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Bachelorarbeit, 2022
44 Seiten, Note: 1,3
Abstract
Einleitung
Türkisch auf dem Pausenhof
1. Poesie
Schreibsessions
Wirksamkeit des Schreibens
Poesietherapie/ Poesiecoaching
Expressive Arts
Schreibformen
2. Sprache und Identität
Funktion von Sprache
Spracherwerb
Zweisprachigkeit und zweisprachige Erziehung
Semilingualismus
Muttersprache als Ressource
3. Kinder und Jugendliche in der Migration
Migrationshintergrund
Erziehungsstile und Integration türkischsprachiger Familien
Kulturelles Kapital
4. Außerschulische Bildungsarbeit
Schulische Bildung und Außerschulische Bildung
Potentiale und Chancen kultureller Jugendbildung
Herausforderungen bei der Gestaltung außerschulischer Jugendbildung
Religiöse Jugendbildung
Muslimische Jugendbildung
Expressive Arts nach Paolo Knill - An Expert Learner Paolo Knill and the Art of teaching
5. Diskussion
Kunst und Poesie
Sprache als Ressource
Individuelle Entwicklungsaufgaben durch Migration
Bildung im geeigneten Setting
Konzeptidee Schreib-Zeit-Yazma-Zamani
Ausblick
Fazit
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Internetquellen
Die Bachelorarbeit beschäftigt sich mit dem Vorteil vom Schreiben in Bezug auf Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund und insbesondere solche mit türkischer Muttersprache. Das Schreiben umfasst im Folgenden die Poesie nach Hof, wie sie im Studiengang Expressive Arts in Social Transformation gelehrt wird. Der Aspekt der Community Arbeit aus dem Expressive Arts macht einen bedeutenden Anteil in Bezug auf die Poesie in dieser Arbeit aus.
Die Arbeit wurde in fünf Abschnitte gegliedert. Zu Beginn werden die Poesie und ihr Einsatz in sozialen sowie gesundheitsfördernden Feldern vorgestellt. Danach erfolgt ein Übergang zur Sprache und dem Spracherwerb. Hier wird auf die Wichtigkeit der Muttersprache von Kindern mit Migrationshintergrund eingegangen und welche Vor- und Nachteile eine zweisprachige Erziehung mit sich bringen. Es werden einige Grundlagen über Kinder- und Jugendliche mit Migrationshintergrund dargestellt, außerdem werden ihre Lebenswelten, individuellen Herausforderungen und Erziehungsstile aufgezeigt. Anschließend wird das Potential der schulischen und außerschulischen Bildung für Kinder mit Migrationshintergrund deutlich gemacht. Zum Schluss erfolgt die Diskussion, welche eine Konzeptidee als Transferleistung beinhaltet.
Insgesamt wird in der Arbeit die Relevanz von Sprache und sprachbezogenen Angeboten deutlich. Es ist wichtig auf die individuellen Hintergründe von SchülerInnen einzugehen; da sie alle aus verschiedenen Lebenswelten unterschiedliche Herausforderungen und Schätze mitbringen ist es erforderlich, dass schulische und außerschulische Angebote sich nach diesen Aspekten ausrichten.
In der folgenden Bachelorthesis werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie Kinder- und Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund und türkischer Muttersprache durch Poesie gestärkt werden können. Im Vordergrund stehen Rahmenbedingungen, die Umgebung und das Potential, sowie die Fördermaßnahmen, die diese erfordern.
Ferner wird eine Übersicht darüber gegeben, wie Poesie in der Bildungsarbeit für die Integration förderlich sein kann. Daneben können auch die SchülerInnen bekräftigt werden und ihnen das Gefühl vermittelt werden mit ihren individuellen Hintergründen willkommen zu sein.
Die Integrationssituation von türkischstämmigen und türkischsprachigen MigrantInnen in Deutschland ist ein umstrittenes Thema. Viele Kinder- und Jugendliche mit einer türkischen Herkunft begegnen ihrer Muttersprache fast nirgendwo anders als zuhause oder mit FreundInnen, welche die gleiche Herkunft haben. Die Arbeit beschäftigt sich damit welche Vorteile es bringt, wenn die Kinder ihrer Muttersprache im Bildungskontext begegnen und dies möglicherweise beim Spracherwerb der deutschen Sprache helfen würde.
Es werden Aspekte aufgezeigt, welche in den Lebenswelten von Kindern- und Jugendlichen mit türkischer Herkunft relevant sind und sie von ihrer Altersgruppe der Mehrheitsgesellschaft unterscheidet. Dabei wird auf das Potential eingegangen, das sich durch künstlerisches Tun überwiegend durch den sprachlich-poetischen Schwerpunkt entfaltet.
Zu Beginn wird auf einen Artikel aufmerksam gemacht, welcher die Motivation für diese Arbeit dargestellt. Dabei wird deutlich, dass Kinder Räume brauchen, wo sie ihre Muttersprache sprechen dürfen, ohne verurteilt zu werden.
In einer Grundschule in Blumberg, Baden-Württemberg, wurde einer Schülerin eine Strafe auferlegt, weil sie sich auf Türkisch unterhalten hatte. In der Strafarbeit sollte sie schreiben, wieso in der Schule nur Deutsch gesprochen werden soll. Die Familie aber ging mit einem Rechtsanwalt dagegen vor, weil sie von der Vereinbarung, dass nur Deutsch in der Schule gesprochen werden solle, keine Kenntnis hatte. Der Rechtsanwalt argumentierte damit, was passiert wäre, wenn die Schülerin Englisch gesprochen hätte. Die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), wies darauf hin, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gebe, Gespräche in deutscher Sprache vorzuschreiben. Es sei aber in Ordnung, wenn die Schulgemeinschaft eigene Regeln beschließt, wie beispielsweise, dass auf dem Schulgelände nur Deutsch gesprochen werden solle. Die Landesregierung hatte in einer Stellungnahme zu einem Antrag der AfD im Landtag zu diesem Thema im Jahr 2017 auf das Persönlichkeitsrecht des Kindes hingewiesen. So soll es den Menschen erlaubt sein, in seiner eigenen Sprache kommunizieren zu dürfen, Schüler sollen außerhalb des Unterrichts das Recht haben, in einer anderen als der deutschen Sprache zu kommunizieren (Süddeutsche Zeitung. (2020).
https://www.sueddeutsche.de/bildung/schulen-blumberg-streit-um-tuerkisch-auf- schulhof-erreicht-kultusministerium-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200807-99- 81501 ).
Der Poesiebegriff wird definiert, wie er von Hof beschrieben ist (Hof, 2020). Das Schreiben ist Teil von gestalterischen Strategien, die u. a. auch in der Kunsttherapie verwendet werden. Darin entstehen Co-Kreationen von Erzählungen individueller oder gemeinsamer Lebenswelten. Schreiben als Kunst ist Ausdruck des schriftsprachlichen Vermögens einer Schreibenden, so soll der Grammatik hier nicht so eine große Bedeutung beigemessen werden (Hof, 2020. S. 232).
Bei Schreiben in Gruppen entsteht etwas, das die Gruppe in ihrem Miteinander beeinflusst und prägt. Dadurch, dass sie sich gemeinsam zur selben Zeit im selben Raum aufhalten, entsteht eine Verbindung aller Teilnehmenden. Während des Schreibens beschäftigen sie sich einerseits mit sich selbst, aber nehmen automatisch auch einen Kontakt zu den anderen auf. Auch die Umwelt, in der die Gruppe sich befindet, nimmt Einfluss auf den Schreibprozess. In einem anschließenden Feedback-Gespräch können alle Teilnehmenden nochmal reflektieren, wie sie die Schreibzeit erlebt haben und welche Gedanken ihnen aufgekommen sind. Es dürfen hier Texte und Textausschnitte vorgelesen werden und eine Feedback-Runde eröffnet werden, falls dies erwünscht ist (Hof, 2020, S. 234).
Das institutionelle Schreiben, wie bspw. das Schreiben in der Schule unterscheidet sich vom Schreiben zuhause insoweit, dass im Privaten kommunikative Funktionen im Vordergrund stehen. Dagegen wird beim schulischen Schreiben, ein größerer Fokus auf das Sprachlernen und der Erbringung von Nachweisen über erlernte Wissensbestände gesetzt. Die alltägliche Lebenswelt von MigrantInnen kann ein vertrauter Ausgangspunkt sein, an den angedockt werden kann, um mit dem Schreiben zu starten (Waggerhauser, 2015, S. 39).
Aus der Gestaltung von therapeutischen und beraterischen Kontexten erfolgen wichtige Erkenntnisse auch für nicht-therapeutische Settings, wie sie in der außerschulischen und der schulischen Arbeit eingesetzt werden können. Das gemeinsame Schreiben und der daraus folgende Austausch können auch ohne Therapie eine therapeutische und heilende Wirkung haben.
Wenn Menschen Geschichten erzählen, sind diese häufig problemgesättigt und repetitiv. Überraschungen finden sich selten, jedoch ist der Mensch dazu fähig, eine Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen. Geschichten, die ein Mensch erzählt, können auf ihn zurückfallen. Er identifiziert sich mit seinen Geschichten, die er immer und immer wieder erzählt. Wenn eine Geschichte jedoch immer wieder erzählt wird, und sich der Erzählende damit identifiziert, ist die Geschichte nicht mehr faktenbasiert, sondern ein soziales Phänomen. Genauer wird dies im folgenden Beispiel deutlich: Ein Mensch, der unter einer Krankheit leidet und immer wieder von dieser spricht, schreibt sich dadurch in seinem Kranksein fest. Diese Form der Festschreibung kann aber unter Umständen auch entlastend wirken, wie bspw. bei den Anonymen Alkoholikern (Herbert Eberhart & Paolo Knill, S.154 & 155 zitiert nach Schlippe und Lob-Corzilius 1993 Stierlin, 1990).
Die Sprache fungiert in der Beratung als ein Werkzeug, mit dem Klienten ihre Lebenswelten verständlich machen und vermittelt somit sozial konstruierte Wirklichkeiten. Im Vergleich zur wissenschaftlich-logisch argumentierten Sprache, ist hier die Bedeutung hinter dem Gesprochenen, die emotionale Bedeutung, die sich hinter einer Geschichte verbirgt, relevant. Es darf zu Widersprüchen kommen. Statt stringenter Logik werden emotionale Sinneszusammenhänge gesucht. Jede Geschichte ist als ein System anzusehen, welches aus vielen verschiedenen Einzelteilen zusammengelegt ist. Sie formen sich aus den Erfahrungen des Erzählers/ der Erzählerin und verleihen ihnen eine persönliche Bedeutung. Auch der Zuhörer/ die Zuhörerin bzw. der Kontext, in dem die Geschichte erzählt wird, beeinflusst die Geschichte und ihre Bedeutung (Herbert Eberhart/ Paolo J, Knill, 2010. S. 154).
Das Geschichtenschreiben kann zu einer Lösungsfindung und einem Erfolg beitragen. Sie haben Auswirkung auf das Leben des Menschen außerdem kann der Prozess des Erzählens Veränderung auslösen. Ideen, Bilder, Gedanken, die in den Geschichten vorkommen, gehören zum Erzähler/ zur Erzählerin dazu. Körperliche, kulturelle, soziale und persönliche Gegebenheiten, setzen den Geschichten Grenzen. Wenn Menschen sich auf einer Gegebenheit befinden, können sie sich auf die gleiche Weise verstehen und sprechen dann dieselbe Sprache (Herbert Eberhart/ Paolo J. Knill, 2010, S.155).
Das Schreiben hat zu einer Verbesserung bei Menschen mit Burnout, Überlastungssymptomen, geringem Selbstwertgefühl, Motivationsschwierigkeiten und seelischer Belastung geführt.
Durch das Schreiben setzen sich Teilnehmende intensiver mit ihrer Situation auseinander, bekommen neue Perspektiven und überdenken ihr Verhalten und ihre Gewohnheiten. Durch neue Blickwinkel können Probleme auch mit Humor betrachtet werden. So findet das Expressive Writing, das nachweislich zu einer seelischen Entlastung führt, in der Traumatherapie bereits Anwendung. Es führt zu einem tieferen Selbstverständnis und stärkt die Fähigkeit, Krisen besser bewältigen zu können (Jakob, 2017, S. 27).
Bei Geflüchteten konnte beobachtet werden, dass sie in Gedichten traumatische Erlebnisse verarbeiten konnten. Inhaltlich können im Schreiben aber auch über das Vergangene hinaus die Gegenwart oder auch die Zukunft eine Vertiefung finden (Jakob, 2017, S. 28 zitiert nach http://www.lebenstagebuch.de, http://www.bzfo).
Poesietherapie ist kein geschützter Begriff. Ramona Jakob nutzt diesen Begriff als Poesie in der Begleitung für Persönlichkeitserfahrung sowie Selbsterfahrung. Die Schreibsessions haben eine therapeutische Wirkung auf die Teilnehmenden, jedoch bezieht sie sich in der Poesietherapie oder auch Poesiecoaching nicht auf die heilende Wirkung der Therapie im herkömmlichen Sinne (Jakob, 2017, S. 10).
Poesie- und Bibliotherapie oder auch Coaching mit poetischen Mitteln sind Methoden, die den Menschen durch die Sprache bei der Lösungsfindung und Konfliktbewältigung unterstützen sollen. Die Teilnehmenden setzen sich mithilfe von Literatur und den eigenen schöpferischen Umgang mit Sprache mit sich und ihrer Umwelt auseinander. Sie entwickeln ein größeres Verständnis, sich selbst gegenüber. Darüber hinaus gestalten und erkennen sie Potentiale (Jakob, 2017, S. 11).
Im Wechselspiel mit sich selbst und der Umwelt passt sich das Individuum immer wieder neu an. Somit befindet sich der Mensch in einem lebenslangen Wachstumsprozess, worin er durchgehend Ressourcen entwickelt (Jakob, 2017, S. 20).
In einer Schreibsession wird der Anleitende mit den Weltbildern der Teilnehmenden konfrontiert, diese stellen sich dann als problematisch heraus, wenn der Teilnehmende ganz andere Sichtweisen vertritt als der Anleitende. Wenn psychische Annäherungen zu anderen Menschen vorgenommen werden, ist ein offener und sensibler Umgang mit anderen Weltbildern ratsam. Sensibel in diesem Kontext bedeutet, dass die anderen nicht vom eigenen Weltbild überzeugt, werden sollen. Dafür kann der eigenen Wahrnehmung misstraut werden, oder es wird die Möglichkeit zugelassen, dass es andere Weltbilder gibt. Schließlich soll es in einer Schreibsession nicht um richtig oder falsch gehen, sondern um Kohärenz, Sinnfindung und emotionale Entlastung (Jakob, 2017, S. 8).
Das menschliche Leben bildet sich aus dem Dialog heraus und der Mensch ist von Natur aus schöpferisch. Somit bildet der sprachliche Ausdruck eine Grundeigenschaft für den Menschen und für einen Teil seiner Entwicklung (Jakob, 2017, S. 9 zitiert nach Petzold 1995, S. 31).
Einige Faktoren betreffen alle Menschen. So durchläuft jeder Mensch verschiedene Entwicklungsstufen. Jeder hat ein bestimmtes Erbgut und Bedingungen seiner Umwelt, die den Entwicklungs- und Handlungsprozess beeinflussen. Erfahrungen und die gesellschaftlichen Umstände sind ein grundlegender Faktor, die bestimmen, wie die Welt bewertet wird, welches Weltbild gepflegt wird, die Fähigkeiten zu reflektieren und Krisen zu bewältigen. Jeder Mensch hat die Möglichkeit sich innerhalb eines gegebenen Rahmens zu verändern und zu gestalten. Darüber hinaus ist er empfänglich für die Sprache. Sie wirkt bewusst und unbewusst auf die Befindlichkeit des Menschen ein. Diese Wirkung kann förderlich und stärkend sein, aber auch verletzend und entmutigend (Jakob, 2017, S. 9).
Seit den 1970er Jahren hat die Poesiepädagogik Einzug in deutsche Schulen erhalten und Angebote ermöglicht. Dazu gehören Schreibwerkstätten, wo achtsames Schreiben, autobiographisches Schreiben und Krimischreiben/ Drehbuchschreiben bereitgestellt werden. Namen wie Lebensträume oder Ankermomente verleihen den Angeboten eine eigene Note, die sie vom formalisierten und institutionalisierten Schreiben unterscheiden (Jakob, 2017, S. 22).
„Im heuristischen Prozess wird man schreibend über sich selbst und seine Wirklichkeit klar“ (Karl Schuster 1995, S. 23). Mit dem Schreiben soll eine Reise ins Innere ermöglicht und mit einer geförderten Selbsterfahrung schließlich auch die Suche nach Konfliktlösungen vereinfacht werden. Auch in der Poesiepädagogik ist kein therapeutischer Bezug vorgesehen, sie soll die Schreibkompetenzen und literarischen Kenntnisse fördern. Zudem soll ein spielerisches Experimentieren mit der Sprache erfolgen (Jakob, 2017, S. 23).
Mit Bezug auf den Studiengang Expressive Arts in Social Transformation (EAST) soll begründet werden, wieso die intermediale Methode des künstlerischen Tuns, wie sie im EAST gelehrt wird, für die Zielgruppe geeignet ist. Als Erstes wird Expressive Arts als auch die Bedeutung des Studiengangs Expressive Arts in Social Transformation dargelegt.
Expressive Arts entstand in den 60er Jahren, in den USA. Sie umfasst alle menschlichen Ausdrucks- und Mitteilungsmöglichkeiten. Die Expressive Arts gehen davon aus, dass jeder Mensch von Natur aus die Fähigkeit dazu hat, sich kreativ und künstlerisch zu betätigen. Darin werden der künstlerische Prozess und die individuelle gemeinschaftliche Kreativität für die Entwicklung von Heilung, Veränderung und Konfliktlösung eingesetzt. Das Explorative und Spielerische im Expressive Arts, ist auch eine Form des Lernens, welche im frühkindlichen Alter vorkommt. Expressive Arts unterscheidet sich im Vergleich zur herkömmlichen Kunst vor allem darin, dass sie intermodal/intermedial aufgestellt ist. Das heißt, sie umfasst in ihrer Praxis: Bilder, Geschichten, Tanz, Musik, Drama, Poesie, Schreiben, Bewegung, Traumarbeit, und bildende Kunst. Daraus ging neben der Expressive Arts Therapy auch folgende Methodik von Knill hervor: die Community Arts, eine künstlerische Möglichkeit im Konfliktmanagement für die Arbeit in größeren Gemeinschaften. Aus dieser Methodik wiederum entwickelte Peter Sinapius den Studiengang Expressive Arts in Social Transformation - EAST (Eberhard & Knill, 2010).
Niederschwelliges künstlerisches Tun bedeutet, dass keine ausgebildeten künstlerischen Fähigkeiten vorausgesetzt sind. Die Aufgabenstellung setzt keinerlei Vorerfahrung mit dem Material oder einen hohen Anspruch voraus. Obwohl die Schwelle zum Gestalterischen niedrig angesetzt ist, soll sie trotzdem möglichst attraktiv und anregend wirken. Sie soll neugierig machen, zum Experimentieren und Handeln einladen (Herbert Eberhart/Paolo J. Knill, 2010, S. 16 ff.)
Low-skill-high-sensitivity
Das Meisterhafte an Kunstwerken wird durch die Sensibilität des Gestaltungsmaterials und seiner Qualitäten gegenüber ausgemacht. Low-Skill ist der bewusste Verzicht auf technisch-anspruchsvolle Aufgabenstellungen und Verfahren. Der hohe Grad an Sensibilität wird durch die ausführliche und sorgfältige Reflexion des Gestaltungsprozesses ausgemacht (Eberhard & Knill, 2010).
Die Literaturgeschichte liefert durch Epochen, Schreibbilder und Weltbilder zahlreiche Schreibmodelle, die in der Poesiepädagogik oder Poesietherapie eingesetzt werden können. Dazu gehört bspw. das romantische Schreiben, expressive Schreiben nach J. Pennebaker und surrealistisches Schreiben. Das romantische Schreiben kann schmerzhafte Erlebnisse und Sprachkonstrukte aus dem Expressionismus wiedergeben. Im Surrealismus werden Träume verarbeitet und es wird mit dem Unbewussten gearbeitet (Jakob, 2017, S. 24).
„Das Leben romantischer Texte bearbeitet melancholische Strukturen, das Lesen expressionistischer und surrealistischer Texte hilft bei der Auseinandersetzung mit Aggressions- und Zerstörungsphantasien“ (Jakob, 2017, S. 25 zitiert nach Werder 1988, 13).
Im expressiven Schreiben oder auch Expressive Writing, sollen schmerzhafte Momente möglichst genau und unzensiert schriftlich wiedergegeben werden. Das Zurückhalten von negativen Gedanken und Gefühlen wirkt sich schädlich auf die Gesundheit aus, durch das Aufschreiben werden Gefühlen die Möglichkeit gegeben, Ausdruck zu finden (Jakob, 2017, S. 25 zitiert nach Pennebaker 2010, 7f).
Die Biographiearbeit erweist sich in einer immer komplexer werdenden Welt als hilfreich, da sie die Stabilisierung in der eigenen Identität fördert. Bezugspersonen, Anregungen zu Bildern des Unbewussten, Lebensprobleme und Widersprüche im Leben sind Schlüsselthemen, die im Biographischen Schreiben und Tagebuchschreiben Einzug finden (Jakob, 2017, S. 21 zitiert nach http://www.biographiearbeit.de).
Akzente, Dialekte und Sprachstile äußern Werturteile, Intellekt und Persönlichkeit. Die Standardsprache wird bspw. mit Kompetenz und einer dynamischen Persönlichkeit in Verbindung gebracht (Jakob, 2017, S. 44).
Der Mensch wendet im Alltag verschiedene Sprachvarietäten bzw. Sprachvarianten an, zwischen denen intuitiv gewechselt wird. Ob mit dem Chef, mit einem Fremden auf der Straße, mit einem guten Freund oder der eigenen Familie zuhause: die Art und Weise wie gesprochen wird ist anders (https://www.studysmarter.de/schule/deutsch/sprachanalyse/sprachvarietaeten/ 14.08.2022).
Ausdrucksformen werden bewusst oder auch unbewusst gewählt und heben nicht selten regionale, ethnische und nationale Identitäten hervor. Eine Sprache oder Sprachvarietät kann dazu führen, dass sich der einzelne Mensch in einer Gruppe beheimatet und verbunden fühlt. Außerdem steht die Sprache für wichtige Aspekte der Persönlichkeit wie bei dänischen Minderheiten in Norddeutschland oder auch bei GastarbeiternInnen. Die Verbundenheit kommt auch unter Fremden zustande, solange sie dieselbe Sprache sprechen (Jakob, 2017, S. 45 zitiert nach Wangenheim 2004, 202f.).
Durch eine soziale Identität, die auch durch Sprache oder Sprachvarietäten gekennzeichnet ist, sieht der Mensch sie als Mittel, sich durch die Sprache einer Gruppe zuzuordnen. Es wird bewusst entschieden, welche Sprachvarietäten gesprochen und welche zurückgedrängt werden. Schließlich führt die dominierende sachliche bürokratische Alltagssprache dazu, dass poetische und florale Formulierungen weniger Verwendung finden (Jakob, 2017, S. 45).
Durch Sprache werden Menschen und ihre Umwelt in ein System eingeführt, welche die Verständigung mit sich selbst und anderen erleichtert. Es besteht eine Wechselwirkung zwischen Sprache, Umwelt und dem Individuum, welche durch bewusste und unbewusste Prozesse begleitet werden, somit hat die Sprache auch eine Auswirkung auf das Innenleben (Jakob, 2017, S. 39).
Die Sprache ist ein Werkzeug des Denkens und des Wortes. Sie vergegenständlicht und symbolisiert unsere Wahrnehmungen, Vorstellungen und Reflexionen. Durch diesen Vorgang werden Informationen kontinuierlich aufgenommen, produziert und weiterentwickelt. Der Weg vom Gedanken zum Wort ist ein ganzer Prozess, um Sätze nach außen zu tragen, müssen sie formale Strukturen annehmen. Im Schreiben werden korrekte grammatikalische und semantische Strukturen angewendet, durch die strukturierte Wiedergabe von Gedanken nehmen sie auch inhaltlich mehr Form und Struktur an (Jakob, 2017, S.42/43).
Sprachdefizite führen zu schwächeren Leistungen in der Schule. Wenn SchülerInnen die Fähigkeiten dazu fehlen, mit Sprache ihre Bedürfnisse und Anliegen zum Ausdruck zu bringen, kann dies zu Aggressivität und Gewalt führen. Genauso können sie auch mit einem schüchternen Verhalten auffallen und sich zurückziehen (Kilinc, 2015, S. 11).
Ein weiterer Faktor, der einen grundlegenden Einfluss darauf hat, welche Sprache dominanter ist, betrifft die Einstellung der Mehrheitsgesellschaft zur Sprache. Eine eher negativere Haltung zur Sprache führt dazu, dass die Bereitschaft dazu sinkt, diese häufiger zu sprechen oder überhaupt zu erlernen (Kilinc, 2015, S. 15 zitiert nach Triarchi-Hermann 2003, S. 102).
Es gibt verschiedene Theorien dazu, wie der Spracherwerb verläuft. Die Identitätshypothese geht davon aus, dass der Erst- und Zweitspracherwerb identisch verlaufen und die Erstsprache somit keinen Einfluss beim Erwerb der Zweitsprache hat (Schmidt, 2014, S.18 zitiert nach Grießhaber, Wilhelm 2001, S7). Die Transferhypothese sieht vor, dass die Erstsprache die Zweitsprache durch ihre Merkmale beeinflusst. Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen führen zu einem positiven Transfer, Unterschiede dagegen führen zu einem negativen Transfer und können Lernblockaden herbeiführen (Schmidt, 2014, S. 19 zitiert nach Günther Britta, Günther Herbert 2007, S. 146). Der Interdependezhypothese nach, ist das Kompetenzniveau der Zweitsprache von der Erstsprache (Muttersprache) abhängig (Schmidt, 2014, S. 20).
Sprachdefizite können neben den Schulleistungen auch die Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigen (Schmidt, 2014, S. 61). Fehlendes Selbstvertrauen und Kommunikation zuhause, mangelnde Sprachkenntnisse in der Muttersprache, die dazugelernte Zweitsprachen und eine einseitige Freizeitgestaltung sind Faktoren, die zu Sprach- und Schulproblemen von türkischsprachigen SchülerInnen führen können. Es handeln sich hierbei um Aspekte, die über den schulischen Unterricht hinaus an Förderung und Maßnahmen erfordern (Kilinc, 2015, S. 95).
Kinder und Jugendliche, die bilingual aufwachsen, können sich wie folgt in ihren Sprachfähigkeiten unterscheiden: durch die additive Zweisprachigkeit, die dominante Zweisprachigkeit und subtraktive Zweisprachigkeit.
Additive Zweisprachigkeit bedeutet, dass das Kind beide Sprachen in einem hohen Niveau beherrscht. Dies trägt einen positiven Einfluss auf die kognitive Entwicklung bei. Bei der dominanten Zweisprachigkeit wird nur eine der beiden Sprachen im Muttersprachniveau beherrscht. Dies hat weder besonders positive noch negative Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung. Bei der subtraktiven Zweisprachigkeit oder auch Semilingualismus genannt, werden keines der beiden Sprachen gut gesprochen, und dies kann negative Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung haben. Der Semilingualismus kommt häufig bei Kindern vor, deren Muttersprache ein geringes soziales und sprachliches Prestige aufweist. In Österreich konnten Lehrerinnen beobachten, dass immigrierte Schülerinnen bessere Sprachkenntnisse in der Zweitsprache aufweisen als welche, die in Österreich eingeschult wurden. Wenn die Muttersprache nicht gut erworben wird, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Kind mit der Zweitsprache Schwierigkeiten hat (Kilinc, 2016, S. 21 zitiert nach Jeuk, 2003, S. 26).
Bilinguale Kinder können beide Sprachen in der Regel voneinander unterscheiden, sie besitzen die Fähigkeit der Systemtrennung. Für Wissenschaftlerinnen ist es bemerkenswert, dass sie die Fähigkeit des sogenannten Code-Switching beherrschen. Das bedeutet, dass schnell und mit Leichtigkeit von der einen Sprache zur nächsten gewechselt werden kann, ohne sie zu vermischen (Kilic, 2015, S. 24 zitiert nach Triarchi- Hermann, S.44f).
In der Sprachentwicklung machen bilinguale Kinder Stufen durch, wo beide Sprachen gemischt werden. In der Regel handelt es sich hierbei lediglich um eine vorübergehende Phase, es kann aber vereinzelt Vorkommen, dass aus mangelnder Motivation nie zu einer weiteren Stufe gewechselt wird und der Lernende in diesem Zustand (Kilic, 2015, S. 24 zitiert nach Jeuk, 2003, S.37).
„Sprachmischungen sind Übertragungen sprachlichen Wissens aus zuvor erlernten Sprachen in die Zielsprache“ (Kohn 1990, 135). Dabei wird der Vorgang als Transfer bezeichnet, das Ergebnis als Interferenz (Jeuk, 2003, S. 34).
Die Überlagerung von Satzteilen, Sätzen, Elementen, Regeln und Strukturen beider Sprachen kann zu sprachlich-fehlerhaften Strukturen führen. Dennoch gehören Sprachmischungen zu einer wichtigen Entwicklungsstufe, da auf diese Weise unvollständige Sätze vermieden werden können und das Kind sich besser ausdrücken kann (Kilinc, 2016, S.23 zitiert nach Jeuk, 2003, S31/ S. 41).
Wenn die morphosyntaktische Struktur der einen Sprache in die andere Sprache überlagert wird, spricht man auch von einer semantisch-lexikalischen Interferenz. Kinder nutzen das häufig als strategische Steigbügel. Seltener kommt es zur morphosyntaktischen Interferenz, dass die Struktur der stärkeren Sprache in die schwächere übertragen wird (Kilinc, 2016, S. 24 zitiert nach Jeuk, 2003, 34).
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