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Bachelorarbeit, 2022
59 Seiten, Note: 1,3
1 ABSTRACT
2 EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG
3 ZIELSETZUNG
4 GEGENWÄRTIGER KENNTNISSTAND
4.1 Beschreibung der evolutionären Entwicklung des Menschen
4.1.1 Entwicklung des sozialen Verhaltens
4.1.2 Entwicklung der körperlichen Aktivität
4.2 Begriffsklärung Gesundheit
4.2.1 Pathogenese-Konzept
4.2.1.1 Biomedizinisches Krankheitsmodell
4.2.1.2 Biopsychosoziales Modell
4.2.2 Salutogene-Konzept
4.2.2.1 Generalisierte Widerstandsressourcen
4.2.2.2 Kohärenzgefühl
4.3 Begriffsklärung psychische Gesundheit
4.3.1 Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit
4.4 Körperliche vs. Sportliche Aktivität
4.4.1 Körperliche Aktivität
4.4.2 Sportliche Aktivität
4.4.3 Messung von körperlicher Aktivität
4.4.4 Aktivität in Zeiten von Corona
4.5 Klärung des Zusammenhangs von körperlicher Aktivität und psychischer Gesundheit
4.5.1 Negative gesundheitsbezogene Konsequenzen
4.5.2 Gesundheitliche Risiken/Folgen körperlicher Inaktivität
4.6 Darstellung der gegenwärtigen Situation
4.6.1 Darstellung der gegenwärtigen Situation in Deutschland
4.6.2 Darstellung der gegenwärtigen Situation in der Welt
4.7 Maßnahmen zur Förderung der physischen und psychischen Gesundheit
4.8 Kritische Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschungslage
5 METHODIK
6 ERGEBNISSE
7 DISKUSSION
8 ZUSAMMENFASSUNG
9 LITERATURVERZEICHNIS
10 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS
10.1 Abbildungsverzeichnis
10.2 Tabellenverzeichnis
Das psychische Wohlbefinden in der Gesellschaft ging in den vergangenen Jahren sukzessive zurück. Insbesondere kann in der näheren Betrachtung psychischer Beeinträchtigungen die seit Anfang 2020 in Europa grassierende Corona-Pandemie (COVID-19) als eine der stärksten Beeinflussungsdeterminanten identifiziert werden. Insbesondere vor diesem Hintergrund ist es von hohem Interesse, inwieweit körperliche Aktivitäten, wie beispielsweise Sport, während der Corona-Pandemie situationsentschärfend eingesetzt werden konnte.Um weitergehende Empfehlungen für zukünftige Forschungsvorhaben, bzw. auch Handlungshilfen für politische Verantwortungsträger geben zu können, versucht diese Arbeit zu eruieren, inwieweit die aktive Teilnahme an körperlichen Betätigungen ein Beeinflussungspotenzial auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung hervorzurufen vermag. Insgesamt konnten aus einer initialen Anzahl von 162 gefundenen Artikeln zehn aufgrund ihrer entsprechenden Relevanz identifiziert werden. Untersuchungsgegenständlich wurde der Zeitraum von 2019 bis 2022 einer näheren Betrachtung unterzogen. Aufgrund der während dieses Zeitraumes allgegenwärtigen und situationsbeherrschenden Corona-Pandemie waren die meisten Veröffentlichungen auf diese fokussiert.
Der untersuchten Literatur zufolge besteht ein manifester Zusammenhang zwischen körperlicher Betätigung und psychischen Belastungen wie Angst, Stress, verschiedenen depressiven Symptomen sowie subjektiv empfundener Isoliertheit, was in weiterer Folge zu ernsthaften psychischen Problemen führen kann.
Es konnte festgestellt werden, dass die infolge der Corona-Pandemie erlassenen Einschränkungen und die damit reduzierten sportlichen Aktivitäten sowie ein Rückgang von körperlicher Betätigung im Allgemeinen, wie beispielsweise Spaziergänge, zu einem teils starken Anstieg der subjektiv empfundenen psychischen Belastungen beitrugen. Insbesondere die Reduzierung allgemeiner Mobilität in Form von Ausgangsbeschränkungen hatte hierbei einen signifikanten Anteil.
Die seit dem Jahr 2019 veröffentlichten und im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Studien stellten fest, dass die Betroffenen während des Pandemiegeschehens im Allgemeinen ihr körperliches Aktivitätsniveau einschränkten und ihre sitzenden Tätigkeiten erhöhten, was wiederum zu einer Situationsverschärfung führte.
Daher war es naheliegend, zu untersuchen, ob eine Erhöhung von körperlicher Aktivität auch als ein wirksamer Ansatz betrachtet werden kann, um psychischen Beeinträchtigungen etwas entgegensetzen zu können.
Stichwörter: psychisches Wohlbefinden, Pandemie, Corona, Virus, Coronavirus, Unbehagen, emotionale Befindlichkeit, geistige Gesundheit, körperliche Bewegung, Sport, körperliche Aktivität, COVID-19
SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) wurde zu Beginn 2020 als Ursache von COVID-19 identifiziert (Zeymer, Gitt & Thiele, 2021). Hierbei handelt es sich um ein neuartiges Beta-Coronavirus. Infolgedessen wurden verschiedene prophylaktische Maßnahmen ergriffen, wie häufiges Händewaschen, Einhalten eines räumlichen Abstands und das Tragen von Gesichtsmasken.Als Reaktion auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) World Health Organization führten die meisten Länder Einschränkungen in der Ausübung von sozialer Interaktion für alle Bürger ein (Mofijur et al., 2021).Die Pandemie-bedingten Restriktionen hatten nicht bei jedem Menschen die gleichen Auswirkungen.Nach einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichten Zusammenstellung von Studien hatten Personen mit Vorerkrankungen ein höheres Risiko, akute COVID-19-Symptome zu entwickeln und unter Umständen in weiterer Folge daran zu sterben (World Health Organization, 2020)Beson- ders gefährdet erwiesen sich hierbei Vorerkrankungen z.B. Krebs, Bluthochdruck, Kar- diopathien (Herzerkrankungen) und Lungenentzündung. Kinder sind im Allgemeinen weniger anfällig für akute klinische Symptome als ältere Menschen, ebenso ist das Alter ein wichtiger Aspekt. Es stellte sich frühzeitig heraus, dass ältere Menschen anfälliger für die Entwicklung ernsthafter Erkrankungszustände von COVID-19 waren.In zahlreichen Studien wurden die Auswirkungen der psychischen Störungen der Corona-Pandemie untersucht, die von der überwiegenden Mehrheit der Menschen erlebt wurden.Zu den am häufigsten beobachteten Auswirkungen gehörten dysfunktionale Essgewohnheiten, wie beispielsweise ein erhöhter Verzehr von Süßigkeiten, Essen als Reaktion auf Stress und Langeweile, Naschen nach dem Abendessen, eine Verringerung der körperlichen Aktivität und entweder eine erhebliche Zunahme oder in seltenen Fällen Abnahme des Alkoholkonsums (Zeigler, 2021).In mehreren Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen und psychischen Problemen im Zusammenhang mit Pandemien zunahm (Hossain et al., 2020).Die steigende Prävalenz (die Anzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt an Corona Erkrankten im Vergleich zur Gesamtpopulation) psychiatrischer Morbidität und psychischer Probleme aufgrund der Corona-Pandemie ist eine der bedeutendsten Auswirkungen der Pandemie.Die erhöhte Prävalenz von Angstzuständen und stressbedingten Störungen könnte allein auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein, einschließlich der Angst, sich selbst oder einen nahestehenden Menschen mit dem Virus anzustecken, und der allgemeinen Unsicherheit über die Zukunft (Son, Hegde, Smith, Wang & Sasangohar, 2020). Die direkten biologischen Auswirkungen des Virus auf das zentrale Nervensystem (ZNS) sind aktuell hingegen unbekannt. Eine Meta-Analyse der Daten früherer Coronavirus-Infektionen ergab, dass Stress, depressive Stimmung und Angstzustände die am häufigsten identifizierten Symptome in der pandemischen Hochphase waren (Chen, Zhang, Yin & Yânez, 2022). Die verpflichtende Einhaltung sozialer Distanz (social distancing) bzw. die jeweils geltenden Quarantänereglungen führten zu einer allgemeinen Verschlechterung der psychischen Gesundheit bei den Betroffenen (Marroquin, Vine & Morgan, 2020).So verdoppelte sich beispielsweise die Prävalenz von Angstzuständen und Depressionen bei Personen, die entweder sich selbst oder deren Freunde und Familienangehörige unter Quarantäne stellen mussten, im Vergleich zu Personen, die nicht unter Quarantäne gestellt wurden (Lei et al., 2020). Diese Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Coronavirus und die daraus resultierenden Isolationsmaßnahmen der Bevölkerung ein hohes Maß an psychischer Stabilität erfordern. Eine tiefgreifende Aufklärung der Bevölkerung bezüglich der Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und geistigen Wohlbefinden sollte die Grundlage für eine bessere körperliche und geistige Gesundheit sein.
Das Ziel dieser Arbeit ist es, den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich des Themas „Die Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die psychische Gesundheit. Ein systematischer Review“ dieser Arbeit darzustellen. Zunächst wurden Begriffsdefmitionen festgelegt, um eine thematische Trennschärfe zu ermöglichen. Des Weiteren bildeten sich drei Leitfragen heraus, die im Verlauf der Untersuchung von Primärstudien konkret beantwortet wurden.
Die erste Frage, die mit diesem Review beantwortet werden soll, lautet:
1. Welche psychologischen Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie auf die Bevölkerung?
Die zweite Leitfrage, die Gegenstand des Reviews ist, lautet:
2. Welche Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie im Allgemeinen auf das körperliche Aktivitätsniveau der Bevölkerung?
Beide Forschungsfragen zeigen unweigerlich die Notwendigkeit auf, den Zusammenhang zwischen körperlichen Aktivitäten und psychischer Gesundheit zu untersuchen.
Daraus ergibt sich die dritte und letzte themengegenständliche Fragestellung:
3. Hat die körperliche Aktivität einen Einfluss auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung?
Um diese drei Forschungsfragen umfassend beantworten zu können, wurde eine systematische Untersuchung (systematic review) durchgeführt, und um festzustellen, inwieweit sich die Teilnahme an körperlichen Aktivitäten, während der C0VID-19-Pandemie auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirkt.
Um den gegenwärtigen Kenntnisstand der Thematik zu erfassen, werden im Folgenden wesentliche Begrifflichkeiten näher ausgeführt.
Um den gegenwärtigen Wissensstand zum Thema des Werkes zu erfassen, werden im Folgenden wichtige Bezeichnungen näher erläutert. Hierbei wird der Entwicklungsverlauf der Menschheit in Bezug auf das soziale Verhalten sowie der körperlichen Aktivität beleuchtet. Andere, ebenso wichtige Säulen der menschlichen Evolution und Entwicklung, werden hierbei nicht näher erörtert.
Die Menschheit besteht seit circa 6 Millionen Jahren (Constanze et al., 2014 S.12). Innerhalb dieses Zeitraumes wurde eine beachtliche Entwicklung der Gattung Homo (Mensch) dargeboten. Schon immer war der Mensch ein sozial agierendes Wesen und lebte in Gesellschaften.
In Stammesverbänden und Gruppen ist die Chance zu überleben ungleich höher, als deren allein klarzukommen. Soziale Interaktionen sichern somit den Austausch, die Ernährung und damit einhergehen, das Überleben.
Um wichtige soziale Kontakte zu ermöglichen, war es für den frühen Menschen notwendig, eine Reihe entscheidender Faktoren zu verstehen und zu verinnerlichen. Dazu gehören unter anderem das Integrieren in die Gruppe und das Berücksichtigen deren Verhaltensregeln (Cosmides, Tooby, Fiddick & Bryant, 2005).
Um sein Leben in der heutigen Welt zu sichern, ist der moderne Mensch nicht mehr an Stammesverbände gebunden.
Heutzutage bieten ihm die digitalen Medien ein breites Spektrum an Möglichkeiten, sein Leben bequem und mit wenig sozialer Interaktion zu bestreiten (Heuermann, Tomenendal & Jürgens). Was in Zeiten der Stammesverbände die gemeinschaftliche Jagd auf Tiere war, ist heutzutage oft die Bestellung beim Essenslieferdienst.
Die sozialen Bindungen in der realen Welt schrumpfen durch die Verbreitung neuer digitaler Möglichkeiten für den Alltag und der Freizeitgestaltung.
Statt in das Bekleidungsgeschäft zu gehen, wird der Auftrag im Online-Shop aufgegeben, währenddessen zu Hause das Tablet bedient wird, ohne mit einem Menschen am Bezahlungsterminal oder auf dem Weg dorthin kommunizieren zu müssen. Eindämmungsmaßnahmen gegen das Coronavirus, wie beispielsweise das Homeoffice, begrenzten die soziale Interaktion sowie die körperliche Aktivität zusätzlich (Lengen, Kordsmeyer, Roh- wer, Harth & Mache, 2021).
Die Einsamkeit stellt eine hohe Belastung auf die Psyche dar, deshalb ist der Umgang mit Mitmenschen auch in modernen Zeiten essenziell, um die eigenen psychischen Bedürfnisse zu erfüllen und das soziale Verhalten zu begünstigen (Kuehner, Schultz, Gass, Meyer-Lindenberg & Dreßing, 2020).
Vor etwa 4 Millionen Jahren begann der Mensch, sich aufzurichten (Constanze et al., 2014 S.18). Die Fortbewegung auf zwei Beinen hatte viele Vorteile. Unter anderem die, dass die Hände frei waren und somit komplexere Alltagssituationen bewältigt werden konnten.
Die körperliche Entwicklung war gleich bedeutsam wie die der körperlichen Aktivität. Da die Menschen darauf vorbereitet sein mussten, bei Gefahr entweder zu fliehen oder sich zu wehren, verließen sie sich auf die Effizienz ihres Körpers, um ihr Überleben zu sichern. Im Verlauf der Geschichte änderte sich die körperliche Arbeit zunehmend.
Die körperliche Aktivität im täglichen Leben ist nicht mehr mit derjenigen derjüngeren Vergangenheit vergleichbar, als anstrengende körperliche Arbeit und das Zurücklegen großer Entfernungen ohne selbst betriebene Verkehrsmittel die Norm waren (Kocka et al., 2000 S.246).
Mit dem Einzug des Computers und die daraus resultierende Digitalisierung der Industrie übt heutzutage ein erheblicher Teil der Bevölkerung hauptsächlich sitzende Berufe aus (Corsten & Roth, 2022 S.124).
Durch den gleichzeitigen Rückgang des Handwerks erfordern immer weniger Arbeitsplätze eine physische Anstrengung. Daher wird es heutzutage zunehmend wichtiger, die körperliche Fitness durch körperliche Aktivitäten in der Freizeit zu erhalten und zu verbessern und damit die Gesundheit zu fördern.
Eine sorgfältige Betrachtung der Entwicklung der Menschheit in Bezug auf körperliche Aktivität zeigt, dass es der modernen Kultur im Vergleich zur Vergangenheit an Bewegung mangelt.
„Gesundheit ist ein Zustand vollständigen körperlichen, psychischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ (Renneberg & Hammelstein, 2006 S.8). Dies Definition der Welt Gesundheitsorganisation (WHO) stammt aus dem Jahre 1946. Aus heutiger Sicht ist diese Definition unvollständig, da wichtige Parameter, wie beispielsweise die Resilienz und die Anpassungsfähigkeit auf äußerliche Umstände eines Individuums, unerwähnt bleiben.
1996 behauptete Peter Becker, dass die psychologische Gesundheit in zwei Kategorien unterteilt werden kann. Zum einen die gegenwärtige körperliche Gesundheit und zum anderen die habituelle Gesundheit.
Der gegenwärtige Gesundheitszustand eines Menschen gibt Aufschluss darüber, wie sich ein Mensch aktuell fühlt, wie hoch der gesundheitsbezogene Stress ist, dem er ausgesetzt ist, und ob er krank ist oder nicht. Folglich kann es zu Schwankungen kommen, z. B. wenn ein Mensch bestimmten Belastungen ausgeliefert ist, die ein Risiko einer Erkrankung beinhalten.
Im Gegensatz dazu betrachtet ein habitueller Zustand die Gesundheit eines Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg (Hitzler et al., 2017).
Infolge der wissenschaftlichen Weiterentwicklung haben sich zwei wichtige Bereiche der Gesundheit gebildet. Auf der einen Seite gibt es die Pathogenese, dieses Modell ist in der Medizin vorherrschend und beschäftigt sich mit der Forschung an der Ursache, bei der Entstehung von Krankheiten.
Demgegenüber steht die Salutogenese, die die Entstehung von Gesundheit erklärt.
Beide Ansätze werden im Folgenden erörtert (Mittelmark et al., 2022 S.7).
Die Pathogenese bezeichnet die Entstehung und Entwicklung einer Krankheit (Schipper- ges et al., 1985 S.71). Es gibt somit einen definierten Normalzustand des Körpers, die Homöostase. Die Homöostase sieht die Gesundheit als Gleichgewichtszustand an. Diese Grundidee geht auf Hippokrates zurück, der das Verhältnis, verschiedene Säfte im menschlichen Körper als Anhaltspunkt seiner Theorie analysierte (Cannon, 1929). Bei Abweichungen dieses Normalzustandes ist die Rede von Krankheit. Diese Krankheiten können kausal oder symptomatisch behandelt werden und werden häufig durch Risikofaktoren ausgelöst.
Robert Koch und Rudolf Virchow stellten fest, dass Krankheit keine göttliche Vergeltung war. Stattdessen machten sie Bakterien und Viren dafür verantwortlich. Seither gelten sie als die Erfinder des biomedizinischen Krankheitsmodells. Ein Krankheitsmodell liefert eine Erklärung für das Fortschreiten einer Krankheit und macht diese nachvollziehbar.
Nach dem biologischen Krankheitsparadigma können Krankheiten nur dann entstehen, wenn bestimmte Körpersysteme gestört sind. Diese Beeinträchtigungen können physisch oder biochemisch nachgewiesen werden (Mayer et al., 2003 S.4). Als Folge einer Krankheit können Enzyme oder andere Veränderungen entdeckt werden, weil sich beispielsweise Moleküle im Körper verändert haben.
Demnach gilt ein Mensch als gesund, wenn er keine Symptome einer Krankheit aufzeigt. Im Gegensatz dazu wird ein Mensch als krank eingestuft, wenn er die Diagnosekriterien für eine Krankheit erfüllt.
Die starke Eindimensionalität dieses Konzepts und die Vernachlässigung sozialer und psychologischer Variablen werden schnell ersichtlich, des Weiteren hat sich gezeigt, wie wichtig weitere Faktoren (Lebensstil, Risikoverhalten und Umweltfaktoren) im Zusammenhang mit der körperlichen, wie geistigen Gesundheit sind. Dennoch wird dieser Ansatz auch heutzutage noch gefördert und akzeptiert (Lippke & Renneberg, 2006, S. 9).
Das Biopsychosoziale Modell betrachtet den Krankheitszustand eines Menschen aus dem Zusammenspiel verschiedenen Bereichen. Neben der Verfassung des Körpers spielt die Seele sowie das soziale Umfeld eine Rolle (Pauls, 2013). Biologische Einflüsse auf die Verfassung des Körpers sind zum Beispiel Krankheitserreger, die eine Infektion hervorrufen oder ein Unfall, der den Körper lädiert (Pauls, 2013). Auf der psychischen Ebene werden Eigenschaften wie das Fühlen, Denken und Handeln eines Menschen analysiert. Somit können emotionale Gefühlslagen wie Trauer oder Hilflosigkeit ein Einflussfaktor auf die psychische Verfassung sein. Sozioökonomische Stellung, das Lebensumfeld oder Gruppenzugehörigkeit sind Beispiele für das soziale Umfeld. Es wird davon ausgegangen, dass die Werte voneinander abhängig sind. Dies deutet daraufhin, dass potenzielle gesundheitliche Bedenken von jeder einzelnen Quelle ausgehen können, welche wiederum eine Wechselwirkung auf die anderen potenziellen Quellen hat.
Das Wort Salutogenese besteht aus zwei Begriffen. Zum einen aus „Salus“ was im Lateinischen so viel bedeutet wie „Gesundheit“ zum anderen aus „Genese“ was als „Entstehung“ übersetzt wird. Die Salutogenese beschreibt also die Entstehung bzw. die Voraussetzung für Gesundheit (Hafen & Bauch, 2009 S.14).
Der Erfinder der Salutogenese war der israelisch-amerikanische Medizinsoziologe Aaron Antonovsky. Dieser hatte während einer Studie zur Anpassungsfähigkeit von Frau an die Menopause, durch Zufall den Kontakt mit einer Gruppe an jungen Frauen, die Zeit in nationalsozialistischen Konzentrationslagern verbrachte. Er verglich den Gesundheitszustand dieser Gruppe mit dem einer Kontrollgruppe, die nicht in nationalsozialistischer Gefangenschaft war. Zu Antonovsky erstaunen galten fast 30 % der KZ überlebenden Frauen ungeachtet der unmenschlichen Behandlung und den großen Entbehrungen, nach der Inhaftierung als körperlich und psychisch gesund.
Diese Entdeckung bewegte Antonovsky dazu, sich ausschließlich mit der Frage zu beschäftigen: Wie entsteht Gesundheit? Für Antonovsky ist Gesundheit ein multifaktorielles Geschehen, das stark mit dem sozialen und kulturellen Hintergrund verknüpft ist.
Die Ausführung zu seiner späteren Arbeit zur Salutogenese vollzog einen Paradigmen- wechsel in der traditionellen Medizin, die bis dahin von der pathogenetischen Fragestellung ausging (Franzkowiak & Sabo, 1998 S.54).
Des Weiteren betrachtete Antonovsky die Gesundheit keineswegs als Dichotomie, sondern als Kontinuum (Hafen & Bauch, 2009 S.37ff).
In seinem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum ist der Zustand eines Menschen nie als vollständig gesund oder vollständig krank zu betrachten, sondern fließend zwischen diesen beiden Polen.
Daraus kann geschlossen werden, dass jeder Mensch sowohl gesunde als auch kranke Anteile in sich trägt. Diese werden kontinuierlich durch sogenannte Ressourcen/Span- nungszustände beeinflusst. Die Gesundheit eines Menschen ist somit nicht als Zustand, sondern als Prozess zu verstehen.
Antonovsky bezeichnet die Faktoren, welche eine Bewältigung von Spannungszuständen zuließen und einen Stresszustand vermeiden konnten, als Generalisierende Widerstandsressourcen, diese entscheiden letztendlich darüber ob sich eine subjektive empfundene Belastungssituation als gesundheitsfördernd oder gesundheitsschädigend empfindet (Beise et al., 2013 S.410). Die generalisierten Widerstandsressourcen werden in Tabelle 1, mitBeispielen abgebildet.
Tab. 1: Wiederstandsressourcen mit Beispiel (Eigene darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Kohärenzgefühl eines Menschen setzt sich aus drei Variablen zusammen, die beeinflussen, wie eine Person auf die Ereignisse des Lebens reagiert. Je stärker das Kohärenzgefühl einer Person entwickelt ist, des so gesünder ist die Person. Ausschlaggebend für die Ausbildung eines Kohärenzgefühls sind die Erfahrungen, welche eine Person im Laufe seines Lebens gesammelt hat. Vergleichbar mit einer Grundhaltung die sich im Laufe des Lebens entwickelt (Beise et al., 2013 S.410).
Die Variablen sind:
1. Verstehbarkeit: Das Gefühl, Zusammenhänge verstehen zu können.
2. Bewältigbarkeit: Das Vertrauen darauf, dass das eigene Leben selbstständig gestalten und bewerkstelligt werden kann.
3. Sinnhaftigkeit: Die Überzeugung, dass das eigene Leben einen Sinn hat.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Gesundheit ist neben dem körperlichen Wohlergehen, die psychologische Gesundheit. Diese ist laut Weltgesundheitsorganisation dann erreicht, wenn ein Mensch seine Stärken im vollen Umfang ausnutzt, auf verschiedene Lebenssituationen reagieren kann, produktiv arbeitet und einen Beitrag zur Gesellschaft leistet (Neuner, 2021 S.3). Dem gegenüber stehen Menschen, die unter psychischen Beeinträchtigungen leiden.
Die Beeinträchtigungen reichen von leichten Einschränkungen der Eudämonie bis hin zu suizidalen Gedanken. Psychische Erkrankungen wie Psychosen, Depressionen oder Verhaltensstörungen sind in der Gesellschaft weitverbreitet und haben für die Betroffenen meist individuelle und soziale Folgen. Laut der GEDA-Studie von 2009 sind Frauen deutlich häufiger in ihrer mentalen Gesundheit belastet als Männer (Mensink, 2011). Im Folgenden werden Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit deklariert.
Gemäß der Konsistenztheorie von Grawe, geht die Psychologie von vier Grundbedürfnissen der psychischen Gesundheit aus (Ruchti et al., 2020 S.108). Diese sind die Bedürfnisse nach: Bindung, Kontrolle, Selbstwert und Lustgewinn. Zum Erhalt einer psychischen Gesundheit ist es wichtig, auf alle vier Grundbedürfnissen zu achten, dies gilt besonders in anhaltenden belastenden Situationen wie der C0VID-19-Pandemie (Bering & Eichenberg, 2021). Zudem zählen neben den vier Grundbedürfnissen auch die sozialen Verhältnisse, Umweltfaktoren und Individuellen Merkmale zur Beeinflussung der psychischen Gesundheit dazu, diese werde in Tabelle 2 mit Beispielen dargestellt.
Tab. 2: Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit nach WHO (2019)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Begriff körperliche Aktivität muss als Oberbegriff verstanden werden. „Körperliche Aktivität istjede durch die Skelettmuskulatur hervorgebrachte Bewegung, die den Energieverbrauch substanziell ansteigen lässt, bzw. über den Ruhewert hinausführt“ (Zech, 2009 S.199). Der Grundumsatz ist die Energiemenge, die der Körper benötigt, um dessen lebenswichtigen Funktionen in völliger Ruhe fortzusetzen und wird in Kilokalorien (kcal) angegeben (Haber, 2018 S.18). Die sportliche Aktivität stellt eine Subkategorie der körperlichen Aktivität dar. Siehe Abbildung 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Begriffsherachie der körperlichen Aktivität (Schlicht & Brand, 2007, S.16)
Da im Allgemeinen die Begriffe körperliche Aktivität und sportliche Aktivität als Synonym verwendet werden, werden im Folgenden die Begriffe näher erläutert.
Um seinen Alltag bestreiten zu können, braucht es die körperliche Aktivität. Unter die körperliche Aktivität fallen Bewegungen, die zum Beispiel der Fortbewegung, Berufsausübung oder derNahrungsbeschaffung dienen (Banzer, 2017 S.62).
Diese regelmäßigen körperlichen Betätigungen werden jedoch häufig aus einem bestimmten Grund und nicht nur zum Vergnügen betrieben. Ein hohes Maß an körperlicher Aktivität senkt das Risiko von chronischen Krankheiten wie Diabetes mellitus Typ II oder Autoimmunerkrankungen erheblich (Hollstein, 2020). Somit betont langfristige körperliche Aktivität die Förderung psychologischer Gesundheitsmerkmale, wie Stimmung und Selbstwirksamkeit, zusätzlich zu körperlichen Fitnesskomponenten, wie Ausdauer und Koordination (Brehm et al., 2013). Darüber hinaus wird körperliche Aktivität mit einer besseren Gesundheit und einer höheren Lebensqualität in Verbindung gebracht.
Eine Menge Studien haben den Zusammenhang zwischen einer höheren Lebenserwartung und regelmäßiger körperlicher Aktivität festgestellt (Reimers et al., 2013).
Die sportliche Aktivität hat den Anspruch, durch gezieltes Training, die eigene körperliche Leistungserbringung aufrechtzuerhalten oder zu verbessern. Die sportliche Aktivität ist eine Form der körperlichen Aktivität, bei der mittels systematischer Trainingsfrequenzen, das Erreichen von selbst gesteckten Zielen in bestimmten Sportbereichen verfolgt wird (Banzer, 2017 S.18). Der geschichtlich entwickelte Begriff der sportlichen Aktivität steht typischerweise im Zusammenhang mit wettkampforientierten oder freizeitorientierten körperlichen Leistungen (Rütten et al., 2005 S.7). Hierzu gehören unter anderem das Fußballspielen, Fechten oder andere Bewegungsarten.
Um die Intensitäten von körperlichen Aktivitäten feststellen zu können, braucht es geeignete Messverfahren. Hierbei stützt sich die Wissenschaft auf vier Hauptmerkmale, mit deren Hilfe die körperliche Aktivität bestimmt werden kann. Darunter fällt die Art, Intensität, Dauer und die Frequenz der körperlichen Aktivität (Wehrling, 2001).
Auf diese Weise kann beurteilt werden, Parameter wie die wöchentliche Gesamttrainingszeit oder andere Zielanforderungen erreicht wurden.
Eines der bekanntesten Messverfahren ist das metabolische Äquivalent.
Das metabolische Äquivalent, kurz MET ist eine Maßeinheit, die es ermöglicht, alle Aktivitäten im Alltag miteinander zu vergleichen (Löllgen, 1997 S.99).
Dabei wird die Aktivität als ein Vielfaches des Grundumsatzes ausgedrückt.
Mithilfe des Quotienten aus Arbeitsenergieverbrauch und Grundenergieverbrauchs wird die Einheit MET gebildet.
Die Maßeinheit 1 MET wird durch den Verbrauch von 3,5 Milliliter Sauerstoff pro Kilogramm des Eigengewichts in der Minute bei Erwachsenen bestimmt.
Körperliche Aktivitäten können somit in leichte (< 3 MET), moderate (3-6 MET) und intensive (> 6 MET) Bewegungsaktivitäten klassifiziert werden (Banzer, 2017 S.6)
Im Tabelle 3 werden verschiedene Aktivitäten aufgelistet und unter den Gesichtspunkten des metabolischen Äquivalents bestimmt.
Tab. 3: Das metabolische Äquivalent (Böhmer et al., 2014)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Am 31. Dezember 2019 wurde in einer chinesischen Stadt namens Wuhan der Ausbruch einer neuen Lungenentzündung bestätigt. Zweieinhalb Monate später, am 11. Februar 2020, wurde der Name COVID-19 für die neuartige Infektionskrankheit von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) offiziell bestimmt (Richter, 2021 S.45ff). Am 22. März 2020 trat offiziell der erste Corona-Lockdown in Deutschland in Kraft.
Mit der allgemeinen Homeoffice-Pflicht wurden Unternehmen gezwungen, bewährte Konzepte zu überdenken und Anpassungen in Betrieben vorzunehmen. Wie sich die Veränderungen auf die verschiedenen Branchen der Volkswirtschaft auswirken, ist im Moment noch nicht vorauszusagen (Oswald, 2022). Die Folgen, welche sich für die Belegschaft der Unternehmen entwickelten, wurden in einer Studie der DAK-Krankenkasse aufgegriffen.
Dazu beauftragte die DAK-Krankenkasse das FORSA-Institut Anfang 2021 mit einer Studie unter Homeoffice-Nutzern. In der Untersuchung gaben 1.112 von 2.059 der Befragten an, dass sie sich zur Zeit des Lockdowns durchschnittlich weniger bewegten als vor der Homeofftce-Anordnung. Zudem wurde der Zusammenhang zwischen Bewegungsmangel und Gewichtszunahme im Homeoffice beleuchtet. Hierbei gab ein Drittel der Befragten an, rund 3 kg an Eigengewicht zugenommen zu haben (DAK-Gesundheit, 2021).
Schutzmaßnahmen, wie die Reduzierung von sozialen Kontakten und die Einführung von Ausgangssperren hatten deutliche Auswirkung auf den Gesamtumfang der körperlichen Aktivität der Bevölkerung. Laut einer Studie der deutschen Alterssurveys geben mehr als 35 % der Befragten 46- bis 60-Jährigen an, weniger Sport durch die Corona-Pandemie betrieben zu haben. Weiterführend stellte die Studie fest, dass 21 % der Befragten seltener spazieren gehen als vor der Pandemie (Nowossadeck et al., 2021 S.10).
Durch weitere Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19 wie die Schließung der Sport- und Fitnessanlagen wurde versucht, die sozialen Kontakte zu verringern und somit die Verbreitung der COVID-19-Erreger zu minimieren.
Die aktuelle Forschungslage sieht die affektive Wirkweise von körperlicher Aktivität sowohl bei psychisch erkrankten als auch bei psychisch gesunden Menschen als eine hilfreiche Maßnahme, um die emotionalen Beeinträchtigungen zu mindern und die geistige Gesundheit zu verbessern (Fuchs & Schlicht, 2012 S.115).
Zudem spielen die Veränderungsmechanismen im Gehirn eine große Rolle bei der Klärung des Zusammenhangs zwischen körperlicher Aktivität und der psychischen Gesundheit.
In einer Studie, die sich mit der Nervenzellenneubildung im Hippocampus auseinandergesetzt hatte, fanden die Wissenschaft daraus, dass vier Schlüsselmoleküle darunter BDNF, ß-Endorphin, Vascular endothelial groth factor (VEGF) und Serotonin (5-HAT) vermehrt in Gehirnen von Sporttreibenden zu finden war. Diese vier Moleküle haben neben vielfältigen anderen Funktionen auch maßgeblich die Neurogenese beeinflusst. Die Neurogenese, also die lebenslange Neubildung von Nervenzellen im menschlichen Gehirn, ist ein Beweis für die neuronale Plastizität bzw. die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Gehirns. Siehe Abbildung 2.
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