Magisterarbeit, 2006
109 Seiten, Note: 2,70
Jura - Europarecht, Völkerrecht, Internationales Privatrecht
1. EINLEITUNG
1.1. Zielsetzung und Konzeption der Arbeit
1.2. Gerechtigkeit, Recht und internationales System
1.2.1. Gerechtigkeit: Versuch einer Begriffsklärung
1.2.2. Internationale Gerechtigkeit und Internationales Recht
2. VÖLKERRECHT UND VÖLKERSTRAFRECHT.
2.1. Begriffsklärungen
2.1.1. Völkerrecht
2.1.2. Völkerstrafrecht
2.2. Signifikante Merkmale
2.2.1. Rechtsquellen
2.2.1.1. Verträge
2.2.1.2. Gewohnheitsrecht
2.2.1.3. Allgemeine Grundsätze
2.2.1.4. Hilfsquellen
2.2.2. Rechtssubjekte
2.2.3. Grundsätze & Normen des Völkerstrafrechts im Römischen Statut
2.3. Verwandte Rechtsgebiete
2.3.1. Humanitäres Völkerrecht
2.3.1.1. Inhalte
2.3.1.2. Begriffsdiskussion
2.3.1.3. Entwicklung
2.3.1.4. Bezug zum Völkerstrafrecht
2.3.2. Menschenrechte
2.3.2.1. Inhalte
2.3.2.2. Entwicklung
2.3.2.3. Bezug zum Völkerstrafrecht
2.4. Historische Entwicklung
2.4.1. Von der Antike zum Ersten Weltkrieg
2.4.1.1. Antike und Mittelalter
2.4.1.2. Frühe Neuzeit
2.4.1.3. Haager Kodifikationswerk
2.4.1.4. 19. und frühes 20. Jahrhundert
2.4.2. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen
2.4.2.1. Der Völkerbund
2.4.2.2. Gewalt- und Kriegsverbot
2.4.2.3. Völkerstrafrecht in den Pariser Vorortverträgen
2.4.2.4. Die Leipziger Prozesse
2.4.3. Völkerstrafrecht nach dem 2. Weltkrieg
2.4.3.1. Das Londoner Abkommen
2.4.3.2. Die Tribunale von Nürnberg und Tokio
2.4.4. Völkerstrafrecht im Kalten Krieg
2.4.4.1. Die Nürnberger Prinzipien
2.4.4.2. Die Definition von Aggression
2.4.4.3. Die Völkermordkonvention
2.4.4.4. Das Genfer Kodifikationswerk
2.4.5. Völkerstrafrecht seit 1990
2.4.5.1. Das Ad- hoc- Tribunal für Jugoslawien
2.4.5.2. Das Ad- hoc- Tribunal für Ruanda
2.4.5.3. Sondertribunale
2.5. Zwischenfazit
3. FALLBEISPIELE
3.1. Fallbeispiel 1: Völkerstrafrecht und die Souveränität der Staaten im Römischen Statut
3.1.1. Das Römische Statut
3.1.1.1. Die Konferenz
3.1.1.2. Der Inhalt
3.1.1.3. Die Bedeutung für die Souveränität der Staaten
3.1.2. Grundsätzliche Bedeutung des ICC
3.1.3. Haltung der USA
3.1.4. Souveränität im ICTY
3.2. Fallbeispiel 2: Die Entwicklung des Tatbestands der Vergewaltigung
3.2.1. Historischer Hintergrund
3.2.2. Definition
3.2.3. Zuordnung zu verschiedenen Verbrechensgruppen
3.2.3.1. Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit
3.2.3.2. Vergewaltigung als Kriegsverbrechen
3.2.3.3. Vergewaltigung als Bestandteil eines Genozids
3.2.4. Bedeutung für das Völkerstrafrecht
4. ERGEBNISSE DER ARBEIT
5. LITERATUR
5.1. Literatur
5.2. Nachweis der Vertrags- und Statutstexte:
5.3. Verzeichnis der zitierten Fälle und Urteile
5.3.1. ICTY.
5.3.2. ICTR
5.4. Internetquellen
5.5. Nachschlagewerke
Mit der Gründung der Vereinten Nationen 1945 wurde ein erster Schritt zu einem normativen Wandel des Völkerrechts unternommen. Dieser basiert im Wesentlichen auf der Abwendung von einem negativ-funktionalistischen zu einem positiven Friedensbegriff hin sowie der abnehmenden Bedeutung, die den klassischen Nationalstaaten im rechtlichen System der internationalen Gemeinschaft zukommt. Eng mit diesen Faktoren zusammen hängt der Prozess der Internationalisierung strafrechtlicher Ideen. Die Bedeutung der jüngsten Entwicklung des Völkerstrafrechts wird m. E. von Seiten der politikwissenschaftlichen Forschung verkannt und zu wenig beachtet. Diese Arbeit soll aufzeigen, dass trotz der langen Tradition, die strafrechtliche Ideen auf internationaler Ebene haben, das Völkerstrafrecht im vergangenen Jahrhundert eine sprunghafte Entwicklung vollzogen hat und heute eine weitaus relevantere Stellung innerhalb des internationalen Systems einnimmt als jemals zuvor denkbar war. Die politologische Analyse dieses Vorgangs wurde dabei erst in den vergangenen Jahren versucht. Eines der frühesten Werke, das sich mit diesem Thema befasst, ist die rechtsgeschichtliche Darstellung der Entwicklung völkerrechtlicher Strafgerichtsbarkeit im 20. Jahrhundert von Heiko Ahlbrecht. Autoren wie Kai-Michael König befassen sich mit der Verknüpfung völkerrechtlicher, politischer und völkerstrafrechtlicher Fragen, ebenso wie sich Darstellungen wie etwa von Kelly Dawn Askin Einzelbereichen internationalen Rechts auch hinsichtlich ihrer politischen Relevanz widmen. Mit dieser Arbeit soll gezeigt werden, dass erstens der Wandel des Völkerrechts von einem am Staat orientierten zu einem am menschlichen Individuum ausgerichteten Rechtssystem den Wandel des Völkerstrafrechts zu einem zentralen Bestandteil der internationalen Gemeinschaft ausgelöst hat; zweitens, dass diese Prozesse aufs engste miteinander verknüpft sind und drittens, dass der klassische Souveränitätsbegriff der Staaten, dessen Hauptcharakteristika das Recht zur freien Gewaltanwendung und der Schutz vor vermeintlicher Einmischung von außen waren, als solcher nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Diese Entwicklungen finden ihre theoretische Begründung in der sozialkonstruktivistischen Annahme, dass „[...] Individuen in die soziale Welt und in soziale Strukturen eingebunden sind und diese durch ihre täglichen Interaktionen jeweils aufs neue reproduzieren und verändern“ (Risse et al. 2002: 17). Entsprechend der sozialkonstruktivistischen Definition konstitutieren Normen soziale Identitäten und formen nationale Interessen.1 Die Entwicklung des Völkerstrafrechts resultiert aus einem gesteigerten Bedürfnis einzelner Individuen, ihre Gerechtigkeitsvorstellungen vom Staat umgesetzt und garantiert zu sehen. Daraus ergibt sich auf Ebene des Staates die Anerkennung von Gerechtigkeit als Ziel und Interesse seines Handelns, das nicht nur national sondern auch international umgesetzt werden soll. Auf der internationalen Ebene der Staatengemeinschaft führt dies zu dem Versuch, einerseits bestehende Normen der Gerechtigkeit zu kodifizieren und gleichzeitig zu universalisieren, andererseits aber auch deren Nichtanwendung zu sanktionieren. Der Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Recht auf internationaler Ebene wird im Anschluss an dieses Kapitel erläutert werden.
Um den normativen Wandel des Völkerstrafrechts darzustellen, möchte ich zunächst die Begriffe des Völkerrechts und des Völkerstrafrechts voneinander abgrenzen. Dabei wird auch auf Rechtsquellen, Rechtssubjekte und grundsätzliche Normen eingegangen. Dann sollen die verwandten Rechtsgebiete des Humanitären Völkerrechts und des Menschenrechtsschutzes dargestellt und ihr Bezug zum Völkerstrafrecht analysiert werden. In einem historischen Überblick wird anschließend versucht, die chronologische und inhaltliche Herausbildung völkerstrafrechtlicher Durchsetzungsmechanismen aus dem Völkerrecht zu erläutern. In einem Zwischenfazit werden die bis dahin gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und die Auswahl der Fallbeispiele begründet. Von den darauf folgenden Fallbeispielen befasst sich das erste mit dem Zustandekommen und dem Inhalt des Römischen Statuts und der Bedeutung des Internationalen Strafgerichtshofs. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Zusammenhang mit Souveränitätsvorstellungen der Vertragsstaaten, insbesondere auf die ablehnende
Haltung der USA gerichtet. Das zweite Fallbeispiel untersucht die konkrete Entwicklung eines einzelnen völkerstraffechtlichen Tatbestands, den der Vergewaltigung. Eine abschließende Betrachtung dient der Zusammenfassung der gewonnenen Erkenntnisse.
Gerechtigkeit ist einer der zentralen Begriffe jeglichen Diskurses, der sich mit den Umständen und Bedingungen gemeinschaftlichen Lebens auseinandersetzt; dies gilt selbstverständlich auch für die Theorien der Internationalen Politik.2 Trotz der Präsenz des Begriffes und den zahlreichen unterschiedlichen Definitionsansätzen und Verwendungsmöglichkeiten ist eine eindeutige Klärung des Konzepts „Gerechtigkeit“ nahezu unmöglich; dennoch möchte ich an dieser Stelle eine klärende Eingrenzung versuchen.
Einziger Parameter der Gerechtigkeit ist die Subjektivität des Sich- gerechtbehandelt- Fühlens. Durch eine Übertragung dieses Parameters von der individuellen Ebene der Einzelperson, des einzelnen menschlichen Individuums auf das Kollektiv einer Gemeinschaft, Gesellschaft oder eines sonstigen Personenbundes wird die Subjektivität objektiviert. Gerechtigkeit setzt auf einer objektiven soziologischen Ebene folglich einen Grundkonsens über die Wertmaßstäbe und deren Gewichtung voraus, und existiert in einer Gesellschaft einerseits als Anspruch, Ziel, Tugend und moralischem Konzept des einzelnen, andererseits als allgemeingültiges Ziel und Grundlage des Gemeinwesen. Dieser Prinzipienstatus von Gerechtigkeit ist als flexibler Konsens über die Gestaltung der Durchsetzung, Ausübung und Aufrechterhaltung einer gerechten Gemeinschaft zu verstehen und daher gleichzeitig die größte Gefahr für die Gerechtigkeit: Das Zustandekommen und die Ausformung diesen Konsenses über „Gerechtigkeit“ sind ebenso wie seine Modifikationen mehreren unberechenbaren und schwer erfassbaren Variablen unterworfen.
Jeder Mensch spricht sich ein Grundrecht auf Gerechtigkeit zu und hat eigene Vorstellungen von der individuellen Gerechtigkeit seiner Existenz. Seine Vorstellungen müssen nicht zwingend vollständig mit dem Entwurf und der Umsetzung von Gerechtigkeit übereinstimmen, die das Sozialsystem, in dem sich das Individuum bewegt, etabliert hat. Das Risiko, dass, trotz eines gerechten Systems, der einzelne für sich in Anspruch nimmt, ungerecht behandelt worden zu sein, ist einer der Faktoren, die das Konzept Gerechtigkeit aufweichen.
Zwischen subjektiv- individueller Gerechtigkeit und objektiv- institutionalisierter Gerechtigkeit muss also klar unterschieden werden, da Gerechtigkeit in jedem Fall zugleich subjektive Erwartungshaltung menschlichen Daseins und objektive Voraussetzung menschlichen Zusammenlebens darstellt.
Zur Umsetzung von Gerechtigkeit hat jeder Gesellschaftsentwurf ein Mittel der Kontrolle über die Einhaltung der moralischen Vorstellung gerechten Verhaltens sowie die Ahndung und den Ausgleich ungerechten Verhaltens etabliert. Grundlage einer Kontrolle und Überwachung ist die explizite Formulierung des gesellschaftlichen Konsenses über Gerechtigkeit in Form eines institutionalisierten Grundsatzes, der bestimmte Verhaltensweise als ungerecht klassifiziert und so Anleitung und Bewertungsmaßstab zugleich ist. Wichtige Voraussetzung einer funktionierenden Kontrollinstanz sind deren Unbefangenheit, Unbeeinflussbarkeit und genauen Kenntnisse des Gesellschaftskonsenses über Gerechtigkeit. Zusammenfassend lässt sich sagen:
„Die Aufgabe des Rechts besteht nicht darin, das gesellschaftliche System in allen Details zu ordnen und zu steuern, sondern darin, die grundlegenden Strukturen zu garantieren und zu schützen, die notwendig sind, damit die Gesellschaft bestehen kann. Das Recht ist - verkürzt ausgedrückt - ein gesellschaftliches [...] Instrument, das die Aufrechterhaltung der Präferenzordnung einer Gesellschaft [...] sichern soll“ (Wertgen 2001: 299).
Auf der Ebene zwischenstaatlicher Beziehungen bzw. der internationalen Politik ist ebenfalls von einem Grundkonsens über Gerechtigkeit und gerechtes Verhalten von Staaten auszugehen. Aufgrund der Dimensionen des internationalen Systems ist dieser Konsens jedoch wesentlich diffuser definiert und nicht eindeutig institutionalisiert, doch auch in diesem Zusammenhang gilt, dass Recht in erster Linie dem Schutz vor Eingriffen in die individuelle Freiheit dient3. An diesem Punkt der Argumentation wird deutlich, wie eng menschliches Schicksal und staatliches Handeln verknüpft sind, wenn man Recht in internationalen Dimensionen denkt: Das Gerechtigkeitsstreben eines Staates in der internationalen Gemeinschaft kann jederzeit dazu fuhren, dass sich ein einzelner Mensch ungerecht behandelt fühlt.
Ich gehe von einer Analogie zwischen individuellem menschlichem Verhalten in einer Gesellschaft und dem Verhalten von Staaten im internationalen System aus und schließe gemäß dieser Analogie auf ein Grundbedürfhis der Staaten, für sich eine gerechte Behandlung als selbstverständlich zu fordern. Demzufolge kann man auch von einem moralischen Bewusstsein der Staaten ausgehen:
„As corporate agents, states have goals and make choices. They have legal rights, powers, duties and liabilities within the international community. We judge their actions morally, and in doing so, invoke moral standards for judging the conduct of states and of their governments, public officials and citizens - standards that are, or might become, part of international law. These standards comprise ‘the morality of states’“ (Nardin 2006: 452).
Geht man von moralischen Standards im Verhalten der Staaten nach innen und außen aus, so fallt es leichter, ihre Rechte und Pflichten eindeutig zu identifizieren und zu begründen.4 Gleichzeitig wird damit auch die moralische Verpflichtung des Individuums, das seinen Staat mitgestaltet, zu gerechtem Verhalten deutlich. Die Problematik der Gerechtigkeit im internationalen System besteht jedoch zum Einen im Fehlen der Möglichkeit, eine übergeordnete Einheit zu schaffen, die die Kodifizierung, Etablierung, Institutionalisierung und Kontrolle eines allen gemeinsamen Gerechtigkeitskonzepts übernimmt; zum Anderen in der absoluten Subjektivität von Gerechtigkeitsvorstellungen, die auf einen globalen Maßstab nicht übertragbar sind. Universale Gerechtigkeit ist meines Erachtens also nur als abstrakte Idealvorstellung aufzufassen und nicht als reales, erreichbares Ziel internationalen politischen Handelns; allerdings sollten Gerechtigkeitskonzepte jeder Form von Recht zugrunde liegen, gemäß Adomeit’s These: „Gerechtigkeit ist [...] eine Eigenschaft von Recht, und zwar eine positive, um nicht zu sagen, ideale Eigenschaft“ (Adomeit 1981: 178). Der Versuch, eine Rechtsordnung auf internationaler Ebene zu schaffen, resultiert aus der institutionellen Herausforderung, die ein Streben nach Gerechtigkeit der internationalen Staatengemeinschaft stellt. Diese Arbeit möchte an einem kleinen Ausschnitt internationalen Rechts, dem Völkerstrafrecht, darstellen, welche institutionalisierten Formen ein solches Streben nach internationaler Gerechtigkeit annehmen kann und welche Auswirkungen dies auf die Staaten und ihr Zusammenleben hat.
Der Begriff „Völkerrecht“ erweckt Assoziationen und Vorstellungen, die seiner Komplexität nicht gerecht werden. Es handelt sich bei dem Völkerrecht, wie wir es heute kennen, nicht um ein Recht der Völker, der Nationen oder der Ethnien; noch nicht einmal um ein Recht der souveränen Staaten. Die Frage nach einem treffenderen Begriff ist dementsprechend auch in Forschung und Lehre immer wieder thematisiert worden.5 Wie unzulänglich die herkömmliche Bezeichnung ist,6 wird deutlich, wenn man den Inhalt und die Akteure des Völkerrechts betrachtet und feststellen muss, dass „Völker“, Nationen oder Staaten längst nicht mehr alleinige Bezugspunkte des Völkerrechts darstellen.
„Völkerrecht umfasst zum einen die Prinzipien und die Verhaltensregeln, an die sich Staaten gebunden fühlen und die sie deshalb in ihren gegenseitigen Beziehungen beachten, sowie solche Rechtsregeln, die sich auf die Funktionsweise internationaler Institutionen und Organisationen, sowie deren Beziehungen zueinander und ihre Beziehungen zu Staaten und Individuen beziehen, und schließlich einige Regeln, die auf Individuen und nichtstaatliche Einheiten insoweit Bezug nehmen, als diese Einheiten in den Kreis der internationalen Rechtsgemeinschaft einbezogen
Dass sich im Völkerrecht ein Paradigmenwandel vollzogen hat, ist mehr als eindeutig. Doch was macht modernes Völkerrecht nun aus?
Ziel jeden Völkerrechtssubjektes, jeden Trägers völkerrechtlicher Rechte und Pflichten,7 sollten die in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen fixierten Ziele der Staatengemeinschaft sein: Frieden, Freiheit, Sicherheit und Recht für alle Menschen zu schaffen und zu sichern.8
In der dort verwendeten Formulierung wird noch von „Völkern“, „peoples“ ausgegangen, doch ist darin der Grundstein für das moderne Völkerrecht gelegt: Die Vereinten Nationen gehen vom Völkerrecht als einzig möglicher Rechtsgrundlage der internationalen Gemeinschaft aus. Völkerrecht ist also „[...] das Recht vor allem der zwischenstaatlichen Beziehungen und der internationalen Organisationen. [...] Das Völkerrecht begründet Rechte und Pflichten für die Staaten als Mitglieder der Völkergemeinschaft. Es soll durch staatliches Außenverhalten die internationale Sicherheit der Staaten und den Weltfrieden wahren“ (Fritzsche 2004: 36).
Anders als auf innerstaatlicher Ebene existiert im internationalen System keine einheitliche Rechtssetzungsinstanz: „Eine von den Regierungen dieser Welt unabhängige Legislative besteht [...] nicht“ (von Scharlemer 2003: 200f).9
Auf einer abstrakten Ebene kann man festhalten, dass das Völkerrecht die Beziehungen der Völkerrechtssubjekte untereinander durch ein auf Konsens beruhendes System verschiedener Verhaltenserwartungen und Verpflichtungsformulierungen, das über einen langen Zeitraum aus ständiger Auseinandersetzung entstanden ist und seit verhältnismäßig kurzer Zeit auch zu kodifizieren und institutionalisieren versucht wird, regelt.10
Unter Völkerstrafrecht versteht man die Umsetzung des Strafrechts auf internationaler Ebene: die Summe der Normen, die eine individuelle Strafbarkeit völkerrechtlicher Verbrechen möglich machen bzw. „[...] die Gesamtheit aller völkerrechtlicher Normen [...], die strafrechtliche Rechtsfolgen anordnen“ (Ambos 2002: 40). Es handelt sich beim Völkerstrafrecht also um eine Verquickung von Völker- und Strafrecht, wobei die Idee der individuellen Verantwortlichkeit, die aus dem Strafrecht stammt, mit den völkerrechtlichen Straftatbeständen verbunden wird.11
Völkerstrafrecht gehört zu der übergeordneten Disziplin des Internationalen Strafrechts, die heute alle strafrechtlichen Bereiche mit Auslandsbezügen umfasst. Dass der Begriff des Internationalen Strafrechts in der aktuellen Lehre und Forschung wesentlich weiter aufgefasst wird, als noch vor wenigen Jahrzehnten, deutet auf die massiven Veränderungen hin, denen das Völkerstrafrecht seit Ende des Zweiten Weltkriegs unterworfen war.12
Der Gedanke der Verantwortung und der persönlichen Schuld des Einzelnen auch für Verbrechen, die auf internationaler Ebene, vor allem in Kriegszeiten, begangen wurden, erscheint dem aufgeklärten, modernen Menschen des 21. Jahrhunderts zunächst selbstverständlich. Die Entwicklung des Völkerstrafrechts ist jedoch erst seit Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in das Blickfeld juristischer und politischer Arbeit und Forschung gerückt, und hat insbesondere mit dem Zusammenbruch der bipolaren Weltordnung an Geschwindigkeit und Bedeutung gewonnen. Der genaue Verlauf dieser Entwicklung wird in den Kapiteln 2.4.3 bis
Individuen völkerrechtliche Subjektivität gewannen:
„Solange Völkerrecht als ein Recht der souveränen Staaten galt, war darin für (strafbewehrte) an das Individuum gerichtete Normen kein Raum. Erst mit der Durchbrechung des Dogmas der absoluten Souveränität und der Entwicklung einer, wenn auch eingeschränkten, Rechtssubjektivität des Individuums war die Vorstellung eines völkerrechtlichen Strafrechts und einer internationalen Strafgerichtsbarkeit überhaupt erst konzeptionell in die bestehende Völkerrechtordnung integrierbar“ (König, 2003: 403).
Probleme der Entwicklung eines umfassenden Völkerstrafrechts waren neben den
Vorbehalten mächtiger Staaten, die Souveränitätseinbußen befürchteten,13 vor allem die unübersichtliche, diffuse Quellenlage des Völkerstrafrechts sowie das Fehlen eines Durchsetzungsinstruments. Mit der Verabschiedung des Römischen Statuts 1998 und der folgenden Errichtung des Internationalen Strafgerichthofs14 sind letztere Hindernisse beseitigt worden.
Völkerstrafrecht erscheint auf den ersten Blick als eine Kombination strafrechtlicher, völkerrechtlicher, menschenrechtlicher und kriegsrechtlicher Normen. Bei einer näheren Betrachtung der historischen Entwicklung völkerstrafrechtlicher Normen wird klar, dass diese Überschneidungen kein zufälliges Resultat sind:
„They were not spontaneous occurrences. Rather, they built on developments in international law over the past fifty years - particularly in the fields of human rights and humanitarian law - which reflect a commitment of the international Community to put in place - and to enforce - rules of international law which would bring to an end impunity for the most serious international crimes“ (Sands 2003: X).
Die hier angesprochenen „most serious international crimes“15 sind der Kem des
Völkerstrafrechts und umfassen Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Aggression.16 Hier sieht man deutlich, dass die Quellen des Völkerstrafrechts nicht nur in multilateralen Verträgen17 sondern auch in gewohnheitsrechtlichen und allgemeinen Rechtsgrundsätzen liegen und daher auch die Rechtsbereiche des Völkerrechts, des Kriegsrechts und der Menschenrechte partiell mit einbeziehen. Woraus diese Bezugnahme auf verwandte Rechtsgebiete im Einzelnen besteht und wo ihre Ursprünge liegen, soll in Kapitel 2.3.1 und 2.3.2 genauer untersucht werden.
Das Problem der Akzeptanz völkerstrafrechtlicher Normen besteht zu großen Teilen in der hier angesprochenen Interdisziplinarität und den engen Bezügen zu moralisch-ethischen Fragen, wie jenen nach Schuld und Sühne oder nach Gerechtigkeit. Völkerstrafrechtliche Institutionen sind in stärkerem Maße als das Völkerrecht immer auch auf einen gesellschaftlichen Konsens angewiesen. All diese Aspekte führen dazu, dass völkerstrafrechtliche Fragen von völkerrechtlicher, strafrechtlicher und sozialwissenschaftlicher Seite aus auf Skepsis und Misstrauen stoßen: „‘Klassische’ Völkerrechtler scheinen ebenso wenig von der Wirksamkeit strafrechtlicher Sozialkontrolle im supranationalen Bereich überzeugt zu sein, wie ‘klassische’ Strafrechtler das Völkerrecht als durchsetzungsfahige Rechtsordnung betrachten“ (Ambos 2001: 325).
„Das Völkerstrafrecht ist formell Teil des Völkerrechts und kann sich als solches der klassischen Rechtsquellen des Art. 38 IGH- Statuts bedienen“ (Ambos 2006: 80).18 Die Rechtsquellen des Völkerstrafrechts sind also mit denen des Völkerrechts weitgehend identisch. Der allgemeinen Auffassung zufolge umfassen sie drei Haupt- sowie Hilfsrechts- bzw. Rechtserkenntnisquellen. Zu den drei Hauptquellen zählen Hobe/Kimminich völkerrechtliche Verträge, Völkergewohnheitsrecht und allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze.19 Diese völkerrechtlichen Quellen sind in Artikel 38 des Statuts des Internationalen Gerichthofes der Vereinten Nationen kodifiziert20 und sollen im Folgenden Abschnitt kurz einzeln erläutert werden.
Bi- und multilaterale Verträge zwischen Völkerrechtssubjekten schaffen anders als im Privatrecht nicht nur ein Rechtsverhältnis zwischen diesen, sondern „[...] auch Recht im objektiven Sinne“ (Hobe/Kimminich 2004: 178). Das Völkervertragsrecht kann Wandel schneller widerspiegeln als etwa das Völkergewohnheitsrecht und gilt so auch als „Basis der jüngeren Verrechtlichungs-Entwicklungen“ (List/Zangel 2003: 370). Völkerrechtliche Verträge können daher als Rechtsquellen genutzt werden. Problematisch ist allerdings, dass sie nicht immer eingehalten werden und daher nur bedingt völkerrechtliche Praxis reflektieren.21 Daher kann die völkerrechtliche Praxis in Form des Völkergewohnheitsrechts ebenfalls als Rechtsquelle dienen. Aufgrund ihrer Verbindlichkeit und ihrer Formulierungsgenauigkeit gelten Verträge heute als hauptsächliches Mittel völkerrechtlicher Weiterentwicklung.22
Völkergewohnheitsrecht entsteht, wenn aus gängigen Handlungspraktiken Recht wird.23 Dazu muss der klassischen Definition zufolge eine „[...] von einer Rechtsüberzeugung getragene (opinio juris sive necessitatis) getragene tatsächliche Überzeugung (consuetudo)“ (Werle 2003: 128) nachgewiesen werden können. Entsprechend der lange Zeit an souveränen Staaten orientierten völkerrechtlichen Entwicklung wird auch von Staatenpraxis gesprochen,24 allerdings ist in der jüngsten Zeit auch hier eine „[...] Verbreiterung der in diesem Recht inkorporierten Interessen über die Staatengemeinschaft hinaus“ (Hobe 1999: 267) feststellbar25 Trotzdem gilt das Völkergewohnheitsrecht weiterhin als Versicherung der Anpassung des Völkerrechts an aktuelle Entwicklungen, obwohl die Gefahr, dass gezielte Rechtsbrüche sich allmählich als neues Recht etablieren, besteht.26 Grundsätzlich besteht ein Abgrenzungsproblem zwischen Völkergewohnheitsrecht und allgemeinen Rechtsgrundsätzen.27
Dass der Zusammenhang zwischen Vertrags- und Gewohnheitsrecht im Völkerstrafrecht besonders intensiv ist, wird ersichtlich, wenn man die Menge der völkerstrafrechtlichen Verträge, die ausdrücklich bestehendes Gewohnheitsrecht kodifizieren, in Betracht zieht. Dazu zählen etwa die Haager Konventionen.28 Umgekehrt waren auch gerade im Bereich des Völkerstrafrechts immer wieder Verträge Ausgangspunkt sich entwickelnden Gewohnheitsrechts.29
Die Unschärfe und mangelnde Praxisbezogenheit der allgemeinen Grundsätze30 fuhren dazu, dass ihre Bedeutung mit fortschreitender Kodifizierung des Völkerrechts abnimmt,31 außerdem erschwert ihre mangelnde Kodifizierung eine konkrete Analyse.32 Hobe und Kimminich fassen sie als Ausdruck eines „universell gültigen Rechtsprinzips“ (Hobe/Kimminich 2004: 191) auf. Angesichts zunehmender transnationaler Regelungsnotwendigkeiten könnten die allgemeinen Grundsätze in einem globalisierten Völkerrecht an Bedeutung gewinnen,33 da sie „[...] dort wichtig werden können, wo neue Probleme entstehen, die weder vom Gewohnheitsrecht noch von Übereinkünften abgedeckt werden“ (Daase 2001: 143). In Kapitel 2.2.3 werden die wichtigsten Grundsätze des Völkerstrafrechts, wie sie im Römischen Statut formuliert werden, dargestellt.
Hilfsquellen des Völkerrechts sind gemäß Artikel 38 des IGH- Statuts richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinungen anerkannter Völkerrechtler.34 Die Rechtssprechung des IGH wird entsprechend immer wieder als Rechtserkenntnismittel verwendet.35 Artikel 21 des Römischen Statuts definiert eine Hierarchie der völkerstrafrechtlich anwendbaren Quellen, die an den oben aufgeführten klassischen Völkerrechtsquellen orientiert ist.36
Subjekte des Völkerrechts waren der klassischen Auffassung zufolge die Staaten;37 allerdings hat sich der Kreis der Völkerrechtssubjekte seit dem Zweiten Weltkrieg um zahlreiche nichtstaatliche Akteure erweitert, wobei auf die Rolle der Vereinten Nationen hingewiesen werden muss.38 Im Allgemeinen bleibt festzuhalten, dass Völkerrecht „[...] die Beziehungen zwischen Völkerrechtssubjekten regelt. Die Beteiligten müssen Rechtssubjekte sein, die keiner übergeordneten Herrschaftsgewalt unterworfen sind, sie müssen kontinuierliche Beziehungen pflegen, denn erst daraus ergibt sich der
Regulierungsbedarf, und sie müssen anerkennen, dass ihre Absprachen und Veränderungen nicht einseitig verändert werden dürfen“ (Krell 2000: 74).
Die Definition der Rechtssubjekte ist für das Völkerstrafrecht insofern von besonderer Relevanz, als dass darin einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Völkerrecht und Völkerstrafrecht besteht. Anders als das Völkerrecht hat das Völkerstrafrecht die Definition der Rechtssubjekte aus dem Privatrecht übernommen: Rechtssubjekte sind Individuen39 und explizit keine Staaten, Parteien, Verbände, Organisationen oder Zusammenschlüsse.40 Werle unterscheidet in diesem Punkt dementsprechend auch zwischen „Völkerrechtsverbrechen“ und „Völkerrechtsdelikten“: „Völkerrechtsverbrechen werden von Individuen begangen, so genannte völkerrechtliche Delikte von Staaten oder sonstigen verbandsmäßig strukturierten Völkerrechtssubjekten” (Werte 2003: 95f)41
Eine Besonderheit des Völkerrechtes liegt darin, dass hier Rechtssubjekte identisch sind mit Rechtssetzem. Da es sich bei den völkerrechtlichen Subjekten bis auf wenige Ausnahmen42 um Staaten und internationale Organisationen handelt, bedeutet dies, dass vor allem mächtige Staaten sich nicht nur dem Völkerrecht unterworfen fühlen, sondern sich ihren Einflusses darauf durchaus bewusst sind:
„Those with real international power seldom pay much attention to the law: for them, rather than international law being the framework which controls what they may do, it is their action which shapes the law“ (Watts 2000: 6).
Durch das Prinzip der individuellen Verantwortung auch für internationale Verbrechen verhindert das Völkerstrafrecht, „[...] dass der Einzelne, auch wenn er beispielsweise als Staatsorgan gehandelt hat, sich hinter das [sic!] Schild der staatlichen Souveränität zurückziehen kann” (Werte 2003: 95).
Statut
Das moderne Völkerstrafrecht, wie es im Römischen Statut kodifiziert wurde, hat zum Ziel, „[...] den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt“ (Römisches Statut, Präambel) zu schützen.43 Obwohl diese Formulierung auf den ersten Blick sehr unklar wirkt, lässt sich eine grundsätzliche Übereinstimmung mit der Zielsetzung der Vereinten Nationen hinsichtlich des Weltfriedens und der Sicherheit konstatieren. Neben der Grundidee, Gerechtigkeit zu schaffen, hat das Völkerstrafrecht jedoch auch eine generelle Präventivfunktion, die auch im Römischen Statut Niederschlag gefunden hat: „[...] to guarantee lasting respect for and the enforcement of international justice [...]“ (Römisches Statut, Präambel).44
Da sich die Normen des Völkerstrafrechts unmittelbar aus dem Völkerrecht ergeben, beanspruchen sie eine universelle Gültigkeit. Voraussetzung für die Erfüllung eines völkerstrafrechtlichen Tatbestands ist immer „[...] ein [...] Kontext systematischer oder massenhafter Gewaltanwendung [...]; verantwortlich für die Gewaltanwendung ist in der Regel ein Kollektiv, typischerweise ein Staat“ (Werle 2003: 79). Damit eine Norm als Norm des Völkerstrafrechts identifiziert werden kann, muss sie drei Voraussetzungen erfüllen: Erstens die Beschreibung eines individuell vorwerfbaren begangenen Unrechts unter Androhung von Strafe; zweitens ihre Zugehörigkeit zur Völkerrechtsordnung, drittens die Unabhängigkeit des Straftatbestands von der Umsetzung in staatlicher Rechtsordnung.45
Teil 3 des Römischen Statuts definiert „General Principles of Criminal Law“ und umfasst die Artikel 22 bis 33. Im Folgenden sollen die einzelnen dort definierten Prinzipien kurz vorgestellt werden. Schabas bewertet diesen dritten Teil des Römischen Statuts als experimentelle Verknüpfung verschiedener Strafrechtssysteme:
„[The general principles in the Rome Statute] present a fascinating experiment in comparative criminal law, drawing upon elements from the common law, the Romano-Germanic system, Sharia law and other regimes of penal justice“ (Schabas 2004: 90).
Eine der wichtigsten Voraussetzung, um die Strafbarkeit einer Tat nach Völkerstrafrecht festzustellen, ist, dass der sog. Nullum crimen, nullum poena sine Zege-Grundsatz erfüllt ist, d.h. dass „[...] sich zum Tatzeitpunkt eine geschriebene oder ungeschriebene Norm feststellen lässt, die die Strafbarkeit begründet“ (Werte 2003: 89). Dieser Grundsatz ist in den Artikeln 22 bis 24 des Römischen Statuts formuliert und wird auch als Rückwirkungsverbot oder „Grundsatz der Normbindung“ (Werte 2003: 89) bezeichnet.46 Dadurch sollen einerseits Individuen vor wahllosen Zugriffen durch die Obrigkeit geschützt werden, andererseits aber auch die Gesetzgeber zu klarer und eindeutiger Definierung von Recht gezwungen werden47 Sowohl den Rechtssubjekten als auch den Staaten wird dadurch Sicherheit geboten.48 In der Formulierung des Römischen Statuts spielte dieser Grundsatz eine zentrale Rolle.49
Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass die Formulierung im Römischen Statut wesentlich enggefasster ist als die allgemeine Auffassung des nullum crimen- Grundsatzes im internationalen Recht.50
Artikel 25 kodifiziert die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit.51 Da jedoch die vom ICC verhandelten Verbrechen meist große Ausmaße haben, wird hier der Tatbestand der Mittäterschaft (complicity) relevant. Er wird in Artikel 25, 3 (b) und (c) definiert. Die besondere Verantwortlichkeit militärischen Führungspersonals wird in Artikel 28 ausgeführt.52
Artikel 26 schließt die Jurisdiktion des ICC über Personen unter 18 Jahren aus. Dieser Artikel resultierte aus den Bemühungen verschiedener NGOs zum Schutz von Kinderrechten während der Römischen Konferenz53
Um einen völkerstrafrechtlichen Tatbestand zu erfüllen, muss auch die sog. mens rea gegeben sein: Die Tat muss bewusst und im Wissen um ihre Strafbarkeit begangen worden sein. Diese Norm hat in Form von Artikel 30 Eingang in das Römische Statut gefunden.54 Artikel 31 legt fest, aus welchen Gründen eine strafrechtliche Verantwortlichkeit ausgeschlossen werden kann.
Andere völkerstrafrechtliche Grundsätze finden sich außerhalb des dritten Teils im Römischen Statut. So wird die Unschuldsannahme (Presumption of innocence) in Artikel 66 des Römischen Statuts formuliert und weist die Aufgabe der Schuldfeststellung der Anklage zu.55 Der Grundsatz des ne bis in idem, der eine doppelte Verurteilung verhindert, findet sich in Artikel 20.
„Den meisten Menschen scheinen die Bestimmungen des humanitären Völkerrechts derart mit dem gesunden Menschenverstand verknüpft, dass allein schon die Frage, warum sich jemand an diese Normen halten sollte, Empörung hervorruft. Es ist, um mit Kant zu sprechen, keine Frage der Klugheit, sondern der Sittlichkeit, sich an die Normen zu halten“ (Sutter 2004: 30).
Das humanitäre Völkerrecht hat sich vom klassischen ius in bello, einem Recht, das in jeder Hinsicht für den Fall eines Krieges zwischen zwei oder mehreren Staaten konzipiert war, zu einem Recht für den Fall bewaffneter Konflikte innerhalb eines Staates, grenzüberschreitend innerhalb mehrerer Staaten oder zwischen zwei oder mehreren Staaten gewandelt.56 Humanitäres Völkerrecht stellt heute die Garantie der Menschenrechte unter den Extrembedingungen eines gewaltsamen Konfliktes dar, verbunden mit Regeln zum Verhalten der Konfliktparteien, die aus dem klassischen Kriegsrecht herrühren.57
Innerhalb des humanitäres Völkerrechts kann zwischen einer engen und einer weiten Auffassung des Begriffs unterschieden werden: im weitesten Sinne umfasst das humanitäre Völkerrecht das gesamte Kriegsrecht, im engeren Sinne „[...] nur [denjenigen] Teil des Kriegsrechtes [...], der unmittelbar den Schutz von Personen betrifft (das sog. Genfer Recht)“ (Hobe/Kimminich 2004: 499). Ambos definiert das Genfer Recht58 als humanitäres Völkerrecht in einem engeren Sinne, da es sich „[...] um Rechtsvorschriften [handelt], die zur Humanisierung bewaffneter Konflikte beitragen wollen und darauf gerichtet sind, zumindest Minimalgeboten der Menschlichkeit Geltung zu verschaffen, nachdem das Maximalgebot - Bewahrung des Friedens - gebrochen worden ist“ (Ambos 2001: 326).
Im Unterschied zu Hobe/Kimminich fasst Ambos das moderne Völkerstrafrecht als humanitäres Völkerrecht in einem weiteren Sinne auf, da es Bestrafungsmöglichkeiten für jede Art von Konflikten enthält und nicht auf internationale bewaffnete Konflikte beschränkt ist.59 60
Das humanitäre Völkerrecht ist insofern in ständiger Weiterentwicklung begriffen, als dass es sich dauernden neuen Herausforderungen gegenübersieht. Die sog. „neuen Kriege“ der 1990er Jahre stellten solch eine Herausforderung dar,[60] ebenso wie der internationale Terrorismus des neuen Jahrtausends. Immer wieder wirkten Konflikte auf die Entwicklung des humanitären Völkerrechts direkt ein. So etwa können die Abkommen der 1920er Jahre als direkte Reaktion auf die Verwendung von Giftgas im Ersten Weltkrieg gesehen werden; ähnlich wie das vierte Genfer Abkommen von 1949 auf das Entsetzen über die hohen zivilen Opferzahlen des Zweiten Weltkrieges zurückzufuhren ist.61 Das humanitäre Völkerrecht darf dennoch nicht als lediglich verspätet wirkendes System begriffen werden, sondern als solches, das an eben dieser Konfrontation mit der Realität wächst:
„Aus den jüngsten Verletzungen geht das humanitäre Völkerrecht [...] gestärkt hervor. Denn es hat seine Entwicklung stets als Reaktion auf grauenhafte Erfahrungen durchschritten - es ist ‘geronnene Erfahrung’“ (Sutter 2004: 36).
Entsprechend der Entwicklung des Humanitären Völkerrechts existiert auch eine Vielzahl von Begriffen, die diesen Wandel terminologisch untermauern sollen. Für den weiteren Fortgang dieser Arbeit möchte ich Hausers Lösung übernehmen und „[...] [d]ie Begriffe humanitäres Völkerrecht, Recht der (in) bewaffneten Konflikte(n) und Kriegsrecht bzw. Kriegsvölkerrecht [...] als gleichbedeutend betrachtefn] [...]“ (Hauser 2004: 329), da mir diese Form der Verwendung für die hier untersuchte Fragestellung am praktikabelsten erscheint.
Dennoch muss darauf eingegangen werden, dass die zahlreichen unterschiedlichen Bezeichnungen einer einzelnen Materie auch immer Ausdruck unterschiedlicher Standpunkte und Blickwinkel sind.
Das Humanitäre Völkerrecht drückt durch seinen Namen in erster Linie den „[...] Zweck [...] der Begrenzung des Leidens [aus], das durch Krieg verursacht wird, indem es die Opfer schützt und ihnen beisteht [...]“ (Hauser 2004: 330). Begriffe wie „Humanitäres Kriegsvölkerrecht“ (z.B. Dülffer 2001: 35) betonen dagegen eher die Anwesenheit eines Krieges im klassischen Sinne. Der Begriff des„modernen Konfliktvölkerrecht“ (z.B. Ambos 2001: 326) löst diese Problematik durch die Verwendung des Konflikts- anstelle des Kriegsbegriffs und betont durch das Attribut der Modernität gleichzeitig die Abgrenzung zum traditionellen Kriegsvölkerrecht. Kritikpunkt an diesem Begriff wäre allerdings, ebenso wie im Falle des Begriffs des „Recht der nationalen und internationalen bewaffneten Konflikte“ (z.B. Ambos 2001: 326), dass die humanitäre Leitlinie aus der Oberbezeichnung verschwindet; angesichts der Herkunft und des Inhalts der Normen des humanitären Völkerrechts erscheint dies unangemessen.
Krieg war schon immer Teil der Geschichte der Menschheit. Ähnlich alt dürften die Versuche sein, Krieg einzudämmen oder eine Eskalation der Gewalt zu verhindern.62 Im sozialkonstruktivistischen Sinne handelt es sich bei Krieg also um eine soziale Institution, die über Regeln verfügt: „In fact, however, [war] was a highly regulated social institution whose rules have changed over time“ (Finnemore 1996: 69). Der Wandel dieser Regeln soll in diesem Kapitel dargestellt werden.
Auf sehr frühe historische Vorläufer des modernen Humanitären Völkerrechts kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Ich möchte mich daher hier auf die Entwicklung seit Mitte des 19. Jahrhunderts konzentrieren.
Als früheste Kodifikation kriegsrechtlicher Normen wird im Allgemeinen der sog. Liebers Code?63 aus dem amerikanischen Bürgerkrieg genannt,64 der sich mit dem Verhalten der Nordstaatenarmee im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 befasste und neben Strafandrohungen bei Verstößen gegen das Kriegsrecht auch den Grundsatz der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Kriegsgefangenen enthielt. Relevant für die weitere Entwicklung des Humanitären Völkerrechts ist der Liebers Code aufgrund seiner Vorbildfunktion für weitere Kodifikationsbemühungen.65
Ähnlich wie die Genfer Konvention „betreffend die Linderung des Loses der im Felddienst verwundeten Militärpersonen“66, ist auch der Liebers Code zum Teil aus der Kriegsberichtserstattung diverser Reporter motiviert worden, die die fortschritts- und zivilisationsgläubigen Menschen des 19. Jahrhunderts mit der Realität des massenhaften Sterbens auf den Schlachtfeldern Amerikas und der Krim konfrontierten.67
Der Kodifikationsdrang der europäischen Staaten angesichts der technologischen Neuerungen moderner Kriegsführung äußerte sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Deklarationen und Abkommen, die von der Idee einer „Humanisierung“ des Krieges durch die Weiterentwicklung des Kriegsrechts geprägt waren.68 So wurde in der sog. Sankt Petersburger Erklärung69 die Verwendung von Sprenggranaten geächtet,70 1874 verabschiedeten 15 europäische Staaten die Brüsseler Kriegsrechtdeklaration,71 die jedoch nicht ratifiziert wurde.72 Die Haager Friedenskonferenzen73 waren schließlich der erste umfassende erfolgreiche Kodifikationsversuch.
Die Haager Landkriegsordnung (HLKO) ist bis heute Basis des Humanitären Völkerrechts und ein „Meilenstein in der Geschichte des humanitären Völkerrechts“ (König 2003: 56). Die Formulierung „Die Kriegsfiihrenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes“ (HLKO, Artikel 22) enthält bereits die Zielsetzung dieser Konvention: die Humanisierung des Krieges.74 Obwohl ein solches Vorhaben zahlreichen zeitgenössischen Beobachtern äußerst seltsam erschien,75 wurde die HLKO schließlich bis zum 01.08.1911 von zwanzig Staaten ratifiziert.76 Neben der Reduzierung der Gewaltanwendung streben sie auch an, für die Zukunft die schrecklichsten Auswüchse des Krieges zu verhindern:
„Entscheidend bei diesen Regelungen ist der Grundgedanke, dass bewaffnete Konflikte Auseinandersetzungen zwischen Staaten sind. Das einzig legitime Ziel im Krieg darf es sein, die militärische Widerstandskraft des Staates zu schwächen. Jede Verwendung von Waffen, die überflüssiges Leid verursachen, ist verboten“ (Daase 2001: 144).
Das Haager Recht wird auch als „Kampffuhrungsrecht“ (Hauser 2004: 334) bezeichnet und bildet zusammen mit dem Genfer Recht und dem Völkergewohnheitsrecht eine der wichtigsten Rechtsquellen humanitären Völkerrechts.77
Die Entwicklung des sog. Genfer Rechts ergänzt das Haager Recht insofern, als dass es die humanitäre Seite bewaffneter Konflikte zu verrechtlichen sucht.78 Das Genfer , Abkommen zum Schutze Verwundeter im Felde“ von 1864 geht auf die Initiative des 1863 gegründeten Internationalen Komitee der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege zurück, das sich wenig später in Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) umbenannte.79 Dieses Abkommen wurde 1906 umgearbeitet und ging schließlich als erste Konvention80 in das Genfer Kodifikationswerk von 1949 ein.81 Die zweite Konvention von 1949 über die Kranken und Schiffbrüchigen auf See82 ist die Übernahme der Haager Konventionen VI-XIII über maritime Kriegführung von 1907. Die dritte Konvention von 1949 ist ebenfalls eine überarbeitete Version der Konvention von 1929, die sich mit Kriegsgefangenen befasst83. Die große Neuerung der Genfer Abkommen ist die vierte Konvention über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten.84 Die Genfer Abkommen besitzen insofern universale Gültigkeit, als dass sie für fast alle Streitkräfte verbindliches Recht darstellen.85
Obwohl diese internationalen Abkommen keine individuelle Verantwortlichkeit für Verstöße gegen das Kriegsrecht vorsahen und sich ausschließlich an Staaten richteten, war es Ende des 19. Jahrhunderts
„[...] im Grundsatz anerkannt, daß sowohl die eigenen Soldaten als auch Angehörige fremder Streitkräfte für Verletzungen kriegsrechtlicher Vorschriften strafrechtlich verantwortlich gemacht werden konnten“ (König 2003: 59).
Auch die Idee einer internationalen Strafgerichtsbarkeit geht auf diese Periode zurück.86
1977 wurden im Rahmen der „Konferenz über Humanitäres Völkerrecht“ zwei Zusatzprotokolle zu den Genfer Abkommen verabschiedet, die den „Schutz der Opfer internationaler Konflikte“ (Zusatzprotokoll I), bzw. „nicht-internationaler Konflikte“ (Zusatzprotokoll II) zum Gegenstand hatten.87 Initiiert wurden sie außer vom IKRK, das seit 1945 kontinuierlich an der Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts arbeitete, und den Vereinten Nationen88 auch von verschiedenen NGOs sowie Persönlichkeiten, die bereits die Teheraner Menschenrechtskonferenz von 1968 nutzten, um eine Revision des Kriegsvölkerrechts zu fordern.89 An diesem Punkt in der Geschichte des Humanitären Völkerrechts wird der Bezug zu den Menschenrechten deutlich; m. E. setzt hier der Wandel vom traditionellen, an der Staatensouveränität orientierten zu einem modernen, menschenrechtsorientierten völkerrechtlichen Ansatz ein.90 Gleichzeitig lässt sich 1968 auch eine Wende in der Haltung der Vereinten Nationen konstatieren, die sich bisher nicht mit dem Kriegsvölkerrecht befasst hatten, da „[...] die UN- Charta Krieg verbiete und folglich die Regulierung der Kriegsfuhrung nicht relevant sei“ (Daase 2001: 148). Die Resolution über Human rights in armed conflicts91 beinhaltete eine Aufforderung an die UN, das Kriegsrecht in Kooperation mit dem IKRK92 zu überarbeiten, der die Vereinten Nationen in den folgenden Jahren nachkamen.93
[...]
1 Vgl. Adler (2002: 103).
2 „At the centre of political theory, and therfore of international political theory, is the idea of justice [...]“ (Nardin 2006: 45).
3 „The purpose of law [...] is to prevent coercive interference with the freedom of individuals,either by other individuals or by government“ (Nardin 2006: 450).
4 Vgl. Nardin (2006: 453).
5 „Das Völkerrecht ist [...] im Wesentlichen ein Staatenverkehrsrecht, der Begriff „Völkerrecht“ eigentlich falsch; den Sachverhalt besser treffen Bezeichnungen wie internationales Recht oder - in Abgrenzung vom internationalen Privatrecht - internationales öffentliches Recht“ (Krell 2000: 74). List/Zangl zufolge entspricht Völkerrecht dem internationalen öffentlichen Recht während der Begriff des transnationalen Rechts neben diesem auch das internationale Privatrecht umfasst. Vgl. List/Zangl (2003: 361).
6 Allen Unzulänglichkeiten zum Trotz, möchte ich im Rahmen dieser Arbeit der Einfachheit halber von „Völkerrecht“ sprechen.
7 Zur Frage der Rechtssubjektivität in Völkerrecht und Völkerstrafrecht siehe Kapitel 2.2.2.
8 „[...] to save succeeding generations from the scourge of war, [...] to reaffirm faith in fundamental human rights, in the dignity and worth of the human person, in the equal rights of men and women and of nations large and small, and [...] to establish conditions under which justice and respect for the obligations arising from treaties and other sources of international law can be maintained, and [...] to promote social progress and better standards of life in larger freedom [...]“ (UN- Charta, Präambel).
9 Vgl. Delbrück (2001: 26).
10 „International law represents a particular form of practice, of reasoning, and of argumentation that is socially contrived and historically constructed, but it is based on a remarkably broad consensus and is relatively well institutionalized“ (Hurrell 2000: 313).
11 Vgl. Ambos (2002: 40).
12 Vgl. Werle (2003: 107).
13 „Da Verstöße gegen das Völkerstrafrecht die „internationale Gemeinschaft als ganzes“ (Präambel) betreffen, ist die Ahndung von Völkerrechts verbrechen eine Aufgabe der Völkergemeinschaft und aus diesem Grund durchbrechen die Normen des Völkerstrafrechts den ‘Panzer der staatlichen Souveränität’ [Jeschek, Hans-Heinrich 1952: Die Verantwortlichkeit der Staatsorgane nach Völkerrecht, Bonn: 11.]“ (Werle 2003: 75).
14 Kapitel 3.1.1 und 3.1.2 befassen sich ausführlicher mit der Schaffung und Umsetzung des ICC.
15 „[...] most serious crimes of concern to the international community“ (Römisches Statut,Präambel).
16 Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 249); Sands (2005: 46); Werle (2003: 71f).
17 Z.B. IGH-Statut Art 38 (1) (a).
18 Vgl. Werle (2003: 123).
19 Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 172); Ambos (2002: 41); Satzger (2005: 147); List/Zangel (2003: 368); Werle (2003: 123). Sands dagegen zählt nur Vertrags- und Völkergewohnheitsrecht zu den Hauptquellen: „The two main sources of international legal obligation were - and continue to be - treaties and customary law“ (Sands 2003: 7). Daase nennt „[...] drei unterschiedliche Quellen [...], nämlich [...] allgemeine Prinzipien, [...] Gewohnheiten und [...] Konventionen“ (Daase 2001: 143). Hauser unterscheidet in erster Linie zwischen Rechtserzeugungs- und Rechtsfundquellen. Vgl. Hauser (2004: 38f).
20 Das Statut nennt im Originalwortlaut: „[...] a) internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur, in denen von den streitenden Staaten anerkannte Regeln festgelegt sind; b) das internationale Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung; c) die von den Kulturvölkern anerkannten Rechtsgrundsätze; d) [...] richterliche Entscheidungen und die Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der verschiedenen Nationen als Hilfsmittel zur Feststellung von Rechtsnormen” (IGH- Statut, Artikel 38 (1)).
21 Vgl. Daase (2001: 143).
22 Vgl. von Scharlemer (2002: 208).
23 Vgl. Fritzsche (2004: 38).
24 Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 184).
25 „Zur Staatenpraxis muss eine entsprechende Rechtsüberzeugung hinzutreten. Die Grenze zwischen Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis ist freilich fließend (geworden)“ (Werle 2003: 133).
26 Vgl. Paech (2004: 29f).
27 „Customary international law comprises a wide range of rules that are binding upon all states, regardless of their explicit consent“ (Baylis/Smith 2005: 350). Werle weist daraufhin, dass diese Problematik aus der Dynamik der Staatenpraxis resultiere. Vgl. Werle (2003: 140).
28 Zum Inhalt der Haager Konventionen siehe Kapitel 2.3.1.3 sowie 2.4.1.3.
29 Vgl. Werle (2003: 127).
30 Zu den allgemeinen Grundsätzen zählen die Verpflichtung zur Wiedergutmachung durch denjenigen, der einen Schaden verursacht hat, und zur Erfüllung von Verpflichtungen; das Verbot des Rechtsmissbrauchs und Prinzipien wie Verjährung und Verwirkung. Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 191); Werle (2003: 134). Hobe nennt des Weiteren die strafrechtliche Privilegierung Minderjähriger sowie das Rechtsprinzip der Achtung menschlicher Würde. Vgl. Hobe (1999: 268).
31 Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 190).
32 Vgl.Ambos (2002: 41).
33 Vgl. Hobe (1999: 268).
34 Vgl. List/Zangel (2003: 369); Werle (2003: 140).
35 Vgl. Hobe/Kimminich (2004: 193). Werle fuhrt im einzelnen an: ICC-Verbrechenselemente; ICC-Verfahrensregeln; ICTY- und ICTR-Statut; KRG 10, Genfer Kodifikationswerk; Völkermordkonvention; HLKO; Entscheidungen internationaler Gerichte; Resolutionen, Berichte und Beschlüsse der UN; Entwürfe und Beschlüsse der ILC sowie wissenschaftlicher Vereinigungen; Entscheidungen staatlicher Gerichte; staatliche Gesetzgebung; Militärhandbücher. Vgl. Werle (2003: 51-67).
36 Demzufolge soll zunächst das Statut mit den Verbrechenselementen und den Verfahrensregeln, anschließend Vertragsrecht und allgemeine völkerrechtliche Grundsätze angewendet werden. Schließlich können allgemeine Grundsätze nationalen Rechts zur Lösung einer Rechtsfrage herangezogen werden, sofern sie mit Statut und Völkerrecht vereinbar sind. Außerdem ist die Berufung des Gerichts auf frühere Entscheidungen gestattet, solange diese nicht gegen Menschenrechte verstoßen und nicht diskriminierend sind. Die Neuerung dieses völkerstrafrechtlichen Rechtsquellenprogramms gegenüber denen des klassischen Völkerrechts liegt eindeutig in der „Hierarchisierung und Präzisierung“ (Werle 2003: 166) der Quellen. Römisches Statut, Artikel 21 (1-3). Vgl. Schabas (2004: 90-93).
37 Vgl. Werle (2003: 4).
38 „Mit der Universalisierung des Kreises der Völkerrechtssubjekte ging eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen einher, an der die Vereinten Nationen einen maßgeblichen Anteil hatten“ (von Schorlemer 2003: 199).
39 „The Court shall have jurisdiction over natural persons pursuant to this Statute“ (Römisches Statut, Artikel 25 (1)).
40 Siehe Werle (2003: 95f).
41 „Völker-Deliktsrecht“ und „Völker-Strafrecht“ unterscheiden sich Werle zufolge durch ihre Wirkungsmechanismen und ihre Rechtsfolgen, das „Ziel der Durchsetzung des Völkerrechts“ (Werle 2003: 97) sei ihnen jedoch gemeinsam.
42 Die Zahl der Völkerrechtssubjekte hat sich im 20. Jahrhundert wesentlich erweitert. Während im klassischen Völkerrecht der Heilige Stuhl die einzige Ausnahme vom Grundsatz, nur souveränen Staaten Völkerrechtssubjektivität zuzugestehen, war, gehören heute neben den Staaten, den internationalen Regierungsorganisationen (Heiliger Stuhl, IKRK, Souveräner Malteserorden) auch die NGOs und transnationale Unternehmen zum Kreis der Völkerrechtssubjekte. Außerdem stellt sich die Frage, ob einzelnen Völkern oder Volksgruppen, Befreiungsbewegungen, Aufständischen und Minderheiten nicht auch völkerrechtliche Subjektivität zustünde. Vgl. dazu Hobe/Kimminich (2004: 64-168).
43 „The most frequently cited interests underlying international criminal law are ‘international peace and security’, ‘the collective conscience of humankind’, and ‘State action or policy’. The first two articulate the interest of the international community in a stable and principled world order [...]‘State action or policy’ has, at most, a supporting role for the other two“ (Broomhall 2003: 44).
44 Werle verwendet hierfür den Begriff der „positiven Generalprävention“ (Werle 2003: 85).
45 Vgl. Werle (2003: 71).
46 Vgl. Saland (1999: 194-197); Broomhall (2003: 26-28).
47 Vgl. Broomhall (2003: 26).
48 „[...] [T]he nullum crimen principle provides certainty to both individuals and States. Individuals face the possibility of prosecution only with respect to the crimes that State Parties have clearly and exhaustive provided for in the Statute. [...] State Parties are under an obligation to cooperate with the Court and to surrender jurisdiction to it in accordance with the complementarity provisions only in clearly delineated statutory circumstances“ (Broomhall 2003: 35).
49 „Offering a means both of limiting exposure to the obligations imposed by the Statute and of fostering codification and development of the law, the principle encouraged clearer stipulation of procedural detail, exhaustive definitions of crimes, movement of general principles from the proposed Rules to the Statute, and much else“ (Broomhall 2003: 30).
50 Siehe Broomhall (2003: 36).
51 Vgl. (Schabas 2004: 101);Saland (1999: 198-200).
52 Vgl. Saland (1999: 202-204).
53 Vgl. Saland (1999: 200f).
54 Vgl. Schabas (2004: 108f).
55 Vgl. Schabas (2004: 95).
56 „[Das humanitäre Völkerrecht] bezieht es sich auf die Realität eines Konfliktes, ohne die Gründe oder die Rechtmäßigkeit der Anwendung von Gewalt zu berücksichtigen. So ist das ius in bello (Recht innerhalb des Kriegs) unabhängig vom ius ad bellum (Recht zur Anwendung von Gewalt) und vom ius contra bellum (Recht über die Prävention von Krieg) zu verstehen“ (Hauser 2004: 330). Vgl. Ambos (2001: 326f).
57 „Das früher als Kriegsrecht und heute als humanitäres Völkerrecht bezeichnete Recht des bewaffneten Konflikts wird definiert als die Gesamtheit der Völkerrechtsregeln, die während eines bewaffneten Konflikts für die im Konfliktsgebiet befindlichen Personen und die völkerrechtliche Beurteilung der Kampfhandlungen gelten; kurz: es sind die Regeln, die den Gebrauch von Gewalt in bewaffneten Konflikten begrenzen“ (Hobe/Kimminich 2004: 498).
58 „Genfer Recht“ umfasst mit den vier Genfer Abkommen und den beiden Zusatzprotokollen auch fpsen zufolge „[...] humanitäres Recht im engeren Sinne zum Schutze der Zivilbevölkerung, der Kriegsgefangenen und Verwundeten [...] “ (fpsen 2004: 1202); in Abgrenzung zum sog. „Haager Recht“, das mit den Haager Konventionen v.a. „[...] Bestimmungen über Mittel und Methoden der Kampfführung [...]“ (Ipsen 2004: 1202) enthält.
59 Vgl. Ambos (2001: 327).
59 Vgl. Münkler (2002: 57).
61 Vgl. Hauser (2004: 342); Sutter (2004: 31).
62 Hauser verweist auf den babylonischen König Hammurabi sowie Texte der Bibel und des Korans, die Kriegsregeln in vorchristlicher Zeit belegen. Vgl. Hauser (2004: 340). Ein sehr konkreter und präziser Abriss des vormodemen Kriegsrecht findet sich in König (2003: 38-51).
63 Instructions for the Government of Armies of the United States in the Field. Preparated by Francis Lieber, promulgated as General Orders No. 100 by President Lincoln)', 24.04.1863.
64 Vgl. Dülffer (2001: 38); Sutter (2004: 30); Kerr (2004: 22).
65 Vgl. Hauser (2004: 341); König (2003: 55).
66 Convention for the Amelioration of the Condition of the Wounded in Armies in the Field, Geneva, 22 August 1864. http://www.icrc.org/IHL.nsfi52d68dl4de6160e0cl2563da005fdblb/ 87a3bb58clc44f0dcl25641a005a06e0.
67 Vgl. Kerr (2004: 22). Welcher Form der Zusammenhang zwischen der Medienpräsenz von Konflikten und der Kodifizierung bestimmter Straftaten ist, kann und soll im Rahmen dieser Arbeit nicht näher betrachtet werden. Dass ein solcher jedoch besteht und immer wieder die Entwicklung des Humanitären Völkerrechts beeinflusst hat, ist meiner Ansicht nach nicht von der Hand zu weisen. Diese Tatsache macht wiederum deutlich, dass die Geschichte des Völkerrechts und seiner Teilbereiche eine Geschichte des Lernen aus irreversiblen Fehlem ist.
68 Vgl. König (2003: 55f).
69 Declaration Renouncing the Use, in Time of War, of Explosive Projectiles under 400 Grammes Weight-, 29.11./11.12.1868.
70 Vgl. Dülffer (2001: 38); Daase (2001: 144); König (2003: 55f).
71 Final Protocol. Brussels Conference of1874; 27.08.1874.
72 Vgl. Dülffer (2001: 38).
73 Die Haager Friedenskonferenzen fanden auf russische Initiative vom 18.05.1899 bis zum 29.07.1899 sowie vom 15.06.1907 bis zum 18.10.1907 in Den Haag statt. Vgl. Brockhaus Band 14 (1991:466).
74 Diese Formulierung ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass die älteste Kriegsregel die des unbegrenzten Gewalteinsatzes ist: „The fundamental principle of the regulation of warfare is that the right to inflict harm on the enemy is unlimited“ (Kerr 2004: 21).
75 Zur Diskussion um Sinn und Zweck der Haager Friedenskonferenzen siehe Dülffer (2001: 35f).
76 Vgl. Dülffer (2001: 42).
77 Vgl. Hauser (2004: 332).
78 Der Vollständigkeit soll darauf hingewiesen werden, dass die Konvention zum Schutz von Kulturgut in bewaffneten Konflikten vom 14.03.1954 (Hague Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict) ebenfalls Bestandteil des Genfer Rechts ist.
79 Vgl. Hauser (2004: 340); König (2003: 55).
80 Geneva Convention I for the Amelioration of the Condition of the Wounded and Sick in Armed Forces in the Field', 12.08.1949.
81 Vgl. König (2003: 57f).
82 Geneva Convention II for the Amelioration of the Wounded, Sick and Shipwrecked Members of Armed Forces at Sea', 12.08.1949.
83 Geneva Convention III Relative to the Treatment of Prisoners of War, 12.08.1949. Vgl. König (2003: 80).
84 Geneva Convention IV Relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War, 12.08.1949. Vgl. Daase (2001: 145).
85 Vgl. Hauser (2004: 334).
86 Vgl. König (2003: 58-61)
87 Die Zusatzprotokolle werden im Rahmen der Darstellung des Genfer Kodifikationswerks in Kapitel 2.4.4.4 genauer beleuchtet.
88 Zur Vorgeschichte der Genfer Konferenz siehe König (2003: 137).
89 Vgl. Daase (2001: 148).
90 Ambos verwendet hier die Begriffe des state-sovereignty-orientated und des human-being- orientated approach und begründet diese Entwicklung mit dem Dilemma, die dem klassischen Völkerrecht aus der strikten Trennung zwischen nationalem und internationalem Konflikt erwuchs. Vgl. Ambos (2001: 326f).
91 Respect for Human Rights in Armed Conflicts. Resolution 2244 (XXIII) of the United Nations General Assembly; 19.12.1968.
92 An dieser Stelle sei nachdrücklich auf die ausschlaggebende Rolle, die das IKRK für die Entwicklung des Rechts der Opfer bewaffneter Konflikte gespielt hat und immer noch spielt, hingewiesen. Die „Diplomatische Konferenz zur Neubestätigung und Fortentwicklung des in bewaffneten Konflikten anwendbaren Völkerrechts“, die schließlich zur Abfassung der Genfer Zusatzprotokolle führte, ist wie zahlreiche Initiativen zuvor, Ergebnis der Arbeit des IKRK. Vgl. dazu Hauser (2004: 334); Finnemore (1996: 69-88).
93 Vgl. Daase (2001: 148f).
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