Examensarbeit, 2017
70 Seiten, Note: 1,0
Anhand der heilsgeschichtlichen und typologisch-allegoretischen Tradition werden die religiösen Konnotationen von Drache und Hirsch im christlichen Europa des Mittelalters nachgezeichnet. Darauf aufbauend werden die religiösen Konnotationen des Drachen und des Hirschs in Gottfrieds von Straßburg 1210 entstandenen Werk „Tristan“ für eine Interpretation des Gesamtkontextes fruchtbar gemacht. Werden die christlichen Bedeutungsvorstellungen der Tiere auf jene epischen Tiere im „Tristan“ übertragen und weiterentwickelt, so ergeben sich erstaunliche Charakterparallelen zwischen dem christlich konnotierten Hirsch und Tristan, während der Drache als Teufel identifiziert werden kann. Durch die christliche Annahme der Feindschaft zwischen Hirsch und Schlange kulminieren die Bedeutungsübertragungen vom Hirschen auf Tristan im Motiv des Drachenkampfes. Tristan agiert als Krieger Gottes und bekämpft das Böse für die gute Sache. Unter Hinzuziehung der Moroldepisode und dem darin typologisch enthaltenen Verweis auf David, wird der Status Tristans als Gotteskrieger zusätzlich untermauert. Das in Tristan vorhandene Potential eines Charismatiker weist zudem darauf hin, dass Tristan mehr als Heiliger denn als Held verstanden werden kann. Die Funktion als heiliger Gotteskrieger, die eine heilsgeschichtliche Auslegung des Romans provoziert, ist aber nicht als Ankündigung des Reiches Gottes zu verstehen, sondern als episches Legitimationsmittel göttlichen Grades zur Proklamation eines neuen Minneevangeliums. Wie sich an der Bedeutungsgröße des Ebers aufzeigen ließ, konnotieren die Tiere nicht nur den Gotteskrieger Tristan, sondern dienen als strukturbildende Elemente des Evangeliums. Der Kampf zwischen der „civitas dei“ und der „civitas diaboli“ wird auf das dichotome Verhältnis von „êre“ und „minne“ transferiert und rückt die Minne damit in einen gottgleichen Zustand. In der Erzählung der Passion von Tristan und Isolde findet die Gemeinschaft der „edelen herzen“ Trost und Zuversicht auf ein neues Zeitalter des Minneheils. Wie diese Arbeit auszulegen versuchte, muss den Tieren dabei eine übergeordnet relevante Funktion im epischen Kontext zugeschrieben werden, da sie sowohl auf christlich konnotierte Typologien verweisen, mithilfe deren Gottfried das Minneevangelium zu verbalisieren weiß, als auch deren strukturbildende Funktion eines evangelischen Narrativs, in dem das Auftreten der Tiere die entscheidenden Wendepunkte des Werkes markiert.
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