Bachelorarbeit, 2008
44 Seiten, Note: 1,3
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einführung
2 Grundlagen
2.1 Begriffsabgrenzung
2.2 Klassifizierung von Anwendungssoftware
2.2.1 Standardsoftware
2.2.2 Individualsoftware
2.2.3 ERP-Software
2.3 Bilanzielle Einordung
3 Bilanzierung von Anwendungssoftware nach Handelsrecht
3.1 Ansatzkriterien
3.1.1 Abstrakte Aktivierungsfähigkeit
3.1.2 Konkrete Aktivierungsfähigkeit
3.2 Bewertungskriterien
3.2.1 Zugangsbewertung
3.2.2 Folgebewertung
3.3 Ausweis und Anhangangaben
4 Bilanzierung von Anwendungssoftware nach IFRS
4.1 Ansatzkriterien
4.1.1 Abstrakte Aktivierungsfähigkeit
4.1.2 Konkrete Aktivierungsfähigkeit
4.2 Bewertungskriterien
4.2.1 Zugangsbewertung
4.2.2 Folgebewertung
4.3 Ausweis und Anhangangaben
5 Vergleich der Bilanzierung von Anwendungssoftware nach Handelsrecht und IFRS
5.1 Vergleich der Bilanzierung von Anwendungssoftware
5.2 Vergleich der bilanzpolitischen Spielräume
6 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildung 1: Klassifizierung von Software
Abbildung 2: Der Zusammenhang zwischen abstrakter und konkreter Aktivierungsfähigkeit.
Abbildung 3: Prüfschema zum Ansatz von Anwendungssoftware nach HGB
Abbildung 4: Prüfschema zum Ansatz von Anwendungssoftware nach IFRS
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auf Grund des fortschreitenden Wandels der Bundesrepublik Deutschland von einer produktions- zur wissensbasierten Gesellschaft[1], erlangt auch die Nutzung von Computer-Software eine immer größere Bedeutung. Vor allem in Unternehmen findet sich E-Business, also die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie zur Ausführung automatisierbarer Geschäftsprozesse, insbesondere aus Produktivitäts- und Effizienzgründen als fester Bestandteil wieder. Verdeutlicht wird diese Entwicklung außerdem dadurch, dass der Anteil von Computern in Unternehmen weiter wächst und somit auch der Anteil von Beschäftigen, die am PC arbeiten, mittlerweile auf 56% gestiegen ist.[2]
Insbesondere Anwendungssoftware ist hier ein sehr großer Stellenwert zuzuschreiben. Die starke Nutzung von Anwendungssoftware in Unternehmen lässt sich dadurch belegen, dass der größte Teil der Umsätze im Firmenkundegeschäft von Softwareherstellern mit betriebswirtschaftlicher Anwendungssoftware erzielt wird.[3]
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der bilanziellen Behandlung von Anwendungssoftware sowohl nach nationalem als auch nach internationalem Recht. Hierbei ergibt sich eine Reihe von spezifischen Problembereichen, deren Herangehensweise nach nationalem und internationalem Recht teilweise sehr unterschiedlich ausfallen kann.[4]
Zunächst werden die zur bilanziellen Behandlung von Anwendungssoftware notwendigen Begriffsabgrenzungen sowie eine Klassifizierung der einzelnen Arten von Anwendungssoftware in technischer und bilanzieller Hinsicht vorgenommen. Anschließend erfolgt die Betrachtung der bilanziellen Behandlung nach deutschem Handelsrecht sowie nach internationalen Rechnungslegungsstandards. Darauf aufbauend werden die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Bilanzierung von Anwendungssoftware nach HGB und IFRS verglichen und außerdem die möglichen bilanzpolitischen Spielräume aufgezeigt.
In der Literatur findet sich eine Vielzahl verschiedener Definitionen von Software. Nach DIN 44.300 wird Software folgendermaßen definiert: „Gesamtheit oder Teil der Programme für Rechensysteme, wobei die Programme zusammen mit den Eigenschaften der Rechensysteme den Betrieb der Rechensysteme, die Nutzung der Rechensysteme zur Lösung gestellter Aufgaben oder zusätzliche Betriebs- und Anwendungsarten der Rechensysteme ermöglichen.“[5]
Demnach werden unter dem Begriff Software sämtliche Programme verstanden, die den Betrieb und die Nutzung eines EDV-Systems ermöglichen. Eine weitere Kategorisierung erfolgt hierbei in Systemsoftware und Anwendungssoftware[6], wobei in dieser Arbeit ausschließlich eine nähere Betrachtung der Anwendungssoftware erfolgt.
Anwendungssoftware dient als Oberbegriff für all jene Programme, die dazu bestimmt sind Datenverarbeitungsaufgaben eines Anwenders zu lösen[7] und somit speziell auf die Bewältigung von anwenderspezifischen Problemen ausgerichtet sind.[8]
Im Bereich der Anwendungssoftware wird zwischen Individual- und Standardsoftware unterschieden.[9] Eine eindeutige Zuordnung von ERP-Software zu einer dieser Kategorien ist, auf Grund der fließenden Grenzen zwischen Standard- und Individualsoftware[10], nicht zweifelsfrei bestimmbar, so dass nachfolgend eine separate Betrachtung eben dieser erfolgt.
Standardsoftware ist eine Anwendungssoftware bei deren Entwicklung die Anforderungen einer großen Zahl von Anwendern zu Grunde gelegt werden.[11] Demnach wird Standardsoftware nicht an die speziellen Bedürfnisse einzelner Anwender oder Branchen angepasst, sondern dient in erster Linie zur Bewältigung von Aufgabenstellungen, die überall gleich oder zumindest gleichartig zu bearbeiten sind.[12] Bedingt durch den hohen Standardisierungsgrad solcher Software ist es meist nötig eine Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse einzelner Anwender vorzunehmen. Dieser Vorgang wird als Customizing bezeichnet.[13]
Um den verschiedenen Anpassungsmöglichkeiten von Standardsoftware zu entsprechen, erfolgt eine weitere Untergliederung der Standardsoftware in fixe und variable Standardsoftware. Bei fixer Standardsoftware ist eine anwenderindividuelle Anpassung gar nicht oder nur in sehr geringem Maße möglich. Variable Standardsoftware hingegen ermöglicht das Vornehmen gewisser anwenderspezifischer Änderungen und ähnelt somit, je nach Umfang der Anpassungen, eher den Charakteristika von Individualsoftware.[14]
Im Gegensatz zu Standardsoftware wird unter Individualsoftware eine Anwendungssoftware verstanden, die auf Grund von Anforderungen eines einzelnen Auftraggebers und somit für spezielle Anwendungszwecke entwickelt wird. Gründe für die Nutzung von Individualsoftware können z.B. sein, dass keine zweckmäßige Standardsoftware existiert oder diese bewusst nicht eingesetzt werden soll.[15]
Unter Enterprise Resource Planning (ERP-) Software wird ein in Komponenten aufgegliedertes und modular aufgebautes Softwaresystem verstanden, das insbesondere zur Optimierung von Geschäftsprozessen im Bereich Fertigung, Finanzen, Vertrieb u.ä. genutzt wird.[16]
Der Anwender hat die Möglichkeit umfangreiche Änderungen vorzunehmen, um eine Anpassung an die anwenderspezifischen Bedürfnisse zu gewährleisten. Prinzipiell ist eine unternehmensinterne Anpassung bereits durch bloße Systemeinstellungen möglich. Sind die unternehmensindividuellen Abläufe jedoch zu komplex, so dass sie nicht mehr abbildbar sind, müssen so umfangreiche Änderungen vorgenommen werden, dass eine Zurverfügungstellung des Quellcodes nötig wird. Dies führt dazu, dass keine allgemeingültige Zuordnung von ERP-Software zur Standard- oder Individualsoftware vollziehbar ist, da hier im konkreten Einzelfall eine Begutachtung des Umfangs der Anpassungsvorgänge erfolgen muss.[17]
Die folgende Abbildung dient zur Verdeutlichung der Zusammenhänge der einzelnen Softwarearten sowie deren Klassifizierung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Klassifizierung von Software Quelle: Eigene Darstellung
Für die bilanzielle Einordnung von Anwendungssoftware, sowohl nach HGB als auch nach IFRS, sind, neben den im vorhinein erläuterten funktionalen und technischen Besonderheiten, weitere Beurteilungskriterien heranzuziehen. Hierbei gilt es insbesondere zu untersuchen, ob Anwendungssoftware dem Anlage- oder Umlaufvermögen zuzuordnen ist und, ob sie materieller oder immaterieller Natur ist.[18]
Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen
Sowohl für die Bilanzierung nach HGB als auch für die Bilanzierung nach IFRS ist die Zuordnung des Bilanzierungsobjektes zum Anlage- bzw. Umlaufvermögen (current bzw. non-current assets) entscheidend, da dies sowohl auf den Ansatz als auch auf die Bewertung erheblichen Einfluss ausübt. Hierbei gilt es zu beachten, dass die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen nach HGB und IFRS nicht vollständig übereinstimmt.[19]
Gem. § 247 Abs. 2 HGB ist der geplante Verwendungszweck entscheidend, so dass eine Zuordnung zum Anlagevermögen zu erfolgen hat, wenn der Vermögensgegenstand dazu bestimmt ist, dauernd (i.d.R. mehr als ein Jahr) dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Hierbei sind sowohl die Art des Vermögensgegenstandes (objektives Kriterium) als auch der Wille des Kaufmanns (subjektives Kriterium) maßgeblich. Wird diese Anforderung nicht erfüllt ist der Vermögensgegenstand dem Umlaufvermögen zuzuordnen.[20]
Bei einer Bilanzierung nach IFRS hingegen ist gem. IAS 1 lediglich die geplante Verweildauer im Unternehmen entscheidend. Ist ein längerfristiger Einsatz (i.d.R. mehr als ein Jahr) im Unternehmen vorgesehen, hat eine Zuordnung zum Anlagevermögen, andernfalls zum Umlaufvermögen, zu erfolgen.[21]
Übertragen auf die Bilanzierung von Anwendungssoftware beim Anwender kann die Zuordnung zum Anlagevermögen als Regelfall angesehen werden, da diese i.d.R. dazu bestimmt ist, im eigenen Betrieb längerfristig eingesetzt zu werden.
Zuordnung zu immateriellen oder materiellen Gütern
Desweiteren übt die Zuordnung von Anwendungssoftware zu den immateriellen oder materiellen Gütern einen wesentlichen Einfluss auf deren Bilanzierung aus. Dies ist darauf zurückzuführen, dass an immaterielle Güter, sowohl nach HGB als auch nach IFRS, strengere Auflagen geknüpft werden.[22]
Materielle Güter umfassen körperlich fassbare Faktoren, wie z.B. Gebäude oder Maschinen.[23] Hingegen hat sich für immaterielle Güter bislang noch keine einheitliche Definition etabliert. Vielmehr ist sowohl national als auch international eine Negativabgrenzung eben dieser üblich, so dass diese „als nicht monetäre Werte ohne körperliche Substanz“ umschrieben werden können.[24]
Die Abgrenzungsproblematik bei Anwendungssoftware besteht darin, dass diese sowohl immaterielle (das Programm an sich) als auch materielle Elemente (Datenträger) besitzt. Entscheidendes Beurteilungskriterium zur Einordnung von Anwendungssoftware stellen in diesem Fall der geistig-schöpferische Gehalt des Gutes und dessen Stellenwert im Gegensatz zum materiellen Charakter dar. Dies führt dazu, dass Anwendungssoftware grundsätzlich als immaterieller Vermögensgegenstand zu bilanzieren ist, unabhängig davon, ob es sich um Individual- oder Standardsoftware handelt.[25] Einzige Ausnahme bilden in diesem Zusammenhang allgemein zugängliche und reine Datensammlungen auf einem Datenträger, z.B. Telefonbücher in elektronischer Form, die den materiellen Vermögensgegenständen zuzuordnen sind[26], in dieser Arbeit jedoch nicht näher behandelt werden.
Im Rahmen des Bilanzansatzes gilt es zunächst als zentrale Fragestellung, die Aktivierungsfähigkeit von Anwendungssoftware zu klären. Handelsrechtlich wird hierbei zwischen abstrakter und konkreter Aktivierungsfähigkeit unterschieden.[27]
Die abstrakte Aktivierungsfähigkeit untersucht die theoretische Frage, ob ein Vermögensgegenstand vorliegt, während im Anschluss durch die konkrete Aktivierungsfähigkeit die rechtliche Seite und somit das Vorhandensein eventueller Aktivierungsverbote, -pflichten, oder -wahlrechte überprüft wird.[28]
Abbildung 2: Der Zusammenhang zwischen abstrakter und konkreter Aktivierungsfähigkeit Quelle: Angelehnt an Baetge/Kirsch/Thiele, 2005, S. 163.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Nachfolgend sollen die einzelnen Aktivierungskriterien erläutert und deren Vorliegen übertragen auf den Untersuchungsgegenstand Anwendungssoftware überprüft werden.
Die abstrakte Aktivierungsfähigkeit, also der Aktivierungsgrundsatz[29], knüpft an den Vollständigkeitsgrundsatz des § 246 Abs. 1 HGB an, wonach sämtliche Vermögens-gegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten zu bilanzieren sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Anhand der abstrakten Aktivierungsfähigkeit soll zunächst geklärt werden, ob ein Vermögensgegenstand gem. § 246 Abs. 1 HGB vorliegt und somit das Untersuchungsobjekt, losgelöst von speziellen Einzelfallregelungen, grundsätzlich zum Bilanzansatz geeignet ist.[30]
Für die abstrakte Aktivierungsfähigkeit existiert keine Legaldefinition, so dass diese aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abzuleiten ist. Dementsprechend existieren auch eine Vielzahl verschiedener Auslegungen zu dieser Thematik, wobei sich mehrheitlich[31] die nachfolgend erläuterten Vorrausetzungen, die an das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes geknüpft werden, herausgebildet haben.
Demnach bildet Ausgangspunkt für die Definition des Aktivierungsgrundsatzes § 242 Abs. 1 HGB. Durch die in diesem Paragraphen geforderte Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden, wird der statischen Bilanztheorie, die als primären Bilanzzweck die Schuldendeckungskontrolle ansieht, entsprochen.[32]
Darauf aufbauend ergeben sich folgende Charakteristika eines Vermögensgegenstandes:
Zukünftiges Nutzenpotenzial
Das Kriterium des zukünftigen Nutzenpotenzials gilt als erfüllt, wenn für den Bilanzierenden ein über die Abrechnungsperiode hinausreichender Vorteil durch den vermeintlichen Vermögensgegenstand entsteht. Davon kann insbesondere ausgegangen werden, wenn der Vermögensgegenstand im Rahmen der betrieblichen Leistungserstellung genutzt wird. Keine Voraussetzung ist, dass der Vermögensgegenstand auch bei Dritten ein Nutzenpotenzial entfalten würde, entscheidend ist lediglich das eigene unternehmensspezifische Nutzenpotenzial.[33]
Selbstständige Bewertbarkeit
Die selbständige Bewertbarkeit eines Gutes folgt aus dem Grundsatz der Einzelbewertung[34], wonach die Vermögensgegenstände und Schulden zu jedem Abschlussstichtag einzeln zu bewerten sind. Das Vorliegen eines geeigneten Wertmaßstabes in Form von abgrenzbaren Aufwendungen muss also gegeben sein. Das Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit hat Objektivierungsfunktion, wodurch einer gewillkürten Bewertung entgegen gewirkt wird.[35]
Selbständige abstrakte Verkehrsfähigkeit/Selbstständige Verwertbarkeit
Die selbstständige Verkehrsfähigkeit gilt als erfüllt, wenn die Einzelveräußerbarkeit des Vermögensgegenstandes vorliegt. Abstrakte Verkehrsfähigkeit setzt hierbei nicht voraus, dass eine tatsächliche Veräußerung möglich ist (konkrete Verkehrsfähigkeit), sondern allein die potenzielle Übertragbarkeit des Vermögensgegenstandes seiner Natur nach ist hierbei ausreichend. Somit bilden auch Veräußerungsverbote oder das Fehlen tatsächlicher Interessenten keinen Ausschlussgrund für das Vorliegen eines Vermögensgegenstandes nach der selbständigen abstrakten Verkehrsfähigkeit.[36]
Das Kriterium der selbstständigen Verwertbarkeit ist dem Kriterium selbständiger abstrakter Verkehrsfähigkeit sehr ähnlich. Auf Grund dessen erfolgt in der Literatur auch oft eine Gleichsetzung dieser beiden Begriffe. Selbstständige Verwertbarkeit setzt voraus, dass der Vermögensgegenstand gegenüber Dritten in Geld transformiert werden kann. Hierbei sind Veräußerung, entgeltliche Nutzungsüberlassung, bedingter Verzicht oder Zwangsvollstreckung als mögliche Varianten denkbar. Diese Definition verdeutlicht, dass insbesondere durch Heranziehung des Kriteriums der selbstständigen Verwertbarkeit das geforderte Schuldendeckungspotenzial stärker gewürdigt wird, was eine Einschränkung der Aktivierungsfähigkeit im Gegensatz zur abstrakten Verkehrsfähigkeit zur Folge hat.[37] Angelehnt an DAWO werden diese beiden Kriterien nachfolgend unter dem Begriff Abgrenzbarkeit zusammengefasst.[38]
Werden all diese Kriterien erfüllt, ist das Untersuchungsobjekt als Vermögensgegenstand zu klassifizieren und somit abstrakt aktivierungsfähig.
Im nächsten Schritt wird nun das Vorhandensein der geforderten Kriterien beim Untersuchungsobjekt Anwendungssoftware überprüft:
Zukünftiges Nutzenpotenzial von Anwendungssoftware
Das Kriterium eines zukünftigen Nutzenpotenzials kann für Anwendungssoftware grundsätzlich als erfüllt angesehen werden. Die für die Anschaffung bzw. Herstellung der Software getätigten Aufwendungen dokumentieren, dass von einem zukünftigen Vorteil ausgegangen wird, da die oft beträchtlichen Aufwendungen bei gegenteiligen Erwartungen keinesfalls geleistet werden würden. Einzige Ausnahme zur Erfüllung dieses Kriteriums bilden Fehlinvestitionen sowie Anwendungssoftware, die lediglich für so kurzfristige Projekte eingesetzt wird, dass ihr Nutzen nicht über eine Abrechnungsperiode hinausgeht.[39]
Selbstständige Bewertbarkeit von Anwendungssoftware
Ebenso kann das Kriterium der selbstständigen Bewertbarkeit bei Anwendungssoftware regelmäßig als erfüllt angesehen werden. Bei entgeltlich erworbener Software kann als Wertmaßstab auf das gezahlte Entgelt zurückgegriffen werden. Wurde hierbei ein Gesamtentgelt für mehrere Komponenten gezahlt, hat eine Aufteilung des Kaufpreises auf die einzelnen Vermögensgegenstände zu erfolgen, um eine selbstständige Bewertbarkeit jedes einzelnen Vermögensgegenstandes zu garantieren. Bei Selbsterstellung sind die angefallenen Herstellungskosten heranzuziehen. Festzuhalten bleibt, dass der heranzuziehende Bewertungsmaßstab abhängig von der Zugangsart variiert und somit im Einzelfall konkret zu überprüfen ist.[40]
Abgrenzbarkeit von Anwendungssoftware
Auch die Abgrenzbarkeit von Anwendungssoftware ist grundsätzlich gegeben. Bei entgeltlich erworbener Software spiegelt sich allein durch die, dem Erwerb vorgelagerte, Transaktion die Abgrenzbarkeit durch Einzelveräußerung wider. Schwieriger fällt hier die Beurteilung selbst erstellter Individualsoftware. Durch Modifikationen zur Anpassung an spezielle betriebliche Bedürfnisse des Anwenders, ist eine Nutzung in anderen Unternehmen unter Umständen nicht mehr möglich, wodurch auch nicht zweifelsfrei von einer Einzelveräußerbarkeit ausgegangen werden kann. Hier ist als Beurteilungskriterium eine fiktive Betriebsveräußerung heranzuziehen. Für einen potenziellen Käufer würde bei der Kaufpreisermittlung auch die vorhandene Anwendungssoftware als Einzelheit berücksichtigt werden, da hiervon eventuelle Schulungsmaßnahmen sowie ggf. Softwarezukäufe abhängig sind. Daraus lässt sich schließen, dass auch in diesem Fall eine Erfüllung des Kriteriums der Abgrenzbarkeit von Anwendungssoftware gegeben ist.[41]
Anwendungssoftware erfüllt demnach grundsätzlich die Kriterien der abstrakten Aktivierungsfähigkeit, wodurch vom Vorliegen eines Vermögensgegenstandes ausgegangen werden kann. Trotz alledem ist es unvermeidbar eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen, um eventuelle Besonderheiten berücksichtigen zu können.
Wie bereits in Kapitel 3.1.1 erläutert, erfüllt Anwendungssoftware grundsätzlich die geforderten Kriterien der abstrakten Aktivierungsfähigkeit. Dies führt aber nicht automatisch dazu, dass auch eine Aktivierung zu erfolgen hat, so dass im nächsten Schritt die Erfüllung einzelfallbezogener Voraussetzungen, also die konkrete Aktivierungsfähigkeit, zu überprüfen ist.
Folgende Problembereiche sind hierbei näher zu beleuchten[42]:
- Wirtschaftliches Eigentum (persönliche Zuordnung)
- Zuordnung zum Betriebsvermögen (sachliche Zuordnung)
- Ansatzverbot für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gem. § 248 Abs. 2 HGB (gesetzliche Ansatzvorschriften)
Ein Kaufmann hat „zu Beginn seines Handelsgewerbes und für den Schluss eines jeden Geschäftsjahres einen das Verhältnis seines Vermögens und seiner Schulden darstellenden Abschluss aufzustellen“[43]. Daraus folgt, dass dem Bilanzierenden zumindest das wirtschaftliche Eigentum des Vermögensgegenstandes zugerechnet werden muss. Im Bereich der Anwendungssoftware können hier insbesondere durch Abschluss von Lizenzverträgen Probleme auftreten, die es dann im konkreten Einzelfall näher zu untersuchen gilt.[44]
Weiterhin folgt aus § 242 Abs. 1 HGB, dass eine Zuordnung des Vermögensgegenstandes zum Betriebsvermögen des Kaufmanns Voraussetzung ist. Abgrenzungsprobleme können hier insbesondere bei Personengesellschaften auftreten, da bei diesen eine Abgrenzung zwischen Betriebs- und Privatvermögen auf Grund des Umfangs der betrieblichen Nutzung erfolgt.[45] Bei Übertragung auf Anwendungssoftware lässt sich allerdings festhalten, dass grundsätzlich von einer Zuordnung zum Betriebsvermögen ausgegangen werden kann und somit auch die sachliche Zuordnung gegeben ist.
[...]
[1] Vgl. BMJ, 2008, S. 108.
[2] Vgl. BITKOM, 2007, S. 4 ff.
[3] Vgl. Schneider, 2006, S. 65.
[4] Vgl. Suermann, 2006, S. 4.
[5] Irlbeck/Langenau/Mayer, 2002, S. 775.
[6] Vgl. Schneider, 1998, S. 787.
[7] Vgl. IDW, 2004, Rz. 3.
[8] Vgl. Bormann, 1990, S. 58.
[9] Vgl. IDW, 2004, Rz. 3.
[10] Vgl. Köhler/Benzel/Trautmann, 2002, S. 926.
[11] Vgl. Heinrich/Heinzl/Roitymayer, 2004, S. 625.
[12] Vgl. Der Brockhaus, 2003, S. 837.
[13] Vgl. Heinrich/Heinzl/Roitymayer, 2004, S. 625.
[14] Vgl. Bormann, 1990, S. 60 f.
[15] Vgl. Broy/Spaniol, 1999, S. 344.
[16] Vgl. Heinrich/Heinzl/Roitmayer, 2004, S.237; IDW, 2002, Rz. 15.
[17] Vgl. Peter, 2003, S. 1342.
[18] Vgl. Kessler, 1994, S. 5 ff.
[19] Vgl. Suermann, 2006, S. 23 f.
[20] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2007, S. 293 f.
[21] Vgl. Buchholz, 2007, S. 91.
[22] Vgl. Suermann, 2006, S. 23 f.
[23] Vgl. Dawo, 2003, S. 5.
[24] Vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., 2001, S. 990.
[25] Vgl. Kessler, 1994, S. 8 ff.; IDW, 2004, Rz. 5; IAS 38.4.
[26] Vgl. IDW, 2004, Rz. 7.
[27] Vgl. Dawo, 2003, S. 50 ff.
[28] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2005, S. 129.
[29] Vgl. Schütte, 2006, S. 84.
[30] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2007, S. 131.
[31] Vgl. u.a. Coenenberg, 2005, S. 76; Kremin-Buch, 2002, S. 28; Grefe, 1999, S. 41; Schildbach, 2008, S. 119 ff.; Wöhe, 2005, S. 865 f.
[32] Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, 2005, S. 156.
[33] Vgl. Schütte, 2006, S. 85 .
[34] Siehe § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB.
[35] Vgl. Grefe, 1999, S. 41.
[36] Vgl. Schütte, 2006, S. 87.
[37] Vgl. Baetge, 2005, S. 158 f.
[38] Vgl. Dawo, 2003, S. 56 ff.
[39] Vgl. Dawo, 2003, S. 52 f.; Stapperfend, 1991, S. 30 ff.
[40] Vgl. Suermann, 2006, S. 48 f.; Dawo, 2003, S. 53 ff.
[41] Vgl. Suermann, 2006, S. 45; Stapperfend, 1991, S. 53 f.
[42] Vgl. Dawo, 2003, S. 70 f.; Grefe, 1999, S. 42 f.
[43] § 242 Abs. 1 HGB.
[44] Vgl. Dawo, 2003, S. 70.
[45] Vgl. Dawo, 2003, S. 70.
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