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Bachelorarbeit, 2021
45 Seiten, Note: 2,0
Inhalt
1. Einleitung
2. Das weltweite Phänomen Covid 19
2.1 Begriffsdefinition Covid 19
2.2 Wirtschaftliche Auswirkungen
2.3 Auswirkungen der Corona Pandemie auf den Handel
3. Auswirkungen der Corona-Pandemie auf den Lebensmitteleinzelhandel
3.1 Corona-Das Ende der Globalisierung?
3.2 Entwicklung des Konsumentenverhaltens
3.3 Folgen des Konsumentenverhaltens
4. Auswirkungen der Corona Pandemie auf die logistischen Prozesse des LEH
4.1 Betrachtung der Großfläche
4.2 Herausforderungen für regionale Lieferanten
4.3 Probleme der Warenbewirtschaftung
5. Erarbeitung von Optimierungsmaßnahmen für regionale Lieferanten
5.1 Großflächen
5.2 Alternative Distributionsfunktionen
5.2.1 Digitale Hofläden
5.2.2 Click und Collect
5.2.4 Automaten
6. Fazit
7. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Die Coronakrise ist unbestritten eine Krise epischen Ausmaßes. Kollabierende Gesundheitssysteme, geschlossene Grenzen, massive Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit, der Stillstand öffentlichen Lebens, eine Krise staatlicher Gesundheitssysteme und das völlig aus dem Gleichgewicht geratene ohnehin fragile Konstrukt der Finanzmärkte zeichnen ein düsteres Bild des Jahres 2020. Wie folgenschwer die wirtschaftliche Entwicklung in den darauffolgenden Jahren sein wird, ob es zu einer massenhaften Arbeitslosigkeit kommen wird und wie das Internationale Handelsregime in Zeiten einer neuen Staatlichkeit und einer von Ökonomen befürchteten Regulierungsfreude der Nationalstaaten den auf internationaler Kooperation basierenden freien globalen Warenaustausch gestalten kann ist unklar. Fakt ist, dass diese Probleme nicht allein von Staaten, noch von Einzelpersonen, noch von internationalen Organisationen noch von Unternehmen gelöst werden können. In Anbetracht eines (drohenden) Handelskrieges zwischen China und den USA, die auch wirtschaftlich um eine Hegemonialstellung ringen mit allen Konsequenzen für ihre Handelspartner müssen Unternehmen kreativ werden: Globale Wertschöpfung war und ist auf den Abbau von Handelsschranken und einen funktionierenden Warenfluss angewiesen. Die Coronakrise hat einige Probleme für Unternehmen und Konsumenten erst hervorgebracht, andere hat sie verstärkt und begünstigt. Wie kann globale Wertschöpfung in Zeiten von geschlossenen Häfen, Logistikpersonal das in Quarantäne verweilt und geschlossenen Landesgrenzen gelingen? Ist die Automatisierung von Prozessen die allumfassende Lösung? Mit Sicherheit nicht, sie kann ergänzend wirken, aber multikausale Probleme erfordern multifaktorielle Lösungen: Resilienz von Lieferketten scheint das Gebot der Stunde, erreicht wird diese scheinbar durch Regionalisierung und Diversifizierung. Doch wie lässt sich das konkret für regionale Lieferanten umsetzen? Wie reagiert der Lebensmitteleinzelhandel auf Versorgungsengpässe und Lieferprobleme?
Dass die Coronakrise nicht nur für Streamingdienstleister oder Cloud-Service-provider eine Chance sein kann, soll im Folgenden erläutert werden. Auch der LEH nutzt auf vielfältige Weise die Möglichkeit, sein Angebot zu erweitern. Die Anfälligkeit von Lieferketten, gerade weil diese kostensensibel und effizient gestaltet sind, tritt während der Coronakrise deutlich hervor. Die Möglichkeit von Unternehmen des LEHs, die Coronakrise produktiv zu nutzen und sich hinsichtlich Nachhaltigkeit, einer erweiterten Zusammenarbeit mit regionalen Produzenten und der Erschließung neuer Kundenkreise weiterzuentwickeln, bietet die Chance aktiv die Entwicklung des Marktes in den nächsten Jahren zu gestalten. Auch regionale Lieferanten haben in der Krise die Chance, mit ihrer Produktqualität eine andere Preisspanne zu erzielen, neue Wege des Vertriebs zu gehen und den durch die Coronakrise verstärkten Fokus von Kunden auf Nachhaltigkeit und Regionalität zu nutzen. Zunächst stellt sich allerdings die Frage, wie sich konkret die Maßnahmen der Eindämmung zur Corona-Pandemie auf den Handel, die regionalen Lieferanten und die Konsumenten ausgewirkt haben. Wichtig an dieser Stelle zu betonen ist, dass dies nicht aus einer bereits abgeschlossenen Perspektive geschieht, denn die Corona-Pandemie ist noch nicht überwunden. Mittel- und langfristige Trends sind schwer abzusehen, da der weitere Verlauf unklar bleibt. Deutschland befindet sich seit dem 28. Oktober erneut in einem sogenannten Lockdown und bis jetzt ist nicht konkret ersichtlich, wie lange dieser dauert. Dies bringt auch Schwierigkeiten hinsichtlich der Datenerhebung mit sich: Es wird in dieser Arbeit zwar auf einige Studien zurückgegriffen, die mit modellgestützten Analysen arbeiten, doch ein Großteil der Daten ist noch nicht bereinigt oder ausgewertet. Häufig braucht es auch umfassende langfristige Erhebungen, um konkrete Aussagen über die Erklärungskraft von einigen Daten treffen zu können. Nichtsdestotrotz soll mit den vorliegenden Ergebnissen ein Zusammenhang hergestellt werden zwischen den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die logistischen Prozesse im LEH. Dieser ist weder rein spekulativ noch größtenteils verifizierbar da einige angestrebte Maßnahmen durch Entscheider, die im LEH tätig sind, zwar laut Umfragen durchaus relevant sind, aber gerade entweder in der Umsetzung befindlich oder noch in der Planung sind. Bevor keine umfassende Evaluation dieser (teilweise noch nicht implementierten Maßnahmen) stattfindet, können an einigen Stellen nur Tendenzen festgestellt werden (die ihrerseits teils den Charakter einer Vermutung aufweisen).
Der Begriff Covid-19 bezeichnet eine Atemwegserkrankung bei Menschen, die durch eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 (Abkürzung für: Severe Acute Respiratory Syndrome), umgangssprachlich auch als Coronavirus bezeichnet, ausgelöst werden kann. Das SARS-CoV-2 Virus gehört zur Familie der Coronaviren, die in den 1960er Jahren entdeckt wurden.
Das Virus wird nach aktuellem Forschungsstand über Aerosole und Tröpfchen übertragen, eine Übertragung mittels Schmierinfektion ist derzeit nicht auszuschließen, wurde aber bisher nicht beobachtet. Die Infektion mit dem SARS-CoV-2 Virus geschieht vor allem über enge menschliche Kontakte sowie über Aerosole in der sozialen Interaktion, was hinsichtlich der Eindämmungsbemühungen zur Verbreitung der Ansteckung mit dem Virus einen verstärkten Fokus auf die Einschränkung sozialer Kontakte zur Folge hatte. (BENDEL 2020)
Das Virus verursacht die Atemwegserkrankung Covid-19, die sich symptomatisch durch Husten, Fieber, Schnupfen, Geruchs- und Geschmacksstörungen sowie Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen, Bauchschmerzen bzw. Magen-Darm Symptome, Hautausschlag, Augen-Bindehautentzündung, Lymphknotenschwellungen, Schläfrigkeit, allgemeiner Abgeschlagenheit und Bewusstseinsstörungen äußert. Bei einem schweren Verlauf kann eine beidseitige Lungenentzündung auftreten, akute und schwere Atemnot, die eine künstliche Beatmung notwendig machen kann. Schwere Krankheitsverläufe sind v.a. bei so genannten Risikogruppen fatal und ziehen zumeist eine intensivmedizinische Behandlung nach sich. Personengruppen, die nach bisherigen medizinischen Erkenntnissen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, im schlimmsten Fall mit Todesfolge, aufweisen sind nach Definition des Robert-Koch-Institutes: ältere Menschen ab 50 Jahren, Menschen, die eine Grunderkrankung bzw. Vorerkrankung aufweisen (z.B. Diabetes, Herz-Kreislauferkrankung, Immunschwäche, Bluthochdruck, Krebserkrankungen) Raucher und Adipositas- Erkrankte (RKI 2020). Ein besonders hohes Risiko besteht mit zunehmendem Alter, weshalb diesen Personengruppen, die sich auch mit zunehmender Häufigkeit gegenüber jüngeren Personengruppen in Pflege- oder Betreuungseinrichtungen dauerhaft befinden, eine erhöhte Aufmerksamkeit bei der Erarbeitung von Schutzkonzepten vor Ansteckungen zuteilwird. Das sogenannte „Superspreading“ ist eine Art der besonders heftigen Ausbreitung, bei der viele Personen zeitgleich infiziert werden. Dies steht oft im Zusammenhang mit so genannten Superspreader Events, die in der Regel soziale Zusammenkünfte in gesellschaftlichem Kontext aus einem bestimmten Anlass sind. Die Kontaktrückverfolgung ist in diesem Fall, aber auch grundsätzlich ein wichtiger Bestandteil bei der Bekämpfung der aktuell grassierenden Coronavirus Epidemie weltweit (RKI 2020).
Das Virus überträgt sich nach derzeitigem Forschungsstand Mensch zu Mensch.
Am 12. Dezember 2019 zeigte ein Patient in der chinesischen Stadt Wuhan erste Anzeichen einer Lungenkrankheit. Zwei Wochen später wurde die WHO über den Patienten informiert. Am 1. Januar wurde daraufhin der Huanan Markt in Wuhan geschlossen, da er als Ursprung des Coronavirus gilt. Am 8. Januar 2020 wurden bereits 59 Infizierte in Wuhan gemeldet und 16 in Hong-Kong. Am 9. Januar kam es zum ersten Fall außerhalb Chinas, das Virus wurde in Thailand bei einer Chinesin nachgewiesen. Am 10. Januar folgte ein Fall in Japan. Am 11. Januar gab es den ersten Todesfall in Hong Kong, der ebenfalls den Huanan Markt besucht hatte. Am 15. Januar kam es zum zweiten Todesfall. Am 19. Januar schätzte das britische Zentrum für die Analyse globaler Infektionskrankheiten am Imperial College London auf bereits 1700 Fälle. Ein sprunghafter Anstieg der Todesfälle führte zur sukzessiven Ergreifung von Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung, wie z.B. Schließung von Bahnhöfen und Flughäfen in der chinesischen Stadt Wuhan. 2 Tage später wurden in China 43 Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt, zahlreiche Städte wurden abgeschottet. Am 25. Januar kam es zu ersten nachgewiesenen Infektionen in Europa. Die WHO rief am 30. Januar 2020 eine gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite aus und stufte am 11. März 2020 diese Notlage als globale Pandemie ein (WHO 2020). Derzeit wird vermutet, dass auf dem Huanan Markt der chinesischen Stadt Wuhan das Virus zunächst von einer Fledermaus auf einen Menschen übertragen wurde (WHO 2020).
Sukzessive wurden weltweit, auch in Europa, dass massiv von der Pandemie betroffen war, umfassende Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus ergriffen. Hier kam es bei so genannten Lockdowns zu Grenzschließungen auch im Schengenraum, Schließungen von Schulen, Universitäten und Kinderbetreuungseinrichtungen, massive Einschränkung des Flugverkehrs (v.a. des Personenflugverkehrs), Schließungen von Geschäften (bis auf diejenigen, die die unmittelbare Versorgung mit wichtigen Gütern sichern wie z.B. Lebensmittelhandel, Apotheken etc.), Schließungen von Produktionsstandorten und Fabriken sowie Einschränkungen im Personennahverkehr. Großveranstaltungen, die bereits vorher Restriktionen hinsichtlich der Personenzahl unterlagen wurden untersagt, das öffentliche Leben wurde auch infolge der Schließung von Gaststätten und Kultureinrichtungen auf ein absolutes Minimum heruntergefahren. Kontaktbeschränkungen hinsichtlich der Personenzahl, die sich gemeinsam versammeln dürfen wurden erlassen und in einigen Ländern kam es zu einem kompletten Shutdown, der Millionen von Menschen einer sogenannten Ausgangssperre unterstellte (entweder galt diese ab einer bestimmten Uhrzeit oder in einigen Ländern zeitweise auch ganztägig).
Weltweit gelten weiterhin Reisebeschränkungen, Verbote oder verstärkte Auflagen bei Großveranstaltungen sowie Kontaktbeschränkungen, Abstandsregelungen von mindestens 1, 5 Metern von Person zu Person und regionale bzw. national spezifische Schutzmaßnahmen, die zumeist eine sogenannte Maskenpflicht beinhalten, die das Tragen von Mund-Nasen -Bedeckungen im öffentlichen Raum erfordert.
Weltweit sind derzeit (Stand 03.01.2020) 84.673.991 Personen mit dem Coronavirus infiziert, insgesamt 1.837.649 Millionen Todesfälle zu verzeichnen. Genesen sind bereits 47.649. 356 Patienten weltweit. Hierbei gilt es zu beachten, dass die veröffentlichten Zahlen keine Schätzung der Dunkelziffer beinhalten und abhängen von der Genauigkeit der Meldungen von nationalen, lokalen und regionalen Behörden. (WHO 2020)
Deutschlandweit vermeldet das RKI (Stand 03. Januar 2020) in seinem täglichen Lagebericht 1.765.666 Infektionen und 43.272 Todesfälle. (RKI 2020)
Am 9.März 2020 wurden deutschlandweit Großveranstaltungen abgesagt, sukzessive erfolgten am 16. März Schulschließungen, am 23. März wurde das Konzept des „Social Distancing“ (umfassendes Kontaktverbot) implementiert. Das Institut für Weltwirtschaftsforschung Kiel spricht von einem Lockdown in Stufen. (FELBERMAYER/HINZ/MAHLKOW 2020: 6)
Infolge der umfangreichen Lockdown-Maßnahmen kam es zu behördlich angeordneten Schließungen von sozialen Dienstleistungen jeglicher Art (Bildungseinrichtungen, religiöse Stätten und Vereinigungen, Körperpflege, Fitnessstudios etc.) und weitgehenden Schließungen des Gastgewerbes, die weitreichende wirtschaftliche Folgen nach sich zogen und bis heute ziehen. Alle Läden bis auf Lebensmitteleinzelhandel (inklusive SB-Warenhäuser, die im Lebensmitteleinzelhandel tätig sind), Baumärkte und Drogerien sowie Apotheken und Sanitätshäuser blieben geschlossen.
Erste Lockerungen kamen am 6. Mai, an denen weitgehend alle Geschäfte-unter Vorlage eines Hygienekonzeptes und unter Auflagen bezüglich der Maximalanzahl der Kunden im Laden und u.U. Verringerung der Öffnungszeiten- wieder öffneten. Großveranstaltungen bleiben weiterhin untersagt. Der nächste Lockdown, von der Politik als sogenannter „Lockdown Light“ bezeichnet erfolgte infolge steigender Infektionszahlen am 28. Oktober und beinhaltete die erneute Schließung der bereits durch den ersten Lockdown angeschlagenen Gastronomie sowie kultureller Einrichtungen und Institutionen der Freizeitgestaltung (Fitnesstudios, Schwimmbäder, Theater, Museen, Konzerthäuser, Messen, Kinos, Freizeitparks, Wettannahmestellen u.Ä.) sowie große Teile des Freizeit- und Amateursportbetriebs. Schulen und Kindertagesstätten wurden sukzessive mit der Implementation des harten Lockdowns gemeinsam mit dem Non-food Einzelhandel (diesmal unter Einschluss der Baumärkte) und sozialen Dienstleistungen jeglicher Art am 16. Dezember bis voraussichtlich 10. Januar 2021 erneut geschlossen. Die mittlerweile bundesweit gültige Ausgangssperre, die von 20h abends bis 5h morgens das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund untersagt, wurde zunächst von einzelnen Regionen bzw. Städten als Mittel der Wahl zur Senkung der Infektionszahlen genutzt und wirkte sich auch auf die dementsprechenden Öffnungszeiten der Geschäfte aus.
Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose erstellte eine „Analyse der Entwicklung der Weltwirtschaft und der deutschen Wirtschaft […], die sie im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie erstellt hat. Die 141. Gemeinschaftsdiagnose mit dem Titel Erholung verliert an Fahrt – Wirtschaft und Politik weiter im Zeichen der Pandemie enthält eine detaillierte Kurzfristprognose bis zum Jahr 2022 sowie eine mittelfristige Projektion der Wirtschaftsentwicklung bis zum Jahr 2025.“ (KOOTHS et al. 2020: 3)
Die Corona-Pandemie und ihre ökonomischen Auswirkungen hat die Weltwirtschaft und die Wirtschaften der einzelnen Nationalstaaten als exogener Schock getroffen; dies wird von verschiedenen Instituten und Ökonomen häufig im Zusammenhang mit dem Vergleich der Finanzkrise 2008 hervorgehoben.
„Die Wirtschaftsleistung in Deutschland ist infolge der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie in der ersten Jahreshälfte so stark eingebrochen, wie nie zuvor seit Bestehen der Bundesrepublik, wobei sich der Einbruch auf die Monate März und April konzentrierte. Im zweiten Quartal wurde das Vorkrisenniveau des Bruttoinlandsproduktes um 11,5% unterschritten.“ (KOOTHS et al. 2020: 10)
ABBILDUNG 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Trotz einer schnell einsetzenden Erholung, die vielen Branchen Rekordumsätze- und Gewinne bescherte, sind durch weiterhin geltende massive Einschränkungen und Schutzmaßnahmen seitens der Regierungen der Nationalstaaten die Schätzungen der Institute, die die GD erstellen im Vergleich zum Frühjahrsgutachten um 1 Prozentpunkt nach unten korrigiert worden (KOOTHS et al. 2020:9).
Die Institute rechnen mit einem Rückgang des BIPs von 5,4 % im Jahr 2020, einem erwarteten Zuwachs von 4,7 % im Jahr 2021 und im darauffolgenden Jahr mit einem Zuwachs von 2,7 %. Die Prognose stützt sich auf die Annahme, dass die Corona-Pandemie weiterhin bestehende oder sogar verschärfte Maßnahmen nach sich zieht, die den internationalen Handel, die globalen Wertschöpfungsketten, den Handel mit Dienstleistungen und den Einbruch bzw. Stillstand von industrieller Produktion bedingen. Die öffentlichen und privaten Maßnahmen zum Infektionsschutz ziehen weiterhin Lieferprobleme beim Im -und Export nach sich, was sich deutlich daran ablesen lässt, dass im 1. Halbjahr 2020 die Ausfuhren um 13,2% zurückgingen, die Einfuhren um 9,6%. Dies hängt nicht nur mit Grenzschließungen zusammen, sondern mit Produktions- und Nachfrageausfällen (privat wie gewerblich), Störungen internationaler Lieferketten, Probleme beim Transport und Verzögerungen durch Grenzkontrollen. Die Produktion von unternehmensnahen Dienstleistungen und konsumnahen Dienstleistungen erlebte neben der Industrieproduktion einen ebenfalls starken Rückgang. Dies illustriert auch der Rückgang der Wertschöpfung der Dienstleistung, der um 8,9% im zweiten Quartal abfiel; hier waren besonders stark die unternehmensnahen Dienstleistungen betroffen (Logistikbetriebe, Reisegewerbe, Leasing und Leiharbeit). (KOOTHS et al. 2020: 9-17)
Dass die privaten Konsumausgaben im ersten Halbjahr stärker zurückgingen als das BIP konnte nicht durch die erhöhte Nachfrage im Lebensmittelhandel konterkariert werden. Aufgrund der behördlichen Infektionsschutzmaßnahmen stieg die Sparquote in der Bevölkerung auf ein Rekordhoch von 21%; dies, obwohl es aufgrund umfassender staatlicher Transfers (Kurzarbeitergeld, Hilfen für Soloselbstständige und Kleinunternehmer) nur einen tatsächlichen Einkommensrückgang im zweiten Quartal von einem Prozentpunkt gab (KOOTHS et al. 2020: 11-17). Mögliche Erklärungen hierfür könnten die hohe Unsicherheit in Bezug auf Arbeitsplatzsicherheit und zukünftiger Aussicht der Weltwirtschaft sein, aber auch die fehlenden Konsummöglichkeiten, die nur zum Teil durch die Möglichkeiten des Onlinehandels abgedeckt werden konnten (z.B. Kultureinrichtungen, Gastronomie und Luftverkehr sowie Inanspruchnahme touristischer und kosmetischer Dienstleistungen erfordern nach wie vor physische Präsenz). Die Unsicherheit der Folgen der Pandemie wirkt sich auch auf die Investitionstätigkeit von Unternehmen aus; unklare Absatzerwartungen und eine niedrigere Eigenkapitalbasis sowie ein höheres Investitionsrisiko spielen hier eine signifikante Rolle. Es ist weiterhin unklar, wie viele Unternehmen von Insolvenz bedroht sind, da es eine Aussetzung der Insolvenzanzeigepflicht bis September und umfassende staatliche Maßnahmen, um diese abzuwenden seitens der Bundesregierung gab. Diese und die Unsicherheit der weiteren Entwicklung des Infektionsgeschehens und dementsprechend weiterer einschränkender Maßnahmen vergrößern die Unsicherheit der privaten Konsumenten hinsichtlich größerer Anschaffung (KOOTHS et al. 2020: 9-22).
Darüber hinaus gibt es Dienstleistungen, die nicht nachgeholt werden können, was in einigen Branchen eine nachholende Entwicklung trotz aufgestauter Kaufkraft beeinträchtigen könnte.
In Deutschland wurde der ökonomischen Krise, ausgelöst durch die Corona-Pandemie, mit umfassenden finanzpolitischen und konjunkturellen Maßnahmen entgegengewirkt. Dies bewirkte einen Anstieg der Staatsversschuldung von 60% des BIPs auf 70%. Die massiven fiskalischen Stimulierungsmaßnahmen und die weggebrochenen Staatseinnahmen führen dazu, dass die Risikoprämien für die Nationalstaaten weltweit ansteigen. Die Finanzpolitik wird sich somit vor allem auf Konsolidierung konzentrieren, weniger auf Expansion. Ein weiteres Problem für Unternehmen könnten sein, dass Banken durch erhöhte Insolvenzrisiken von Unternehmen selbst in Schwierigkeiten geraten (KOOTHS et al. 2020: 9-25).
Das Konsumentenverhalten verzeichnete einen positiven Anstieg im Mai nach dem zuvor drastischen Einbruch in den Vormonaten März und April, was an den Aktivitätsindikatoren Passantenaufkommen in den Innenstädten und den neuen KFZ-Zulassungen gemessen wird. (KOOTHS et al. 2020: 9-22)
Der Wegfall von Arbeitsplätzen durch die Krisenbetroffenen Branchen kann langfristig eine Auswirkung auf die Arbeitslosenquote und somit indirekt auf die Kaufkraft und das Konsumentenverhalten nach sich ziehen. Im Sinne Schumpeters Theorie der kreativen Zerstörung (SWEDBERG 1991: 152-197) konsolidiert sich dies vermutlich in OECD Ländern durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze und das Fortschreiten der Digitalisierung und dem vermutlich verstärkten Fokus, der sich auch in staatliche Subventionen niederschlagen wird, auf den Bereich Forschung und Entwicklung und der Entstehung neuer Technologieunternehmen.
Grundsätzlich gilt es natürlich, bei den Folgen der Corona Pandemie, ob diese nun mittelbar oder unmittelbar sind, in kurzfristige, mittelfristige und langfristige Folgen zu unterscheiden. Dass die langfristigen (und teilweise auch mittelfristigen) Folgen schwer abzuschätzen sind liegt unter anderem daran, dass die Corona-Pandemie weder global noch national noch regional als überwunden gilt. Allerdings ermöglichen verschiedene Indikatoren und Daten eine grobe Schätzung der unmittelbaren Folgen der von der Regierung getroffenen Schutzmaßnahmen, wie z.B. die Schließung aller Geschäfte, die nicht der unmittelbaren Versorgung mit wichtigen Gütern/ Dienstleistungen dienen. Dass ein Zusammenhang zwischen der Härte der getroffenen Maßnahmen bzw. etwaiger Lockerungen (die häufig auch abhängig von Bundesland/Kreis/Stadt/Kommune) und der Schwere der zu verzeichnenden Umsatzeinbußen der jeweilig betroffenen Geschäfte besteht, ist mittlerweile unzweifelhaft.
Abbildung 2: Tägliche Passantenzahlen relativ zum Normalniveaua (=100) in deutschen Innenstädten (Stand: 28.4.2020)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
aNormalniveau: auf Basis von historischen Tagesdaten über Passantenaufkommen, Wetter, und Feiertagen wird das erwartete Passantenaufkommen prognostiziert. Quelle: Rohdaten von hystreet.com (2020); eigene Berechnungen des IFW
Illustriert wird dies am Beispiel der Passantenfrequenz in Innenstädten, diese wird mithilfe eines ökonometrischen Modells erhoben. Die bereinigten Rohdaten ergeben somit einen aussagekräftigen Indikator der Umsätze von Gastronomien und Handelsgeschäften in verschiedenen Innenstädten Deutschlands (FELBERMAYER/HINZ/MAHLKOW 2020: 7-9)
Die oben befindliche Grafik verdeutlicht den nicht linearen Zusammenhang zwischen den der Kommunen/kreisfreien Städte verhängten Schutzmaßnahmen inklusive angeordneter Schließungen; der Rückgang der Passantenzahlen in den Innenstädten ist graduell, am 11. März (vor den Schließungen) ist bereits ein deutlicher Rückgang zu beobachten, ein Tiefstand ist am 20. März 2020 erreicht worden. Seit den Lockerungen (betreffend den ersten Lockdown ab März 2020) ab Anfang/ Mitte April, die Geschäften mit einer begrenzten Ladenfläche bis 800 m2 das Öffnen unter Auflagen (u.a. Hygieneschutzkonzept, begrenzte Personenanzahl) erlaubten, stieg die Passantenanzahl zwar wieder graduell an, jedoch blieb diese weiterhin weit unter dem Niveau des Vorjahres.
„Während der Phase des „harten Lockdown“ lagen die Passantenzahlen um durchschnittlich 83 % unter dem Normalniveau. Seit den Lockerungen am 20. April hat sich die Abweichung um 16 Punkte auf durchschnittlich 67 % vom Normalniveau verringert.“ (FELBERMAYER/HINZ/MAHLKOW 2020:8)
so das Kieler Institut für Weltwirtschaft in seinem Spezial Corona Update eins. Dieser beispiellose Abfall, der eine direkte Folge des sogenannten harten Lockdowns war, ist für Geschäfte und Gastronomien in deutschen Innenstädten ein Schock per definitionem. In der oben genannten Erhebung ist jedoch der Einzelhandel, der sich außerhalb deutscher Innenstädte befindet, beispielsweise in Gewerbegebieten oder in aggregierten Konsumarealen (wie z.B. Einkaufszentren außerhalb der Stadt) nicht inbegriffen. Obgleich die Passantenfrequenz in den Innenstädten gelichzeitig auf Geschäfte und Gastronomien abzielt, liefert sie doch einen aussagekräftigen Überblick in Zahlen über die drastischen Folgen des ersten harten Lockdowns im März 2020.
Abbildung 3: Einzelhandelsumsatz
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dass Krisen häufig als Katalysatoren für bereits bestehende Probleme oder Entwicklungstendenzen wirken, ist beispielhaft an der Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes während der immer noch fortdauernden Corona-Krise zu beobachten. Die bereits vor der Corona-Pandemie bestehende Tendenz vieler Geschäfte, parallel zu bestehendem stationärem Handel eine digitale Präsenz mithilfe von Online-Shops aufzubauen und diese marketingtechnisch verstärkt zu bewerben, hat sich während der Corona-Pandemie intensiviert. Der bereits seit mehreren Jahren kontinuierlich zunehmende und von Verbrauchern immer mehr genutzte Onlinehandel erlebte während der Corona-Krise ein weiterhin andauerndes Hoch. Nicht nur bereits bestehende reine Onlineshops wie z.B. Zalando(Anbieter für Bekleidung und Accessoires aller Art verschiedener Marken) oder Amazon(mittlerweile der weltweit größte Online-Einzelhändler und prominenter Cloud-Service-provider und Streamingdienstleister) konnten ihre Umsätze massiv steigern, sondern auch der LEH verstärkte seine Bemühungen Online-Bestellungen und anschließende Lieferservices anzubieten (einige, wie z.B. die REWE Group bot diese Möglichkeit bereits vor der Pandemie für seine Kunden an, andere wie z.B. die Supermarktkette NETTO zogen während des Jahres 2020 nach). Dies bietet zum einen für den Kunden Vorteile bezüglich der kontaktlosen Lieferung von Lebensmitteln und reduziert die Kontaktmöglichkeiten und somit das Risiko, erweitert für den Kunden darüber hinaus auch die Zahlungsmöglichkeit und die vorausschauende Planung. Andererseits können die Lebensmitteleinzelhändler neue Zielgruppen gewinnen, die bisher z.B. aufgrund der schwierigen örtlichen Erreichbarkeit ursprünglich einen anderen Anbieter präferierten, aber auch bestehende Stammkunden durch zusätzliche Servicedienstleistungen noch fester an das Unternehmen binden.
Gerade für den Non-food Bereich ist auch ohne die Corona-Krise als Trendverstärker abzusehen, dass es künftig eine Herausforderung für den stationären Handel sein wird, Geschäftskonzepte für den Endverbraucher so zu gestalten, dass das Einkaufen in Läden weiterhin attraktiv bleibt. Dies ist natürlich eine stark verallgemeinerte Aussage, die von diversen Variablen und Einflussfaktoren abhängt, und in diesem Kontext lediglich dazu dienen soll, zu illustrieren, dass die Corona-Krise als Katalysator für bereits bestehende Tendenzen wirken kann.
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