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Masterarbeit, 2022
214 Seiten, Note: 1,7
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Stand der Forschung
2.2 Kontextualisierung CDR
2.2.1 Schlüsselbegriff CDR
2.2.2 Abgrenzung und Modelle der CDR
2.2.3 Ziele der CDR und die Relevanz für die Praxis
2.2.4 Richtlinien und Regularien
2.2.5 Rebound- Effekte
2.3 Kontextualisierung KI
2.3.1 Schlüsselbegriff KI
2.3.2 KI im Kontext der Nachhaltigkeit
2.3.3 Definition KI
2.3.4 Richtlinien für den Einsatz von KI
2.3.5 Anwendungsfelder
2.3.6 Potentiale und Risiken
2.4 Theorien der Moderne
2.4.1 Theorie reflexiver Modernisierung
2.4.2 Theorie des kommunikativen Handelns
2.4.3 Synoptischer Vergleich
2.4.4 Bewertung
2.4.5 Anwendungsgrundlage
3 Methoden und Forschungsvorgehen
4 Ergebnisse
4.1 Darstellung der Ergebnisse
4.2 Interpretation der Ergebnisse
4.3 Diskussion der Ergebnisse
5 Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang
Synopse
Interviewleitfaden
Transskripte
Kategorientabellen nach Mayring
Der Lesbarkeit halber wird in der nachfolgenden Arbeit nur die Form des generischen Maskulinums verwendet. Demnach findet keine gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) statt. Sämtliche Bezeichnungen oder direkte Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Die Idee für mein Thema kam mir während meines Praktikums bei einer Management- und IT- Beratung. Im Rahmen des dortigen Arbeitsalltages konnte ich mich mit den unterschiedlichen Aspekten in den Bereichen der Digitalisierung, Mobility und Manufacturing auseinandersetzen und beschäftigen. Schnell wurde mir klar, welche Themenkomplexe die Zukunft maßgeblich bestimmen werden. Die beiden ´Megatrends´ Digitalisierung und Nachhaltigkeit läuten den wirtschaftlichen Wandel ein. So möchte ich auch aus persönlichem Interesse die Zukunft von morgen im Sinne des Allgemeinwohls und der Nachhaltigkeit mitgestalten und mit dieser Forschung einen Beitrag und Mehrwert für Forschung und Praxis schaffen. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Management- und IT-Beratung war es mir möglich, einen Teil der Recherche und Vorbereitung mit Unterstützung von einigen Mitarbeitern durchzuführen. Das ebnete mir den Weg für eine intensive und praxisnahe Forschung.
Abbildung 1: Die Erweiterung vom Ursprung der Corporate Responsibility (CR) zur Corporate Digital Responsibility (CDR) im Zuge der Digitalisierung
Abbildung 2: Das Drei-Säulen-Modell
Abbildung 3: Triple-Bottom-Line Ansatz entlang der Wertschöpfungskette
Abbildung 4: Handlungsfelder CDR
Abbildung 5: Basistechnologien der Digitalisierung
Abbildung 6: Einfluss des digitalen Wandels und neue Technologien auf die Nachhaltigkeitsziele
Abbildung 7: Abgrenzung und Einordnung der Begriffe von KI
Abbildung 8: Einblick über Anwendungsfelder von KI in Anlehnung
Abbildung 9: KI- Lebenszyklus in Anlehnung
Abbildung 10: CO2 Einsparpotenzial im Anwendungsbereich Mobilität bis 2030
Abbildung 11: Handlungstypen nach Habermas
Abbildung 12: Die Handlungsbegriffe nach Habermas
Abbildung 13: Zusammenführung und fragmentarischer Einsatz bestehender Theorien
Abbildung 14: Einsatz des modifizierten und Integrierten Theoretischen Bezugsrahmen für die Forschungspraxis im Kontext der Arbeit
CDR Corporate Digital Responsibility
CR Corporate Responsibility
CRM Customer-Relationship-Management-System
CSR Corporate Social Responsibility
GPT general purpose-Technologien
IoT Internet of things
IT Automatisierung mittels Informationstechnologien
KI Künstliche Intelligenz
MT Megatonne
RAI responsible artificial intelligence
RRI responsible research and innovation
SDG Sustainable Development Goals
TBL Triple-bottom-line
Die Digitalisierung ist längst kein neuer Begriff. Das daraus resultierende Digitalzeitalter sorgt aber dafür, dass sich seit einigen Jahren die Unternehmenslandschaft durch die Digitaltechnologien deutlich verändert. Die digitalen Technologien kristallisieren sich als Grundlage vieler innovativer Geschäftsmodelle heraus. Allen voran die Nutzung spezifischer ´real-time´ - Daten in Form von Künstlicher Intelligenz. Die entstehende Transformationswelle wird die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung miteinander verschmelzen lassen. Das bringt enormes Potenzial mit sich, aber zeitgleich auch viele Risiken und Herausforderungen. Ein moralisches Dilemma, was dringend stärker zusammengedacht werden muss. An der Stelle greift das Konzept der Corporate Digital Responsibility und beschäftigt sich mit der Frage, wie der Umgang mit sittlichen Grenzen in Zeiten der Digitalisierung gestaltet werden soll. Die konkrete Fragestellung dieser Arbeit lautet dementsprechend: Corporate Digital Responsibility als elementarer Baustein für die verantwortungsvolle digitale Transformation - Welche Chancen und Risiken bietet hierbei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz? Um die Forschungsfrage zu beantworten, wurden in Form von Interviews die Daten erhoben und anschließend nach der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse von Philipp Mayring ausgewertet. All das unter Berücksichtigung eines theoretischen Bezugsrahmens und unter Einbezug bekannter Theorien der modernen Gesellschaft. So ist die folgende Arbeit eine qualitativ-empirischen Forschung. Es wurde die individuell-subjektive Wahrnehmung der befragten Personen erfasst und so eine realitätsnahe Sicht auf die Thematik ermittelt, die repräsentative Ergebnisse für Forschung und Praxis erzielt hat. Die Auswertung der qualitativen Studie zeigt, dass die Behandlung dieser Thematik eine sensible Forschungslücke abdeckt und einen hohen Aktualitätsgrad aufweist. Digitale Technologien und Nachhaltigkeit bieten den Unternehmen große Chancen und wirtschaftlichen Erfolg. Die Wirtschaft und ihre Akteure sind sich dem Handlungsbedarf bewusst. Als Rahmenwerk und Orientierungsrichtlinie dient das Konzept der CDR. Die Kernkompetenzen wandeln sich und die Zielsetzung der Unternehmen werden digital nachhaltig gestaltet.
Die IT-, Software- oder Internetfirmen gehörten viele Jahre zu den ´grünen´ Unternehmen. Hier gab es keine rauchenden Schlote, Fabrikarbeiter ruinierten sich nicht die Gesundheit und es wurden keine Kinder ausgebeutet (Dörr, 2022). Diese Sicht der Dinge ist veraltet und hat sich mittlerweile signifikant verändert. Bedingt durch die rasanten Entwicklungen müssen auch Digitalunternehmen sich mit der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung konfrontieren. Das beschreibt die grundlegende Situation, die im Zuge dieser Arbeit aufgegriffen wird. Um die Forschung gleich zu Beginn greifbar zu machen, bedarf es einer detaillierten Aufschlüsselung. Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens fand bereits seinen ersten Aufschwung in den Managementtheorien von Barnard und Bowen und manifestierte sich später in dem Leitgedanken der Corporate Social Responsibility (CSR) (Meyer und Waßmann, 2011). Das impliziert die Annahme, dass das nachhaltige und verantwortungsvolle Handeln in möglichst allen Unternehmensprozessen bereits fest verankert ist. Die Gegenwart und Zukunft gestalten sich durch die Digitalisierung rasend schnell in einer Art und Weise, dass die Wirtschaft und der Umgang mit Menschen und natürlichen Ressourcen neu gedacht werden müssen. So avanciert die Digitalisierung zum großen Hoffnungsträger für mehr Nachhaltigkeit und ermöglicht ein enormes Wertschöpfungspotenzial. Neben den Chancen birgt sie auch Herausforderungen. Dementsprechend ist gerade im Zeitalter der Digitalisierung das Thema Verantwortung unabdingbar und wichtiger denn je. Aus der Frage nach dem digital-ethischen Handeln entwickelt sich dabei eine neue Betrachtungsdimension. Um die unternehmerische Verantwortung für Daten und deren Verarbeitung durch die digitalen Technologien zu gewährleisten, bildete sich das Konzept der Corporate Digital Responsibility (CDR) (Möslein, 2020). Es wird prognostiziert, dass Corporate Digital Responsibility im Zusammenhang mit der Datenökologie das Öl des 21. Jahrhunderts sein wird (Scheerer, 2020). Bestätigt sich diese Behauptung, dann ist die Erwartungshaltung an die Wirtschaftsakteure in ihrem Handeln und ihren Entscheidungen in Bezug auf den verantwortungsvollen Umgang mit Daten ungemein groß. Die Unternehmen müssen als Gestalter der Zukunft agieren und reagieren. Die Technologien sind in der Lage, eine dauerhafte Verbundenheit zu schaffen und sorgen dafür, dass die Verantwortung weit über den Punkt des „First Use“ hinausgeht (Schüler, 2021). Es lässt sich von der digitalen Wertschöpfungskette sprechen. Entlang dieser Wertschöpfungskette muss sich der Blickwinkel für die Verantwortung und das nachhaltige Handeln in Unternehmen wandeln. Einer der wohl vielversprechendsten und gleichzeitig kontroversesten Erfolgsfaktoren dabei ist die Künstliche Intelligenz (KI). Die Künstliche Intelligenz wird mittlerweile als ein wichtiger Bestandteil von CDR betrachtet. Algorithmen und Künstliche Intelligenz greifen längst in unseren Alltag ein. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielseitig, das Potenzial hoch und die Risiken schwer einzugrenzen. Der Einsatz von Technologien in diesem Bereich ist noch verhalten, wird aber in Anbetracht der Entwicklungen unentbehrlich werden. Der unausweichliche Einsatz und die damit verbundenen Chancen und Risiken von CDR und die Anwendung von KI untermauern die Relevanz für Wirtschaft und Gesellschaft und verdeutlichen das Gestaltungsinteresse. Feststeht, dass die beiden Themenkomplexe CDR und KI die Zukunft maßgeblich bestimmen werden. Die Unternehmensführung und die gesellschaftlichen Auswirkungen müssen dabei zusammengedacht werden. Der zu führende Diskurs vonseiten der Wirtschaft, Politik und gesellschaftlichen Gruppen hat bereits begonnen. Die Relevanz und Komplexität rund um die Thematiken CDR, digitale Technologien und das nachhaltige Handeln bringen einige Fragestellungen hervor. So drängt sich eine der Kernfragen auf, ob die Digitalisierung die Nachhaltigkeit wirklich fördern kann. Wenn die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit die wesentlichen Einflussbereiche für die globale Wirtschaft sein werden, wie kann dann die nachhaltige digitale Transformation in Unternehmen mit Hilfe von CDR unterstützt werden und so zu mehr verantwortungsvollem Handeln führen? Der Zusammenhang zwischen CDR und Künstlicher Intelligenz lässt die Frage herleiten, welche Aspekte beim Einsatz von KI zu berücksichtigen sind, damit die Unternehmen digital verantwortlich handeln können. Die ethische Relevanz wird als grundlegendes Mittel verstanden. Könnte es demnach mit einer professionellen Unterstützung eines Rahmenkonzeptes wie CDR gelingen, die Aktivitäten in der digitalen Welt nach bestimmten Kriterien umzusetzen? Und somit die Möglichkeit eröffnen, das Potenzial im Kontext der Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz auszuschöpfen und gleichzeitig die Herausforderung zu bewältigen? Viele Fragen und Fakten, die es für Praxis, Gesellschaft und Wissenschaft durch die kommende Arbeit zu sammeln und auszuwerten gilt. Die vorliegende Arbeit soll die grundlegenden Daten zur Beantwortung dieser Teilfragen liefern. Die spezielle Lücke, die im Zuge dessen eröffnet wurden, ist: Wie richten Unternehmen ihr Handeln derzeit aus und gestalten ihre Verantwortung? Ich möchte mit der vorliegenden Forschung untersuchen, wie die Wirtschaftsunternehmen verantwortungsvoll digital handeln und welche Chancen und Risiken sich hierbei beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz herausstellen. Es gilt herauszufinden, wie Unternehmen mit Hilfe von CDR verantwortungsvoll und nachhaltig handeln können. In diesem Kontext ist es wichtig, die Herausforderungen von KI zu beleuchten und zu berücksichtigen. Dabei ist es wesentlich zu erforschen, wie das Potenzial für das nachhaltige Wirtschaften ausgeschöpft und gleichzeitig kontrolliert und verantwortungsvoll eingesetzt werden kann. Ebenso wird sich zeigen, ob CDR als elementarer Baustein eingesetzt wird. Das primäre Ziel ist es, diese Forschungslücke mit unternehmensnahen Daten zu füllen und so einen Mehrwert für die Forschung und Praxis zu gewinnen.
Zur Orientierung und Vorbereitung auf den Hauptteil wird nachfolgend der Aufbau der Arbeit beschrieben. Zu Beginn wird der theoretische Hintergrund beschrieben. Dieser dient zum einen dazu, den Stand der Forschung aufzuzeigen, der im Kontext der Fragestellung relevant ist. Zum anderen werden in Form von Kontextualisierungen die abstrakten Begrifflichkeiten aufgeschlüsselt und in einen theoretischen Bezugsrahmen eingebettet. Um die Thematik wissenschaftlich zu stützen und in der Auswertung der Daten zusätzliche Vergleichsparameter heranzuziehen, werden zum Ende dieses Kapitels die Theorien der modernen Gesellschaft dargestellt. Darauffolgend werden die Methode und das Forschungsvorgehen detailliert beschrieben. Es folgt die Darstellung der erhobenen Daten. Die Ergebnisse werden eingehend interpretiert und anschließend zur Diskussion gestellt. Die Arbeit schließt mit dem Fazit, indem die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden, die Thematik in die Praxis und Theorie eingebettet wird und schließlich die Forschungsfrage mit einem zusätzlichen Ausblick eine Antwort erhält.
Nachdem das Gestaltungsinteresse deutlich geworden ist, soll folgend der Kontext der Forschung erklärt werden. Die Kontextualisierung gliedert sich in mehrere Schwerpunkte. Zu Beginn wird der Bezugsrahmen dahingehend erläutert, dass das Konzept der Corporate Digital Responsibility (CDR) eingehend vorgestellt wird. Anschließend wird das gewählte Beispiel für den Themenbereich der Digitalisierung in die Arbeit eingebettet. Wie dem Titel der Thesis zu entnehmen ist, wird die Künstlichen Intelligenz (KI) und deren Einsatz genauer beleuchtet. So wird ein vertiefender Einblick in das Teilgebiet der KI herausgearbeitet und dargestellt. Diese verstärkenden Ausführungen dienen dazu, den Sinnzusammenhang der vorliegenden Arbeit besser zu veranschaulichen. Es werden sowohl empirische Studien, diverse bestehende Fachliteratur als auch grundlegende Modelle beleuchtet. Im späteren Verlauf der Arbeit werden die zwei ausgewählten Theorien der modernen Gesellschaft Berücksichtigung finden. Demzufolge werden diese im letzten Teil des Theoretischen Hintergrunds vorgestellt und konstruktiv bewertet.
Im Folgenden wird der Stand der Forschung dargestellt, der im Kontext der Fragestellung relevant ist. Es werden ausgewählte Arbeiten, die im Bereich der Corporate Responsibility mit Fokus auf Corporate Digital Responsibility und dem Themenkomplex Künstliche Intelligenz relevant sind, herausgestellt. Das soll zum einen zeigen, an welche Forschungen sich für die Bearbeitung orientiert wird und zum anderen, wie weit diese bereits vorgedrungen und aufbereitet ist.
Wenn das Thema im wissenschaftlichen Kontext eingeordnet wird, fällt auf, dass es zahlreiche Literaturquellen gibt. So nimmt Michael Jacob in seinem Buch Digitalisierung und Nachhaltigkeit sogar eine unternehmerische Perspektive ein (Jacob, 2019). Mit genauerem Blick wird allerdings schnell klar, dass die Thematiken Corporate Social Responsibility (CSR) und Corporate Digital Responsibility (CDR) eher miteinander verschwimmen. Derzeit wird noch diskutiert, ob CDR als Weiterentwicklung und Ergänzung von CSR verstanden wird oder es klar voneinander abzugrenzen ist. Nachvollziehbar ist zumindest, dass sie sich gegenseitig bedingen und eine Heterogenität der beiden Konzepte besteht. So lässt sich in diesem Bereich eine Forschungslücke ausmachen. Die in den nachfolgenden Kapiteln noch mal aufbereitet wird. Es wurde nach einer ausführlichen Recherche eine Selektion der Literaturquellen vorgenommen. So wurden zur Aufbereitung des Themenkomplexes nur die relevanten Herausgaben herangezogen. Anwendung dabei, die bereits erwähnte Quelle von Michael Jacob, dann die aktienrechtliche Skizze der Corporate Digital Responsibility von Florian Möslein (Möslein, 2019) und der Praxisleitfaden- unternehmerische Verantwortung und Nachhaltigkeitsmanagement im Digitalzeitalter von Saskia Dörr (Dörr, 2020). Mit Blick auf den Themenkomplex der Künstlichen Intelligenz lässt sich beobachten, dass sich einige offizielle Richtlinien zur Orientierung seitens der Politik entwickelt haben. Diese Erarbeitungen und Forschungen werden auch im Zuge dieser Arbeit Berücksichtigung finden. Beispielhaft dafür sei genannt die deutsche KI - Strategie der Bundesregierung oder die detailliertere Fassung der Digitalagenda des BMU (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz). Die Digitalagenda soll als erstes Programm in der Thematik Digitalisierung und Nachhaltigkeit konkrete Anwendung finden. Diese stellt allerdings zurzeit lediglich eine Absichtserklärung dar. Mit Blick auf den europäischen Markt lässt sich feststellen, dass für die Künstliche Intelligenz ein signifikantes Wachstum von durchschnittlich 38 % von 2019 bis zum Jahr 2022 zu verzeichnen ist, so berichtet das European Information Technology Observatory (EITO) in seiner Studie AI in Europe-Ready for Take-off (Pols, 2022). Das macht die Relevanz von KI und dem verantwortungsvollen sowie nachhaltigem Handeln einmal mehr deutlich. Die Dringlichkeit ist gegeben, doch die Forschung steht noch am Anfang. Es lassen sich einige Initiativen ausmachen, wie die UN-Initiative AI for Good. Eine Plattform der Vereinten Nationen, die den Dialog über den nutzbringenden Einsatz von KI fördern will (aiforgood.eu, 2022). Die ´Big Player´ aus der Wirtschaft scheinen längst die Potenziale erkannt zu haben und veröffentlichen regelmäßig Beiträge und Whitepaper. Nennenswert an dieser Stelle ist McKinsey & Company, die bereits im Jahr 2018 ein Diskussionspapier Notes from the AI frontier applying AI for Social Good herausgebracht haben. Darüber hinaus gibt es einige wissenschaftliche Studien, die sich mit den verschiedenen Aspekten von KI auseinandersetzen. Beispielsweise die Nachhaltigkeitskriterien für Künstliche Intelligenz vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Es lässt sich eine tendenzielle Bewegung der Studien und Literatur ausmachen, die sich in einzelnen Anwendungsbereichen für KI in Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich widmen. Beispielhaft dafür sei der Diskussionsbeitrag für die Plattform Lernende Systeme-KI und Nachhaltigkeit von Christiane Schulzki- Haddouti aus dem Jahr 2021 genannt. Aber auch die bereits erwähnte Herausgabe von Saskia Dörr mit ihrem Praxisleitfaden- unternehmerische Verantwortung und Nachhaltigkeitsmanagement im Digitalzeitalter nimmt die Betrachtung der Künstlichen Intelligenz und Nachhaltigkeitskriterien mit auf (Dörr, Kap. 1., 2020). Die Herausgabe von Saskia Dörr erhält für die vorliegende Arbeit einen hohen Stellenwert. Mit ihrem Praxisleitfaden wird eine Lücke angesprochen, die Forschung und Wissenschaft versucht zu verbinden. Die Beschreibung, wie Unternehmen die neuen Chancen der digitalen Technologie nutzen und dabei den Erfolg im Zuge der Digitalisierung gesellschaftlich verantwortlich gestalten können, bietet für diese Masterarbeit eine signifikante theoretische Grundlage. Letztlich sei auf die offiziell und aktuell geltenden Rahmenwerke hingewiesen. Die Rahmenwerke wie die Digitalagenda des BMU oder die Sustainable Development Goals (SDG) der United Nations geben gewisse Orientierungslinien vor. Diese werden ebenfalls zur Betrachtung mit einbezogen. Es muss aber betont werden, dass sich die SDG in ihren 17 Zielen in nur fünf davon auf Nachhaltigkeitsthemen beziehen und die Digitalisierung dabei gar keinen Einzug erhält. Demnach werden die SDGs nur an einigen Stellen Berücksichtigung finden können. Einen nennenswerten Einfluss bieten noch die Environmental Social Governance (ESG), weshalb auch diese kurz erwähnt werden. Der Unterschied zwischen den ESGs zu den SDGs besteht darin, dass die ESGs eine Bewertung der Unternehmen im Umgang mit dem verantwortungsvollen nachhaltigen Handeln in Bezug auf Soziales, Wirtschaft und Umwelt vornehmen. Beide Konzepte bilden eine Orientierungslinie für Unternehmen, um ihre Ziele auf ein nachhaltiges Wirtschaften auszurichten. Im Zuge dieser Arbeit werden vorzugsweise die SGDs zur Betrachtung herangezogen. Diese eignen sich besser, um die Thematik aufgeschlüsselt darzustellen. Durch den Paradigmenwechsel im Wirtschaftssektor kündigte selbst Larry Fink in seinem jährlichen Brief an die CEOs an, dass fortan BlackRock das Thema Nachhaltigkeit in den Fokus rücken wird und sie sich von Anlegern trennen werden, die ein erhebliches Nachhaltigkeitsrisiko darstellen (BlackRock.com, 2022). Dieser Vorgang wird in Anlehnung der ESG durchgeführt. Zeitgleich untermauert das erneut die Aktualität und Relevanz der Thematik.
Festzuhalten ist, dass es einen Mangel an qualitativ - empirischen Forschungen in den Bereichen CDR und KI gibt. Werden die Thematiken zusammenfassend betrachtet und als elementare Bausteine für eine verantwortungsvolle und nachhaltige digitale Transformation verstanden, lässt sich keinerlei Erkenntnisse ausmachen und stellt damit eine Forschungslücke dar, die es im kommenden abzudecken gilt.
Heute nicht auf Kosten von morgen. Hier nicht auf Kosten von anderswo (Kleene und Wöltje, 2009). Ein prägnanter Satz, welcher die Idee der Nachhaltigkeit gebündelt darstellt. Für den Begriff der Nachhaltigkeit gibt es viele Definitionen in der Wissenschaft, die sich allerdings in ihrem Konsens überschneiden (Russo, 2003). Eine bis heute anerkannte Definition hat die Brundtland - Kommission durchgesetzt, wobei die Nachhaltigkeit als nachhaltige Entwicklung beleuchtet wird (Zarnekow und Kolbe, 2013). Diese wird als eine Entwicklung betrachtet, die „den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“ (Hauff, 1987, S. 89.). Einfach ausgedrückt spiegelt das den Grundsatz wider, dass ein System nachhaltig ist, wenn es langfristig überlebt und die Dimensionen der Wirtschaft, Ökologie und Gesellschaft interdependent miteinander verknüpft (Jacob, 2019). Die Idee besteht darin, die Nachhaltigkeit in das digitale Zeitalter zu überführen und die Digitalisierung nachhaltig zu gestalten. Dabei steht die Gestaltbarkeit der digitalisierten Gesellschaft anhand der Nachhaltigkeitswerte Menschenwürde, Teilhabe, Vielfalt, Wohlbefinden und Lebensqualität im Zentrum (Dörr, 2020). Das CDR Konzept setzt an diesen Punkten an, was einmal mehr die Bedeutsamkeit zwischen der Nachhaltigkeitsdebatte und CDR zum Vorschein bringt. Im Folgenden wird ausführlich darauf eingegangen, was hinter diesem Konzept steckt, welche Richtlinien und Modelle es gibt und was es in den praktischen Umsetzungen für mehr nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln zu beachten gilt.
Der Begriff der Corporate Digital Responsibility (CDR) leitet sich in seiner Wortbildung von Corporate (Social) Responsibility ab und wird seit 2016 offiziell verwendet (Dörr, 2020). Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat im Jahr 2018 die Begrifflichkeit CDR folgendermaßen definiert: „Es handelt sich um freiwillige unternehmerische Aktivitäten im digitalen Bereich, die über das heute gesetzliche Vorgeschriebene hinausgehen und die digitale Welt aktiv zum Vorteil der Gesellschaft mitgestalten“ (BMJ 2018, S. 1). Demzufolge umfasst es grundsätzlich die Prinzipien der unternehmerischen Verantwortung im digitalen Wandel unter der Einhaltung gesetzlicher Anforderungen und bestehender Standards. Es lässt sich festhalten, dass in der zunehmenden digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft die Corporate Digital Responsibility (CDR) ein wichtiger Bestandteil für eine umfassende Unternehmensverantwortung (Corporate Responsibility- CR) ist (Dörr, 2020). Damit ist ein maßgeblicher Einfluss entlang des gesamten Wirtschaftskreislaufes zu verzeichnen.
Es wird derzeit immer wieder diskutiert, ob CDR als Weiterentwicklung und Ergänzung von CSR verstanden wird oder es deutlich voneinander abzugrenzen ist. Klar ist, dass sie sich gegenseitig bedingen und eine Heterogenität der beiden Konzepte besteht. Ausgehend von dem ganzheitlichen Ansatz, dass es das nachhaltige und verantwortungsvolle Handeln einer Organisation umfasst, ist CDR nicht als Folge von CSR entstanden, sondern separat. Folgerichtig ist, dass sie den gleichen Ursprung der ethischen Reflexion und das Konzept der Verantwortung haben (Jänig und Blachetta, 2021). Dieser Bereich impliziert die Unternehmensverantwortung als Ganzes. Diese übergreifende Kraft beschreibt die Corporate Responsibility (CR)1. Dabei nimmt CSR die ökologischen und sozialen Aspekte der analogen Welt in den Fokus, wohingegen CDR die Weiterentwicklung in Bezug auf die digitale Welt thematisiert. Es werden beispielsweise folgende Fragen in den Mittelpunkt gestellt: Wie werden die von außen kommenden Daten im Unternehmen verarbeitet und wie transparent wird dies kommuniziert? Oder: Wie werden Anwendungen der Künstlichen Intelligenz für Mitarbeiter und Kunden verantwortungsvoll eingesetzt? (Weihnhardt, 2018). Werden einzelne Aktivitäten im Bereich des CDR ins Licht gerückt, lässt sich feststellen, dass bereits etablierte Maßnahmen und Instrumente aus dem Thema CSR aufgegriffen und genutzt werden können. Dennoch sollten die Konzepte differenziert betrachtet werden, um eine „verprozessualisierung“ und den Verlust der Nähe zum Thema zu vermeiden. Allerdings bringt das Zusammendenken und die Trenddiskussionen über CDR eine gesteigerte Aufmerksamkeit für die übergreifende Thematik zur Nachhaltigkeit in ihrer Gesamtheit (Jänig und Blachetta, 2021). In der folgenden Arbeit wird CDR als eine Weiterentwicklung und unverzichtbarere Ergänzung von CSR verstanden und untersucht. Um das zu veranschaulichen, wird auf die nachfolgende Abbildung hingewiesen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Erweiterung vom Ursprung der Corporate Responsibility (CR) zur Corporate Digital Responsibility (CDR) im Zuge der Digitalisierung (Eigene Darstellung in Anlehnung an (Dörr, 2020, S. 40).
Die Darstellung zeigt die Entwicklung der Corporate Digital Responsibility, um die Thematik greifbarer und abgrenzbarerer zu machen. Wie bereits erwähnt, stellt die CSR einen Teilbereich einer umfassenden Unternehmensverantwortung dar. Im Zuge der digitalen Transformation ist die unabhängige Konzepterweiterung der CDR entstanden. Beide Gebiete haben die CR als Ursprung und Leitbild. Das verantwortungsvolle Handeln wird nach den wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Wirkungen ausgerichtet. In Bezug auf CDR wird die Perspektive um die Wirkung im digitalen Bereich erweitert. Welches in der Grafik als ´digitale Bubble´ dargestellt ist. Anzumerken ist allerdings, dass dies lediglich zur Veranschaulichung dient. Eine reine Erweiterung um eine „vierte Dimension“ würde der Tragweite der Digitalisierung nicht gerecht werden (Dörr, 2022, S. 40). Das digitale Handeln verbleibt nicht in der Netzwelt, sondern überträgt sich ebenso auf die Dimensionen der Gesellschaft, Ökologie und Ökonomie. Des Weiteren eröffnet sich entlang der Wertschöpfungskette eine neue Betrachtungsweise. Durch die digitalen Technologien bleiben die Unternehmen dauerhaft mit ihren Kunden in Verbindung, das heißt, die Unternehmensverantwortung geht weit über den „First Use“ hinaus (Schüler, 2020). Die Begrifflichkeiten Ökologie, Ökonomie und Soziales sind in diesem Zusammenhang fundamental. Um die generische Begriffsdefinition der Nachhaltigkeit auf die Managementebene zu übertragen, hat sich das Drei- Säulen- Modell entwickelt2. Ausgehend davon, dass das Nachhaltigkeitskonzept neben der Ressourcenschonung und Emissionsvermeidung auch gleichermaßen die ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimensionen umfasst (Zarnekow und Kolbe, 2013). Das bildet die essenzielle Grundlage für die CR-Konzepte. Das Modell baut auf der Hypothese auf, dass die nachhaltige Entwicklung nur durch das gleichzeitige Umsetzen von ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen erreicht werden kann (Krämer, 2017). Die Aspekte bedingen sich dabei gegenseitig.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Das Drei- Säulen- Modell (Eigene Darstellung).
Aufbauend auf diesem Grundsatz entwickelte John Elkington Ende der 90er-Jahre den Triple-Bottom-Line Ansatz (TBL). Dieser soll den Mehrwert eines Unternehmens auf Basis einer ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielsetzung aufzeigen (Handelszeitung, 2015). Demnach handelt ein Unternehmen dann nachhaltig, wenn es gleichermaßen wirtschaftliche, umweltbezogene und gemeinnützige Ziele verfolgt. Es entsteht eine Balance, die zu mehr verantwortungsvollem und nachhaltigem Handeln führt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit erhöht. Um diese signifikanten Wettbewerbsvorteile zu erzielen, wird die Unternehmensstrategie entlang der Wertschöpfungskette und um Sinne der Triple-Bottom-Line ausgerichtet. Dabei sollen die Prinzipien der Nachhaltigkeit langfristig etabliert und aufrechterhalten werden. Darüber hinaus enthält das Konzept Kennzahlen zur Leistungserfassung der Kriterien (WirtschaftsWoche, 2016). Das ermöglicht intern und extern eine realistische Perspektive zu den Unternehmenswerten. So findet sich die Grundidee des TBL- Ansatzes auch in politischen Regularien wieder. Demnach haben sich beispielsweise führende Stimmen beim Klimagipfel COP 21 in Paris für das Einführen des TBL- Ansatzes eingesetzt (WirtschaftsWoche, 2016). Festzuhalten ist, dass der TBL-Ansatz mehr als nur ein reiner Balanceakt oder ein Rechnungslegungsinstrument ist. Es soll dazu anregen, den Kapitalismus in Realität zur Zukunft zu stellen und somit nützliche Ergebnisse im Bereich des verantwortungsvollen Handelns entlang einer gemeinsamen Wertschöpfung zu erzielen (Biberstein, 2020). Die nachstehende Abbildung veranschaulicht nochmals den Aufbau des TBL- Ansatzes.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Triple- Bottom- Line Ansatz entlang der Wertschöpfungskette (Eigene Darstellung in Anlehnung an dem Modell von John Elkington)
Ein übergeordnetes Ziel der CDR ist es, digitale Verantwortung zu übernehmen und die Digitalisierung menschen- und wertorientiert zu gestalten. Das Konzept nimmt eine unterstützende Funktion ein, die Nachhaltigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg zu vereinen. Darüber hinaus gilt es, Vertrauen als Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg aufzubauen und zu erhalten (Bundesministerium der Justiz, 2018). Das proklamiert, dass der Ansatz auch als Mittel zum Zweck verstanden werden kann. Aus der Unternehmerischen Perspektive ist das Aufbauen von Vertrauen der Kunden, Stakeholder und Mitarbeiter in das Unternehmenshandeln mit Daten und Algorithmen ein wesentlicher Faktor zum Wettbewerbserhalt (Dörr, 2020). Denn unter der Berücksichtigung der neuen globalen Herausforderungen und der damit einhergehenden rasanten Digitalisierung ist der Einsatz von digitalen Technologien ein Erfolgsfaktor. Unternehmen stehen dabei vor der Aufgabe, dass sie ethisch fundiert und verantwortungsvoll handeln und eine entsprechende Unternehmenspolitik etablieren. Das verantwortungsvolle Handeln in dem Sinne, dass Daten sicher verwaltet werden und eine Transparente und offene Kommunikation mit dem Umgang dieser stattfindet. Darüber hinaus besteht die Verantwortung von Unternehmen auch darin, dass die wirtschaftlichen Chancen der Digitalisierung im Sinne der Nachhaltigkeit genutzt werden. Das beinhaltet beispielsweise die Ressourcen zu schonen und zu „dematerialisieren“ oder den Einsatz von neuen Digitaltechnologien auszuschöpfen und neue digitale Geschäftsmodelle zu integrieren (Dörr, 2020, S. 46). An der Stelle lässt sich wieder auf die drei wichtigsten Ebenen verweisen. Die Ökonomie, Ökologie und Soziales. Entlang dieser Säulen bauen die Kernziele der CDR für Unternehmen auf. So ergeben sich folgende explizite Handlungsfelder (Verweis auf Abbildung 4.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Handlungsfelder CDR (Eigene Darstellung in Anlehnung an Dörr, 2020, S. 47).
Eine Verwirklichung der abgesteckten Ziele innerhalb der Handlungsfelder umschließt viele Teilaspekte, die es zu beleuchten gilt. Im Zuge der Arbeit werden die Handlungsfelder, die sich unter den Überschriften ´Tech for Good´, ´Digitale Ethik’ und `Green IT´ zuordnen lassen, besonders in den Fokus gerückt und eine Berücksichtigung in der Auswertung finden. Das ´Tech for Good´ umfasst ein rasant wachsendes Feld, welches die Idee verfolgt, mit Technologie die Welt zu verbessern (Aguib, 2021). Es beschreibt eine innovationsgetriebene Kraft. Wobei das verantwortungsvolle Handeln zur Verschiebung der ´Unternehmens-DANN´ des 21. Jahrhunderts oder die ermächtigende Wirkung der Technologie selbst im Fokus stehen (Aguib, 2021). Wird im Zuge dessen die ´Green IT´ betrachtet, beschreibt es die Reduzierung von notwendigen Ressourcen wie Energie und Materialien sowie die Verringerung von Abfall und Emissionen der IT selbst (Zarnekow und Kolbe, 2013). Es definiert sich als ökologisch nachhaltiges Handeln in der IT. Die Unternehmen reduzieren den negativen Einfluss von IT, indem der Ressourcenverbrauch oder die Emissionsausstöße bei der Entwicklung, Nutzung oder Produktionen von Technologien kontrolliert und eingedämmt wird (Zarnekow und Kolbe, 2013). Die Digitalisierung und die Innovationen werden immer weiter vorangetrieben, was die ´Digitale Ethik´ unumgänglich macht. Denn so höher der Grad der Digitalisierung, desto wichtiger ist die ´Digitale Ethik´. Das verantwortungsbewusste Handeln endet nicht in der realen Welt. Demzufolge wird hierbei besonders Augenmerk darauf gelegt, dass die ethische Position die gesetzlichen Grundlagen wie die DSGVO oder die Richtlinien der CDR einhält und unter Berücksichtigung der neuen Technologien auf Transparenz, Datenhoheit und dem ökologischen Fußabdruck geachtet wird (Pauer, 2020). Es beschreibt ein gesellschaftliches Konzept von Freiheit und Privatsphäre, von Solidarität und Gerechtigkeit. In diesem Zusammenhang werden bestehende Maßstäbe auf eine digital geprägte Gesellschaft angewendet (Dörr, 2020). Zusammen bilden sie den Kern zur Zukunftsgestaltung und bedienen gleichzeitig die Grundpfeiler der Ökonomie, Ökologie und Soziales. Zudem nimmt der Faktor Mensch bei all dem eine signifikante Rolle ein. Denn für eine Reaktion und Aktion der Bedingungen der digitalen Welt benötigt es Bewusstsein und verantwortungsvolles Handeln.
Die digitale Transformation kann durch gewisse Vorgaben in die Richtung der Innovationsgestaltung gelenkt werden. Dabei steht es gleichermaßen für die Erfolgsvoraussetzungen der Nachhaltigkeitsbeiträge als auch für die ´Leitplanke‘ für die ungewollten ökologischen Folgen (Wuppertaler Institut, 2019). Für die praktische Umsetzung gilt demzufolge, gewisse Rahmenwerke und Richtlinien zu kennen und zu beachten. Um diese in die Untersuchungen einfließen zu lassen, soll in diesem Kapitel eine Vorstellung erfolgen. Der 2020 veröffentlichte Katalog der Digitalagenda des BMU stellt neben strategischen Grundsätzen und Zielsetzungen auch mehr als 70 Einzelmaßnahmen vor, mit denen die Digitalisierung in eine sozial - ökologische Richtung gelenkt und vorangetrieben werden sollen (BMJ, 2020). Damit dient die Digitalagenda als erstes Programm in der Thematik Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Diese stellt allerdings zurzeit lediglich eine Absichtserklärung dar. Dennoch gibt es bereits zahlreiche Projekte, die umgesetzt werden konnten. Beispielhaft dafür sei der digitale Produktpass für die Elektromobilität vom BMU Design- Sprint aus dem Jahr 2021 genannt. Hierbei wurde ein konzeptioneller Prototyp für einen digitalen Produktpass für Batterien in der Elektromobilität erarbeitet (BMJ, 2020). Als weiteres Rahmenwerk dienen die Sustainable Development Goals (SDG ) der United Nations und ihre Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Seit 2016 wird global für eine gemeinsame Vision eingetreten. Dabei geben die SDG gewisse Orientierungslinien vor. Wie bereits in Kapitel 2.1 erwähnt, wird sich in den 17 Zielen in nur fünf davon teilweise auf Nachhaltigkeitsthemen bezogen und die Digitalisierung erhält dabei kaum einen Einzug. So lassen sich in den folgenden Zielen fragmentarische Bezüge zur Digitalisierung und Nachhaltigkeit ausmachen. Die SDG 8 für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, SDG 9 für eine nachhaltige Infrastruktur und die SDG 12 für nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster (BMJ, 2020). Weiterhin lassen sich ähnliche Muster in die SDG 13 für die Bekämpfung des Klimawandels und die SDG 17 für eine verstärkte globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung interpretieren (BMJ, 2020). In vielen Kreisen ist der Aufschrei nach einem 18 Ziel groß. Einem Ziel, welches sich in Zusammenhang der Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsdebatte an die innere Haltung des Menschen richtet. Es soll sich an die innere Transformation zu mehr Selbstreflexion, individueller Verantwortung und Selbstwirksamkeit, Ethik und Weisheit richten. Die SDG 18 widmet sich dann dem Bewusstseinswandel (Vereinte Nationen, 2022). Für den erfolgreichen Umgang für eine nachhaltige Zukunft unumgänglich. Bislang findet die Digitalisierung als transformative Kraft noch kaum einen Raum in der politischen Nachhaltigkeitsdiskussion (Dörr, 2020). Mit dem Gutachten ´Unsere gemeinsame digitale Zukunft´ des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltveränderungen (WBGU) wird anhand des Brundtland- Reports erstmalig ein Konzept einer digitalisierten Nachhaltigkeitsgesellschaft skizziert (WBGU 2020). Darüber hinaus gibt es auf EU-Ebene einen von der Europäischen Kommission eingebrachten European Green Deal für die Umgestaltung der europäischen Wirtschaft. So soll beispielsweise ein Rahmen dafür geschaffen werden, dass digitale Technologien gewinnbringend in den Energie- oder Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden, um die Voraussetzungen für eine nachhaltige Zukunft zu schaffen (econsense- Forum Nachhaltige Entwicklung, 2020). Auf Bundesebene gibt es zudem seit 2018 vom Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz eine explizite CDR-Initiative. Die CDR-Initiative möchte unterstützen, den Begriff CDR zu prägen und gemeinsam mit Unternehmen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft ein verantwortliches Handeln in der digitalen Welt vorantreiben (BMJ, 2020). Auf den 17 globalen Zielen orientiert sich seit 2016 auch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Damit ist die deutsche Strategie ein Stück weit internationalisiert worden (Bundesregierung, 2022). Seit 2021 ist deren Weiterentwicklung vom Bundeskabinett beschlossen wurden, um die Ziele der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Agenda 2030 zu beschleunigen und eine erfolgreiche Umsetzung zu gewährleisten. Gewisse Rahmenwerke und Richtlinien können also dabei helfen, die Digitalisierung und Nachhaltigkeitsziele, die auch im Konzept CDR Anwendung finden, effektiv zu erreichen. Allerdings ist das kein Automatismus. Es können bei der Zielverfolgung für Nachhaltigkeit mit Hilfe von Digitalisierung auch negative Effekte auftreten. So könnten digital getriebene Ressourcen zu erhöhten Emissionsausstößen führen (econsense- Forum Nachhaltige Entwicklung, 2020). Hier muss im Zuge der Umsetzung der sogenannte Rebound- Effekt veranschaulicht werden.
Ergänzend zu den zuvor beschriebenen Rahmenrichtlinien stellt der Rebound-Effekt eine elementare Orientierungsgröße dar. Ein Rebound-Effekt tritt dann auf, wenn durch Effizienzsteigerungen eine größere Nachfrage entsteht, wodurch geplante Einsparungen nicht in voller Höhe erzielt werden können (bitkom, 2020). Dabei wird in drei Arten des Rebounds unterschieden. Der direkte Rebound-Effekt, wo durch geringere Nutzungskosten der Verbrauch desselben Gutes oder Dienstleistung erhöht werden. Der indirekte Rebound- Effekt, indem die geringeren Nutzungskosten zu einem erhöhten Verbrauch anderer Güter und Dienstleistungen führen. Und der Wirtschaftsweite Rebound-Effekt, der dafür sorgt, das sinkende Energiepreise eine Preissenkung für Zwischen- und Endprodukte zur Folge haben und somit doch die Produktions- und Konsummuster ändern (bitkom, 2020). Letztlich lässt sich sagen, dass eine genaue Berechnung der Rebound-Effekte schwierig ist, da sie länder-, Sektor- und technologiespezifisch sind (bitkom, 2020). Feststeht aber, dass sie den Rückgang des Ressourcenverbrauchs schmälern (Umweltbundesamt, 2019). Welches die Aussage unterstützt, dass sie einen wichtigen Bestandteil einer effizienten Ressourcen- und Umweltpolitik darstellen. Für die ökologisch und nachhaltige Zukunftsgestaltung ist es unerlässlich, diese Effekte zu berücksichtigen. Sicher ist auch, dass unter Einbezug der Digitalisierung viel Potenzial eröffnet wird. Die Digitalisierung bringt Fortschritt und neue innovative Zukunftsgestaltungsansätze. Das betrifft auch den Bereich der Nachhaltigkeit. Neben den Chancen birgt es unweigerlich auch Risiken. So kann die Nutzung von digitaler Technologie beim effizienten Einsatz von Ressourcen oder den Umstieg auf erneuerbarer Energie unterstützen. Anderseits führen beispielsweise die Entwicklungen von Sprachmodellen nachweislich zu hohen Emissionsausstößen (Hustedt, 2022). An der Stelle lässt sich noch mal auf die Teilaspekte vom CDR-Konzept verweisen. Die Felder ´Tech for Good´ und ´Green IT´ erhalten in dieser Thematik besondere Berücksichtigung. Die Idee, mit der Technologie die Welt zu verbessern (´Tech for Good´) und gleichzeitig auf ein ökologisches nachhaltiges Handeln innerhalb der IT zu achten (´Green IT´) gelten als die Orientierungslinien, um die Rebound-Effekte zu dämpfen. Sie bedingen sich dabei gegenseitig. Schlussendlich besteht das Streben darin, unbefriedigte Bedürfnisse auf möglichst ressourcenschonende Weise zu sättigen und Alternativen zu einer erhöhten Nachfrage und Nutzung ressourcenverbrauchender Produkte zu schaffen.
Es sei darauf hingewiesen, dass das konzeptionelle Zusammendenken zwischen KI und der Digitalisierungsdebatte teilweise redundant zu der bereits beschriebenen Verbindung zu CDR ist. Dennoch ist es für einen klaren Blick und das spätere Verständnis wichtig, es nachfolgend erneut punktuell für die Künstliche Intelligenz aufgeschlüsselt darzustellen.
Die Digitalisierung ist sicher kein neues Handlungsfeld. Die Begrifflichkeit hat sich über die Jahrzehnte hinweg in der Gesellschaft etabliert und wird mittlerweile als Selbstverständlichkeit wahrgenommen. Die Digitalisierung kann dabei als ´Megatrend´ bezeichnet werden. In Anlehnung an John Naisbitt kann ein solcher ´Megatrend´ als ein sich langsam bildender und langfristig anhaltender Veränderungsprozess angesehen werden, welcher die gesellschaftlichen, politischen oder wirtschaftlichen Anliegen betrifft und tiefgreifende Neuerungen mit sich bringt (Jacob, 2020). Diese Veränderungen innerhalb des gesellschaftlichen Miteinanders führen dazu, dass Unternehmen als Folge Transformationsprozesse vorantreiben müssen. Nur so ist eine langfristige wirtschaftliche Überlebens- und Anpassungsfähigkeit sichergestellt (Jacob, 2020). Dabei wird der Faktor der Nachhaltigkeit besonders beeinflusst und dementsprechend in den Fokus gestellt. Werden die Digitalisierung und die Nachhaltigkeit differenziert betrachtet, lassen sie sich folgendermaßen interpretieren. Die Nachhaltigkeit als moralischer und ökologischer Imperativ des 21. Jahrhunderts und die Digitalisierung als Betrachtung der „vierten industriellen Revolution“ (Dörr, 2020). Werden nun die unterschiedlichen Aspekte einmal zusammengedacht, so entsteht das Bild, dass sie zusammen eine transformative und zukunftsentscheidende Wirkung ergeben. Um das volle Potenzial dieser Chance zu nutzen, bedarf es bestehender Werte und Regeln. Die Corporate Digital Responsibility bedient sich hierbei auch gleichzeitig der Kontrolle von Risiken. Das CDR-Konzept und welche Handlungsfelder es umfasst, wurde bereits dargestellt. Das Berücksichtigen der neuen Technologien stellt einen wesentlichen Teil dar. Doch es gibt eine Vielzahl an digitalen Technologien. In der folgenden Arbeit wird die Künstliche Intelligenz in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. So wird in den nachstehenden Kapiteln der abstrakte Begriff KI aufgeschlüsselt und ausführlich dargestellt. Um die Künstliche Intelligenz in das Konzept der Nachhaltigkeit einzubetten, werden die Anwendungsbereiche, Potenziale und Risiken des Einsatzes und die Richtlinien, die es zu beachten gilt, beleuchtet.
Der Bezug der Digitalisierung und der damit einhergehenden Transformation ist erfasst. Die Aussage, dass das CDR-Konzept als primäres Handlungsfeld die neuen Technologien berücksichtigt, wird noch mal aufgegriffen. Die Digitaltechnologien umfassen ein breites Feld. Dazu zählen neben ´Big Data´, das ´Internet der Dinge (IoT)´, Blockchain, Roboter, Drohnen, virtuelle & erweiterte Realität und auch die Künstliche Intelligenz (Dörr, 2020). Algorithmen und die Künstliche Intelligenz greifen schon längst in unseren Alltag ein und beherrschen bewusst oder unbewusst unser Leben. Beispielsweise mit Smartphones, die mit uns sprechen, Armbanduhren, die unsere Gesundheitsdaten aufzeichnen oder in Navigationsgeräten, die in Autos und Flugzeugen verbaut sind (Mainzer, 2021). Dabei sind das nur einige Beispiele von vielen. Die Künstliche Intelligenz bietet nachweislich noch viel mehr. Es gibt also einen signifikanten Einfluss dieser Technologie zu verzeichnen. Diese enorme übergreifende Relevanz und die potenziellen Chancen, aber auch Risiken machen diesen Bereich besonders interessant und untersuchungswürdig. Welches die Begründung darstellt, weshalb es in dieser Arbeit als Paradebeispiel herangezogen wird. Es bleibt zu erwähnen, dass die Technologien miteinander agieren, interagieren und sich teilweise überschneiden, was eine Berücksichtigung der anderen Bereiche an einigen Stellen nicht gänzlich ausschließt. Nachstehend zeigt das Schaubild die bereits genannten Basistechnologien der Digitalisierung mit dem gesetzten Fokus auf KI.
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Abbildung 5: Basistechnologien der Digitalisierung (Dörr, S. 13, 2020).
Die Künstliche Intelligenz ist ein Teil der Digitalisierung bzw. der digitalen Transformation. Die Digitalisierung ist in ihrer neuen Interpretation „eine spezielle Form der Automatisierung, nämlich die (Teil-) Automatisierung mittels Informationstechnologien (IT).“ (Hess, 2016). Wobei diese häufig gleichzusetzen ist mit digitaler Transformation. Digitale Transformation bezeichnet den durch Informationstechnologien hervorgerufenen Wandel.“ (Hess, 2016). Dieser Wandel sorgt für einen Übergang von der analogen industriellen Welt zur digitalen ´Tech-Welt´. In Bezug auf die Nachhaltigkeitsdebatte nimmt der digitale Wandel mit seinen Technologien einen direkten Einfluss auf die Wirtschaft, Ökologie und die Gesellschaft. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht diesen Zusammenhang.
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Abbildung 6: Einfluss des digitalen Wandels und neue Technologien auf die Nachhaltigkeitsziele. (Eigene Darstellung)
In dem Diskurs, welche Rolle KI für die Erreichung der Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs) trägt, werden große Erwartungen in den Einsatz von KI-Systemen gesetzt (Rhode et al., 2021). Wird der Zusammenhang zwischen KI-Systemen und Nachhaltigkeit genauer ins Licht gerückt, gibt es unterschiedliche Perspektiven auszumachen. Dabei kann unterschieden werden in KI für nachhaltige Entwicklung (AI for sustainabillity) und nachhaltige KI (sustainable AI) (Rohde, 2021). KI für nachhaltige Entwicklung konzentriert sich explizit auf die positiven Beiträge, die mit der Entwicklung, aber vor allem dem Einsatz von KI-Systemen für soziale und ökologische Zielsetzungen erreicht werden können (Rhode et al., 2021). Das hat somit auch direkten Einfluss auf die Erreichung und das Vorantreiben der SDG´s. Die andere Perspektive widmet sich den Auswirkungen von KI-Systemen auf Menschen und Umwelt bezüglich des Diskurses über den ethischen und verantwortungsvollen Einsatz von KI. Darüber hinaus wird der Blick darauf gelenkt, welcher Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen von KI-Systemen selbst ausgehen (Rhode et al., 2021). Trotz unterschiedlicher Betrachtungsansätze stehen beide Perspektiven in enger Verbindung zueinander. Denn der Einsatz von KI hat Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umwelt. Und es gilt herauszufinden, welche positiven oder negativen Konsequenzen sich für die nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung dadurch entfalten. In der Arbeit wird die Perspektive der Nachhaltigen KI (sustainable AI) besonderer Berücksichtigung finden.
Wie bereits erwähnt, hat die Digitalisierung schon früh begonnen. So gehen die Anfänge von KI bereits auf die 1950er-Jahre zurück (Dörr, 2020). Schwierig wird es allerdings, wenn die Künstliche Intelligenz definiert werden soll. Für den Begriff ´Intelligenz´ gibt es bis heute keine einheitlichen Definitionen und verschiedene Fachrichtungen verfolgen unterschiedliche Theorien. Daraus ergibt sich unmittelbar die Schwierigkeit bzw. die Unmöglichkeit, eine Künstliche Intelligenz zu definieren. Anzumerken ist, dass stattdessen gerne die Begrifflichkeit ´Machine Learning´ verwendet wird, da dieser klarer abzugrenzen ist. Dennoch soll im Zuge dieser Arbeit und für die weitere Bearbeitung der Thematik ein Versuch der Definition erfolgen. KI lässt sich vereinfacht dahingehend beschreiben, dass es ein Computerprogramm ist, welches selbstständig lernen und sich verbessern kann (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Dabei spiegelt sich die Intelligenz insofern wider, dass die kognitiven Entscheidungsstrukturen des Menschen durch Programmierung lediglich nachgeahmt werden (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Dazu zählen visuelle Wahrnehmungen, Spracherkennung und -generierung oder die Anpassungsfähigkeiten an wechselnde Umgebungen (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Die Begriffe ´Machine Learning´ oder ´Deep Learning´ beschreiben Teilgebiete der Künstlichen Intelligenz. Sie sind relevant zu erwähnen, weil sich diese besonders stark in den letzten Jahren weiterentwickelt haben. Sie gehören zur sogenannten ´schwachen KI´ (Rhode et al., 2021). Das dystopische Narrativ hierzu ist die ´starke KI´, die eine umfassende Nachahmung menschlicher Intelligenz ermöglichen würde (Dörr, 2022). Allerdings bestehen dabei bislang nur theoretische Überlegungen. Demzufolge wird die ´starke KI´ zur Bearbeitung in dieser Arbeit in den Hintergrund gerückt. Näher betrachtet befasst sich ´Machine Learning´ mit der Verwendung von Daten und Algorithmen mit dem Ziel, die Art und Weise wie Menschen lernen zu imitieren und die Genauigkeit schrittweise zu verbessern (IBM, 2020). Dabei werden die Algorithmen mit Hilfe statistischer Methoden so aufgebaut, dass sie aus den Daten lernen und Entscheidungen treffen können. Die Regeln werden nicht explizit in der Programmierung formuliert, sondern aus den Mustern der Daten erlernt, was sie von traditionellen Computer-Algorithmen unterscheidet (Rhode et al., 2021). So kommt es beispielsweise zu der uns bekannten Gesichtserkennung bei der Face ID, die Millionen von Menschen täglich zum Entsperren ihres Handys nutzen. Wohingegen der Teilaspekt ´Deep Learning´ neuronale Netze nutzt, um große Datensätze zu analysieren. Dabei ist das künstliche neuronale Netz vom Biologischen inspiriert. Dieses neuronale Netz ist mit besonders komplexen Architekturen und einer Vielzahl von zu lernenden Parametern aufgebaut (Rhode et al., 2021). Das ermöglicht eine Verarbeitung größerer Datenmengen in einer schnelleren Geschwindigkeit, als das menschliche Gehirn jemals leisten könnte (IBM, 2020). Besonders gut geeignet ist ´Deep Learning´ in den Bereichen, wo sich große Datenmengen nach Mustern und Modellen untersuchen lassen. Beispielsweise für eine Vorhersage des Kundenverhaltens auf Basis von CRM-Systemen erfasster Daten. Die genannten Bereiche sind derzeit die erfolgreichsten Wege, um Algorithmen ´intelligent´ zu gestalten und KI somit als Hoffnungsträger für die nachhaltige Zukunftsgestaltung zu nutzen (Dörr, 2020). Die Abbildung soll die Einordnungen der Begriffe noch einmal veranschaulichen.
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Abbildung 7: Abgrenzung und Einordnung der Begriffe von KI in Anlehnung an Rhode et al. zu Nachhaltigkeitskriterien für KI (Eigene Darstellung in Anlehnung an Rhode et al., S. 12, 2021).
Anzumerken ist, dass die Künstliche Intelligenz noch weitaus mehr Teilbereiche, Anwendungsmöglichkeiten und diverse Verfahren beinhaltet. Die Arbeit ist nicht technisch versiert, weshalb an der Stelle die genannten Eigenschaften zum grundlegenden Verständnis und zur Bearbeitung ausreichen.
Die Künstliche Intelligenz hat sich zu einer wichtigen Schlüsseltechnologie entwickelt. Die Corporate Digital Responsibility behandelt die KI als Handlungsfeld der neuen Technologien und gewährleistet somit einen bewussten und gleichzeitig ethisch korrekten gesellschaftsorientierten Umgang. Die Umsetzung von verantwortungsvoller künstlicher Intelligenz in Unternehmen wird als responsible artificial intelligence (RAI) bezeichnet und teilweise eingesetzt. Derzeit gibt es einen fehlenden Konsens, ob die CSR und CDR Bemühungen eines Unternehmens enger mit dem RAI verknüpft werden sollten (Renieris, Kiron und Mills, 2022). In Fachkreisen wird der inkludierte Einsatz als „Schlüssel zu wirtschaftlichem Erfolg und Innovation“ bezeichnet, da verantwortungsbewusste KI aus dem Entwerfen von KI- basierten Lösungen besteht, aber gleichzeitig auch den Menschen in den Mittelpunkt der Entwicklung stellen sollte (Sonna, 2022). Dennoch müssen in Anbetracht des rasanten Wachstums auch noch zusätzliche Rahmenwerke mit einbezogen werden. Die an diesem Punkt genannt werden. Im Jahr 2018 gab es einen ersten Aufschlag seitens der Bundesregierung. Es erfolgte die Veröffentlichung der ersten deutschen KI-Strategie, die zeitnah eine Fortschreibung im Jahr 2020 erhielt (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Das ist ein erster Schritt auf bundespolitischer Ebene, indem Nachhaltigkeitsbezüge Berücksichtigung finden und der abstrakte Begriff KI sowie die Potenziale für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen skizziert werden (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Das konkrete Ziel der Fortschreibung der deutschen KI-Strategie ist es, den Standort Deutschland in Erforschung, Entwicklung und Anwendung von KI im internationalen Wettbewerb zu stärken. Es gilt „AI Made in Europe“ zu etablieren, indem insbesondere die Themen wie die Nachhaltigkeit ins Zentrum neuer Initiativen gestellt werden (Bundesregierung, 2020). Um diese Förderung verantwortungsvoll und gemeinwohlorientiert zu gestalten, werden konkrete Anforderungen an die Entwicklung und den Einsatz von KI-Systemen gestellt. Darunter fallen die Rahmenanwendungen für die verantwortungsvolle und vertrauenswürdige KI-Anwendung, die Regelungsbedarfe im betrieblichen Kontext für die Produktsicherheit und die Sicherheit und Nachhaltigkeit von KI (Bundesregierung, 2020). Mit Hilfe des Förderprogramms des Bundesumweltministerium (BMU) KI-Leuchttürme für Umwelt, Klima, Natur und Ressourcen können die 50 Leuchtturmanwendungen dazu beitragen die Rahmenanwendungen und Bewertungskriterien zu erfüllen (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Darüber hinaus lenkt die Digitalagenda 2020 vom BMU mit ihren 70 Einzelmaßnahmen die Anwendungsmöglichkeiten in eine sozial-ökologische Richtung. Beispielhaft hierfür ist der digitale Produktpass, der ein Instrument für mehr Transparenz hinsichtlich der Umweltwirkungen eines Produktes darstellt (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Auf internationaler Ebene wird deutlich, dass die Forschung noch am Anfang steht. Nennenswert zu erwähnen ist hierbei das White Paper Artificial Intelligence- A European approach to excellence and trust von der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020. Dieses Paper erkennt die Möglichkeit an, dass die Künstliche Intelligenz signifikant dazu beitragen kann, die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). In dem Paper der Initiative Climate Change AI gibt es eine umfassende Übersicht über die Anwendungsmöglichkeiten von KI im Bereich Klimaschutz (Rhode et al., 2021). Mit der hohen Erwartungshaltung an den Einsatz von KI für die Erreichung der Ziele zur nachhaltigen Entwicklung der SDGs (verweis auf Kapitel 2.2.4) werden die Begriffe AI for Earth oder AI for social Good hervorgehoben (Rhode et al., 2021). Diese wollen die Potenziale von KI-Systemen zur Lösung sozialer und ökologischer Problemlagen nutzen. Feststeht, dass die Digitalisierung und darin nimmt die KI einen flächendeckenden Teil ein, bei circa 70 % der gesetzten SDGs einen gewinnbringenden Beitrag leisten kann (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). Allerdings lassen sich aus Studien schlussfolgern, dass es wesentliche Herausforderungen für die Analysen der Beiträge von KI-Systemen auf die Erreichung der SDGs gibt. Das ist das Resultat aus den vorhandenen Wechselwirkungen zwischen den unterschiedlichen Zielen, die zum Teil nicht klar sind und die Zielkonflikte nicht ausreichend adressiert (Rhode et al., 2021). Politik und Wirtschaft tragen hierbei gleichermaßen Verantwortung. Für die erfolgreiche Umsetzung und Implementierung von digitalen Technologien, insbesondere KI, bedarf es einer Zusammenarbeit in Form von Rahmenwerken und Initiativen sowie die Begleitung von grünen Transformationsmaßnahmen.
Der Einsatz von neuen digitalen Technologien bedeutet für Unternehmen, mehr Effizienz und Innovation in den bestehenden Märkten zu etablieren und zu nutzen (Dörr, 2020). Der Einsatz muss sich dabei entlang der Triple-Bottom-Line orientieren (Verweis auf Kapitel 2.2.2). Hierbei entfaltet sich wieder die Thematik der digitalen Transformation. Die Anwendungsfelder der Künstlichen Intelligenz sind entsprechend ihrer Rolle als general purpose- Technologien (GPT) im Grunde unbegrenzt (Rhode et al., 2021). Aus ökonomischer Perspektive besteht die Erwartung, dass sich durch die Anwendung von KI-Systemen die Geschäftsmodelle verändern und entwickeln. Die Anwendungsgebiete beziehen sich prinzipiell auf alles, bei denen Schlüsse oder Erkenntnisse aus Daten gezogen werden sollen (Rhode et al., 2021). Dabei sind die Ziele der Unternehmen vielschichtig. Dazu zählen die Verbesserung und Entwicklung von Produkten, Erschließung neuer Märkte sowie die Optimierung von Entscheidungsprozessen oder internen Abläufen. Das wohl bedeutendste Ziel dabei stellt die nachhaltige Entwicklung dar. Aktuell liegt hierbei der Fokus auf Umweltschutz- und Klimaschutzzielen (Rhode et al., 2021). Die Darstellung gibt einen Einblick über typische Anwendungsfelder. Es zeigt ihren prozentualen Verbreitungsgrad von KI-Systemen in diesem Bereich und beispielhafte KI-Technologien in dem Feld.
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Abbildung 8: Einblick über Anwendungsfelder von KI in Anlehnung an Rhode et al. Nachhaltigkeitskriterien für Künstliche Intelligenz (Eigene Darstellung in Anlehnung an Rhode et al., S. 16, 2021).
Darüber hinaus gibt es noch Bereiche der Anwendung in der Finanzwirtschaft, Gesundheitswesen, Logistik und Handel sowie in Sicherheit und Verteidigung oder auch in den sozialen Medien. Dabei sind die wohl bekanntesten KI-Technologie Anwendungsfälle, die KI- gestützte Robotik und Selbstüberwachung im Gesundheitswesen, die Cybersecurity im Bereich Sicherheit oder die personalisierte Werbung und Empfehlungssysteme der sozialen Medien (Rhode et al., 2021). So zeigen die Chatbots von Amazon und Apple oder Alexa, Siri und Co., das die KI-Technologien allgegenwärtig sind. Und die Innovationsdynamik weiterhin rasant zunimmt. In Bezug auf die Nachhaltigkeitsdebatte muss im Bereich der Anwendung auch der KI-Lebenszyklus Einzug erhalten. Nur so kann ein verantwortungsvolles Handeln entlang der Wertschöpfungskette gewährleistet werden. Die Daten sind die neuen Rohstoffe. Die Nachhaltigkeit ist hierbei eine übergreifende Zielperspektive. Im Sinne der responsible research and innovation (RRI) wird die Innovationsausrichtung auf alle entwickelten und zu entwickelnden KI-Systeme auf Basis der Nachhaltigkeit sichergestellt (Rhode et al., 2021). Die Wirkungsrichtungen von KI-Systemen sind komplex und Akteure sind vielfältig. Dementsprechend müssen entlang des Lebenszyklus geeignete Indikatoren identifiziert werden, um so die Nachhaltigkeitswirkungen gezielt abschätzen zu können (Rhode et al., 2021). Die Abbildung zeigt schematisch den KI-Lebenszyklus und welche Phasen es demzufolge zu berücksichtigen gilt. Angefangen von der Einbettung in die Organisation bis zur Modellnutzung und Entscheidungsfindung.
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Abbildung 9: KI- Lebenszyklus in Anlehnung an Rhode et al. Nachhaltigkeitskriterien für Künstliche Intelligenz (Eigene Darstellung in Anlehnung an Rhode et al., S. 18, 2021).
Um den Beitrag von Künstlicher Intelligenz zur Nachhaltigkeit zu verdeutlichen und die späteren Untersuchungen zu stützen, werden nachfolgend die potenziellen Chancen und Risiken beim Einsatz von KI skizziert. Die Frage, inwieweit die Auswirkungen von KI positive oder negative Auswirkungen auf die nachhaltige Entwicklung haben, lässt sich nicht Ad-hoc beantworten (Rhode et al., 2021). Hierbei muss zwischen direkten und indirekten Auswirkungen unterschieden werden. Direkte Auswirkungen beschreiben den Einfluss von KI-Technologien auf das Erreichen eines bestimmten SDGs z.B. KI zur Integration von erneuerbaren Energien (Rhode et al., 2021). Wohingegen die indirekten Auswirkungen sich auf den Einsatz von KI beziehen, wenn sie durch die angestrebte Zielerreichung Auswirkungen auf anderes hat (Rhode et al., 2021). Mit Blick auf die Anwendungsebenen wird versucht, nachfolgend eine erste Abschätzung zu ermitteln. Positiv hervorzuheben ist der Anwendungsbereich der Mobilität, welches auch gleichzeitig zum Faktor der ´Tech for Good´ (Verweis auf Kapitel 2.2.3) zuzuordnen ist. Wird das Einsparpotenzial der Mobilitätsemissionen bis 2030 untersucht, so kommen die Ergebnisse zu einem Wert von 8-13 % Erwarteten CO2 Einsparungspotenzial (bitkom, 2020).
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Abbildung 10: CO2 Einsparpotenzial im Anwendungsbereich Mobilität bis 2030 (bitkom, 2020).
Hier kann das Einsparpotenzial bei moderater Digitalisierung (blau) und das von der beschleunigten Digitalisierung (rot) eingesehen werden. Mit der moderaten Digitalisierung ist in diesem Zusammenhang das Szenario gemeint, dass sich die Marktdurchdringung digitaler Technologien in Deutschland wie bisher entwickelt. Das beschleunigte Szenario orientiert sich an die Marktdurchdringung digitaler Technologien an vergleichbaren Ländern, die beim Einsatz der Technologien führend sind. Damit soll deutlich gemacht werden, welche Potenzialausschöpfung möglich ist und wie die Resultate sich gestalten würden (bitkom, 2020). Durch die Anwendungen für effizientes Fahren und ein digitales öffentliches Verkehrsnetz führt es bei beschleunigter Digitalisierung zu einer Einsparung von 15 MT und trägt somit zu einem prozentualen Wert von bis zu 14 % der Gesamtersparnis bei. Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bereich der intelligenten Logistik. Hier kann durch den Einsatz von intelligenten Logistiklösungen und additiven Fertigungen eine Ersparnis von bis zu 8 MT erzielt werden, was einen Anteil von 10-16 % auf den Gesamtwert ausmacht. Darüber hinaus gibt es noch weitere Bereiche, in denen KI positive Wirkungen für Umwelt- und Klimaschutz entfalten kann. Besondere Potenziale bieten Anwendungsfelder wie dem Monitoring von Ökosystemen, Kreislaufwirtschaft- und Ressourceneffizienz oder in der Energiewende (Rhode et al., 2021). Speziell im Energiesektor kann durch KI basierten sensorgesteuerten Netzen und intelligente Messinfrastrukturen Einsparpotenziale ausgeschöpft werden. Oder im Anwendungsbereich der Landwirtschaft können KI-Technologien zu einer Effizienzsteigerung in der Bodenbewirtschaftung und Nutztierhaltung führen (bitkom, 2020). Die Chancen, dass intelligente Computerprogramme zu einer positiven Hebelwirkung führen, sind groß und vielseitig anwendbar . Es stellt sich dabei die Frage, wie vertrauenswürdig der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist. Feststeht das KI-Systeme schon in vielen Gesellschaftsbereichen Einzug erhalten und somit unseren Alltag mitbestimmen. Diesen Einzug gilt es zu beobachten und zu kontrollieren. Denn die Künstliche Intelligenz trifft dabei in vielen Fällen und Anwendungsbereichen Entscheidungen, die eine große Tragweite haben können. Das prägt und beeinflusst die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). So wird neben den Themen über Machbarkeit und Möglichkeiten von KI auch ein Diskurs im Bereich der ´digitalen Ethik´ geführt (Verweis auf Kapitel 2.2.3). Die zentralen Fragen beziehen sich dabei auf die Vertrauenswürdigkeit und Transparenz von den Prognosen und Entscheidungen von KI, der generelle Umgang mit den Daten (Datenschutz) und wie autonom eine KI handelt (Jungblut, Pettit und Skrabania, 2020). So gilt es selbst beim Einsatz und der Zielerreichung von KI für ökologische Zwecke, die erhobenen sensiblen Daten verantwortungsvoll zu behandeln. Im Bereich der automatisierten Entscheidungsfindungssysteme wie bei dem sogenannten ´Social Scoring´ lässt sich eine besonders hohe Sensibilität ausmachen. Social Scoring beschreibt Systeme, die Menschen beurteilen, in Gruppen und zu Profilen einordnen (Penner, 2020). Die Problematik besteht unter anderem darin, dass die Individualität schnell verloren gehen kann. Bei dem stigmatischen Einordnen in eine Gruppenzugehörigkeit, finden individuelle Situationen und Komplexität keine Berücksichtigung mehr (Penner, 2020). So etwas könnte bewusst missbräuchlich verwendet werden, wie es derzeit in China der Fall ist. Dort wird ein Social Scoring System als Totalüberwachung in der chinesischen Bevölkerung eingesetzt (Penner, 2020). Es kann auch unbewusst zu ethischen Dilemmata führen. So in einem Anwendungsfall aus Österreich. Dort werden im Bereich Arbeitsmarkt, Service und Arbeitslosigkeit Algorithmen- basierte Systeme eingesetzt, die die Arbeitsmarktchancen von Jobsuchenden bewerten und vorhersagen sollen (Penner, 2020). Allerdings führt das dazu, dass Frauen beispielsweise allein aufgrund ihres Geschlechts niedrigere Chancen prognostiziert werden. Kommen dann noch weitere Fakten dazu, wie ein Migrationshintergrund, führt das zu einem noch schlechteren Score (Penner, 2020). Der Einsatz verursacht ein hohes Diskriminierungspotential. Das ist ethisch nicht zu rechtfertigen. Dementsprechend ist es wichtig, dass schon vor dem Einsatz von KI- basierten Systemen ein Bewusstsein dafür geschaffen wird, dass es in einigen Anwendungsbereichen zu ungleichen Chancen und Zugängen führen kann. Unabhängig davon ist es notwendig, die Debatte auszuweiten und neben den ethisch-sozialen Aspekten auch die ökologisch-nachhaltigen Effekte als Untersuchungsgegenstand in den Fokus zu rücken. Und das auch im Sinne der ´Green-IT´ (Verweis auf Kapitel 2.2.3) zu handeln. Denn der Einsatz von neuen digitalen Technologien wirkt tiefgreifend in allen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Systemen und zieht eine fundamentale Beeinflussung auf allen Ebenen mit sich.
Durch die Definitionen der Schlüsselbegriffe und deren Einordnung in den Kontext wurde der konzeptionelle Bezugsrahmen gebildet. Um die Fragestellung korrekt aufzuschlüsseln und zu beantworten, bedarf es darüber hinaus einer kulturanalytischen Ansicht. Dementsprechend werden im folgenden Kapitel zwei ausgewählte Theorien zu der Entwicklung der modernen Gesellschaft vorgestellt. Die Auswahl erschloss daraus, dass sich gewisse Parallelen zum Kontext dieser Arbeit hervorgehoben haben. Das umfasst die Theorie reflexiver Modernisierung nach Beck und die Theorie des kommunikativen Handelns nach Habermas. Das soll den Blick von der reflexiven Moderniserungsansicht, bis hin zur soziokulturellen Antwort von Habermas auf die Moderne führen. Die konstruktive Auseinandersetzung mit diesen Theorien soll dazu beitragen, die Entwicklungsdynamik der modernen Gesellschaft zu veranschaulichen. Die Erklärungen der Gesellschaftsentwicklungen bieten Anhaltspunkte, um die tieferliegenden gesellschaftlichen Hemmnisse bei der Verwirklichung der Nachhaltigkeitsansätze und das Streben nach dem verantwortungsvollen Handeln herauszukristallisieren. Denn die nachhaltige Entwicklung ist ebenso eine Anfrage an die Moderne. Demnach werden zu Beginn die beiden Theorien aufgeschlüsselt dargestellt. Es sei darauf hingewiesen, dass beide Theorien wesentlich umfangreicher sind als im Folgenden dargestellt. Mit Blick auf die Thematik finden nur die wichtigsten Punkte Berücksichtigung. Für die spätere Verwendung in der Datenerhebung und Auswertung folgt in diesem Kapitel eine synoptische Auseinandersetzung der bestehenden Theorien.
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1 Das Konstrukt richtet sich dabei am Leitbild der Nachhaltigkeit aus. Es resultiert durch die Übernahme von Verantwortung für wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Wirkungen sowie die Lösungen der Zielkonflikte (Dörr,2022).
2 Das Modell wurde erstmalig während der ersten UN- Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 beschlossen und 1997 von der EU explizit in den drei Säulen der Nachhaltigkeit manifestiert (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015).