Bachelorarbeit, 2021
86 Seiten, Note: 2
1 Einleitung
2 Der Bewegungsgegenstand
2.1 Fachwissenschaftliche Perspektive
2.1.1 Bedeutung der Rumpfkraft
2.1.2 Biomechanische Prinzipien
2.2 Erweiterte Sachstrukturanalyse des Bewegungsgegenstands
2.2.1 Außenperspektive des Klimmzugs
2.2.2 Sachstrukturanalyse aus der Innenperspektive des Lernenden
2.3 Themen und Inhalte des Bewegungsgegenstandes
2.3.1 Haltungsfehler und deren Folgen
2.3.2 Richtiges Heben
2.3.3 Welche Kompetenzen lassen sich am Bewegungsgegenstand erschließen?
3 Fachwissenschaftliche Perspektiven auf den Bewegungsgegenstand
3.1 Fachwissenschaftliche Bestimmungen und lerntheoretische Aspekte
3.2 Bedeutsamkeit der fachwissenschaftlichen Perspektive für den Sportunterricht sowie der Erziehung und Bildung des Menschen
3.3 Schulbezogene empirische Studien zum fachwissenschaftlichen Zugang und des Gegenstands bzw. dessen Zusammenwirken im Schulhorizont
4 Lerngegenstand und fachdidaktische Überlegungen
4.1 Ableitung und Ausformulierung eines konkreten Lerngegenstands
4.2 Curriculare Verordnung des Lerngegenstands/-inhalts
4.2.1 Verordnung des Lerngegenstandes im Kompetenzmodell
4.2.2 Verordnung des Lerngegenstands im Lehrplan
4.3 Bedingungsanalyse
4.3.1 Institutionelle Voraussetzungen
4.3.2 Personale Voraussetzungen
4.4 Fachdidaktische Begründung des methodisch-didaktischen Zugangs
4.5 Sequenzplanung
4.6 Verlaufsplanungen
4.6.1 Verlaufsplanung der ersten Doppeleinheit
4.6.2 Verlaufsplanung der zweiten Doppeleinheit
4.6.3 Verlaufsplanung der dritten Doppeleinheit
5 Evaluation der Unterrichtssequenz
5.1 Allgemeine Überlegungen und Erkenntnisinteresse der Evaluation
5.2 Evaluationsleitende Fragestellungen und passende Evaluationsaufgaben
5.3 Zugang zur Evaluation
5.3.1 Materialien, Mittel und Quellen der Informationsgewinnung
5.3.2 Vorgehen zur Datenaufbereitung
5.3.3 Vorgehen zur Auswertung der Informationen
6 Evaluation der Sachstrukturanalyse und der Sequenz- und Verlaufsplanungen durch eine andere Gruppe
6.1 Evaluation der Sachstrukturanalyse
6.2 Evaluation der Sequenzplanung
6.3 Evaluation der Verlaufsplanungen
7 Perspektiven und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Bewegung im Allgemeinen ist für die menschliche Gesundheit von großer Bedeutung und bringt zahlreiche Vorteile mit sich. Speziell im Kindesalter ist diese unentbehrlich, da dadurch der Aufbau der Muskeln und Knochen gefördert wird, es zu einer nachhaltigen Verbesserung des Immunsystems kommt und Übergewicht oder ähnliche ernährungsbedingte Erkrankungen vermieden werden können. Zahlreiche Studien belegen außerdem, dass Sport bei freiwilligem Praktizieren positive Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit hat, wodurch dem Unterrichtsfach „Bewegung und Sport“ eine durchaus bedeutende Rolle im schulischen Kontext zuzuschreiben ist. Rückenschmerzen und Haltungsschwächen aufgrund von geringer physischer Aktivität sind mittlerweile im Kindes- und Jugendalter weit verbreitet und wirken sich in weiterer Folge im Erwachsenenalter kostspielig auf das Gesundheitssystem aus. Ziel dieser Arbeit ist es, diesbezüglich Präventionsmaßnahmen zu setzen und den Schüler*innen die Notwendigkeit und Bedeutung von Rumpfkraft in Bezug auf Verletzungsprophylaxe und Haltungsstabilisierung näherzubringen. Außerdem sollen die Kinder Übungen zur eigenständigen Verbesserung der motorischen Rumpfkraft kennenlernen und diese gesundheitsorientiert ausführen sowie die Rumpfkraft bei statischen und dynamischen Gleichgewichtsübungen erfahren.
Zu Beginn werden die fachwissenschaftliche Perspektive auf den Bewegungsgegenstand sowie fachdidaktische Überlegungen erläutert, der Lerngegenstand konkretisiert und eine curriculare Einordnung durchgeführt. Es folgt eine detaillierte Schilderung von Sequenzplanung und Verlaufsplanung mit anschließender Evaluation dieser Unterrichtssequenzen. Zum Schluss werden die Evaluation von Teilen dieser Bachelorarbeit durch eine andere Gruppe angeführt und ergänzend zentrale Erkenntnisse für Lehrkräfte bezüglich der weiteren Unterrichtsgestaltung thematisiert.
Akuthota und Nadler (2004, S86) definieren die motorische Rumpfkraft als „[d]ie muskuläre Kontrolle der LWS, um die funktionelle Stabilität aufrecht zu erhalten“.
Infolgedessen ist diese jene motorische (konditionelle) Fähigkeit, die es ermöglicht, durch Muskelaktivität Widerstände zu überwinden, ihnen nachgebend entgegenzuwirken oder sie zu halten (Hottenrott & Hoos, 2013). Laut Fastner und Manhart gewährleistet die Rumpfkraft die Stabilität der Wirbelsäule inklusive deren Feinjustierung und ist hauptverantwortlich für die Bewegungskontrolle beziehungsweise für die Stabilisierung der Gelenke in der Bewegung (Fastner & Manhart, 2014). Anatomisch betrachtet besteht der Rumpf aus der Wirbelsäule, dem Brustkorb sowie dem Beckengürtel. Die Muskulatur der Körpermitte wird je nach Lage und Funktion in unterschiedliche Systeme unterteilt. Unterschieden wird zwischen dem globalen, oberflächlichen Muskelsystem (Mobilisatoren), welches primär für die allgemeine Stabilität und für diverse Bewegungen des Rumpfs, wie beispielsweise das Drehen oder Neigen, zuständig ist, und der segmentalen Rumpfmuskulatur (Stabilisatoren), die für die Stabilisierung und Kontrolle der einzelnen Wirbelsegmente zuständig ist (Kisner & Colby, 2007). Laut Pappert und Schmölzer (2007) wird die Muskulatur des Rumpfes gemäß ihrer Funktion für die Rumpfstabilität folgendermaßen eingeteilt:
Stabilisatoren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Mobilisatoren:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 zeigt den Querschnitt im Bereich der Lendenwirbelsäule mit den umliegenden Muskeln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Querschnitt im Bereich der Lendenwirbelsäule (Pappert &Schmölzer, 2007, S.9)
Die Rumpfkraft spielt bei Bewegungen jeglicher Art eine essenzielle Rolle und ist Voraussetzung für eine gesunde Haltung des Oberkörpers und gute Leistungen im Sport. Ein kräftiger stabiler Rumpf gewährleistet eine optimale Kraftübertragung zwischen dem Ober- und Unterkörper und kann Schmerzen im Rückenbereich, speziell jene in der Region der Lendenwirbel, reduzieren. Biologische Systeme benötigen zur Aufrechterhaltung ihrer natürlichen optimalen Funktion ständig Belastungsreize. Bleiben diese über einen längeren Zeitraum aus oder werden zu einseitig, wie es beispielsweise bei Fehlhaltungen der Fall ist, wird das komplexe Zusammenspiel gestört. Daraus resultieren Fehlbelastungen der Gelenke, welche wiederum zu Funktionsstörungen oder Schmerzen führen können. Oft ist dafür nicht eine zu geringe Ausprägung der Stützmuskulatur, sondern das mangelhafte Zusammenspiel der beteiligten Muskelgruppen verantwortlich (Pappert & Schmölzer, 2007).
Eine Studie von Wilson et al., bei der der Zusammenhang zwischen Rumpfkraft und unteren Extremitäten untersucht wurde, zeigte, dass ein Mangel an Rumpfkraft das Risiko für Verletzungen der unteren Extremitäten erhöht. Isometrische und isokinetische Tests ergaben, dass vor allem die Maximalkraft der Hüftaußenrotatoren den stärksten Einfluss auf die mediale Knieabweichung hat (Willson, Ireland, Davis, & Dougherty, 2005).
Konkret für den Schulalltag bedeutet dies, dass regelmäßiges Training der Rumpfmuskulatur sowohl im Zuge der individuellen Leistungsoptimierung als auch hinsichtlich der gesundheitsrelevanten Bedeutung für die Schüler*innen unentbehrlich ist. Wichtig hierbei ist es, auf eine präzise Ausführung der Übung zu achten, um einen positiven Effekt auf den Organismus zu erzielen und schädliche Techniken zu unterbinden. Häufige Bewegungsfehler sind beispielsweise das Hohlkreuz, eine zu geringe Körperspannung oder einseitige Belastungen. Ergänzend spielt die korrekte Atmung während der Bewegungsausführung eine nicht minder bedeutungsvolle Rolle.
Gemäß dem 2. Newtonschen Gesetz wird Kraft allgemein als Produkt der Masse m und der Beschleunigung a, kurz F=m*a, definiert. Aus biomechanischer Sicht ist in der ersten Ebene zwischen mechanischer und biologischer Wirkung von Kräften zu differenzieren. Die mechanische Wirkung von Kräften kann entweder beschleunigend oder verformend sein, wobei letzteres in Abhängigkeit der Beschaffenheit des Materials bis zur vollständigen Zerstörung führen kann. Ist die einwirkende Kraft groß genug, um die Trägheit eines beweglichen Körpers zu überwinden, wird eine positive beziehungsweise negative Beschleunigung, sprich eine Erhöhung oder eine Reduktion der Geschwindigkeit, erzielt. Diese Geschwindigkeitsänderungen können bei Bewegungen des menschlichen Organismus durch äußere Kräfte wie zum Beispiel durch Reibungskräfte oder die Schwerkraft, aber auch durch innere Kräfte wie beispielsweise jene der Muskeln, Sehnen und Bänder verursacht werden (Güllich & Krüger, 2013).
Wie in Abbildung 2 ersichtlich, wird das Drehmoment M aus dem Produkt der Kraft F und dem Abstand zum Drehzentrum r berechnet. Speziell beim korrekten Heben von Lasten ist dieses von großer Bedeutung. Demnach sollte ein Objekt möglichst nahe am Körper angehoben und nach oben geführt werden, um das Drehmoment möglichst gering zu halten und Abnützungen der Bandscheiben im Lendenwirbelbereich weitgehend entgegenwirken zu können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 Darstellung des Drehmoments (Wikipedia, 2020)
Bewegung wird als Orts- bzw. Lageveränderungen in der Zeit gegenüber einem Referenzpunkt definiert. Jede Bewegung im Sport kann als Orts-, Positions- und Zustandsveränderung des menschlichen Körpers betrachtet werden. Im Sport relevante Bezugspunkte können zum Beispiel, der Boden oder auch die Reckstange sein. (Söll, 1975).
Jeder Mensch besitzt drei Körperachsen, welche als Bezugspunkte zur einfachen Beschreibung von sportlichen Bewegungen dienen:
Längsachse: Verlauf von Kopf bis Fuß
Breitenachse: Verlauf von der rechten zur linken Schulter bzw. auch an anderen Punkten des Körpers
Tiefenachse: Verlauf von der dorsalen zur ventralen Seite des Körpers
Außerdem ist eine Unterscheidung der entsprechenden Körperebenen, wie in Abbildung 3 ersichtlich, (Frontalebene, Sagittalebene, Transversaleben) möglich:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 Die Körperachsen (Springer Aktiv, 2020)
Eine erweiterte Sachstrukturanalyse dient zur Aufklärung des curricular verorteten Bewegungsstandes. Es beschreibt die Ansichten der Schüler*innen aus der Innensicht und die Ansichten der Lehrenden beziehungsweise den curricularen Lerngegenstand aus der Außenperspektive. Diese gesamte Analyse zeigt die gegenseitige Abhängigkeit von kompetenzorientiertem Sportunterricht, dem curricularen Lerngegenstand und dem didaktischen Erarbeiten des Bewegungsgegenstandes (Schröter, 2016).
Da diese Arbeit keinen eindeutig definierten Bewegungsgegenstand aufweist, wurde diesbezüglich eine Übung ausgewählt, welche exemplarisch den Erwerb der motorischen Rumpfkraft darstellen soll.
Klimmzüge zählen zu den effektivsten und anspruchsvollsten Übungen beim Training des Rumpfbereiches. Um einen Klimmzug erfolgreich ausführen zu können, sind der richtige Griff, Körperspannung und eine hohe individuelle Maximalkraft erforderlich. Je nach Wahl der Griffweite liegt der Trainingsfokus auf unterschiedlichen Muskelpartien, besonders beansprucht werden bei dieser Übung der breite Rückenmuskel (M. latissimus dorsi), der Kapuzenmuskel (M. trapezius), der große und kleine Rautenmuskel (M. rhomboideus minor et major) und der große Rundmuskel (M. teres major). Sekundär werden diverse armbeugende Muskeln wie beispielsweise der M. bizeps brachii oder der M. brachialis beansprucht.
Wie in Abbildung 4-6 ersichtlich, sollte die korrekte Ausführung eines Klimmzuges folgendermaßen aussehen:
- Übung startet in komplett passivem Hang, Muskulatur ist entspannt
- Die Schulterblätter werden fixiert, indem sie nach hinten unten gezogen werden, Wechsel in den aktiven Hang
- Bauch wird angespannt und aus der Kraft der Arme und des oberen Rückens wird der Körper nach oben gezogen, bis sich die Stange vor dem Brustbein befindet, währenddessen ausatmen
- Position kurz halten und kontrolliert wieder ablassen, währenddessen einatmen
- Der erneute Start erfolgt wiederum aus dem passiven Hang
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 Passiver Hang; Ausgangsposition (eigene Abbildung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 Beginn der konzentrischen Phase (eigene Abbildung)
Häufige Fehler bei der Ausführung:
Komplettes Durchstrecken der Arme in der Anfangsposition, unangenehme Belastung für die Ellbogengelenke Schwungholen mithilfe der Beine Die gesamte Bewegungsamplitude wird nicht ausgeschöpft, Übung wird nur partiell durchgeführt (OTL, 2014)
Wie bereits zuvor thematisiert, spielt der Griff beim Praktizieren eines Klimmzugs eine große Rolle. Grundsätzlich gilt hierbei zu beachten, dass die Stange stets zangenartig mit dem Daumen auf der einen Seite und den restlichen Fingern auf der anderen Seite umklammert werden sollte, um das Abrutschen bei Erschöpfung zu verhindern. Außerdem kann zwischen einem breiten Obergriff, einem engen Untergriff und einem neutralen Hammergriff unterschieden werden.
Breite Klimmzüge im Obergriff beanspruchen vor allem die oberen, schräg verlaufenden Fasern des M. latissimus dorsi, welche für die Rückenbreite verantwortlich sind. Bei der zweiten Variante, den Klimmzügen mit engem Untergriff, werden primär die unteren, senkrecht verlaufenden Fasern desselben Muskels trainiert, wodurch ein Wachsen des Rückens in die Tiefe hervorgerufen wird. Analog dazu werden bei der Ausführung mit neutralem Hammergriff ähnliche muskuläre Anpassungserscheinungen provoziert (fit for fun, o.J).
Der curriculare Bewegungsgegenstand „Klimmzug“, welcher als zentraler Teil der motorischen Rumpfkraft betrachtet werden kann, lässt sich präzise dem Bereich „Allgemeine Sportmotorische Fähigkeiten“ zuordnen. Die Inhalte werden im in den Bildungsstandards vorgestellten Kompetenzmodell mit den Selbstkompetenzen, Sozialkompetenzen, Methodenkompetenzen und Fachkompetenzen verknüpft. Konkret soll im Zuge des Sportunterrichts die Notwendigkeit und Bedeutung der Rumpfkraft für die Leistungsfähigkeit und Prävention erklärt sowie die Rumpfkraft selbstständig entwickelt werden. Einen weiteren zentralen Aspekt stellt das allgemeine Rumpfkrafttraining der großen Muskelgruppen in Form von Kräftigungsübungen, Stabilisierungsübungen und Spielformen dar (BMBWF, 2016).
Um der „kollektiven Verantwortung“ von Lernenden und Lehrenden gerecht zu werden, sollten die drei Planungsaspekte Ziel, Inhalt und Methode aus beiden Perspektiven – der der Lehrenden und der der Lernenden betrachtet und in die Planung integriert werden. Schröter (2015) formuliert dies folgendermaßen: „Der planende Lehrer muss der Sache und den Schülern gerecht werden“ (Schröter, 2015, S.135). Weiters geht Schröter davon aus, dass Schüler*innen den eigenen Lernprozess nur dann selbst regulieren können, wenn ihnen der Zusammenhang der Teilbewegungen und die Zielbewegung bewusst gemacht werden und sie ihren eigenen Lernprozess mitgestalten. Neue didaktische Möglichkeiten würden sich aus der Perspektive der Lernenden ergeben (Schröter, 2015). Speziell in jungen Jahren ist den Schüler*innen oftmals die Bedeutung der Rumpfkraft nicht ausreichend bewusst. Die Verbesserung der individuellen motorischen Rumpfkraft birgt auf emotionaler Ebene einige Herausforderungen. Diese Herausforderungen zu antizipieren, bietet die Möglichkeit, ihnen gezielt zu begegnen, indem man mögliche Hilfestellungen und Alternativen anbietet. Die intrinsische Motivation und der häufig entstehende Konkurrenzkampf zwischen den Schüler*innen sind diesbezüglich wichtige Parameter, welche sich sowohl positiv als auch negativ auf den Lernerfolg auswirken können.
Beim klassischen Rumpfkrafttraining werden primär die konditionellen Fähigkeiten geschult, während bei den rumpfkraftzentrierten dynamischen und statischen Gleichgewichtsübungen auch die koordinativen Fähigkeiten verbessert werden.
Koordinative Fähigkeiten zeigen sich bei der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung sowie bei der Informationsnutzung (Motorik). Außerdem wirken sie auch als Voraussetzung für verschiedene sportliche Techniken und haben Einfluss auf die Entwicklung der konditionellen Fähigkeiten (Güllich & Krüger, 2013).
Hirtz (1985) fasst diese in fünf fundamentale Fähigkeiten zusammen:
- Kinästhetische Differenzierungsfähigkeit
- Reaktionsfähigkeit
- Orientierungsfähigkeit
- Gleichgewichtsfähigkeit
- Rhythmisierungsfähigkeit
Angst im Sportunterricht:
Angst wird unter anderem von Hackfort und Schwenkmetzger 1985 als eine kognitive, emotionale und körperliche Reaktion auf eine Gefahrensituation beziehungsweise auf die Erwartung einer Gefahren- und Bedrohungssituation definiert. Grundsätzlich lassen sich zwei Erlebniskomponenten unterscheiden. Zum einen die Aufgeregtheit im Sinne einer physiologischen Erregung und zum anderen die Besorgnis im Sinne von belastenden zukunftsorientierten Gedanken. Mit dem Eintritt in die Schule beginnen vor allem leistungsbezogene Ängste an Bedeutung. Aber auch soziale Ängste wie beispielsweise die Angst vor einer Blamage gegenüber Lehrkräften werden als zentrales Thema im schulischen Kontext angesehen (Wertenbruch & Röttger-Rössler, 2011).
Die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper, der damit verbundene Druck, einem bestimmten Körperideal zu entsprechen und die körperliche Exponiertheit in sportlichen Situationen sind maßgeblich an der Entwicklung und Verstärkung von sozialen Ängsten im Sportunterricht beteiligt. Dies kann in letzter Konsequenz sogar dazu führen, dass Schüler*innen zwanghaft versuchen, herausfordernde Situationen oder den Sportunterricht generell zu meiden.
Die Aufgabe der Lehrperson besteht unter anderem darin, den Schüler*innen verschiedene Hilfestellungen zu offerieren, um auftretende Ängste einzugrenzen. Konkret auf die Stundenplanungen dieser Arbeit bezogen, bedeutet dies, dass beispielsweise beim Kraftzirkel diverse Übungsmodifikationen mit unterschiedlichem Schwierigkeitsgrad bereitgestellt werden, damit adäquat auf die unterschiedlichen Leistungsniveaus eingegangen werden kann und somit eine Reduktion der Angst vor Blamage durch Schwierigkeiten bei der Übungsausführung erzielt werden kann. Des Weiteren kann sowohl das Vorzeigen von Übungen durch die Lehrkraft als auch sporadisches Lob für die Schüler*innen ebendieser Problematik entgegenwirken.
Konkurrenzkampf im Sportunterricht:
Der Konkurrenzkampf und das damit einhergehende Vergleichen der Schüler*innen werden im Sportunterricht als allgegenwärtig angesehen. Die Kinder orientieren sich bereits in jungen Jahren an ihrem sozialen Umfeld und wollen sich mit anderen messen, um so Rückmeldungen über ihren eigenen Leistungsstand zu erhalten. Daher können sich viele Menschen beim gemeinsamen Sporttreiben eher motivieren und an ihre Grenzen gehen als beim alleinigen Praktizieren. Eine Studie der Universität von Saskatchewan in Kanada beschäftigte sich mit der Thematik, ob ein direkter Leistungsvergleich die Trainingsintensität und -dauer der Probanden steigern kann. Die 68 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem Durchschnittsalter von 40 Jahren wurden in zwei Gruppen gegliedert, deren Aufgabe es war, zweimal mit einer Pause von drei Minuten so lange wie möglich im Unterarmstütz zu verharren. Die eine Hälfte bekam während der Pause die Information, dass 80 Prozent der Mitglieder, die sich auf einem vergleichbaren Trainingslevel befinden, beim zweiten Durchgang 20 Prozent länger durchgehalten haben, der anderen Hälfte der Probanden wurden diesbezüglich keine Auskunft erteilt. Beim zweiten Durchgang hielt jene Gruppe, die die Information zum Versuchsdurchlauf der anderen bekommen hatte, um fünf Prozent länger durch als beim ersten Mal. Die Durchhaltezeit bei der zweiten Gruppe war beim erneuten Durchführen der Übung um 18 Prozent kürzer. Das Ergebnis dieser Studie zeigt, dass sich das Messen und der Vergleich mit anderen Personen positiv auf die individuelle motorische Leistung auswirken kann (Priebe & Spink, 2014). Der Konkurrenzkampf im Schulalltag kann demnach einen erheblichen Teil zur Steigerung der Motivation beitragen, da dadurch eine höhere Leistungsbereitschaft zustande kommen kann und Schüler*innen ihr komplettes sportliches Potential entfalten wollen.
Motivation im Sportunterricht:
Motivation ist kein dichotomes Konstrukt, sondern spiegelt sich stattdessen in unterschiedlich stark ausgeprägten Verhaltensregulationsformen wider. Diese Formen gehen aus der „Organismischen Integrationstheorie“, einer Subtheorie der Selbstbestimmungstheorie, hervor (Deci & Ryan, 2000). Diese besagt, dass das Verhalten von Personen drei Bereichen zugeordnet werden kann, nämlich jenem des intrinsisch motivierten, jenem des extrinsisch motivierten und jenem des amotivierten Verhaltens. Konkret auf den Sportunterricht bezogen, nehmen intrinsisch motivierte Personen aus Freude oder anderen persönlichen Gründen am Unterricht teil. Extrinsisch motivierte Personen handeln auf äußere Reize hin und partizipieren am Unterrichtgeschehen hingegen aufgrund von Wunsch nach Belohnung oder um das Vermeiden einer Bestrafung, wie beispielsweise eine schlechte Benotung, zu erzielen. Bei weniger motivierten Schüler*innen erfolgt die Teilnahme am Unterricht, ohne den Nutzen dahinter zu erkennen und zu verstehen (Wolf & Kleinert 2018).
Der Forschungsstand zu Motivation im schulischen Kontext zeigt, dass die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse auf die Verhaltensregulation, sprich auf die unterschiedlichen Motivationslagen, einen positiven Einfluss haben kann. In Bezug auf den Sportunterricht konnte bereits nachgewiesen werden, dass eine Unterstützung ebendieser Bedürfnisse sich positiv auf die autonome Motivation von Schüler*innen im Unterricht ausgewirkt hat (Meester et al., 2016).
Grawe entwickelte im Jahr 2007 eine Konzeption der psychologischen Grundbedürfnisse:
- Bindung
- Selbstwertschutz/Selbstwerterhöhung
- Orientierung und Kontrolle
- Lustgewinn/Unlustvermeidung
Eine autonome Motivationslage im Sportunterricht hängt auf der einen Seite mit den individuellen Sporterfahrungen der Kinder und auf der anderen Seite mit personalen Bedingungen wie beispielsweise dem Geschlecht oder dem Körpergewicht zusammen. Die sportbezogenen Freizeitaktivitäten korrelierten außerdem positiv mit der selbstbestimmten Motivation im Sportunterricht. Demnach waren jene Schüler*innen, deren psychologische Grundbedürfnisse verstärkt als befriedigt angesehen wurden beziehungsweise jene mit einer höheren autonomen Motivation, auf sportlicher Ebene wesentlich aktiver (Cox et al., 2008).
Durch das schnelle Wachstum des Körpers haben Kinder und Jugendliche oft mit den Folgen dieser physischen Veränderungen zu kämpfen. Körpergewicht und Größe beeinflussen die Statik und Dynamik des Körpers, außerdem verkürzen Muskeln verstärkt, wodurch Haltungsschwächen auftreten können (Larsen et al., 2010). In den folgenden zwei Kapiteln wird die Bedeutung der Rumpfkraft für diese Haltungsschwächen und für das richtige Aufheben von Lasten behandelt. Außerdem wird kurz auf mögliche Krankheitsbilder eingegangen.
Eine auftretende Fehlbelastung der Wirbelsäule über einen längeren Zeitraum führt zwangsläufig zu einer Haltungsstörung. Wird diese ignoriert und nicht durch Gegenmaßnahmen versucht, die optimale Statik der Wirbelsäule wiederherzustellen, treten oft schmerzhafte Störungen auf. Eine Fehlhaltung ist an einer Abweichung der Wirbelsäule aus ihrer Mittelstellung und einer erhöhten Anspannung der Muskulatur erkennbar (Tilscher & Eder, 2007). Auch Küster schreibt in einer 2004 veröffentlichten Studie, dass Rückenschmerzen bei Kindern und Jugendlichen aus Dysbalancen und einem Defizit der Rumpfkraft resultieren (Küster, 2004). Die Wirbelsäule spielt durch ihre zentrale Positionierung im Körper eine essenzielle Rolle beim Sport und ist vor allem im Kindes- und Jugendalter vermehrt verletzungsanfällig. Um den unterschiedlichsten Belastungen entgegenwirken zu können, sollte auch bei jungen Menschen die Rumpfstabilität gut ausgeprägt sein (Weineck, 2010). Fehlbelastungen und muskuläre Schwächen führen unter anderem zu einer Verformung der Wirbelsäule. Diese physiologischen Abweichungen treten in Form einer Lordose (Wirbelsäule krümmt sich nach vorne) oder einer Kyphose (Wirbelsäule krümmt sich nach hinten) auf. Ohne Gegenmaßnahmen führt die Lordose zu chronisch degenerativen Veränderungen der rückwärtigen Wirbelanteile (Spondylarthrose) und die Kyphose zu einem degenerativen Prozess der vorderen Wirbelanteile (Osteochondrose). Laterale Verformungen der Wirbelsäule werden als Skoliose bezeichnet (Kapinos et al., 2011). Diesen Haltungsschwächen kann im Kindes- und Jugendalter noch gut entgegengewirkt werden, da es sich zu diesem Zeitpunkt meist um schlechte Angewohnheiten handelt. Dazu sollten Kinder und Jugendliche zu einem gesunden Lebensstil animiert werden. Möglichst wenig sitzende Beschäftigungen (z.B. weniger Medienkonsum), eine gesunde und ausgewogene Ernährung und genügend Bewegung sind hierbei die wichtigsten Parameter. Aber auch eine ergonomische Form der Schulmöbel, angepasst an die Größe der Kinder und Jugendlichen, und mehr zielorientierter Schulsport würde positiv zu einer Vermeidung beziehungsweise zu einer Korrektur von Haltungsschwächen beitragen (Tilscher & Eder, 2007).
Durch falsches Heben werden nicht nur die Bandscheiben geschädigt, es kann auch zu einer Überdehnung der Bänder und Muskeln und zu einer Überlastung der Wirbelgelenke kommen (Hauser- Bischof et al., 1991). Daraus resultieren in den meisten Fällen Rückenschmerzen im lumbalen Bereich. Eine Überlastung der Bandscheiben tritt dann auf, wenn die beteiligten Muskelgruppen und Bandstrukturen ungleichmäßig beansprucht werden. Außerdem ist es wichtig, dass auch auftretende Zug- und Druckkräfte in gleichem Maße auf die Bandscheibe verteilt werden. Besonders betroffen sind bei Hebe- und Tragetätigkeiten die untersten Bandscheiben der Lendenwirbelsäule. Soll auf diese der Druck beziehungsweise der Zug beim Heben möglichst einheitlich aufgeteilt werden, muss die Hebebewegung weitgehend ohne Vorbeugung des Oberkörpers erfolgen. Dies bestätigen auch einige Untersuchungen, welche den Vorbeugewinkel als entscheidend für die Belastung der Bandscheiben ausfindig machen (Tilscher & Eder, 2007).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 Krafteinwirkung auf die LWS beim richtigen und falschen Heben (Tilscher & Eder, 2007, S.167)
Wie in Abbildung 9 zu erkennen, wirkt beim Heben mit gebeugtem Oberkörper eine mehr als dreimal so hohe Last auf den unteren Rücken ein als mit geradem Oberkörper und gebeugten Knien. Analog dazu lassen sich daraus die wichtigsten Punkte für das korrekte Heben ableiten.
Ziel dieser Arbeit ist es, zum einen die allgemeinen sportmotorischen Fähigkeiten der Schüler*innen, insbesondere die motorische Rumpfkraft, zu verbessern und zum anderen die Notwendigkeit und Bedeutung der Rumpfkraft für die Leistungsfähigkeit, Verletzungsprävention und Haltungsstabilisation zu vermitteln. Außerdem sollten die Schüler*innen erfahren, dass Krafttraining in Gruppen Spaß machen kann und das psychische und physische Wohlbefinden maßgeblich beeinflussen kann. Bei der ersten Doppeleinheit, welche sich mit den gesundheitsrelevanten Aspekten der Rumpfkraft beschäftigt, stehen vor allem die Fach- und die Methodenkompetenz im Vordergrund. Die Schüler*innen sollen hierbei theoretische Hintergründe bezüglich der Rumpfkraft und Körperhaltung erlernen sowie diverse Bewegungshandlungen hinsichtlich ihrer Gesundheitsrelevanz beziehungsweise Gesundheitsgefährdung beurteilen und die Bedeutung der Rumpfkraft bei dynamischen und statischen Gleichgewichtsübungen erkennen und beschreiben können. Die zweite Doppeleinheit zielt primär auf die Verbesserung des rumpfkraftzentrierten Wissens durch eigenständiges Durchführen und Evaluieren verschiedener Kräftigungsübungen und auf die Selbstwahrnehmung ab. Konkret bedeutet dies, dass die Schüler*innen Übungen zur Kräftigung des Rumpfes, wie beispielsweise den Klimmzug, welcher von uns als alternativer Bewegungsgegenstand gewählt wurde, mit oder ohne Hilfestellung korrekt und gesundheitsorientiert ausführen können. Speziell beim Kraftzirkel sollen Anstrengungsbereitschaft und Durchhaltevermögen gezeigt werden sowie Empfindungen und Wahrnehmungen, wie beispielsweise Angsterlebnisse, seitens der Kinder geäußert werden. Im Zuge der dritten Doppeleinheit werden die Fach- und Sozialkompetenz durch sportartspezifisches Anwenden der Rumpfkraft bei unterschiedlichen Übungen beziehungsweise durch Übernahme von vielfältigen Aufgaben sowie Feedbackgeben geschult.
Der Rumpf ist ein essentieller Teil bei unterschiedlichsten Fortbewegungsarten. So muss dieser etwa beim Laufen und Radfahren angespannt sein, damit eine optimale, diagonale Kraftübertragung gewährleistet ist. Ein stabilerer Rumpf kann deshalb zu einer Leistungssteigerung in unterschiedlichsten Sportarten führen. Außerdem wird durch eine gut ausgeprägte Rumpfmuskulatur die Belastung auf Bänder und Bandscheiben reduziert, wodurch Überlastungsschäden von Rücken, Beinen und Füßen vermieden werden können (Miller & Herkimer, 2012).
Für die geplante Sequenz wurden unterschiedliche fachwissenschaftliche und lerntheoretische Überlegungen vorgesehen und umgesetzt. Eine der wichtigsten Trainingsprinzipien für den menschlichen Körper ist eine möglichst vielfältige Belastung, welche auf den gesamten Körper verteilt werden sollte. Dabei ist eine stabile Rumpfmuskulatur von großem Nutzen. Wird eine Trainingsübung oder eine Bewegung auf instabilem Untergrund ausgeführt, kommt es zu neuen Reizen, welche das neuromuskuläre System zusätzlich beanspruchen. Dadurch kommt es zu einer höheren Aktivierung der Rumpfmuskulatur und in weiterer Folge zu einer besseren Körperstabilität und Muskelkräftigung (Riegler & Stöggl, 2013). Aus diesem Grund wurden auch Übungen mit instabilen Untergründen in die Sequenzplanung eingebaut.
Im Allgemeinen wird in den einzelnen Verlaufsplanungen versucht, dem methodischen Konzept „Vom Leichten zum Schweren“ zu folgen. Deshalb beginnt jede der drei Doppeleinheiten mit einem themenspezifischen Aufwärmen. Zusätzlich wird durch einen theoretischen Input versucht, eine bestmögliche Wissensbasis zu schaffen. Diese soll die Schüler*innen auf die teilweise schwierigen Übungen im Hauptteil vorbereiten und ihnen die gesundheitsrelevanten Aspekte der Rumpfkraft näherbringen. Des Weiteren soll der Theorieteil den Lernenden die Wichtigkeit des Themas bewusst machen. Um der sportlichen Heterogenität der Klasse gerecht zu werden, werden vor allem im Hauptteil unterschiedliche Übungsformen angeboten. Dadurch können sowohl leistungsstärkere- als auch leistungsschwächere Schüler*innen gleichermaßen gefordert werden. Darüber hinaus ist zu erwähnen, dass in der gesamten Sequenz auf eine möglichst hohe Bewegungszeit geachtet wird.
Bei der Planung der Unterrichtssequenz wurde nach der Idee des KIOSK- Modells nach Teml und Teml (2006) vorgegangen. Zusätzlich wurde bei der Planung versucht, auf die zehn Merkmale guten Sportunterrichts nach Gebken (2005) Rücksicht zu nehmen.
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