bachelor Thesis handelt es sich um eine Übersichtsarbeit, die den aktuellen Stand zu Ketamin als Antidepressivum in der Wissenschaft mittels Primär- und Sekundärliteratur objektiv darstellen soll. Inzwischen gibt es zahlreiche Publikationen und Metaanalysen zu Ketamin. Ziel ist es, einen Überblick zu dem aktuellen Forschungsstand in Bezug auf die Depression zu geben. Als Quellen dienen Zeitschriften, Rezensionen und Studien, um möglichst sachgerechte Aussagen auf aktuellem Stand der Wissenschaft treffen können. Hierbei wird in erster Linie mit “Pubmed“ gearbeitet. Zunächst folgt eine allgemeine Einführung in die Thematik der Depression.
Im ersten Teil der Bachelorthesis werden die neurowissenschaftlichen Grundlagen vorgestellt, wobei zunächst auf die Struktur und Funktion des menschlichen Gehirns eingegangen wird. Als zentrale Signalverarbeitungseinheit des Gehirns werden Neurone, Synapsen und Neurotransmitter thematisiert. Es folgt somit ein Überblick über einige Grundlagen der Neuroanatomie, der biochemischen und der funktionellen Strukturen der physiologischen Neurotransmitter. Daraufhin wird die Depression aus molekularbiologischer Sicht erklärt.
Im zweiten Teil der Bachelorthesis werde ich sowohl auf zellulärer als auch auf molekularer Ebene untersuchen, was Ketamin von den herkömmlichen Antidepressiva unterscheidet. Aufgrund der aktuellen Relevanz von Ketamin, nicht nur als Anästhetikum und Analgetikum, sondern auch als Antidepressiva geht es in dieser Arbeit hauptsächlich darum, sich Kenntnisse über die neurobiochemischen Wirkungen der antidepressiven Substanz anzuschauen, bei denen Neurotransmitter- und Rezeptor-Veränderungen im Mittelpunkt stehen. Es muss jedoch bedacht werden, dass eine detaillierte Ausarbeitung sämtlicher Gesichtspunkte des Themas den Rahmen der Bachelorthesis sprengen würde. Dementsprechend widmet sich die Arbeit nur kurz den Wirkungsweisen von herkömmlichen Antidepressiva, liefert einen kurzen Überblick über den klinischen Nutzen von Ketamin bzw. die jüngsten Erkenntnisse über seinen Wirkmechanismus als Antidepressivum und untersucht die Mechanismen, die der schnellen antidepressiven Wirkung von Ketamin zugrunde liegen. In einem abschließenden Fazit werden die Ergebnisse der Analysen zum eingangs formulierten Untersuchungsthema diskutiert.
Depressive Störungen (Major Depressive Disorder, MDD ) sind eine weit verbreitete Erkrankung, die den Einzelnen in vielen Lebensbereichen beeinträchtigt. Die Belastung liegt nicht nur bei den Betroffenen selbst, sondern erstreckt sich auch auf große gesellschaftliche Aspekte, wie Gesundheitskosten und Fehlzeiten am Arbeitsplatz. (American Psychiatric Association, 2013, S. 4) In Deutschland wird die Wahrscheinlichkeit für Erwachsene, einmal in ihrem Leben an einer Depression zu erkranken, auf 17.1% geschätzt. (Jacobi et al., 2004)
Zu den typischen Merkmalen einer Depression gehören gedrückte Stimmung, verminderter Antrieb, verminderte Aktivität, Freude, Interesse und Konzentration (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2019). Durch die charakteristischen Beeinträchtigungen der emotionalen Stimmung wird die Depression in der derzeit zur Diagnose verwendeten Ausgabe der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD-10: WHO, 1993) als affektive Störung eingestuft. Für eine klinisch bedeutsame Diagnose von depressiven Episoden müssen diese Symptome mindestens zwei Wochen andauern und das alltägliche Leben einschränken. (Beesdo-Baum & Wittchen, 2011) Neben den bereits genannten Kriterien beschreibt die deutsche Modifikation der ICD-10 in der Version 2020 weitere Hinweise auf das Bestehen einer Depression. So tragen beispielsweise Schlafstörungen, Appetitveränderungen, Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls, und bei schweren Verläufen auch vermehrte Suizidgedanken und -handlungen häufig zur Störung bei.
Es wird zwischen leichten (F32.0), mittelschweren (F32.1) und schweren (F32.2) depressiven Episoden unterschieden (Beesdo-Baum & Wittchen, 2011). Nach den aktuellen Leitlinien gehören zu den medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Noradrenalin- Wiederaufnahme Hemmer (SNRI), Monoaminoxidase-Hemmer (MAOI) und trizyklische Antidepressiva (TZA). Auch Psychotherapie und Elektrokonvulsionstherapie werden eingesetzt. Bei einigen Patienten führt die Behandlung mit diesen konventionellen Therapien jedoch nicht zu einer Remission. Dieser Zustand wird als TRD bezeichnet, die bei Patienten, die wegen MDD behandelt werden, eine Prävalenz von 30-50% aufweist. Diese hohe Zahl und der Schweregrad der Erkrankung spiegeln sich zum Teil in der Tatsache wider, dass Berichten zufolge 30% der mit TRD diagnostizierten Patienten mindestens einmal in ihrem Leben einen Selbstmordversuch unternommen haben. (Nuninga et al., 2020; Bergfeld, 2018; Mrazek et al., 2014 )
Die Entstehung von psychischen Störungen, wie z. B. Depressionen, beruht immer auf einem multifaktoriellen Prozess. Biologische (z. B. genetische Veranlagung), psychologische (z. B. kognitive Defizite) und soziale (z. B. Arbeitslosigkeit, Beziehungsprobleme) Faktoren wirken zusammen. Bislang gibt es keine einheitliche, empirisch gestützte Theorie sondern nur Hypothesen zur Entstehung von Depressionen. (Hans-Ulrich Wittchen, 2010, S. 14)
Um zu verstehen, wie wir Menschen denken, fühlen und handeln und inwieweit unsere Fähigkeiten therapeutisch beeinflusst werden können, ist ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise des Nervensystems wichtig, daher liegt der Schwerpunkt der Arbeit auf neurobiologischen Faktoren und Mechanismen. Zunächst wird ein Überblick über einige Grundlagen der Neuroanatomie, der biochemischen und anschließend der funktionellen Strukturen der physiologischen Neurotransmitter gegeben.
Das zentrale Nervensystem (ZNS) umfasst Gehirn und Rückenmark, die miteinander verbunden sind. Die Aufgaben des ZNS sind so vielseitig und bis heute immer noch nicht vollkommen verstanden. Neben dem ZNS gibt es auch ein peripheres Nervensystem (PNS). Dieses unterscheidet sich lediglich topologisch vom ZNS. Auf funktioneller Ebene lässt sich das somatische vom vegetativen Nervensystem unterscheiden. Das erste ist für die Steuerung der Willkürmotorik zuständig und verarbeitet zudem bewusst die Sinneswahrnehmung. Im Gegenzug dazu reguliert das vegetative Nervensystem unbewusst die Funktion innerer Organe und damit lebenswichtiger Vorgänge, wie z. B. Verdauung oder Blutdruckregulation. Grundlegend ist das Nervensystem für die informationsverarbeitenden Prozesse, die in den neuronalen Netzwerken ablaufen, zuständig. (Campbell, 2019, 1432-1433; Trepel, 2017, S. 1-2)
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Abb. 1: Informationsverarbeitung. Sinnesreize werden über ein Sinnesorgan aus der Umwelt aufgenommen und an das ZNS weitergeleitet. Die Information wird im Gehirn verarbeitet und über das PNS an den Effektor (Muskel) weitergegeben. (Campbell, 2019, S. 1433)
Die Nervenfasern werden wegen ihrer Funktion in Afferenzen und Efferenzen gegliedert. Afferente Neurone leiten die Information von der Peripherie des Körpers zum ZNS, efferente Neurone hingegen leiten die Information aus dem ZNS in die Peripherie. (Gay et al., 2005, S. 612)
Bevor es zu einem Überblick des Nervensystems sowie den Mechanismen der Informationsübertragung übergeht, sollen im Folgenden die Anatomie und Funktionalität der wichtigsten zentralnervösen Strukturen vorgestellt werden.
Das Gehirn lässt sich aus morphologischen, entwicklungsgeschichtlichen und funktionellen Anhaltspunkten (siehe Abb. 2) in sechs Abschnitte gliedern: Großhirn (Telencephalon), Zwischenhirn (Diencephalon), verlängertes Mark (Medulla oblongata), Brücke (Pons), Mittelhirn (Mesencephalon) und Kleinhirn (Cerebellum). (Amboss, 2017; Trepel, 2017: 118-119)
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Abb. 2: Basale Ansicht des Gehirns. Die Einzelne Teile des Großhirns (=Telencephalon), des Hirnstamms (Mesencephalon, Pons und Medulla oblongata), sowie des Zwischenhirns und des Kleinhirns sind farbig markiert. (Amboss, 2017)
Das Großhirn besteht aus vielen Milliarden Nervenzellen. Hier liegen das Bewusstsein und die kognitiven Fähigkeiten, wie Sprache, Somatosensorik, Emotionen, Gedächtnis sowie die Planung und Durchführung von Bewegungsabläufen. Zudem setzt es sich aus den beiden Großhirnhälften zusammen, die über einen Rindenanteil (Cortex) vergügen (sog. subkortikale Zentren). Zu den subkortikalen Zentren gehören zum einen die Basalganglien, die Amygdala (Mandelkern) und der Hippocampus. (Beck et al., 2017, S. 36-37; Reich, 2005, S. 32)
Basalganglien befinden sich in der Nähe des Thalamus und stellen im vorderen Bereich eine wichtige Struktur des Belohnungssystems dar. (Gluck et al., 2010, S. 49)
Die Amygdala liegt im anterioren Gyrus temporalis (Gluck et al., 2010, S. 50) und ist über Verbindungen mit Hypothalamus und Hirnstamm an der euroendokrinen und behavioralen Stess- und Angstreaktion beteiligt. Sie besitzt die Funktion, Informationen mit Emotionen zu verknüpfen und bestimmt, welche Inhalte im Gedächtnis festgehalten werden (Meinhardt et al., 2019, S. 90).
Der Hippocampus bildet zusammen mit der Amygdala die wichtigsten Komponenten des limbischen Systems („Belohnungsystem“) und verfügt über deklarative Gedächtnisaufgaben._Der Hippocampus ist von großer Relevanz für die Speicherung von Informationen im Langzeitgedächtnis. (Kirschbaum et al. 2020; S. 221, Kullmann et al. 2005, S. 17)
Das Zwischenhirn wird in fünf Areale eingeteilt. Der Thalamus wird „Tor zum Bewusstsein“ genannt, denn er ist die zentrale Schnittstelle für alle Informationen von der Peripherie bis zum Großhirn. Der Hypothalamus ist das oberste Regulationsorgan des vegetativen sowie endokrinen Systems und wirkt unabhängig vom Gehirn. Der Hypothalamus steuert somit die Freisetzung von Hormonen aus der vorderen und hinteren Hypophyse. (Kirschbaum et al., 2020, S. 220) Unterhalb des Thalamus liegt der Subthalamus. Die Kerne des Subthalamus gehören zu den Basalganglien und sind Teil des motorischen Systems. Der Metathalamus setzt sich aus zwei paarigen „Kniehöckern“ (Corpora geniculata) zusammen, welche die Bestandteile der Seh- und Hörbahn sind. Der Epithalamus ist für wichtige Aufgaben, wie der Regulation des zirkadianen Rhythmus und der Verschaltung sensorischer Informationen, zuständig. (Bear et al., 2018, S. 562; Amboss, 2017)
Der Hirnstamm besteht aus drei Strukturen, und zwar dem verlängerten Mark (lat. Medulla oblongata), der Brücke (lat. Pons) und dem Mittelhirn (lat. Mesencephalon). Alle Bahnen des ZNS durchlaufen den Hirnstamm. Somit stellt er ein wichtiges Regulationszentrum des Gehirns dar. Die Bahnen und Kerngebiete im Mesencephalon und im Pons übernehmen bei der Steuerung und Planung von Bewegungen eine wichtige Rolle. Die Bahnen und Kerngebiete der Medulla oblongata gehören nicht nur zum motorischen Teil, sondern sind auch Teil des sensiblen und sensorischen Systems (Hörbahnen, Berührungsempfindung, etc.). Die Formatio seticularis, ein Netzwerk aus Nervenzellen, liegt über dem Hirnstamm und ist das Zentrum lebenswichtiger Funktionen, wie das Atem-, Kreislauf-, Aufmerksamkeits- und Brechzentrum. (Trepel 2017, S. 107; Amboss, 2017)
Das Kleinhirn spielt in der Gleichgewichtskontrolle eine zentrale Rolle. Es wird anatomisch in die beiden Kleinhirnhemisphären und den Kleinhirnwurm eingeteilt. In der Kleinhirnrinde werden Informationen verarbeitet, im Kleinhirnkern integriert und für die Ansteuerung der Efferenzen dargestellt. (Amboss, 2017)
Die Grundlage des zentralen und peripheren Nervensystems bildet das Nervengewebe. Es besteht aus Nervenzellen (auch Neurone genannt) und Gliazellen. Diese können je nach Systemzugehörigkeit und Funktion unterschiedlich aufgebaut sein. Die Neurone sind für die Informationsaufnahme und -weiterleitung an Zielorgane zuständig. (Menche et al., 2016, S. 129)
In der Regel besitzen Neurone einen Zellkörper, der für den Stoffwechsel und für die Funktion der Reizweiterleitung und Reizübertragung zuständig ist. Der Zellkörper wird auch „Soma“ genannt und enthält ein Cytoplasma, einen Zellkern (Nucleus mit DNA) sowie weitere wichtige Zellorganellen, wie Mitochondrien, raues und glattes endoplasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat und Ribosomen. Neben dem Zellkörper besteht ein Neuron aus einem oder mehreren Fortsätzen. Diese werden in Dendriten und Axon unterteilt. Die Dendriten bilden den afferenten und das Axon den efferenten Teil eines Neurons. Auf der Oberfläche der Dendriten befinden sich diverse Ausstülpungen der Zellmembran, die sogennanten „Spines“, welche die rezeptiven Stukturen der Nervenzelle darstellen. Das Axon ist für die Weiterleitung von Informationen, in Form von Aktionspotenzialen innerhalb der Nervenzelle verantwortlich. (Folta-Schoofs & Ostermann, 2019, S. 68-69; Trepel et al., 2017, S. 2; Menche et al., 2016, S. 131)
Die Zellmembran von Neuronen besteht aus einer Lipiddoppelschicht. Die darin enthaltenen Membranproteine werden im Soma produziert. Diese sind für die Bildung von Ionenkanälen zuständig und stellen Rezeptoren für Transmittermoleküle dar. Somit verfügt die Zellmembran vom Soma und Dendriten über eine Menge von axosomatischen oder axodendritischen Synapsen, die für die Informationsaufnahme zuständig sind. (Gay et al., 2005, S. 613)
Die aufgenommenen Informationen werden nicht nur innerhalb einer einzelnen Nervenzelle weitergegeben, sondern über eine Kontaktstelle zwischen Dendriten und Axonterminale, die sog. „Synapse“. Grundsätzlich wird zwischen chemischen und elektrischen Synapsen differenziert, wobei der menschliche Körper zum größten Teil chemische Synapsen besitzt. Das Funktionsprinzip der Signalübertragung an den chemischen Synapsen erfolgt mithilfe eines Botenstoffes, sog. „Neurotransmitter“. (Menche, 2016, S. 131) Eine Synapse besteht aus einem synaptischen Spalt und der prä- sowie postsynaptischen Membran. An der präsynaptischen Verdichtungszone befinden sich zahlreiche Vesikel, die einen Transmitter beinhalten. Die Transmitterfreisetzung erfolgt via Exozytose. (Beck et al., 2017, S.94-95; Thieme)
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Abb. 3: Synaptische Signalübertragung. Der rote Pfeil markiert die Richtung, in der die Erregung übertragen wird. Innerhalb des Axons erfolgt die Erregungsübertragung elektrisch und über den synaptischen Spalt ist die Erregungsübertragung chemisch. (Thieme)
Die Synapsen sind Modulatoren und Integratoren von Nervenimpulsen. Abhängig von der Stärke des Impulses, der Art des Neurotransmitters und der postsynaptischen Rezeptoren besteht die Möglichkeit, dass ein Signal synaptisch verstärkt, reduziert oder unverändert auf das Folgeneuron wirkt. (Nicoll, 1990; Hucho, 1982)
Die Ausschüttung chemischer Botenstoffe aus dem präsynaptischen Neuron kann in geringer oder in zu großer Menge erfolgen. Folglich kann eine Inaktivierung der einzelnen Botenstoffe gestört sein oder Veränderungen an posytsynaptischen Rezeptoren und der nachgeschalteten Signaltransduktion vorliegen. Diese Fehlfunktion und die damit einhergehende veränderte synaptische Übertragung führt auf zahlreiche psychische Störungen zurück. (Köhler et al., 2020, S. 255)
Für die Definition einer Substanz als Neurotransmitter folgt eine Liste an Kriterien (Beckmann & Osterheider, 1991, S. 5):
1. Lokalisation: D. h. das Molekül muss in dem betreffenden präsynaptischen Neuron in erhöhter Konzentration vorliegen. Hierzu gehören spezifische Enzyme, die für die Synthese, für den Abbau und für die Wiederaufnahme in die Zelle sowie für die synaptische Freisetzung der Neurotransmitter zuständig sind.
2. Freisetzung: D. h. das Molekül muss durch Reizung des Neurons aus der präsynaptischen Zelle in den synaptischen Spalt freigesetzt werden.
3. Mimikry: D. h. das Molekül muss sowohl bei physiologischer als auch bei pharmakologischer Wirkung dieselbe Reaktion in der postsynaptischen Zelle auslösen.
Neurotransmitter sind lipophob und können nicht die Zellmembran durchdringen. Daher existieren Proteinuntereinheiten mit charakteristischen Mustern von Transmembransegmenten, die ionenselektive Poren (sog. „Rezeptoren“) bilden (Pape, 2019, S. 116). Die Transmembranproteine besitzen extrazelluläre Bindungsstellen, an die Neurotransmitter andocken und durch Konformationsänderung die Aktivität des Neurons beeinflussen. Diese werden unterteilt in ionotrope und metabotrope Rezeptoren. (Roth, et al., 2020, S. 67) Ionotrope Rezeptoren sind transmitterabhängige Ionenkanäle und in diverse Untereinheiten (Transmembranproteine) gegliedert. Es existieren modulatorische Bindungsstellen, die Einfluss auf die Konformation einzelner Untereinheiten oder des ganzen Kanals haben. Die funktionellen Folgen dieses Vorgangs hängen von der Ionendurchlässigkeit ab, die sterisch oder elektrostatisch erlaubt bzw. verhindert wird und eine Öffnung des Ionenkanals verursacht. Je nach Selektivität des Kanals wird grundlegend ein erregendes (d. h. die Nervenzelle wird in Richtung auf die Schwelle zu einem Aktionspotenzial depolarisiert) oder hemmendes (d. h. die Membranspannung wird negativer) Signal erzeugt. Metabotrope Rezeptoren sind Ionenkanäle, dessen Wirkung über ein G-Protein und ein nachgeschaltetes Second-Messenger-System erfolgt. Es wird eine chemische Signalkaskade ausgelöst, an der GTP-spaltende Proteine, Phosphokinase und andere Enzyme beteiligt sind. Die Wirkung des aktivierten G-Proteins auf die nachgeschalteten Second-Messenger- Systeme kann stimulierend (Gs-Proteine und Gq-Proteine) oder inhibierend (Gi- Proteine) sein. (Bear et al., 2018, S. 135-137; Förstl, 2006, S. 181-182; Beckmann & Osterheider, 1991, S. 5-6)
Inzwischen sind über 100 Neurotransmitter bekannt, die eine Funktion haben. Die wichtigsten Transmitter werden aufgeteilt in Aminosäuren (wie Glycin, Glutamat, Gamma Aminobuttersäure = GABA), Monoamine (Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) und Peptid-Transmitter. (Köhler et al., 1999, S. 16)
Glutamat gilt als wichtigster exzitatorischer Neurotransmitter im Zentralennervensystem. Es ist an der Verschaltung zwischen prämotorischem Cortex und Basalganglien (Motorik), im Hippocampus (Lern- und Gedächtnisleistung) und an der Verschaltung zwischen präfrontalem Cortex und Mesencephalon (Sinneswahrnehmung) beteiligt. Im Körper wird aus der Blutbahn Glucose entnommen und Glutamat produziert. Ein weiterer Weg, um Glutamat zu synthetisieren, ist der Glutamin Zyklus zwischen einem Neuron und ein Astrozyt. Das Glutamat wird von den Astrozyten aufgenommen und unter ATP-Verbrauch, mittels des Enzyms Glutamin- Synthetase, zu Glutamin synthetisiert. Das Glutamin wird in den Extrazellulärraum freigesetzt, von den Neuronen aufgenommen, mithilfe der mitochondrialen Glutaminase zu Glutamat umgewandelt und über vesikuläre Glutamat-Transporter in synaptische Vesikel gespeichert. Diese Abfolge wiederholt sich und bildet einen Kreislauf. (Freissmuth et al., 2020, S. 144) 80-90% der Synapsen im Gehirn sind glutamaterg. Präsynaptisch findet ein zellulärer Effekt von Glutamat sowohl in ionotropen als auch metabotropen Glutamatrezeptoren statt. Glutamat wird zusammen mit H+-Ionen in die synaptischen Vesikel über vesikuläre Glutamat-Transporter aufgenommen. (Heinrich et al., 2014, S. 976)
Die metabotropen Glutamatrezeptoren sind an einer Reihe motorischer und kognitiver Funktionen beteiligt. Überwiegend sind sie primär an präsynaptischen und extrasynaptischen Stellen auf Neuronen und Gliazellen lokalisiert. (Mathew et al., 2016, S. 84) Die Aktivierung der metabotropen Glutamatrezeptoren führt zur Modulation der Aktivität zahlreicher Ionenkanäle und damit zur synaptischen Übertragung. Sie werden in drei Gruppen unterteilt und sind G-Protein-gekoppelte Membranproteine. Die erste Gruppe (mGluR1, mGluR5) führt zur Aktivierung der Phospholipase C, welches IP3 und Diacylglycerol bildet und somit die intrazelluläre Konzentration von Calcium erhöht. Die anderen beiden, die zweite (mGluR2, mGluR3) und dritte (mGluR4, mGluR6, mGluR7 und mGluR8) Gruppe, hemmen die Adenylatcyclase und senken somit den cAMPSpiegel. (Roth et al., 2020, S. 74; Mathew et al., 2016, S. 85; Förstl, 2006, S. 196)
Bei den ionotropen Glutamatrezeptoren handelt es sich um die Tetramere NMDA (N- Methyl-d-aspartat), AMPA (a-Amino- 3-hydroxy-5-methylisoxazol-propionsäure) und Kainat. AMPA- und Kainat-Rezeptoren stehen parallel zu den NMDA-Rezeptoren als Nicht-NMDA-Rezeptoren. Sie sind Liganden gesteuert und weisen eine Permeabilität für Na+- und K+-Ionen auf. Sie tragen überwiegend zur schnellen Transmission im ZNS bei und sind oft mit NMDA-Rezeptoren in Synapsen lokalisiert. (Freissmuth et al., 2020, S. 146;Roth et al., 2020, S. 74)
Ein NMDA-Rezeptor setzt sich aus den Proteinuntereinheiten GluN1, GluN2 und GluN3 zusammen, die unterschiedlich reguliert werden, unterschiedlich ausgeprägt sind und ein breites Spektrum an funktionellen und pharmakologischen Eigenschaften aufweisen. Für die Aktivierung von NMDA-Rezeptoren ist die Bindung von zwei Liganden und die Freisetzung von extrazellulären Mg2+-Ionen erforderlich. Die zwei Liganden sind der Agonist Glutamat, welches an die GluN2-Untereinheit bindet, und der Koagonist Glycin/D-Serin, welches an die GluN1-Untereinheit des NMDA- Rezeptors bindet. (Hashimoto et al. 2020, S. 6-8)
Auf einer physiologischen Ebene betrachtet, blockieren die Mg2+-Ionen den Ionenkanal des NMDA-Rezeptors. (siehe Abb. 4a) Die synaptische Freisetzung von Glutamat und die daraus resultierende schnelle Aktivierung von benachbarten AMPA/ Kainat- Rezeptoren kann das Membranpotenzial absenken und dadurch die spannungsabhängige Mg2+-Blockade der NMDA-Rezeptoren aufheben. (siehe Abb. 4b) D. h. die Affinität von Mg2+ zur Bindungsstelle nimmt ab, wenn der Schwellenwert von -35mV überschritten ist. (Heinrich et al., 2014, S. 976)
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Abb. 4: Ausschüttung von Glutamat. Links: Bei
Ruhepotenzial lassen die NMDA-Rezeptoren nur einen geringen Ionenstrom passieren, da sie durch Mg2C-Ionen blockiert werden. Rechts: bei einer Depolarisation, fundiert Ca2+ durch den NMDA- Rezeptor. (Bear et al., 2018, S.951)
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