Für neue Kunden:
Für bereits registrierte Kunden:
Masterarbeit, 2021
105 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Studienaufbau und theoretischer Hintergrund
2.1 Die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) zu Vorhersage von Absichten
2.2 Das Normaktivierungsmodell (NAM): Die Wirkung persönlicher Normen
2.3 Die Kombination: Das Comprehensive Action Determination Model (CADM)
2.4 Injunktive und deskriptive soziale Normen
2.5 Individualismus-Kollektivismus als Maß individueller kultureller Orientierung
3. Stand der Forschung mit Ableitung der Hypothesen
3.1 Übersicht zu den untersuchten Effekten
3.2 Ergebnismaß: Die Absicht zur umweltschonenden Verkehrsmittelwahl
3.3 Prädiktoren: Injunktive und deskriptive sozialeNormen
3.3.1 Die Präsentation objektiver Informationen (Kontrollbedingung)
3.3.2 Die Präsentation einer injunktiven oder deskriptiven sozialen Norm
3.3.3 Die gleichzeitige Präsentation einer injunktiven und deskriptiven sozialen Norm
3.3.4 Vorhersage von AuVMW unter sozialen Normen
3.4 Kulturelle Orientierung als Moderator injunktiver und deskriptiver sozialer Normen
3.4.1 Moderationseffekte der Individualismus-KollektivismusDimension
3.4.2 Vorhersage von AuVMW unter sozialen Normen und mit Individualismus Kollektivismus
3.5 Soziodemografische Merkmale
3.6 Forschungsmodell
4 Methodisches Vorgehen
4.2 Datenerhebung
4.3 Messinstrumente
4.3.1 Ergebnismaß
4.3.2 Prädiktoren aus der TPB (wVK, SuN, eE)
4.3.3 Prädiktoren aus dem NAM (PN)
4.3.4 Experimentelle Prädiktoren: Injunktive und deskriptive soziale Normen
4.3.5 Moderator Individualismus-Kollektivismus
4.3.6 Kontrollfragen
4.3.7 Soziodemografische Merkmale
5. Darstellung der erwarteten Ergebnisse
6. Ergebnisse
6.1 Befragungsrücklauf
6.2 Anpassung der Hypothesen
6.3 Deskriptive Statistik
6.3.1 Soziodemographische Merkmale der Stichprobe
6.3.2 Subskalen AuVMW, wWK, SuN, eE, PN und ikO
6.4 Lageunterschiedsanalysen
6.5 Zusammenhangsanalysen
6.6 Regressionsanalysen
7. Diskussion
7.1 Interpretation der Ergebnisse
7.2 Relativierung des Versuchsaufbau und der Interpretation
7.3 Zusammenfassung
8. Literaturverzeichnis
Anhang A: Übersicht Regressionsmodelle
Anhang B: Überleitung der alten in die neuen Hypothesen
Die in dieser Abschlussarbeit vorgestellte quantitative Querschnittsuntersuchung ermittelt auf Basis von Primärdaten und mithilfe eines kontrollierten Experiments, inwieweit injunktive und deskriptive soziale Normen, wie sie von Cialdini, Reno und Kallgren (1990) konzipiert wurden, über etablierte individualpsychologische Determinanten hinaus die Absicht von Autofahrer*innen beeinflussen, ihr Fahrzeug zugunsten umweltschonender Verkehrsmittel stehen zu lassen. Die Untersuchung verbindet das Normkonzept von Cialdini et al. mit Prädiktoren aus transportpsychologischen Studien zur individuellen Entscheidungsfindung, die auf der empirisch bestätigten Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen (1991) und auf der Normaktivierungstheorie von Schwartz (1977) aufbauen. Erwartet wird, dass dadurch Vorhersagekraft und Varianzaufklärung in Bezug auf die Absicht zur Wahl umweltschonender Verkehrsmittel verbessert werden können.1 2
Ferner soll die Studie prüfen, inwieweit die individuelle kulturelle Orientierung, im Sinne der Individualismus-Kollektivismus-Dimension von Hofstede (1980), die Wirkung der sozialen Normen auf diese Absicht moderiert. Die geplante Untersuchung erweitert die transportpsychologische Forschung, indem sie für den deutschsprachigen Raum und unter Berücksichtigung individualpsychologischer Determinanten die Wirkung des Normkonzepts von Cialdini et al. und der Individualismus-Kollektivismus-Dimension auf die Absicht zur Wahl umweltschonender Verkehrsmittel untersucht.
Die Studienergebnisse bestätigen erwartungsgemäß, dass injunktive und deskriptive soziale Normbotschaften, die bspw. in Werbe- und Kommunikationsmaßnahmen eingebettet werden, ein praxistaugliches Instrument sind, um den Modal Split zugunsten der Wahl umweltschonender Verkehrsmittel zu verändern. Auch verbessern diese sozialen Normen die Vorhersagekraft und die Varianzaufklärung in Modellen zur Erklärung verkehrsbezogener Verhaltensabsichten. Für Moderationseffekte der individuellen kulturellen Orientierung konnten hingegen keine bestätigenden Nachweise gefunden werden.
Injunktive und deskriptive soziale Normen, Theorie des geplanten Verhaltens, Normaktiverungstheorie, Absicht zur Wahl umweltschonender Verkehrsmittel, Individualismus-Kollektivismus-Dimension
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Übersicht Studienaufbau
Abbildung 2. Übersicht der untersuchten Effekte
Abbildung 3. Forschungsmodell
Abbildung 4. Histogramm Zielgröße AuVMW
Abbildung 5. Histogramm des Prädiktors wVK
Abbildung 6. Histogramm des Prädiktors SuN
Abbildung 7. Histogramm des Prädiktors eE
Abbildung 8. Histogramm des Prädiktors PN
Abbildung 9. Histogramm der Moderatorgröße ikO
Tabelle 1. Mengengerüst zum Befragungsrücklauf
Tabelle 2. Häufigkeitsverteilungder soziodemographischenMerkmale SDM-BA, SDM- A undSDM-G sowie der Moderatorgröße IkO unter Berücksichtigung von SDM-G
Tabelle 3. Häufigkeitsverteilungder soziodemographischenMerkmale SDM-MNE, SDM-E undSDM-WL
Tabelle 4. Deskriptive Werte der Zielgröße AuVMW und der Prädiktoren eE, wVK, PN sowie SuN, tlws. unterBerücksichtigungderModeratorgröße ikO
Tabelle 5. Deskriptive Werte der metrischenModeratorgröße ikO vor und nach künstlicher Dichotomisierung
Tabelle 6. Übersicht der Ergebnisse der Wilcoxon Rank Tests und Welch Two Sample t- Testsfür alle untersuchten Variablen (Lageunterschiede)
Tabelle 7. Ergebnisse der Spearman-ZPearson-Korrelationsanalysefür die Kontroll- und Untersuchungsgruppe (r-Werte)
Tabelle 8. Ergebnisse der Spearman-ZPearson-Korrelationsanalysefür die ikO- Gruppen "individ." und "koHekt." (r-Werte)
Tabelle 9. Ergebnisse der multiplen linearen Regression zur Vorhersage von AuVMW (abhängige Variable)
Die Abschlussarbeit hat einen Umfang von 22,164 Worten und 83 Seiten (ohne Verzeichnisse und Anhänge). Grundlage ist der Leitfaden zum wissenschaftlichen Arbeiten in der Wirtschaftspsychologie in der Version 1.1 vom 01.08.2019 und die darauf bezogenen Anmerkungen, Ergänzungen und Korrekturen für Seminar- und Abschlussarbeiten bei Prof. Dr. Silke F. Heiss.
Der Verkehr verursachte 2017 20.8 % der gesamten Kohlendioxid-(CO2)-Emissionen in Deutschland (UBA, 2019, Emissionsentwicklung 1990 bis 2017 in Deutschland). Personenkraftwagen (Pkw) stoßen heute deutlich weniger Luftschadstoffe pro Kilometer (Km) aus als 1995. Im Verkehrssektor nahmen die Pkw-bezogenen CO2 -Emissionen im Zeitraum 1995 bis 2018 allerdings nur um rd. 9 % ab (UBA, 2020, Emissionen des Verkehrs), da sich der Verkehrsaufwand im Personenverkehr, gemessen in Personenkilometern (Pkm), zwischen 1991 und 2018 um rd. 35 % erhöht hat. Der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am Gesamtpersonenverkehrsaufwand ging dabei von 1991 (81.6 %) bis 2018 (79.1 %) kaum zurück (UBA, 2020, Fahrleistungen, Verkehrsaufwand und „Modal Split“).3
Auch für München hat sich der Modal Split, also der Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel am Verkehrsaufwand, zwischen 2008 (53 %) und 2017 (54 %) kaum zugunsten umweltschonender Fortbewegung verändert (LHS München, 2020). In den Jahren von 2014 bis 2018 ist im Verbundraum des MVV der Pkw-Bestand um 7.2 % gestiegen, wohingegen die Anwohnerzahl nur um 4.1 % gestiegen ist (Sauer, 2018, S. 59-60; MVV, 2020). Der Anteil von Pkw mit Gas-, Elektro- oder Hybridantrieb am Pkw-Gesamtbestand lag Anfang 2019in München nur bei 2.2 % (Krass, 2020).
Diese Zahlen zeigen, dass eine weitere Klimaentlastung im Personenverkehr nicht allein durch technische Verbesserungen, sondern nur gemeinsam mit anderen Maßnahmen, wie einer Veränderung bei der Wahl der Verkehrsmittel, erreicht werden kann. Metaanalysen zeigen, dass eine solche Veränderung auch durch individualpsychologische Faktoren beeinflusst wird (Gardner & Abraham, 2008, S. 306-307). Der soziale Anpassungsdruck, der durch die Erwartungen anderer Personen entsteht, wird in der transportpsychologischen Forschung wenig betrachtet, obwohl diese Erwartungen zugunsten der Wahl umweltschonender Verkehrsmittel manipuliert werden könnten (Kormos, Gifford & Brown, 2015, S. 489-491).
Die Abschlussarbeit soll Konstrukte aus Theorien zur individuellen Entscheidungsfindung mit gruppenbezogenen Determinanten, die einen sozialen Anpassungsdruck auf den Einzelnen ausüben, verbinden. Aufgegriffen werden die Theorie des geplanten Verhaltens (Theory of Planned Behavior [TPB], Ajzen, 1991), das Normaktivierungsmodell ([NAM], Schwartz, 1977) sowie das Normkonzept von Cialdini, Reno und Kallgren (1990), das zwischen injunktiven und deskriptiven sozialen Normen unterscheidet. Ferner soll die individuelle kulturelle Orientierung betrachtet werden.
Die Forschungsfrage lautet wie folgt:
„Können soziale Normen dazu beitragen, dass Autofahrer *innen ihr Auto stehen lassen und welche Moderationseffekte hat die individuelle kulturelle Orientierung?“
Ziel ist es, herauszufinden, inwieweit soziale Normen,
(1) über die TPB- und NAM-Variablen hinaus, die Absicht zur Wahl umweltschonender Verkehrsmittel beeinflussen,
(2) die Vorhersagekraft bestehender Modelle verbessern und
(3) ob die individuelle kulturelle Orientierung (ikO) diese Wirkung moderiert.
Auf den Studienaufbau und den theoretischen Hintergrund wird im folgenden Abschnitt eingegangen (Abschnitt 2). Der Forschungsstand zu den betrachteten Konstrukten wird in Abschnitt 3 vorgestellt. Hier werden auch die zu untersuchenden Hypothesen abgeleitet. In Abschnitt 4 wird das methodische Vorgehen, insbesondere die Messgrößen zur Operationalisierung der Konstrukte, vorgestellt. In Abschnitt 5 werden die erwarteten Ergebnisse wiedergegeben. Im 6. Teil werden zunächst Anpassungen des Untersuchungsdesigns und der statistischen Analyseverfahren erläutert, die aufgrund des Befragungsrücklaufs notwendig wurden. Im Anschluss daran werden die Untersuchungsergebnisse dargestellt. Abschnitt 7 interpretiert die Ergebnisse, beschäftigt sich mit Schwächen des Versuchsaufbaus, fasst die Kernaussagen zusammen und wirft Fragen für künftige Studien auf.
Bevor in den folgenden Abschnitten auf den theoretischen Hintergrund eingegangen wird, soll die Abbildung auf der folgenden Seite die Problemstellung, die berücksichtigten Theorien, die Untersuchungsziele und das Forschungsmodell aufzeigen, um der Le- ser*in einen leichteren Einstieg bzw. einen ersten Überblick zu ermöglichen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Übersicht Studienaufbau
In der TPB nehmen drei Konstrukte direkt und kausal Einfluss auf die Absicht ein Verhalten auszuführen4 (Ajzen, 1991, S. 182, 188, Pronello & Gaborieau, 2018, S. 9):
(1) Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (Perceived Behavioral Control [PBC])
(2) Einstellungen
(3) Subjektive sozialeNormen
Die TPB wurde entwickelt, um die Beziehung zwischen Einstellungen, Absichten und tatsächlichem Verhalten zu erklären und besagt, dass Verhalten sowohl von der Absicht (Motivation) als auch von der Fähigkeit (Verhaltenskontrolle) abhängt. Die TPB wurde häufig zur Überprüfung dieser Beziehung herangezogen und ihre Vorhersagen gelten als empirisch bestätigt (Haddock & Maio, 2014, S. 225).
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle
Der Begriff der Selbstwirksamkeit (Self Efficacy), als subjektive Überzeugung, neue oder schwierige Anforderungen mit eigenen Kompetenzen zu bewältigen (Warner, 2017, S. 1527), wird in der TPB kontextspezifisch erweitert, um zu berücksichtigen, inwieweit handelnde Personen sich in der Lage sehen, ein bestimmtes Verhalten ausführen zu können (Haddock & Maio, 2014,S. 224-225).
Subjektive soziale Normen
Normen stellen soziale Überzeugungssysteme dar, die ausdrücken, wie man sich verhalten bzw. nicht verhalten soll und die nicht aus Gesetzen, sondern aus den Erwartungen anderer resultieren (Hewstone & Martin, 2014, S. 274). In den untersuchten Studien wird in der Regel auf subjektive soziale Normen abgestellt, die sich auf die Werturteile bedeutsamer Personen im eigenen Umfeld beziehen (Eriksson & Forward, 2011, S. 373; Liu et al., 2017, S. 7; Zhang, Schmöcker, Fuji & Yang, 2016, S. 876-878).
Einstellungen
Einstellungen werden von Six (2017, S. 449) definiert als Art der Gerichtetheit bei der Lösung einer Aufgabe sowie als innere Haltung gegenüber Personen, Ideen oder Gegenständen, die Wertungen und Erwartungen beinhalten. Die primäre Funktion der Einstellung für die geplante Untersuchung dürfte in ihrer Einschätzungsfunktion liegen, d.h. sie dient zur utilitaristischen Einschätzung des gewählten Verkehrsmittels (Haddock & Maio, 2014, S. 208) und damit zur Maximierung des Nutzens und zur Minimierung von Nachteilen.
Das NAM beschreibt die Beziehung zwischen Impulsen, verinnerlichten Normen und daraus resultierendem Verhalten. Individuen formulieren Erwartungen, die sie auf sich selbst beziehen und von denen sie dazu bewegt werden, pro-sozial zu handeln. Diese Erwartungen werden als Gefühle einer moralischen Verpflichtung erlebt, die von situationsbezogenen Impulsen aktiviert werden (Schwartz, 1975, zitiert nach Pronello & Gabo- rieau, 2018, S. 9)5. Schwartz schränkt die Gültigkeit seines Modells auf altruistischen Verhaltensweisen ein und argumentiert, dass persönliche Normen die einzige direkte Determinante pro-sozialer Verhaltensmuster seien. Er lehnt ab, dass ihre Wirkung durch Absichten vermittelt wird. Verhalten entspricht ferner nur dann persönlichen Normen, wenn das Selbst sich der Konsequenzen des eigenen Verhaltens bewusst ist und für diese Ver- antwortungübernimmt (Schwartz, 1977, S. 227-232).
Das von Klöckner und Blöbaum (2010, S. 576-577) entwickelte Comprehensive Action Determination Model (CADM) für Verkehrsverhalten kombiniert die Hauptannahmen der TPB, des NAM sowie der Theorien zur Gewohnheit in ein umfassendes Modell. Im Gegensatz zum NAM, das davon ausgeht, dass persönliche Normen ein direkter Prädiktor von Verhalten sind, wird im CADM der Einfluss von sozialen oder persönlichen Normen indirekt über intentionale Prozesse weitergegeben.6
Anders als Gesetze sind Normen durch soziale Interaktion ausgehandelte und kontextabhängige Verhaltensweisen. Dass ein bestimmtes Verhalten in einem sozialen Kontext akzeptabel ist, in einem anderenjedoch nicht, beweisen Cialdini, Reno und Kallgren (1990, S. 1024-1025). Ihre Studie zeigt, dass Menschen eher dazu tendieren, Müll in einer verschmutzten als in einer sauberen Umgebung fallen zu lassen. Laut Hewstone und Martin (2014, S. 274-275)7 informieren uns deskriptive Normen (IST-Normen) darüber, wie sich Dritte in ähnlichen Situationen verhalten. Injunktive Normen (SOLL-Normen) drücken hingegen aus, welches Verhalten von anderen gebilligt wird und welches nicht. Cialdini et al. (1990, S. 1015) betonen, dass es bei der Betrachtung des sozialen Einflusses entscheidend ist, zwischen der Soll- und der Ist- Botschaft zu unterscheiden, da sichjede auf eine andere Motivation bezieht. Die deskriptive Norm beschreibt, was typisch ist. Sie repräsentiert, was die meisten Menschen tun, und zeigt auf, welches Verhalten mit hoher Wahrscheinlichkeit angemessen sein wird (Rimal & Lapinski, 2015, S. 396). Die injunktive Botschaft von Normen bezieht sich auf das Verständnis, was mehrheitlich akzeptiertes bzw. abgelehntes Verhalten darstellt. Injunktive Normen legen fest, was getan werden sollte und ergänzen dies mit sozialen Sanktionen, die bei Nichtbeachtung drohen. Faktoranalysen weisen daraufhin, dass subjektive, injunktive und deskriptive Normen jeweils einen eigenen unabhängigen Einfluss auf Verhalten haben (Park & Smith, 2007, zitiert nach Rimal & Lapinski, 2015, S. 398).
Die TPB geht nicht auf diese Unterscheidung von Normen ein und arbeitet nur mit der subjektiven sozialen Norm. Gleiches gilt für das CADM, welches dieser die persönliche Norm zur Seite stellt.
Nach Kammhuber (2017, S. 966)8 sind Kulturdimensionen entwickelte Konstrukte, die zur Beschreibung und zum Vergleich von Kulturen herangezogen werden können. Hofstede (1980) ermittelt vier kulturbeschreibende Dimensionen, darunter auch die Dimension Individualismus-Kollektivismus, die beschreibt, inwieweit das Individuum ein autonomes Subjekt ist oder vielmehr in ein Netzwerk einbettet ist, das maßgeblich auf sein Denken und Handeln Einfluss nimmt (Hofstede, 1980, zitiert nach Bond & Smith, 1996, S.114).
Auch Triandis (1989, S. 506) stellt in seiner Arbeit auf diese Dimension ab und zeigt, dass die Verortung des eigenen Selbst auf dieser Skala ausschlaggebend dafür ist, welche Informationen ausgewählt, wie sie verarbeitet und bewertet werden. Dabei werden diejenigen Angaben bevorzugt, die relevant für das Selbstverständnis sind und dieses bestätigen. Wenn Menschen von einem kollektiven Selbstbild geprägt sind, werden sie mit größerer Wahrscheinlichkeit durch das Normen-, Rollen- und Werteverständnis derjeweili- gen Gruppe beeinflusst (Triandis, 1989, S. 517). Sie verhalten sich dann bevorzugt in einer Weise, die von den Mitgliedern dieses Kollektivs als angemessen betrachtet wird. Wird das Selbst dagegen von einer komplexen, individualistischen und eher unbeständigen kulturellen Orientierung bestimmt, lässt sich Verhalten eher als eine Tauschbeziehung beschreiben, in welcher der eigene Vorteil im Vordergrund steht.
Im Folgenden wird der Stand der Forschung zu den studiengegenständlichen Variablen betrachtet, um geeignete Hypothesen abzuleiten.
Zunächst soll ein Schaubild verdeutlichen, welche Effekte untersucht werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Übersicht der untersuchten Effekte
Die direkten Effekte der Prädiktoren aus TPB und NAM auf die Absicht zur umweltschonenden Verkehrsmittelwahl sind nicht Kern der Untersuchung, da sie bereits in zahlreichen Metaanalysen und Einzelstudien überprüft worden sind. Die Kemergebnisse einiger dieser Studien werden im Folgenden wiedergegeben. Als metrisch skalierte Kovariate, die einen konfundierenden Einfluss auf AuVMW ausüben, sollen die TPB- und NAM- Variablenjedoch berücksichtigt werden9.
Schon die Metaanalyse von Armitage und Conner (2001, S. 479) - die über 185 empirische Analysen untersucht, die bis Ende 1997 durchgeführt worden sind und die TPB verwendeten - versucht Verhalten und Verhaltensabsichten vorherzusagen. Berichtet werden dort u.a. Korrelations- und Determinationskoeffizienten aus bivariaten Korrelationen von eE (r2=.24, r=.49, große Effektstärke), wVK (r2=.18, r=.43, mittlere Effektstärke) und SuN (r2=.12, r=.34, mittlere Effektstärke) mit Absichten (Armitage & Conner, 2001, S. 482-483, u.a. Table 3). Errechnete Korrelationsdifferenzen ergeben, dass die SuN-Absicht-Korrelation signifikant schwächer ist als die Korrelationen der Variablen eE und wVK mit Absichten.
Gardner und Abraham (2008, S. 300-301) fokussieren in ihrer Metaanalyse auf psychologische Strategien zur Beeinflussung der Pkw-Nutzung und gehen dabei insbesondere auf die TPB ein. Für TPB-Variablen werden mittlere bis starke Effekte nachgewiesen (Gardner & Abraham, 2008, S. 306-307). Insgesamt haben TPB-Variablen eine größere Wirkung auf die Absicht die Pkw-Nutzung einzuschränken als auf die Absicht das Auto zu verwenden.
Aussagen über Faktorladungen von SuN und wVK in Bezug auf Verhaltensabsichten beinhaltet auch die bereits erwähnte Einzelstudie von Klöckner und Blöbaum (2010, S. 580, Table 1, ohne eE). Diese vergleicht das CADM mit der TPB und dem NAM (Klöckner & Blöbaum, 2010, S. 578). Die Pfadkoeffizienten von SuN und wVK sind, nach Rekodierung von wVK, beide positiv signifikant (p<001) und weisen Faktorladungen (ß) von 0.24 (kleiner Effekt) und 0.66 (großer Effekt) auf. Nach Aufnahme von PN in das CADM weisen bei Klöckner und Blöbaum (2010, S. 580-581, Table 4 und Table 5) die Pfadkoeffizienten von PN und wVK (rekodiert) positiv signifikante (/r .001) Faktorladungen (ß) von 0.21 (kleine Effektstärke) bzw. 0.60 (große Effektstärke) auf.
Klöckner und Friedrichsmeier (2011, S. 266) knüpfen an die Arbeit von Klöckner und Blöbaum (2010) an und erheben verschiedene Prädiktoren, einschließlich eE sowie die beabsichtigte und selbst-berichtete Verkehrsmittelwahl. Die Ergebnisse zeigen bei kontrollierten kontextspezifischen Gegebenheiten, dass SuN keinen signifikanten direkten Effekt hat (ß=0.027,^=.106; Klöckner & Friedrichsmeier, 2011, S. 269, Table 2). WVK (ß=0.789, große Effektstärke), eE (ß=0.20, kleine Effektstärke) und PN (negatives ß= - 0.074, minimaler Effekt) erweisen sich als signifikante Determinanten (für alle^<001, Klöckner& Friedrichsmeier, 2011, S. 269, 270).
Jakovcevic und Steg (2013, S. 73, 76) bitten ihre Versuchsteilnehmer, sich vorzustellen, dass sich die Kosten des MIV durch staatliche Maßnahmen verdoppeln und fragen im Anschluss nach der Absicht die Pkw-Nutzung zu reduzieren. Unter dieser Versuchsbedingung gehen starke PN mit einer stärkeren Absicht zur Reduzierung der Pkw-Nutzung einher (ß =0.34,^ < .01; Jakovcevic & Steg, 2013, S. 75, u.a. Table 3).
Aufgrund der vorstehend erläuterten Ergebnisse von Gardner und Abraham (2008, S. 307) und von Armitage und Conner (2001, S. 481-482), die ebenfalls die Verkehrsmittelwahl metaanalytisch untersuchen, sowie anderer Einzelstudien (Eriksson & Forward, 2011, S. 375; Liu, Sheng, Mundorf, Redding & Ye, 2017, S. 10) soll auch in dieser Arbeit die Absicht als Zielgröße verwendet werden, um die Forschungsfrage zu beantworten und zu ermitteln, inwieweit soziale Normen dazu beitragen können, dass Autofahrer*innen ihr Auto stehenlassen.10
Die Absicht oder Zielintention stellt eine verbindliche, mentale Repräsentation dar, ein gestecktes Ziel zu erreichen und ist insofern handlungsleitend (Puca, 2017, S. 814-815). Absichten erfassen die Motivation, die hinter einem Verhalten steht, und geben an, wie viel Anstrengung Menschen aufbringen würden, um ein Verhalten auszuführen (Ajzen, 1991, S. 181).
Im Folgenden wird auf ausgewählte Studien eingegangen, die Moderatoren des sozialen Einflusses identifiziert haben. Betrachtet werden dabei Widersprüche zwischen injunktiven und deskriptiven Normen, die Referenzgruppe der Norm, die Nähe der Normbotschaften zur Zielnorm und die Aufmerksamkeit, die Normbotschaften entgegengebracht wird.
Steinmetz, Knappstein, Ajzen, Schmidt und Kabst11 (2016, S. 222-223) untersuchen in ihrer Metaanalyse die Effekte von Interventionen auf die in Abschnitt 2.3.1 vorgestellten TPB-Variablen. Besonders relevant ist der berichtete signifikant positive Effekt der Präsentation von Informationen auf Verhaltensabsichten [Cohens d von d = 0.34; 95% KI (0.24, 0.45), kleine - mittlere Effektstärke, Steinmetz et al., 2016, S. 223-224], Da keine Studien metaanalytisch betrachtet werden, die soziale Normen einsetzen, eignet sich diese Effektstärke als Maßstab für die Kontrollbedingung.
Auch Graham-Rowe, Skippon, Gardner und Abraham (2011, S. 407, u.a. Tab. 1) untersuchen in ihrer narrativen Studie, die 77 unabhängige Studien auf Primärdatenbasis umfasst, die Effekte personalisierter Informationen. Bei 2 von 14 untersuchten Querschnittsstudien mittlerer Güte, die mit Kontrollgruppen arbeiteten, wurden, neben strukturellen und finanziellen Maßnahmen, auch personalisierte Informationen bereitgestellt sowie Sensibilisierungen durchgeführt (Graham-Rowe et al., 2011, S. 407, Tab. 1 und S. 408409, Tab. 2). In beiden Studien reduzieren die Maßnahmen den Anteil der zurückgelegten Wege als Fahrer eines Pkw um 2 % bzw. 10 % (Graham-Rowe et al., 2011, S. 414). Auch diese beiden Studien, die soziale Normen nicht berücksichtigen, zeigen, dass selbst die bloße Präsentation von Informationen Effekte auf AuVMW hat.
AufBasis der vorgenannten zwei Metaanalysen wird folgende Hypothese abgeleitet:
- Hl: Die bloße Darbietung von objektiven Informationen in einer sachlichen und emotionslosen Art ohne Aufforderung zur Verhaltensänderung hat einen positiven sowie kleinen bis mittleren Effekt auf AuVMW.
In ihrer Metaanalyse betrachten Abhrahamse und Steg (2013, S. 1773, 1776)42 Studien, die unterschiedliche Interventionen anwenden, um mit der Wirkung des sozialen Einflusses, u.a.12 mit injunktiven und deskriptiven Normen, Änderungen in umweltbezogenem Verhalten herbeizuführen. Der Gesamteffekt sozialer Normen über alle Studien hinweg ist bei einem Hedges g von g=0.35 signifikant [95% KI (0.20, 0.50), Z=4.595, p<001] und liegt gemäß der Definition von Döring und Bortz (2016, Tab. 14.5, S. 821) zwischen kleiner und mittlerer Stärke (Abhrahamse & Steg, 2013, S. 1777, Abb. 1 auf S. 1782). Von Bedeutung ist ferner insbesondere der berichtete Effekt sozialer Normbotschaften im Vergleich zu Interventionen, die nicht auf dem sozialen Einfluss beruhen. Der festgestellte Gesamteffekt liegt hier bei einem Hedges g von g 0.22 [Abhrahamse & Steg, 2013, S. 1781-1782, 95% KI (0.08, 0.36), Z=3.26, p<01, kleiner Effekt; Döring & Bortz, 2016, Tab. 14.5, S. 821], Kormos, Gifford und Brown (2015, S. 483) untersuchen den Einsatz deskriptiver Normen in einem Zwei-Gruppen-Versuch. Sie erwarten, dass mit zunehmender Stärke der deskriptiven Norm auch die Nutzung umweltschonender Verkehrsmittel zunimmt. Nur bei der Wahl von Verkehrsmitteln für den Weg zur Arbeit zeigt ihre Kovarianzanalyse einen bei a=.10 signifikant positiven Haupteffekt mittlerer Stärke [F(l, 73)=2.92, p=.O6, nP2=0.0h, Kormos et al., 2015, S. 490], Für das Verkehrsverhalten im privaten Bereich lässt sich kein signifikanter Haupteffekt sozialer Normen nachweisen (Kormos et al., 2015, S. 491).
Folgende Hypothesen werden aus den vorgenannten zwei Studien abgeleitet:
- H2: Die Befragten, die einer injunktiven Normbotschaft ausgesetzt wurden, haben eine höhere AuVMW als Personen in der Kontrollgruppe. Der Effekt ist positiv und von kleiner Stärke.
- H3: Die Befragten, die einer deskriptiven Normbotschaft ausgesetzt wurden, haben eine höhere AuVMW als Personen in der Kontrollgruppe. Der Effekt ist positiv und von kleiner bis mittlerer Stärke.
Smith, Louis, Terry,13 Greenaway, Clarke und Cheng (2012, S. 354) untersuchen, inwieweit die Absicht Energie zu sparen vom Zusammenspiel injunktiver und deskriptiver Normen abhängt, wobei insbesondere die Wirkung von Widersprüchen zwischen beiden Normen analysiert wird. Wie vorhergesagt, zeigen sie, dass die Absicht zum Energiesparen bei gleichgerichteten deskriptiven und injunktiven Normen am höchsten ist (Smith et al., 2012, S. 355-356, u.a. Fig. 1). Der Interaktionseffekt ist signifikant, positiv und von kleinerEffektstärke [F(l, 156)=4.09,^=.043, qp2=0.026].
Auch Göckeritz, Schultz, Rendon, Cialdini, Goldstein und Griskevicius (2010, S. 516) untersuchen in ihrer Studie über das Energiesparverhalten das Zusammenspiel von injunktiven und deskriptiven Normen. Sie bestätigen, wie vorhergesagt, dass der Zusammenhang zwischen deskriptiven Normen und Energiesparverhalten bei Anwohnern, die davon überzeugt sind, dass andere Haushalte Energiesparen befürworten, am stärksten ist (Göckeritz et al., 2010, S. 520, Figure 2).
Die folgende Hypothese leitet sich aus den vorstehenden beiden Forschungsarbeiten ab:
- H4: Die Befragten, die sowohl einer injunktiven als auch einer deskriptiven sozialen Norm, beide zugunsten der umweltschonenden Verkehrsmittelwahl, ausgesetzt wurden, haben eine höhere AuVWM als Personen in der Kontrollgruppe und in denjeweils anderen beiden Untersuchungsgruppen. Der Effekt ist positiv und von kleiner Stärke.
Das zu überprüfende Regressionsmodell, M3 bezeichnet, beinhaltet subjektive soziale Normen (SuN), explizite Einstellungen (eE), wahrgenommene Verhaltenskontrolle (wVK) und persönliche Normen (PN) sowie die eingesetzten sozialen Normen (SoN), um ihre Wirkung auf AuVMW zu untersuchen. Details zu den Regressionsmodellen sind im Anhang A wiedergegeben.14
Conner, Martin, Siverdale und Grogan (1996, S. 317) untersuchen Diätverhalten von Jungen und Mädchen mithilfe der TPB. Sie stellen fest, dass der deskriptive soziale Einfluss der Medien (Conner et al., 1996, S. 318) eine signifikant positive Wirkung auf die Absicht zum Abnehmen hat (ß=0.24, p<001, kleine Effektstärke). Dieser Effekt zeigt sich trotz Berücksichtigung von Erwartungen wichtiger Bezugspersonen (SuN) und von TPB-ba- sierten verhaltens- und kontrollbezogenen Überzeugungen (Conner et al., 1996, S. 322, Table 3).
AufBasis von Conner et al. (1996) werden folgende Hypothesen abgeleitet:
- H5: SoN hat einen positiven kleinen Effekt auf AuVMW.
- H6: Die Aufnahme von SoN in eine Regression erhöht das R2 adj. des Grundmodells, das AuVMW vorhersagt.
- H7: Die Variable, die die UG 3 (injunktive & deskriptive Norm, SoNugs) wieder- gibt, hat dabei den höchsten positiven Regressionskoeffizienten (ß), gefolgt, in absteigender Reihenfolge, von der Variable für die UG 1 (injunktive Norm; SoNugi) und der Variable für die UG 2 (deskriptive Norm; SoNug2).
Die Individualismus-Kollektivismus Dimension soll genutzt werden, um einen möglichen Moderationseffekt kultureller Orientierung zu untersuchen. Diese Operationalisierung wird auch von Rimal und Lapinski anerkannt (2015, S. 400-401).
Auch Smith et al.15 (2012, S. 356) berücksichtigen in ihrer bereits vorgestellten Studie die Individualismus-Kollektivismus Dimension als Moderator, den sie mithilfe der Staatsangehörigkeit erfassen. Sie sagen voraus, dass Widersprüche zwischen beiden Normtypen nur im individualistischen Umfeld die Absicht zum normkonsistenten Verhalten reduzieren, nicht aber in kollektivistischen Kulturkreisen, da in letzteren injunktive Normen einen höheren Stellenwert haben (Smith et al., 2012, S. 357). Einzelvergleichsanalysen, bei denenjeweils eine gleichgerichtete und widersprechende Norm einer bestehenden Norm hinzugefügt wird, zeigen jedoch, dass auch bei Berücksichtigung kultureller Prägung gleichgerichtete Normen die größte Wirkung haben (Smith et al., 2012, S. 359). Für die kulturelle Orientierung findet sich kein signifikanter Interaktionseffekt [alle F(l, 133)<2.87, alle ^>.093], so dass eine Moderationswirkung bei a=.05 abgelehnt wird (Smith et al., 2012, S. 359, u.a. Fig. 2).
Walker, Courneya und Peng (2006, S. 9-10) untersuchen das Glückspielverhalten von 428 Kanadierinnen mit britischen bzw. chinesischen Wurzeln mithilfe der TPB unter Berücksichtigung injunktiver und deskriptiver Normbotschaften. Erwartungsgemäß wird festgestellt (Walker et al., 2006, S. 12-13, S. 25-26, Anhang Tabelle 2 und 3), dass injunktive Normen nur für männliche chinesische Kanadier signifikant und effektvoll auf die Glückspielabsicht wirken [ß=0.21, p<.10, Gesamtmodell:/2=0.27 (A=86, F=3.59, p<001)], während für männliche britische Kanadier nur deskriptive Normen einen vergleichbaren Einfluss haben [ß=0.25, p<.05, Gesamtmodell-:/2=0.40 (A=103, F=6.57, p<0001)].
Belgiawan, Schmöcker, Abou-Zeid, Walker, Lee, Ettema und Fujii (2014, S. 1234) untersuchen Studentinnen aus den Niederlanden, Japan, den USA, Taiwan, Indonesien, China und dem Libanon im Hinblick auf die Absicht einen Pkw zu erwerben. Neben anderen Determinanten werden auch vier soziale Normen erfasst (Belgiawan et al., 2014, S. 1235-1236). Deskriptive Normen spielen im kollektivistischen China die geringste Rolle, während injunktive Erwartungen in den Niederlanden, einem individualistisch geprägten Land, am schwächsten sind (Belgiawan et al., 2014, S. 1241). Korrelationsanalysen ergeben erwartungsgemäß bei den niederländischen Teilnehmerinnen die effektstärksten signifikant positiven Werte für deskriptive Normen (r=.34,p<.01; Belgiawan et al., 2014, S. 1243, Tabelle 5). Injunktive Normen haben, neben den USA (r=.47,p<.01), in Taiwan (r=.42,p<.01), Japan (r=.25,p<.01) und China (r=.23,p<.01) den effektstärksten signifikanten Einfluss auf die Kaufabsicht.
Aoyagi-Usui, Vinken und Kuribayashi (2003, S. 25, S. 26, Tabelle 1, S. 27) untersuchen Aussagen von Befragten aus den Niederlanden, Japan, Thailand und den Philippinen zu umweltbezogenen Werten mittels Faktoranalyse, um Kategorien zu bilden. Auffällig ist, dass in allen drei asiatischen Ländern pro-ökologische Aussagen der traditionellen oder der altruistischen Kategorie zugeordnet werden (Aoyagi-Usui et al., 2003, S. 27). Regressionsanalysen stellen fest, dass in Japan egoistische Werte signifikant negativ auf naturbezogene Wertvorstellungen wirken (ß=-0.187, p<.001; Aoyagi-Usui et al., 2003, S. 28), während traditionelle Werte positiv signifikant mit pro-ökologischem Gedankengut assoziiert sind (ß=0.137,p<.001). Es zeigt sich ferner, dass in Japan, im Gegensatz zu den Niederlanden, traditionelle und altruistische Wertkategorien, die Erwartungen und das Wohlbefinden anderer in den Vordergrund stellen, positiv und signifikant mit energiesparenden Verhaltensweisen assoziiert sind (Aoyagi-Usui et al., 2003, S. 29, u.a. Tabelle 4).
Miller und Bersoff (1994, S. 594) vergleichen mithilfe eines experimentellen Designs US-Amerikaner und Inder hinduistischer Religionszugehörigkeit in Bezug auf pro-soziales Verhalten, um herauszufinden, inwieweit sich die zwei Gruppen von Reziprozitätserwartungen leiten lassen. Die Forscher stellen u.a. fest, dass die Genugtuung der kollektivistisch geprägten Inder, sich pro-sozial zu verhalten, unabhängig davon ist, ob sie eine zuvor erhaltene Hilfe erwidern oder das Verhalten auch sonst spontan erfolgen würde (Miller & Bersoff, 1994, S. 597, 598, u.a. Tabelle 2). Wie vorhergesagt, tragen Reziprozitätserwartungen signifikant dazu bei, dass Inder pro-soziales Verhalten als wünschenswertbetrachten (Miller & Bersoff, 1994, S. 598-599).
Aufgrund der soeben vorgestellten Ergebnisse wird angenommen, dass SoN bei kollektivistisch geprägten Personen einen größeren Einfluss haben als bei individualistisch geprägten Personen. Aufgrund nur bedingt vergleichbarer Ergebnismaße und schwankender Ergebniswerte im Forschungsstand wird von einem mittleren Moderationseffekt ausgegangen. Ferner wird davon ausgegangen, dass injunktive Normen für kollektivistisch geprägte Individuen eine größere Rolle spielen als deskriptive Normen.
- H8: AuVMW unterscheidet sich zwischen kollektivistisch und individualistisch geprägten Personen. Kollektivistisch geprägte Personen haben ein höheres AuVMW. Dieser „normale“ bedingte Effekt von ikO auf AuVMW ist von mittlerer Stärke (bedingter Einzelvergleich).
- H9: Der Einsatz von sozialen Normbotschaften führt, wenn diese zusammengefasst betrachtet werden (UG 1-3), bei kollektivistischen Personen zu einer höheren AuVMW als bei individualistischen Personen (unbedingter Interaktionseffekt).
- H10: Der Einsatz injunktiver Normen (UG 1) führt bei kollektivistischen Personen zu einer höheren AuVMW als bei individualistischen Personen (bedingter Interaktionseffekt).
- Hll: Der Einsatz deskriptiver Normen (UG 2) führt bei individualistischen Personen zu einer höheren AuVMW als bei kollektivistischen Personen (bedingter Interaktionseffekt).
- H12: Der Wechsel von einer injunktiven Norm (UG 1) zur gleichzeitigen Darbietung beider Normtypen (UG 3) führt bei Individuen mit individualistischer Prägung zu einem stärkeren Anstieg in AuVMW als bei Individuen mit kollektivistischer Prägung (bedingter Interaktionseffekt).
Das zu überprüfende erweiterte16 Regressionsmodell, M5 bezeichnet, beinhaltet SuN, eE, wVK, PN, ikO und SoN sowie Interaktionsterme aus SoN und der individuellen kulturellen Orientierung (ikO), um ihre Wirkung auf AuVMW zu untersuchen. Die Hypothesen orientieren sich an den bereits in Kapitel 3.4.1 vorgestellten Studien. Details zu den Regressionsmodellen sind im Anhang A wiedergegeben.
- H13: Die Aufnahme von Interaktionstermen zwischen SoN und ikO in eine Regression verbessert das A2 adj. des Grundmodells (Moderationsanalyse).
- H14: Bei schrittweiser Hinzufügung aller drei Interaktionsterme [SoN*ikO] zeigt sich, dass, gemessen am R2 adj., die Interaktion [SoNuG3*ikOmetrisch] am stärksten zur Varianzaufkläung in AuVMW beiträgt.
- H15: Nach Hinzufügung aller drei Interaktionsterme zeigt sich, dass die Interaktion [SoNuG3*ikOmetrisch] den größten signifikant Regressionskoeffizienten (fi) aufweist, gefolgt, in absteigender Reihenfolge, von [SoNuGi*ikOmetrisch] und [SoNuG2*ikOmetrisch].
Da die untersuchten Studien keine oder widersprüchliche Hinweise darauf liefern, inwieweit soziodemographische17 Merkmale AuVWM überzufällig beeinflussen, werden mögliche Effekte soziodemographischer Merkmale nicht untersucht. Folglich werden soziodemographische Merkmale auch nicht in den Regressionsmodellen berücksichtigt.
Die Abbildung auf der18 folgenden Seite zeigt das Forschungsmodell mit den untersuchten Variablen, Wirkungsbeziehungen sowie die Quellen derjeweils verwendeten Skalen und Items.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3. Forschungsmodell
Schwerpunkt dieses Abschnitts ist es, die Zielgruppe, die Art der Datenerhebung, die angewandte Intervention sowie die genutzten Messinstrumente vorzustellen.
Im Rahmen der Untersuchung sollen volljährige deutschsprachige Einwohnerinnen der Stadt München und des Landkreises München befragt werden, die über eine gültige Fahrerlaubnis verfügen, Zugriff auf einen Pkw haben und als Fahrerinnen eines Pkw aktiv am MIV teilnehmen.19 Dabei ist es irrelevant, ob die Befragten nur Halter des Fahrzeuges sind, wie bspw. beim Fahrzeugleasing. Auch von Angehörigen überlassene, angemietete oder über Car-Sharing in Anspruch genommene Fahrzeuge sind eingeschlossen. Der Zugriff auf einen Pkw stellt eine zentrale Bedingung dar. Nur wenn dieser gegeben ist, steht dieses Verkehrsmittel, neben anderen, zur freien Auswahl zur Verfügung. Insofern stellt diese Bedingung sicher, dass sich wVK auf alle Verkehrsmittel gleichermaßen beziehen kann. Eine Eingrenzung auf bestimmte Geschlechts- oder Altersgruppen, Bildungsabschlusstypen, einer vorliegenden Erwerbstätigkeit oder der Einkommenshöhe wird nicht vorgenommen. Insofern ist die Zielgruppe damit heterogen und nicht als sehr spezifisch einzuordnen.
Die Primärdaten wurden einmalig mit Hilfe eines Online-Fragebogens (FB) erhoben, bei dem die Zuteilung zur Kontroll- oder Untersuchungsgruppe randomisiert und ohne Zurücklegen erfolgte (Urnenziehung), so dass die Größe der einzelnen Gruppen gleich gehalten werden konnte. Um die Teilnahmequote zu erhöhen, hatten Teilnehmerinnen die Möglichkeit einen von 15 Gutscheinen eines Buchhandelsgeschäfts i.H.v. EUR 20.00 zu gewinnen. Die Auswertung der Ergebnisse eines Pre-Tests des Fragebogens mit sieben Personen führte zur Streichung eines bipolaren Adjektivpaars bei dem semantischen Differenzial des Prädiktors Einstellungen (eE), zu Anpassungen und Kürzungen des Wort- lauts einzelner Items sowie zu Änderungen des Layouts, u.a. im Einleitungsteil. Ein technischer Test des Fragebogens, wie vom Plattformbetreiber empfohlen, wurde auch beanstandungslos durchgeführt.
Im Folgenden werden die Messinstrumente für das Ergebnismaß (Kap. 3.2), die Prä- diktoren (Kap. 3.3) und den Moderator (Kap. 3.4) beschrieben.
Zur Operationalisierung von AuVMW wird das deutschsprachige Messinstrument SEU/3 von Schahn (2000)20 genutzt, welches das Umweltbewusstsein erfasst. Die SEU/3 besteht aus Skalen, die theoretische Konzepte (Einstellungen/E, Selbstberichtetes Verhalten/SV und VerhaltensBereitschaften/VB) und Inhaltsbereiche erfassen (Inhaltsbereich Energie- Sparen/IES, Inhaltsbereich Umweltschonender Verkehr/IUV, Inhaltsbereich Mülltrennung und Recycling/IMR). Für die Überprüfung der Zuverlässigkeit wurde ein Cron- bachs Alpha zwischen .62 und .94, je nach Skala und Stichprobe, errechnet (IUV: .77.78; VB: ,85-.86). Die Wiederholungsreliabilität (rtt) nach durchschnittlich 5 1/2 Wochen liegt zwischen .70 und .90 (IUV: .88; VB: .86). Für alle Skalen konnten signifikante Mittelwertunterschiede zwischen Teilstichproben aus der Allgemeinbevölkerung und aus Umweltschutzgruppen festgestellt werden. Die Skalen korrelierten mit konstruktfernen Skalen nur gering. Zu konstruktnahen Skalen gab es mittlere bis hohe signifikante Korrelationen. Für die Studie sind nur zwei von 12 IUV-Items (Schahn, 2000, S. 10) relevant, die sich auf die VerhaltensBereitschaften (VB) beziehen.
Die zwei Items (IUV-VB-1 und IUV-VB-4) sind diskret-intervallskaliertund erfassen die Antworten auf einer 7-Punkte-Likert-Skala, mit den Polen „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft völlig zu“. Für die geplante Arbeit werden die Namen der Items angepasst (Au- VMW-1 und AuVMW-2). Für die Auswertung werden die Item-Rohwerte aufaddiert und arithmetisch gemittelt. Ein Item muss zuvor umgepolt werden (Schahn, 2000, S. 2, 5-6). Höhere Werte bedeuten bei diesem Item eine geringere AuVMW. Sonst bedeuten höhere Werte eine höhere AuVMW.
- AuVMW-1 (IUV-VB-1): „Auchwenndie öffentlichen Nahverkehrsmittel besser und billiger als das Autofahren wären, 'würde ich das Auto bevorzugen. “ (Negative Schlüsselrichtung) und
- AuVMW-2 (IUV-VB-4): „Ich werde in Zukunft (weiterhin) das Auto stehenlassen, wenn ich stattdessen Busse, Bahnen oder das Fahrrad benutzen kann. “
Die Messinstrumente für drei TPB-Prädiktoren (wVK, SuN, eE; Kap. 2.1), die mit Items aus ausgewählten Studien operationalisiert werden, sind im Folgenden beschrieben.21 Die Items, Gütekriterien sowie Skalen-, Interpretations-, und Auswertungsangaben sind hier ebenfalls wiedergegeben.
Wahrgenommene Verhaltenskontrolle (wVK)
Die Subskala zur Messung der Variablen wVK, die beschreibt, inwieweit sich Subjekte in der Lage sehen, ihre Pkw-Nutzung zu reduzieren oder ihre Verkehrsmittelwahl zu ändern, besteht aus vier Fragen und wird aus Items von Liu et al. (2017, S. 7 und 9), Klöckner und Blöbaum (2010, S. 579-580, Appendix S. 585) sowie Eriksson und Forward (2011,S.374) gebildet.
Von Liu et al. (2017, S. 7) wird eines von drei Items zur Messung von wVK (PBC) übernommen. Diese PBC-Subskala weist hinsichtlich der Reliabilität ein nicht mehr ausreichendes Cronbachs Alpha von .79 auf (Liu et al., 2017, S. 9, Döring & Bortz, 2016, S. 443). Die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV), als Maß für die Konstruktvalidität (Fornell & Larcker, 1981, S. 39-50), für PBC liegt bei 0.70 und ist somit annehmbar. Eine konfirmatorische Faktoranalyse für das gesamte Messmodell liefert belastbare absolute und relative Modellgüteparameter.
Klöckner und Blöbaum (2010, S. 578-579) evaluieren die Vorhersagekraft der TPB und von verschiedenen Kombinationen aus TPB und NAM. Für die zwei genutzten wVK- Items liegt Cronbachs Alpha mit .81 knapp über dem Grenzwert und ist damit zufriedenstellend (Klöckner und Blöbaum, 2010, S. 585, Appendix, Döring & Bortz, 2016, S. 443).
Konfirmatorische Faktoranalysen bestätigen die absolute Messmodellgüte für alle untersuchten Modelle (Klöckner und Blöbaum, 2010, S. 580, Table 2, RMSEA=0.02-0.03, d.h. <0.05, Werner, Schermelleh-Engel, Gerhard & Gäde, 2016, S. 967-968).
Schließlich wird ein Item der PBC-Subskala von Eriksson und Forward (2011, S. 373374) hinzugenommen.
Von Liu et al. (2017, S. 7) wird ein Item übernommen, das mit PBC3 bezeichnet und auf einer 7-Punkte-Likert-Skala mit den Polen „trifft überhaupt nicht zu“ bis „trifft völlig zu“ gemessen wird. Bei dem Item bedeuten höhere Werte eine stärkere wVK in Bezug auf die Absicht ein umweltschonendes Verkehrsmittel zu wählen. Klöckner und Blöbaum (2010, S. 585) verwenden Items, die auch auf einer 7-Punkte-Likert-Skala mit denselben Polen gemessen werden. Beide Items (PBC1 und PBC2) weisen eine negative Schlüsselrichtung auf, die eine Rekodierung erfordert, und bei beiden Items bedeuten höhere Werte eine schwächere wVK in Bezug auf die Absicht sich umweltschonend fortzubewegen. Ferner wird ein siebenstufiges Item der PBC-Subskala von Eriksson und Forward (2011, S. 373-374) hinzugenommen. Das übernommene Item PBC3 hat dieselben Pole wie die vorgenannten drei Items. Auch bei diesem Item bedeuten höhere Werte eine höhere wVK in Bezug auf AuVMW. Zur Auswertung werden die Rohwerte der vier Items aufsummiert und arithmetisch gemittelt. Für die geplante Arbeit werden die vier Items zudem neu benannt:
- wVK-1 (PBC3): „Ich habe ausreichend Zeit und Kraft, um die Einschränkung meiner Pkw-Nutzung zu bewältigen.“
- wVK-2 (PBC1): „Die Umstände zwingen mich,für meine häufigen Fahrten das Auto zu benutzen. “
- wVK-3 (PBC2): „Es wäre schwierig, meine häufigen Fahrten mit umweltschonenden Verkehrsmitteln zu bewältigen.“
- wVK-4 (PBC3): „Es liegt ganz bei mir, ob ichfür meine gewöhnliche Fahrt umweltschonende Verkehrsmittel benutze.“
[...]
1 Erster und zweiter Absatz des Textteils übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
2 Analog Fußnote
3 Erster, zweiter, vierter, sechster und siebter Absatz des Textteils übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
4 Gesamter Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
5 Gesamter Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
6 Analog Fußnote 4
7 Analog Fußnoten 4 und 5
8 Gesamter Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
9 Die nachfolgenden fünf Absätze des Textteils sind aus dem Exposé übernommen, das am 03.08.2020 eingereicht wurde.
10 Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
11 Der erste und zweite Absatz des nachfolgenden Textteils wurden aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde, übernommen. Der Text des zweiten Absatzes wurdejedoch hier erweitert bzw. modifiziert.
12 Der erste und zweite Absatz des nachfolgenden Textteils wurden aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde, übernommen. Der Text beider Absätze wurde jedoch hier erweitert bzw. modifiziert.
13 Textteil nach Kürzungen bei den Hypothesen übernommen aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde.
14 Textteil nach Kürzungen bei den Hypothesen übernommen aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde.
15 Textteil nach Kürzungen bei den Hypothesen übernommen aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde.
16 Textteil nach Kürzung bei den Hypothesen übernommen aus dem Exposé, das am 03.08.2020 eingereicht wurde.
17 Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
18 Abbildung in leicht angepasster Form übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020.
19 Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020, dann jedoch erweitert.
20 Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020, dann jedoch leicht angepasst.
21 Textteil übernommen aus dem Exposé, eingereicht am 03.08.2020. Danach wurdenjedoch Anpassungen im Absatz „Explizite Einstellungen (eE) “ vorgenommen.