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Bachelorarbeit, 2022
76 Seiten, Note: 2,0
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Ziel der Untersuchung
1.2 Aufbau des Buches
2 Grundlagen
2.1 Flucht und Migration: Definitionen
2.2 Migration von Afrika: Ehemalige Kolonialmächte als Hauptzielländer
2.3 Regionale Ausprägungen von Migration von Afrika in die Europäischen Union
3 Gründe für Flucht und Migration
3.1 Gründe für die Flucht
3.1.1 Politische Gründe
3.1.2 Umweltbedingte Gründe
3.2 Gründe für die Migration
3.2.1 Theoretischer Hintergrund
3.2.2 Demografische Gründe
3.2.3 Ökonomische Gründe
3.2.4 Soziale Faktoren
3.2.5 Soziale Netzwerke
4 Regulierung der Flucht und Migration durch die Europäische Union
4.1 Die Asyl- und Migrationspolitik der europäischen Länder
4.2 Europäisch-afrikanische Kooperation in der Migrationspolitik
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Der Inhalt des Buches basiert auf einer mit gut beurteilten Bachelorarbeit von Dilara Bayar an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen / Geislingen (HfWU), die vom Erstgutachter Dieter Neumann ergänzt und überarbeitet wurde.
Dilara Bayar studierte Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen. Während ihres Studiums erlangte Sie Wissen in den Bereichen Alterspflege, Pharmazie, Kindererziehung, Hotelgewerbe, Krankenpflege und Ernährung durch verschiedene praxisbezogene Praktika. Vor diesem Hintergrund lagen ihre erworbenen Kenntnisse auch im Bereich Sprachen (Englisch und Türkisch) sowie Informationstechnologie (IT)..
Dieter Neumann M.A. studierte Volkswirtschaft, Soziologie und Politologie an der Universität Bonn. Im Anschluss übernahm er mehrere journalistische Tätigkeiten in der Redaktion (Bonner Rundschau) und Öffentlichkeitsarbeit. Von 1978 bis 1986 war er Pressesprecher bei der Landesvereinigung der Niedersächsischen Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände e.V. (seit 1980 Unternehmerverbände Niedersachsen e.V.) und übernahm 1980 als Mitglied der Geschäftsführung die Leitung der Abteilungen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Bildungswesen und Volkswirtschaft/Statistik.
Als Verlagsleiter beim Dr. Curt Haefner - Verlag in Heidelberg (gehört seit 2005 zur Konradin Mediengruppe) hatte er bis zum Jahr 2013 die Chefredaktion unterschiedlicher Publikationen im Themenbereich Journalistik, Öffentlichkeitsarbeit, Verbandswesen (Non - Profit - Organisationen) inne. Im Jahr 2011 war er darüber hinaus Pressesprecher der Vereinigung der Arbeitgeberverbände der Deutschen Papierindustrie e.V. (VAP).
Als Lehrbeauftragter und Ehrensenator an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen ist er in den Themenbereichen Journalistik, Öffentlichkeitsarbeit und Non-Profit-Organisationen tätig.
Von 2013 bis 2021 war er außerdem Verleger eines eigenen Verlages in Weinheim.
Abbildung 1: Anteil Zugewanderter aus afrikanischen Staaten an der Gesamtbevöl-kerung europäischer Staaten 2018
Abbildung 2: Einteilung Afrikas in Großregionen
Abbildung 3: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für afrikanische Staatsangehörige in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Abbildung 4: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige nordafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Abbildung 5: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige westafrikanisch-er Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Abbildung 6: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige ostafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Abbildung 7: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige zentralafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund der Erteilung 2009-2018
Abbildung 8: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige von Ländern des südlichen Afrikas in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Abbildung 9: Globaler Demokratie Index 2020
Abbildung 10: Zentrale Wanderungsmotive von (irregulären) Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen aus ostafrikanischen Ländern mit dem Ziel Europa (EU28) 2017-2019
Abbildung 11: Map of Freedom 2021
Abbildung 12: Zusammenspiel verschiedener Faktoren auf der Makro-, Mikro-, und Mesoebene bei Migrationsentscheidungen
Abbildung 13: Bevölkerungszahl und ihr Wachstum in Europa von 1950-2020
Abbildung 14: Bevölkerungszahl und ihr Wachstum in Afrika von 1950-2020
Abbildung 15: Gegenüberstellung der Altersentwicklung in Europa und Afrika (2015)
Abbildung 16: Gegenüberstellung der erwarteten Altersentwicklung in Europa und Afrika (2030)
Abbildung 17: Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt 2018 in Afrika und Europa in US-Dollar
Abbildung 18: Zentrale ökonomische Motive von (irregulären) Migrantinnen und Migranten und Flüchtlingen aus ost-, zentral- und westafrikanischen Ländern mit dem Ziel Europa
Abbildung 19: Alltagsarmut in Afrika in 34 Länder im Abfragezeitraum 2016/2018
Abbildung 20: Am Rabat-Prozess beteiligte Länder
Abbildung 21: Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten an Mobilitätspartnerschaften
Abbildung 22: Abbildung 22: Am Khartoum-Prozess beteiligte Länder
Tabelle 1: Arbeitslosigkeit und Erwerbsarmut in Afrika 2017-2020..41
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
BiB Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
BIP Bruttoinlandsprodukt
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
bpb Bundeszentrale für politische Bildung
bspw. Beispielsweise
bzw. Beziehungsweise
ca. circa
CAMM Common Agendas on Migration and Mobility
CO2 Kohlenstoffdioxide
DR Kongo Demokratische Republik Kongo
ebd. ebenda
ECOWAS Economic Community of West African States
et al. et alii
EU Europäische Union
EUTF EU Emergency Trust Fund for Africa
f. folgend
ff. fort folgend
GAM Gesamtansatz zur Migrationsfrage
GAMM Gesamtansatz Migration und Mobilität
GEAS Gemeinsame Europäische Asylsystem
ggf. gegebenenfalls
Hrsg. Herausgeber
IOM Internationale Organisation für Migration
LPI Lived Poverty Index
MME Africa–EU Partnership on Migration, Mobility and Employment
o. J. Ohne Jahr
RWGs Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften
S. Seite
SVR Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und
Migration
Tab. Tabelle
UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees
US-Dollar United States Dollar
Vgl. Vergleiche
z. B. zum Beispiel
Flucht und Migration sind Themen, mit denen die Menschen in der Europäischen Union (EU) schon seit Jahren konfrontiert werden. In den Medien wird eine unmittelbar bevorstehende Massenmigration von Afrika in die EU dargestellt. Beachtet wird dabei nicht, dass die Anzahl der Migrantinnen und Migranten aus Afrika lediglich einen nur kleinen Teil der Zuwanderung in die EU und der weltweiten Migration ausmachen. Meist wird die Migration aus Afrika mit der Flucht- oder Armutsmigration verbunden obwohl es noch weitere Gründe gibt, die nicht nur sehr komplex sind, sondern auch unterschiedlich und diese meist bei der Flucht- oder Migrationsentscheidung zusammenwirken.1 Die EU versucht mit verschiedenen politischen Instrumenten, vor allem der irregulären Migration, entgegenzuwirken, da sie politisch und sozial nicht gerne gesehen wird.2
Dieses Buch setzt sich mit der Analyse der Gründe für die Flucht und Migration von Afrika in die EU auseinander. Um in die Tiefe der Thematik einzusteigen, ist es wichtig, ein Verständnis vom Sachverhalt zu bekommen. Dabei sollen die unterschiedlichen Beweggründe beschrieben werden, welche die Menschen von Afrika dazu veranlasst, in die EU zu fliehen bzw. zu migrieren. Nur wenn man sich mit den Gründen auseinandersetzt, ist eine gezielte Regulierung möglich. Die Europäische Union hat außer der EU-Asyl- und Migrationspolitik diverse Abkommen mit afrikanischen Ländern abgeschlossen. Es ist wichtig jene Gründe, die zur Flucht und Migration führen, in Afrika zu bekämpfen, denn nur wenn sich im Herkunftsland etwas bessert, werden die Menschen vor allem aus lebensbedrohlichen Ursachen aufhören, ihre Heimat zu verlassen.
Das Buch beschäftigt sich mit den Gründen der Flucht und Migration von Afrika in die Europäische Union. Ziel ist es, diese zu analysieren und in Verbindung mit der europäischen Flüchtlings- und Migrationspolitik und den politischen Abkommen zwischen der EU und Afrika zu bewerten.
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen. Dabei werden zuerst relevante Begriffe voneinander abgegrenzt. Besonders wichtig hierbei ist, die Rolle der ehemaligen Kolonialmächte als Hauptzielländer für Migration von Afrika, sowie die regionalen Ausprägungen der Migration von Afrika in die Europäischen Union. Das dritte und vierte Kapitel stellt den Schwerpunkt der Arbeit da. Es behandelt die Gründe für die Flucht und Migration von Afrika in die Europäische Union. Anschließend wird dargestellt wie die EU mit verschiedenen politischen Instrumenten und Maßnahmen, die Flucht- und Migrationsbewegungen von Afrika reguliert. Abschließend werden im Fazit und Ausblick wichtige Aussagen darüber getroffen, wie sich die zukünftige Migration von Afrika in die EU entwickeln wird und wie eine angemessene Regulierung und Steuerung seitens der EU aussehen könnte.
In diesem Kapitel werden die allgemeinen Grundlagen der Gründe für die Flucht und Migration von Afrika in die EU, auf denen die folgenden Kapitel dieser Arbeit aufbauen, näher erläutert. Zu Beginn dieses Kapitels werden, um die wichtigen Aspekte im Flucht- und Migrationsgeschehen zu verstehen, die für diese Arbeit relevanten Begriffe voneinander abgegrenzt. Im zweiten Abschnitt dieses Kapitels werden die historischen Kontexte der Wanderung in die EU, die für die Abwanderung aus Afrika von Bedeutung sind, näher betrachtet. Am Ende dieses Kapitels werden die regionalen Ausprägungen von Migration von Afrika in die EU aufgezeigt.
Flucht
Flucht erfolgt, um lebensbedrohliche Zwangslagen aufgrund von Gewalt zu entfliehen. Dabei bewegen sich Flüchtlinge meist in Etappen und nicht in einem linearen Prozess. Da die Flucht oft schnell erfolgen muss, weichen die Menschen erst in die nächste Stadt oder einen anderen, als sicher erscheinenden, Zufluchtsort in unmittelbare Nähe aus. Danach erfolgt die Weiterwanderung zu Bekannten und Verwandten in eine nah gelegene Region bzw. das Aufsuchen eines Flüchtlingslagers.3
Flüchtling
Ein Flüchtling ist laut Artikel 1A der Genfer Flüchtlingskonvention eine Person, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung, sich nicht in dem Land seiner Staatsangehörigkeit befindet, da sie den Schutz des Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder aus Angst nicht in Anspruch nehmen will.4 Außerdem hat im Gegensatz zu Migrantinnen und Migranten ein Flüchtling (nach der Genfer Flüchtlingskonvention) das Recht auf Sicherheit in einem anderen Land.5
Migration
Von Migration wird gesprochen, wenn Menschen sich durch räumliche Bewegung, über eine administrative Grenze hinweg ihren Lebensmittelpunkt längerfristig verlagern. Erfolgt die Migration innerhalb eines Staates, wird von Binnenmigration gesprochen. Von internationaler Migration hingegen spricht man bei einem überschreiten der Staatsgrenzen. Durch Migration kann man das Ziel auf Verbesserung von Chancen auf Bildung und Arbeit erreichen. Es kann aber auch Folge der Ausübung oder Androhung von Gewalt sein.6
Migrantinnen und Migranten
Migrantinnen und Migranten sind Personen, die aus eigenem Antrieb ihre Heimat mit dem Ziel verlassen, ihre Lebenssituation zu verbessern. Dieser Prozess kann nur vorübergehend oder für immer andauern. Als irreguläre Migrantinnen und Migranten werden Personen bezeichnet, die in einem Land leben, obwohl sie weder über ein reguläres Visum noch über einen legalen Aufenthaltsstatus verfügen. Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge werden klar voneinander getrennt, da Migrantinnen und Migranten nicht unter das internationale Flüchtlingsschutzsystem fallen. [7]
Zwangsmigration
Flucht und Migration sind in der Praxis nur sehr schwer voneinander abgrenzbar, da bspw. eine Person, die sich und seine Familie vor einer Naturkatastrophe wie einer Überschwemmung schützen möchte und deshalb flieht, laut der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als Flüchtling gilt. Diese Schicksale werden als Zwangsmigration definiert. Mittels der Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen, kann man grob zwischen Flucht und regulären, irregulären und Zwangsmigration unterscheiden.8
Die Kontinente übergreifende Migration aus Afrika ist komplex und unterscheidet sich je nach Region und Migrationsursachen. Zwischen den Jahren 2005 und 2010 kamen insgesamt 2,1 Millionen Menschen aus den afrikanischen Ländern nach Europa, 875.000 aus Nordafrika und 1,2 Millionen aus Subsahara-Afrika. Im Jahr 2017 lebten 16,9 Millionen Migrantinnen und Migranten aus Afrika außerhalb des Kontinents. Etwa 60 Prozent (9,7 Millionen) stammten aus Nordafrika, ca. die Hälfte lebte in der EU, vor allem in Frankreich, gefolgt von Spanien und Italien. Deutschland ist als Zielland eher uninteressant. Besonders die historischen, kulturellen und sprachlichen Aspekte bestimmen, in welche Länder Menschen auswandern, da eine gleiche Sprache und ein ähnliches Bildungssystem, außerdem die Anwesenheit von bereits migrierten Personen aus der Region, die Migration um einiges erleichtern. Deshalb herrschen besonders zu den ehemaligen Kolonialmächten enge Verbindungen.9
Die EU ist als Zielland für die Zuwanderung aus Afrika bisher weniger relevant gewesen. Jedoch gibt es große Unterschiede zwischen den europäischen Ländern. Afrikaner mit Migrationshintergrund bilden einen besonders hohen Anteil in den europäischen Ländern mit kolonialer Vergangenheit. Außerdem hängt die Wanderung stark von der afrikanischen geografischen Region ab, in denen sich die zukünftigen Migrantinnen und Migranten befinden.10
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Anteil Zugewanderter aus afrikanischen Staaten an der Gesamtbevölkerung europäischer Staaten 2018
Quelle: SVR 2020, S. 30.
Im Jahr 2018 machten die Migrantinnen und Migranten in Frankreich, Belgien und Luxemburg etwa 4 Prozent der Bevölkerung aus. In Italien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, der Schweiz und Spanien etwa 2 Prozent. In den restlichen Ländern, darunter auch Deutschland, liegt der Anteil der Migrantinnen und Migranten unter 1 Prozent (Abb.1). Im selben Jahr lebten in Europa insgesamt etwa 8,5 Millionen Zugewanderte aus afrikanischen Staaten. Das macht einen Anteil an der Gesamtbevölkerung von etwa mehr als 1,5 Prozent. Davon war jeweils etwa die Hälfte aus Subsahara-Afrika und aus Nordafrika.11
Vor allem die ehemaligen Kolonialmächte wie Frankreich und Belgien gelten als wichtige Hauptzielländer für die Migrantinnen und Migranten aus Afrika. Es gab verschiedene Motive für die frühere Migration aus den Kolonien nach Europa. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg war eine Rekrutierung von Arbeitskräften für heimische Industrien und das Militär von großer Bedeutung. Auch die Bildungsmigration wurde gefördert mit dem Hintergrund, dass eine Bildung im Land der Kolonialherren zukünftige Führungskader enger an die Kolonialmacht binden würde. Besonders während des einsetzenden Dekolonisierungsprozesses, der nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte, verstärkte sich die Migration nach Europa. Die Zuwanderung in die ehemaligen europäischen Kolonialmächte wird bis heute durch die kolonialen Bindungen geprägt da sich vergleichsweise andere Migrantenprofile in den neueren Zielländern zeigen. Dafür ist das koloniale Erbe, also eine gemeinsame Sprache und ein ähnliches Bildungssystem verantwortlich, die eine Migration um einiges erleichtern kann. Das erklärt auch, warum vor allem Frankreich in erster Linie mehr Studierende und höher gebildete Migrantinnen und Migranten aufnimmt als andere EU-Staaten.12
Besonders in Frankreich weisen bis heute Migrantinnen und Migranten aus den Maghreb-Staaten einen großen Anteil auf, im Jahr 2016 stammten ca. 18 Prozent der Migrantinnen und Migranten aus Algerien, Marokko oder Tunesien. In Belgien sind wie in Frankreich die meisten afrikanischen Migrantinnen und Migranten aus den Maghreb-Staaten, dies kann mit der sprachlichen und kulturellen Nähe der Länder erklärt werden.13
Auch in den europäischen Ländern, die keine oder nur eine geringe koloniale Verbindung zu afrikanischen Ländern aufweisen, steigt die Migration aus Afrika seit den 1980er Jahren. Besonders die Staaten im Mittelmeerraum, die die Migration aus Afrika nutzen, um den Mangel an Arbeitskräfte im eigenen Land zu decken. Hauptsächlich im Niedriglohnbereich, in der Landwirtschaft und der Bauwirtschaft ist der Bedarf an Arbeitskräften in Italien und Spanien sehr hoch. Dies führte zu der Situation, dass die reguläre Migration in die EU durch eine restriktive Einwanderungspolitik erschwert wurde, jedoch zeitgleich die Wirtschaft entscheidend viele Arbeitskräfte aus Afrika anzog.14
Der Kontinent Afrika könnte nicht unterschiedlicher und vielseitiger sein. Geografisch gesehen ist es zwar ein Kontinent, jedoch gibt es innerhalb Afrikas erhebliche politische, soziale und kulturelle Unterschiede. Aus diesem Grund kann man nicht von „dem einen Kontinent“ sprechen, wenn es um Afrika geht. Geografisch wird Afrika in fünf Regionen aufgeteilt (Abb.2). Vor allem in Bezug auf Migration gibt es unterschiedliche Motive, die die Menschen aus den Regionen dazu veranlassen, ihre Heimat zu verlassen. Afrikas Migrationsbewegung ist durch Heterogenität und Diversität geprägt. In den Medien wird viel über Fluchtmigration berichtet, obwohl es auch Motive wie Arbeitsmigration, Migration von Studierenden und Hochqualifizierten, Heirats- und Familienmigration gibt.15
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Einteilung Afrikas in Großregionen
Quelle: Rebmann et al. 2020, S. 14.
In der Realität gestaltet sich die genaue Zuordnung der Migrationsgründe schwer, da viele Migrantinnen und Migranten nicht aus einem primären Grund ihre Heimat verlassen und sich auf den Weg in die EU machen. Oft spielen viele verschiedene Faktoren zusammen und erzeugen so Migration. Um einen klareren Blick darüber zu bekommen, aus welchen Gründen die Menschen aus Afrika in die EU kommen bzw. welchen Grund sie am meisten angeben, kann eine Betrachtung der in der EU vergebenen Aufenthaltstitel an afrikanische Migrantinnen und Migranten behilflich sein. Wie heterogen die Wanderung von Afrika nach Europa ist, kann anhand der Aufenthaltstitel, die aus diversen Gründen an afrikanische Staatsangehörige seitens der EU vergeben wurden, festgestellt werden (Abb.3).16
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3 : Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für afrikanische Staatangehörige in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 32.
Da die Vergabe der Aufenthaltstitel vom Staat ausgeht, ist auch die Kategorienbildung der Gründe legal und entspricht dem staatlichen Steuerungsinteresse. Deshalb besteht die Möglichkeit, dass die Gründe der betroffenen Migrantinnen und Migranten nicht immer mit den wahren Gründen übereinstimmten. Es kann sein, dass die Selbsteinschätzung der Migrantinnen und Migranten auch nach dem rechtlichen Rahmen gerichtet ist und nicht nach dem wirklichen und persönlichen Gründen. Somit ist es schwierig, anhand den vergebenden Aufenthaltstitel zu beurteilen, warum die Menschen von Afrika in die EU möchten. Aus der rechtlichen Kategorienbildung, die sich auf die familiären Gründe, Bildungsgründe und dem Zweck der vergüteten Erwerbstätigkeit sowie einer Restkategorie („sonstige“) beziehen, lässt sich eher eine Heterogenität der Wanderung aus Afrika in die EU ableiten.17
Im Zeitraum von 2009 bis 2018 wurden zwischen 40 und 50 Prozent aller Aufenthaltstitel aus familiären Gründen an Menschen mit afrikanischer Staatsangehörigkeit vergeben. Damit überwiegt die Migration aus familiären Gründen. Auf Grund der Aus- und Weiterbildung wurden 2018 nur 16 Prozent aller Aufenthaltstitel vergeben. Der Bereich der Erwerbstätigkeit machte ca. 10 Prozent aus.18
Die Migration nach Europa variiert stark je nach geografischer Region, weshalb hier zwischen Nord-, West-, Ost-, Zentral-, und Südliches Afrika unterschieden werden muss.19
Nordafrika
Im Zeitraum von 2009 bis 2018 wurden in der EU nordafrikanischen Staatsangehörigen am meisten aus Familiengründen Aufenthaltstitel vergeben (Abb.4). Dies entspricht 60 Prozent der Zuwanderung. Dabei macht Marokko mehr als die Hälfte aus, Algerien dagegen ein Fünftel. Die nordafrikanische Migration ist vor allem auf Frankreich gerichtet, die zuerst aus Erwerbstätigkeitsgründen erfolgt, und anschließend eine Familienzusammenführung zu Folge hat.20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4 : Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige nordafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 33.
Dabei kann Frankreich zum einen wegen der geografischen Nähe als Zielland attraktiv wirken, aber auch durch die kolonialen Verbindungen zum Land und zu den dort lebenden Familienangehörigen. Dies würde auch erklären, warum die meisten Menschen aus Nordafrika aus Gründen der Familienzusammenführung nach Frankreich möchten. Der Rückgang der Erwerbsmigration ab dem Jahr 2010 ist wahrscheinlich auf die negative ökonomische Entwicklung der südeuropäischen Zielländer zurückzuführen. Die Bildungsmigration für die Menschen aus Nordafrika ist im Vergleich zu den anderen aufgelisteten Gründen sehr gering.21
Westafrika
Betrachtet man die Gründe der Erteilung von Aufenthaltstitel an westafrikanische Länder, fällt auf, dass die Erteilung der Aufenthaltstitel aus Familiengründen bis zum Jahr 2015 dominierte. Ab 2016 gewann die Kategorie „sonstiges“ an Bedeutung und entwickelte sich bis 2017 rasant nach oben (Abb.5).22
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5 : Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige west-afrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 34.
Diesen Anstieg begründet man teilweise mit der Tatsache, dass Nigeria als Herkunftsland von Zuwanderung nach Italien eine wichtigere Rolle einnahm. Wenn man 2015 nigerianischen Staatsangehörigen 1.500 Aufenthaltstitel vergeben hat, waren es in den Jahren 2016 und 2017 18.000 bzw. 23.700. Eine Betrachtung von Westafrika ist größtenteils die Betrachtung von Nigeria, da es nicht nur in Westafrika, sondern in ganz Afrika die höchste Bevölkerungszahl aufweist.23
Ostafrika
Richtet man den Blick auf Ostafrika, macht sich die Dominanz der „sonstigen“ Kategorie bemerkbar (Abb.6). Dies ist größtenteils auf die Fluchtmigration aus Somalia und Eritrea zurückzuführen. Weniger bedeutsam ist hier, wie auch bei anderen Regionen, die Erwerbsmigration. Seltsamerweise spielt hier, im Vergleich zu den anderen Regionen, die Migration aus Familiengründen eine eher untergeordnete Rolle.24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6 : Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige ostafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 34.
Zentralafrika
Betrachtet man die zentralafrikanische Region, stellt man fest, dass die drei Kategorien „Bildungsgründe“, „Familiengründe“ und „sonstige“ in dieser Region gegenüber der Erwerbsmigration deutlich überwiegen (Abb.7). Auffällig ist auch das Volumen der Wanderung, das in Zentralafrika deutlich niedriger ausfällt als in Nord-, West- und Ostafrika.25
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7 : Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige zentralafrikanischer Länder in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 34.
Hinzuzufügen ist, dass Zentralafrika sehr stark von der Bevölkerung aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) geprägt ist, dem Land mit der viertgrößten Bevölkerungszahl.26
Südafrika
Südafrika weist genau wie Zentralafrika ein besonders niedriges Wanderungsvolumen auf, wobei es dort am niedrigsten ausfällt. Die Erwerbsmigration fällt in dieser Region Afrikas, im Gegensatz zu den bisher betrachteten Regionen und Gesamtafrika, besonders hoch aus (Abb.8).27
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Erstmals erteilte Aufenthaltstitel für Staatsangehörige von Ländern des südlichen Afrikas in der EU nach dem Grund für die Erteilung 2009-2018
Quelle: SVR 2020, S. 34.
Es gab Ende 2020 weltweit 20,7 Millionen Flüchtlinge, welche auf Grund von Konflikten, Verfolgung und Menschenrechtsverletzungen aus ihrer Heimat geflohen sind. Davon lebten 10 Prozent aller Flüchtlinge weltweit Ende 2020 in der EU. Die Flüchtlinge machen in der EU einen Anteil von 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, dies entspricht 2.657.199 Flüchtlinge.28 Laut den Angaben des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees (UNHCR)) waren der Südsudan, Somalia, der Sudan, DR Kongo, die Zentralafrikanische Republik, Eritrea und Burundi sieben afrikanische Länder, darunter vier ostafrikanische, in den Jahren 2016 bis 2018 unter den zehn bedeutendsten Herkunftsländern für Fluchtmigration weltweit.29
Flucht resultiert aus Gründen, die das eigene Leben bedrohen und sind somit unumgänglich. Politische Instabilität, die meistens Kriege, Gewalt und Verfolgung verursacht, sind Gründe, die eine Flucht aus der Heimat veranlassen. Flucht macht sich oft mit sehr schnell wachsenden Wanderungen erkennbar.30
In den folgenden Unterpunkten dieses Kapitels werden die Politischen und die Umweltbedingten Gründe, die die Menschen zur Flucht zwingen, diskutiert. Da Menschen auch aus Umweltbedingten Gründen aus ihrer Heimat fliehen, wird dieser Faktor ebenfalls in diesem Abschnitt der Arbeit diskutiert, auch wenn diese Menschen laut der Genfer Flüchtlingskonvention nicht als Flüchtlinge gelten, sondern eher unter die Kategorie Zwangsmigration fallen.31
Politische Instabilität ist in vielen afrikanischen Ländern keine Seltenheit. Die daraus resultierenden Folgen sind meist politische oder rassistische Verfolgungen aufgrund von Ethnie oder Religion, die zum Krieg, (bewaffneten) Konflikten, Menschenrechtsverletzungen oder Gewalt führen können.32 Da die politische Situation im Heimatland Menschen dazu bringen kann, sich auf die Flucht zu begeben33, ist der politischen Situation, die im Herkunftsland herrscht, eine große Bedeutung zuzuschreiben.34 Bei internationalen Fluchtbewegungen ist es kein Zufall, dass Menschen in Ländern, die wirtschaftlich und politisch stabil sind, Zuflucht finden.35
Bestimmte Studien können helfen, um herauszufinden, warum die meisten Flüchtlinge gerade aus Südsudan, Somalia, Sudan, DR Kongo, Zentralafrikanische Republik, Eritrea und Burundi kommen.36 Der Demokratie Index, der 2006 ins Leben gerufen wurde, gibt Auskunft über den weltweiten Zustand der Demokratie in 165 unabhängigen Staaten. Der Index basiert auf fünf Kategorien: dem Wahlprozess und Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, politische Partizipation, politische Kultur und bürgerliche Freiheiten. Die Länder werden basierend auf den Ergebnissen der oben genannten Kategorien in eine von vier Regimetypen zugeordnet: „vollwertige Demokratie“, „fehlerhafte Demokratie“, „hybrides Regime“ oder „autoritäres Regime“.37
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9 : Globaler Demokratie Index 2020
Quelle: The Economist 2021.
Beispiel: Demokratische Republik Kongo
Beispielsweise stand DR Kongo laut dem Demokratie Index im Jahr 2020 global auf Rang 164 und wurde deshalb als „autoritäres Regime“ eingestuft (Abb.9). Eigentlich gilt DR Kongo mit seinen wertvollen Rohstoffen, großen Süßwasser Reserven und riesigen tropischen Regenwäldern als ein reiches Land. Jedoch ist das Land heute bitterarm, da die viele Jahrzehnte andauernde ausbeuterische Kolonialherrschaft und die darauffolgende Diktatur und Kriege das Land in die Armut gedrängt haben.38 Korruption und Gewalt stehen in DR Kongo an der Tagesordnung und das obwohl es staatliche Institutionen, wie Militär, Polizei und Parlament gibt. Hier üben selbst staatlich orientierte Institutionen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung aus und sind von Korruption betroffen. Zurückzuführen ist diese politisch instabile Lage auf den belgischen König Leopold II. (1888-1908), der das Land kolonial ausbeutete, auf Belgien (1910-1960) und das 30 Jahre andauernde Regimes des Diktators Mobutu (1965-1997).39
[...]
1 Vgl. SVR (2020), S. 15.
2 Vgl. SVR (2020), S. 82.
3 Vgl. bpb (o.J. b).
4 Vgl. BMZ (o.J. a).
5 Vgl. Schmickler (2015).
6 Vgl. bpb (o.J. c).
7 Vgl. BMZ (o.J. a).
8 Vgl. ebd.
9 Vgl. SVR (2020), S. 24.
10 Vgl. SVR (2020), S. 29.
11 Vgl. SVR (2020), S. 29.
12 Vgl. SVR (2020), S. 30 f.
13 Vgl. ebd. S. 31.
14 Vgl. ebd.
15 Vgl. SVR (2020), S. 9.
16 Vgl. SVR (2020), S. 32.
17 Vgl. SVR (2020), S. 32.
18 Vgl. ebd.
19 Vgl. ebd.
20 Vgl. SVR (2020), S. 32 f.
21 Vgl. SVR (2020), S. 32 f.
22 Vgl. ebd. S. 33.
23 Vgl. SVR (2020), S. 33.
24 Vgl. SVR (2020), S. 33.
25 Vgl. SVR (2020), S. 33.
26 Vgl. ebd.
27 Vgl. SVR (2020), S. 33.
28 Vgl. Europäische Kommission (2021).
29 Vgl. SVR (2020), S. 27.
30 Vgl. Europäisches Parlament (2020).
31 Vgl. BMZ (o.J. a).
32 Vgl. Europäisches Parlament (2020).
33 Vgl. Tsagué A. (2011), S. 94.
34 Vgl. SVR (2020), S. 56.
35 Vgl. ebd. S. 94.
36 Vgl. ebd. S. 27.
37 Vgl. The Economist Intelligence Unit Limited (2022a), S. 3.
38 Vgl. BMZ (o.J. b).
39 Vgl. Ansorg (2020).