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Masterarbeit, 2022
89 Seiten, Note: 1,0
Medien / Kommunikation - Public Relations, Werbung, Marketing, Social Media
Abstract
Zusammenfassung
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Grüne Werbung
2.1.1 Definition: Grüne Werbung
2.1.2 Entwicklung und Verbreitung grüner Werbung
2.1.3 Greenwashing und seine Folgen
2.1.4 Glaubwürdigkeit: Definition und Theorien
2.1.5 Glaubwürdigkeit grüner Werbung
2.1.6 Grüne Werbung im Kontext von Social Media
2.2 Der Bandwagon-Effekt
2.2.1 Definition: Bandwagon-Effekt
2.2.2 Der Bandwagon-Effekt und die Glaubwürdigkeit von Online-Inhalten
3 Hypothesen
3.1 Nutzerkommentare und die Glaubwürdigkeit grüner Werbung
3.2 Der mediierende Effekt des wahrgenommenen Greenwashings
3.3 Der moderierende Effekt des Informationsgehaltes der Anzeige
3.4 Der moderierende Effekt der Umwelteinstellung
4 Methode
4.1 Stichprobe
4.2 Material
4.2.1 Auswahl und Beschreibung des Stimulusmaterials
4.2.2 Die Glaubwürdigkeit der Anzeige
4.2.3 Das wahrgenommene Greenwashing
4.2.4 Die Umwelteinstellung
4.3 Versuchsablauf
4.4 Datenaufarbeitung
4.4.1 Reliabilitätsanalysen und Indexbildung
4.4.2 Experiment
5 Deskriptive Statistik
5.1 Stichprobe
5.2 Mittelwerte und Korrelationen
5.3 Manipulationscheck
6 Ergebnisse
6.1 Auswertung der Hypothesen
6.2 Auswertung des Gesamtmodells
6.3 Weiterführende Ergebnisse
7 Diskussion
7.1 Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
7.2 Limitationen und Implikationen für künftige Forschungen
7.3 Praktische Implikationen
8 Fazit und Ausblick
9 Literaturverzeichnis
10 Anhang
10.1 Anhang A: Umwelteinstellung - 2-MEV-Model nach Bogner & Wiseman (2006)
10.2 Anhang B: Fragebogen via SoSci Survey
10.3 Anhang C: Ergebnisse der Poweranalyse via G*Power
This master thesis investigates the effects of user comments on social media on green ad credibility. Further, it analyses the role of perceived greenwash, ad information utility and users’ attitude toward environmental issues. On the basis of theoretical assumptions, an online-experiment with a 2 x 2 factorial between subjects design was conducted. The results show a direct effect of users’ comments on ad credibility. Contrary to the assumptions the effect is not mediated by perceived greenwash. Besides, no moderating effects of ad information utility and attitude toward environmental issues could be found. Beyond that, results show a direct effect of ad information utility on ad credibility. This effect indeed was partial mediated through perceived greenwash. Furthermore, a moderating effect of users’ attitude toward environment was found. Therefore, according to the assumptions of the elaboration likelihood model by Petty and Cacioppo (1986), high information utility in green ads leads to higher ad credibility only for users with a strong positive attitude towards environmental issues. For users with a moderate attitude towards environmental issues no effects of ad information utility on ad credibility could be found. These findings indicate the central role of context specific factors when it comes to green ad credibility. Moreover, they provide important implications for marketers and further researches.
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit der Wirkung von Nutzerkommentaren auf die Glaubwürdigkeit grüner Werbung auf Social Media. Dabei wird ferner auch die Rolle des wahrgenommenen Greenwashings, des Informationsgehaltes der Anzeige sowie der Umwelteinstellung der Rezipient:innen untersucht. Auf Basis theoretischer Annahmen wurde ein Online-Experiment mit einem 2 x 2 faktoriellen between-subjects Design durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen einen direkten Effekt der Nutzerkommentare auf die Glaubwürdigkeit der Anzeige. Entgegen der Annahmen wird der Effekt nicht durch wahrgenommenes Greenwashing mediiert. Ebenso konnten keine isolierten Moderationseffekte des Informationsgehaltes der Anzeige und der Umwelteinstellung der Rezipient:innen gefunden werden. Jedoch zeigen die Ergebnisse, über die hypothetischen Annahmen hinaus, einen direkten positiven Effekt des Informationsgehaltes auf die Glaubwürdigkeit der Anzeige, der partiell durch das wahrgenommene Greenwashing mediiert wird. Der direkte Effekt ist jedoch bedingt durch die Umwelteinstellung der Rezipient:innen. So zeigt sich gemäß der Annahmen des Elaboration Likelihood Models (Petty & Cacioppo, 1986), dass ein hoher Informationsgehalt lediglich bei Rezipient:innen mit starker Umwelteinstellung zu einer höheren Glaubwürdigkeit der Anzeige führen, nicht aber bei Rezipeint:innen mit moderater Umwelteinstellung. Diese Forschungsergebnisse verdeutlichen die hohe Kontextabhängigkeit der Glaubwürdigkeit grüner Werbung und bieten wichtige Implikationen für Werbetreibende sowie künftige Forschungen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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Die in den 1970er Jahren erstmals starke mediale Aufmerksamkeit für den Klimawandel führte zu einem Anstieg des gesellschaftlichen Umweltbewusstseins (Schmidt & Donsbach, 2012). Damit einher ging eine Umweltbewegung, die von Banerjee und Kolleg:innen (1995) als eine der wichtigsten sozialen Bewegungen der jüngeren Geschichte bezeichnet wurde. Infolgedessen kam es unter Konsument:innen zu einer vermehrten Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte bei der Kaufentscheidung (Schmidt & Donsbach, 2012). Um auf dem Wirtschaftsmarkt bestehen und dem medialen und gesellschaftlichen Druck standhalten zu können, entwickelte sich daraus ein zunehmendes Interesse von Werbetreibenden für grüne Marketingstrategien (Schmidt & Donsbach, 2012). Wonneberger und Matthes (2016) stellen jedoch fest, dass grüne Werbung nur geringe Erfolge erzielt. Die Forscher:innen sehen eine denkbare Ursache in der Zunahme irreführender grüner Werbung, was auch als Greenwashing bezeichnet wird (Wonneberger & Matthes, 2016). Denn nicht alle Unternehmen halten ihr Werbeversprechen bezüglich der Nachhaltigkeit ihrer Produkte ein und stellen sich damit, mit dem Ziel der Profitmaximierung, als umweltfreundlicher dar als sie es tatsächlich sind. Die Verwendung solcher Greenwashing-Strategien seitens der Werbetreibenden ist weit verbreitet und nimmt weiter zu (TerraChoice, 2010). Dabei können die Strategien verschiedene Züge und Ausprägungen annehmen und sind von Konsument:innen oftmals nicht sofort zu erkennen (Schmuck et al., 2018). Dennoch gehen Werbetreibende durch eine solch irreführende grüne Werbung ein hohes Risiko ein, da eine als Greenwashing wahrgenommene Anzeige zu weitreichenden negativen Folgen für das Unternehmen führt (Newell et al., 1998; Chen & Chang, 2013). So könnte die Glaubwürdigkeit der Anzeige sinken, wodurch Konsument:innen folglich das Vertrauen in Werbetreibende verlieren (Newell et al., 1998; Chen & Chang, 2013) und die Kaufabsicht abnimmt (La Ferle & Choi, 2005; Bickart & Ruth, 2012), was dann letztlich in sinkenden Verkaufszahlen resultieren könnte. Zudem könnten Konsuemnt:innen generell skeptischer bezüglich des Wahrheitsgehaltes grüner Werbung werden, sodass die Glaubwürdigkeit solcher Werbeanzeigen im Allgemeinen sinkt (Petty et al., 1994; Bickart & Ruth, 2012; Do Paco & Reis, 2012). Glaubwürdigkeit gilt dabei als maßgeblicher Erfolgsindikator für Werbung, denn sie beeinflusst zahlreiche verkaufsrelevante Faktoren (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005). Für Unternehmen ist es also von zentraler Bedeutung grüne Werbung für Konsument:innen glaubwürdig zu gestalten und das wahrgenommene Greenwashing zu verhindern.
Mit der Zunahme grüner Werbung und des Vorwurfs des Greenwashings wurden auch Forschende auf diesen Trend aufmerksam. Seither werden einerseits die Strategien irreführender grüner Werbung kategorisiert und andererseits die Wirkung auf die Konsument:innen untersucht. Dabei wurde deutlich, dass das wahrgenommene Greenwashing und folglich die Glaubwürdigkeit grüner Werbung von einer Reihe von personalen und kontextuellen Faktoren abhängig ist (Matthes & Wonneberger, 2014; Matthes et al., 2014). Die empirischen Befunde hierzu sind jedoch nicht eindeutig und teilweise sogar widersprüchlich, was die Notwendigkeit weiterer Forschungen verdeutlicht. Gemäß theoretischer Annahmen und einiger Forschungsbefunde sollten jedoch insbesondere der wahrgenommene Informationsgehalt von Anzeigen sowie das grüne Involvement von Konsument:innen, das mit einer starken Einstellung gegenüber der Umwelt einhergeht, von zentraler Bedeutung sein (Matthes & Wonneberger, 2014; Matthes et al., 2014).
Darüber hinaus wurde im Rahmen der Werbeforschung bisher kaum beachtet, dass grüne Werbung im letzten Jahrzehnt zunehmend auch auf diversen Social-Media-Plattformen präsentiert wird. Im Unterschied zu Print- oder Fernsehwerbung findet dort ein interpersonaler Austausch unter Nutzer:innen statt, die ihre Meinung zur Werbung durch die Kommentar- oder Like-Funktion direkt öffentlich wiedergeben. Daraus kann wiederum ein sogenannter Bandwagon-Effekt resultieren, wonach Rezipierende die in den Kommentaren enthaltenen Informationen nutzen, um daraus ein Glaubwürdigkeitsurteil zu bilden (Sundar, 2008). Dabei könnte sich die Meinung der Rezipient:innen in Richtung der vorherrschenden Meinung innerhalb der Nutzerkommentare ändern (Lee et al., 2022). Befinden sich in den Kommentaren Hinweise auf Greenwashing, birgt das die Gefahr, dass Rezipient:innen diese Meinung - unabhängig vom tatsächlichen Wahrheitsgehalt der Anzeige - übernehmen, was sich wiederum negativ auf die Glaubwürdigkeitseinschätzung der gesamten Anzeige auswirken könnte. Konkrete Forschungsergebnisse hierzu gibt es bisher allerdings nicht. Jedoch zeigen erste Befunde, dass sich der Bandwagon-Effekt auf die Kaufabsicht von Konsument:innen auswirkt (Ai et al., 2020). Dabei ist auch der Bandwagon-Effekt abhängig von einer Reihe von Faktoren. Forschungsbefunde legen nahe, dass Nutzer:innen insbesondere dann auf die Informationen der Nutzerkommentare zurückgreifen, wenn der Informationsgehalt der rezipierten Inhalte nicht ausreicht, um deren Qualität zu beurteilen (Xu & Fu, 2014; Ai et al., 2020). Darüber hinaus sollten vor allem weniger involvierte Rezipient:innen auf die Informationen der Nutzerkommentare zurückgreifen, da dies eine Urteilsbildung vereinfacht (Petty & Cacioppo, 1986).
Aufgrund der eben beschriebenen Forschungslücken sollen in dieser Arbeit das wahrgenommene Greenwashing und die Glaubwürdigkeit von grünen Werbeanzeigen auf Social Media unter der Wirkung von Nutzerkommentaren untersucht werden. Da sowohl im Kontext grüner Werbung als auch im Hinblick auf den Bandwagon-Effekt der Informationsgehalt der Anzeige und die Umwelteinstellung der Rezipient:innen eine zentrale Rolle einnehmen, sollen auch diese beiden Faktoren in die Untersuchung mitaufgenommen werden. Daraus ergibt sich folgende Forschungsfrage: Wie wirken sich Nutzerkommentare auf Social Media auf das wahrgenommene Greenwashing und die Glaubwürdigkeit grüner Werbung aus und welche Rolle spielt dabei der Informationsgehalt der Anzeige sowie die Umwelteinstellung der Rezipient:innen?
Für die Beantwortung der Forschungsfrage werden zunächst einmal der theoretische Hintergrund und zentrale empirische Befunde dargestellt. Beginnend mit einer Definition von grüner Werbung sowie ihrer Entwicklung und Verbreitung werden nachfolgend die damit einhergehende Zunahme irreführender grüner Werbung und daraus resultierende Folgen beschrieben. Daraus wird das Konstrukt der Glaubwürdigkeit abgeleitet und erläutert. Der Fokus liegt dabei auf der Glaubwürdigkeit grüner Werbung, insbesondere im Kontext von Social Media. Der interaktive Charakter sozialer Medien schafft daraufhin die Überleitung zum Bandwagon-Effekt. Nach einer Definition und Beschreibung der zugrundeliegenden Wirkmechanismen des Bandwagon-Effektes werden die dazugehörigen empirischen Forschungsbefunde im Kontext von Nutzerkommentaren sowie der Glaubwürdigkeit von Online-Inhalten beschrieben. Schließlich werden aus den theoretischen Annahmen und empirischen Befunden zur grünen Werbung und zum Bandwagon-Effekt die für diese Arbeit zentralen Hypothesen abgeleitet. Im darauffolgenden Kapitel wird die Methode zur Testung der Hypothesen dargestellt. Hierfür werden zunächst neben der Stichprobe das Stimulus-Material für die experimentelle Variation sowie die verwendeten Fragebögen beschrieben. Im Anschluss wird der Versuchsablauf und die Datenaufarbeitung erläutert. Schließlich werden sowohl die deskriptiven als auch inferenzstatistischen Ergebnisse der Hypothesentestung berichtet. Mit der darauffolgenden Diskussion der Ergebnisse wird die Forschungsfrage erneut aufgegriffen und beantwortet. Nach der Darlegung der forschungsrelevanten und praktischen Implikationen sowie Limitationen der Ergebnisse, wird diese Arbeit mit einem kurzen Fazit und Ausblick abgeschlossen.
Im folgenden Kapitel werden alle für die Arbeit relevanten Theorien, Definitionen, Forschungsergebnisse und ihre Lücken sowie die daraus abgeleiteten Hypothesen beschrieben. Der Fokus liegt dabei auf den Themen grüne Werbung, Greenwashing und Glaubwürdigkeit von Anzeigen - insbesondere im Kontext von sozialen Medien - sowie auf dem Bandwagon-Effekt im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Online-Inhalten und grünen Werbeanzeigen.
Das gesteigerte gesellschaftliche Umweltbewusstsein führt zu einem veränderten Konsumverhalten und damit einhergehend zur Forderung von Konsument:innen nach mehr Nachhaltigkeit seitens der Unternehmen (Schmidt & Donsbach, 2012). Unternehmen wiederum passen sich den Bedürfnissen und Wünschen der Konsument:innen an, um weiterhin erfolgreich auf dem Wirtschaftsmarkt bestehen zu können (Schmidt & Donsbach 2012). Als Antwort auf das neue grüne Kaufverhalten nutzen Unternehmen Werbung als Kommunikationsmittel, um ihre grünen Produkte zu vermarkten und ein nachhaltiges Unternehmensimage zu vermitteln (Schmidt & Donsbach 2012). Nachfolgend wird zunächst beschrieben wie diese grüne Werbung definiert wird und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt und verbreitet hat. Anschließend werden die mit der Verbreitung einhergehenden irreführenden grünen Werbestrategien beschrieben und wie sich diese auf die Glaubwürdigkeit grüner Werbung auswirken. Schließlich wird die Glaubwürdigkeit grüner Werbung im Kontext von Social Media und dem damit verbundenen interaktiven Charakter erläutert.
Bereits in den 90er Jahren gab es erste Studien, die Schemata zur Charakterisierung grüner Werbung entwarfen. Nach Banerjee et al. (1995) beispielsweise muss grüne Werbung entweder 1) das Produkt in Zusammenhang zur natürlichen Umwelt stellen, 2) einen ökologischen Lebensstil bewerben oder 3) ein Unternehmensimage mit hoher Verantwortung der Umwelt gegenüber präsentieren. Schmidt und Donsbach (2012) definieren grüne Werbung in Folge dessen als „…jedes Werbemittel, das direkt oder indirekt die Botschaft platziert, dass sich das Beworbene positiv auf den Erhalt der Umwelt auswirkt“ (Schmidt & Donsbach, 2012, S. 77). Dabei beziehen sich die Werbebotschaften auf die Umweltfreundlichkeit des Produktes selbst, die Dienstleistungen und Prozesse im Unternehmen oder unternehmensunabhängige Maßnahmen, wie Spendenaktionen (Schmidt & Donsbach, 2012).
Es steht außer Frage, dass grüne Werbung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Auch unabhängig von wissenschaftlichen Studien lässt sich grüne Werbung immer häufiger in Supermärkten, Zeitschriften, auf Werbeplakaten oder im Internet auffinden.
Die erste Längsschnittstudie zur Frequenz grüner Werbung wurde im Jahr 1996 von Easterling, Kenworthy und Nemzoff durchgeführt. Die Autor:innen analysierten drei US-amerikanischen Magazine über eine Zeitspanne von 25 Jahren innerhalb der Jahre 1969 bis 1994. Sie konnten Anfang der 70er Jahre zunächst einen starken Anstieg grüner Werbung verzeichnen. Ab der 80er Jahre kam es jedoch zu einer rapiden Abnahme, gefolgt von einer erneuten Zunahme in den 90er Jahren (Easterling et al., 1996). Diese Fluktuationen führen die Autor:innen auf gesellschaftliche Entwicklungen und politische Rahmenbedingungen zurück, darunter auch die verstärkte öffentliche Aufmerksamkeit für den Klimawandel. Ahern et al. (2012) konnten zudem verzeichnen, dass die Frequenz grüner Werbung insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen Aufschwungs zunimmt.
Die erste Studie in der Deutschland mit inbegriffen war stammt von Schmidt und Donsbach (2012). Dabei handelt es sich um eine deutschbritische Längsschnittstudie, im Zuge welcher die Autor:innen im Zeitraum von 1993 bis 2009 insgesamt 368 grüne Werbeanzeigen, unter anderem aus den Zeitschriften Spiegel und Focus, analysierten. Die Ergebnisse zeigten, dass es auch in Deutschland zeitweise Fluktuationen in der Frequenz grüner Werbung gab (Schmidt & Donsbach, 2012). Dennoch konnten die Autor:innen eine deutliche Zunahme beobachten. So hat sich der Anteil grüner Werbung an der Gesamtwerbung im Zeitraum von 1993 bis 2009 fast verdoppelt (Schmidt & Donsbach, 2012). Schmidt und Donsbach (2012) fanden in ihrer Studie jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Zunahme grüner Werbung und einem ökonomischen Aufschwung. Die Autor:innen führen die Frequenzsteigerung grüner Werbung stattdessen lediglich auf das gesteigerte Umweltbewusstsein der Gesellschaft zurück.
Ein weiterer Anstieg grüner Werbung wurde insbesondere in den letzten Jahren zunehmend erkennbar. Es lässt sich beobachten, dass nahezu ausnahmslos jedes bekannte Unternehmen in irgendeiner Form mit Nachhaltigkeit und Umweltschutz wirbt. Zur Frequenz grüner Werbung in den vergangenen zehn Jahren gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Statistiken. Darüber hinaus wurde die Frequenz grüner Werbung bis auf einige wenige Ausnahmen lediglich in Printmedien analysiert. Mit dem exponentiellen Wachstum digitaler Medien gewinnt jedoch das World Wide Web für werbende Unternehmen immer mehr an Bedeutung. Schon im Jahr 2009 machten mehr als dreiviertel der 500 größten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen Angaben auf ihrer Website zu ihrer Umwelt- und Sozialpolitik (Alves, 2009). Es lässt sich beobachten, dass immer mehr Unternehmen das Internet für die Vermarktung ihrer Produkte verwenden und dabei insbesondere soziale Medien als Werbefläche für sich entdecken.
Obwohl grüne Werbung per Definition immer die Botschaft platziert, dass das beworbene Produkt umweltfreundlich ist, muss dies nicht zwangsläufig der Wahrheit entsprechen. Durch die starke Zunahme grüner Werbung in den letzten Jahrzehnten kommt in der Praxis oftmals sogenanntes Greenwashing zum Einsatz (Schmidt & Donsbach, 2012). Die englische Wortschöpfung Greenwashing setzt sich dabei aus den Worten green als Sinnbild für Natur und Umweltfreundlichkeit und wash im Sinne von sich reinwaschen zusammen und wird auch im deutschsprachigen Raum weitläufig verwendet. Greenwashing bezeichnet dabei die Irreführung von Konsumierenden bezüglich der ökologischen Vorteile von Produkten und Dienstleistungen, mit dem Ziel das Unternehmen umweltfreundlicher wirken zu lassen als es tatsächlich ist (Parguel et al., 2015). Die Strategien dieser Irreführung wurden bereits von einigen Forscher:innen und Autor:innen diskutiert und charakterisiert. Es gibt jedoch keine einheitliche Definition, die festlegt, wann es sich um Greenwashing handelt und wann nicht. Kangun und Kolleg:innen (1991) schlagen vor, Greenwashing in drei Kategorien aufzuteilen. Darunter fallen 1) vage oder mehrdeutige Aussagen, 2) das Auslassen wichtiger Informationen und 3) falsche Behauptungen. Die Greenwashing-Strategien nach TerraChoice (2010) sind dagegen deutlich umfangreicher. Nach ihrem Konzept der „Seven Sins of Greenwashing“ gehören zu den Greenwashing-Methoden neben den drei von Kangun et al. (1991) genannten Strategien noch vier weitere. Dazu gehören 1) nicht überprüfbare Aussagen, 2) irrelevante Aussagen, 3) die Betonung des geringeren Übels und 4) die Nutzung falscher Siegel (TerraChoice, 2010). Jedoch ist hinzuzufügen, dass nicht jede dieser Greenwashing-Strategien von Konsument:innen auch gleichermaßen als solche erkannt werden (Schmuck et al., 2018). Zudem wurde die Wirkung einiger der sieben Strategien in der bisherigen Forschung vernachlässigt, was aber für ein umfangreiches Verständnis irreführender grüner Werbung und ihrer Wirkung notwendig erscheint.
Es existieren bereits einige Studien, die die Häufigkeit von Greenwashing in grüner Werbung analysierten. So zeigten TerraChoice im Jahr 2010, dass 95% der US-amerikanischen Produktclaims mindestens eine der „Seven Sins of Greenwashing“ enthalten (TerraChoice, 2010). Baum (2012) kam zu einem etwas weniger drastischen Ergebnis und stellte fest, dass im Jahr 2008 in 75% aller untersuchten Werbeanzeigen in zehn US-amerikanischen Zeitschriften mindestens eine Greenwashing-Strategie enthalten war, wobei es sich mit rund 57% meist um mehrdeutige oder vage Werbebotschaften handelte. Auch Kangun et al. (1991) stellten fest, dass vage oder mehrdeutige Aussagen am häufigsten vorkommen, gefolgt von ausgelassenen Informationen. Anhand der teils unterschiedlichen Ergebnisse wird jedoch deutlich, dass Forschende verschiedene Operationalisierungen von grüner Werbung und insbesondere von Greenwashing verwenden. Dies erschwert die Interpretation und Vergleiche dieser Befunde.
Die Folgen irreführender grüner Werbestrategien können für Unternehmen verheerend sein. Denn sollten die falschen Werbeversprechen aufgedeckt werden, muss das betroffene Unternehmen mit einem Imageverlust rechnen (Schmidt & Donsbach, 2012; Scholz, 2018). Doch nicht nur Unternehmen, die bewusst Greenwashing betreiben riskieren negative Konsequenzen. Denn es ist nebensächlich, ob eine grüne Werbeanzeige tatsächlich Greenwashing enthält oder vom Konsumierenden lediglich als Greenwashing wahrgenommen wird (Newell et al., 1998; Chen & Chang, 2013). Konsument:innen könnten die Glaubwürdigkeit grüner Werbung zudem generell in Frage stellen, selbst dann, wenn diese keine falschen Werbeversprechen enthält (Petty et al., 1994). Durch das wahrgenommene Greenwashing kommt es zur Verwirrung seitens der Konsumierenden, was wiederum das Vertrauen in grüne Produkte und die Werbetreibenden senkt (Chen & Chang, 2013). Eine Studie von Newell und Kolleg:innen (1998) legte ähnliche Ergebnisse dar. Die Forschenden zeigten, dass wahrgenommenes Greenwashing in grüner Werbung einen negativen Einfluss auf zahlreiche Variablen hat. Dazu gehören: Die Einstellung gegenüber der Werbung und dem werbenden Unternehmen, die Glaubwürdigkeit des Unternehmens und die Kaufintention. Auch eine aktuellere Studie von Schmuck, Matthes und Naderer aus dem Jahr 2018 legte dar, dass wahrgenommenes Greenwashing in Anzeigen zu einer negativen Einstellung gegenüber der Anzeige und der Marke führen. Dabei spielt die Glaubwürdigkeit der Anzeige eine zentrale Rolle, denn sie gilt als Prädiktor für die Einstellungsbildung gegenüber der Anzeige sowie andere verkaufsrelevante Faktoren und somit letztendlich auch für den Erfolg eines Unternehmens (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005).
Glaubwürdigkeit gilt in der Werbewirkungsforschung als zentrales Konstrukt, denn sie stellt, wie bereits erwähnt, einen maßgeblichen Erfolgsindikator dar (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005). Eisend (2003) definiert Glaubwürdigkeit als ein „…mehrdimensionales Konstrukt zur Beurteilung einer Kommunikationsquelle durch den Empfänger einer Information“ (S.64). Die Glaubwürdigkeit besteht dabei nach Eisend (2003) vor allem aus den Dimensionen Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit und unterliegt immer der subjektiven Wahrnehmung der Empfänger:innen der Information. Sie ist abhängig von diversen Prädiktoren und kontextuellen Bedingungen und beeinflusst gleichzeitig zahlreiche Variablen und letztlich auch das Verhalten (Eisend, 2003). Ein Glaubwürdigkeitsurteil setzt dabei immer eine Unsicherheit beim Empfänger voraus und ist besonders dann notwendig, wenn keine objektiven Beweise oder kein Wissen über die zu beurteilende Information vorliegen (Eisend 2003). Im Kontext von Werbung definieren MacKenzie und Lutz (1989) die Glaubwürdigkeit von Anzeigen als das Ausmaß, indem Werbebotschaften von Konsument:innen als wahr und vertrauenswürdig wahrgenommen werden.
Zur Erklärung von Glaubwürdigkeitsurteilen wird oftmals das Elaboration Likelihood Model (ELM) nach Petty und Cacioppo (1986) verwendet. Gemäß des ELM existieren zwei Wege der Informationsverarbeitung von persuasiven Botschaften. Darunter fallen die zentrale und die periphere Route. Sind die Empfänger:innen einer Information besonders motiviert die Informationen intensiv zu evaluieren, beispielsweise durch ein hohes Involvement bezüglich des Themas der Information, kommt es zu einer zentralen Verarbeitungsroute (Petty & Cacioppo, 1986). Dieser Verarbeitungsweg ist aufwändiger als der periphere Weg, da alle vorliegenden Informationen und Argumentationen für die Entscheidungsfindung herangezogen und die Qualität dieser intensiv abgewägt werden (Petty & Cacioppo, 1986). Dagegen wählen weniger motivierte oder schwächer involvierte Personen sowie Personen mit geringen kognitiven Kapazitäten nach Petty und Cacioppo (1986) den peripheren Verarbeitungsweg. Dabei spielt die Qualität der Argumente eine untergeordnete Rolle. In einem solche Fall werden vor allem Stimmungen oder Hinweisreize, wie beispielsweise die Anzahl der Argumente zur Entscheidungsfindung herangezogen und die Inhalte der rezipierten Botschaft nur oberflächlich betrachtet (Petty & Cacioppo, 1986). Die Glaubwürdigkeit einer Information wird dann also ohne eine intensive Auseinandersetzung mit dieser beurteilt.
Eine ähnliche Erklärung bietet das Heuristisch-Systematische Modell nach Chaiken (1980). Auch hier gibt es zwei Wege der Informationsverarbeitung von persuasiven Botschaften. Bei geringer Motivation oder kognitiven Verarbeitungskapazitäten kommt es zur heuristischen Verarbeitung (Chaiken, 1980), die mit der peripheren Route des ELM vergleichbar ist. Dabei werden nach Chaiken (1980) sogenannte Heuristiken zur Entscheidungsfindung herangezogen. Gemeint sind damit erlernte Wissensstrukturen und Erfahrungen, die leicht abrufbar sind und durch bestimmte Hinweisreise angeregt werden. Eine hohe Motivation und Kapazität dagegen führen laut (Chaiken (1980) zu einer systematischen Verarbeitung, die wiederum der tiefergehenden zentralen Route des ELM ähnelt. Diese führt wieder zu einer kritischen Prüfung aller zugänglichen und relevanten Informationen (Chaiken, 1980) um daraus ein Glaubwürdigkeitsurteil zu bilden.
Wonneberger und Matthes (2016) stellen fest, dass grüne Werbung trotz hohem Umweltbewusstsein der Konsument:innen nur geringe Erfolge erzielt. Die Autor:innen sehen eine denkbare Ursache in einer geringen Glaubwürdigkeit grüner Werbung, die auf Greenwashing zurückzuführen ist. Zahlreiche weitere Studien betonen dabei einen zunehmenden Werbeskeptizismus gegenüber grünen Anzeigen (Bickart & Ruth, 2012; Do Paco & Reis, 2012). Werbe-skeptizismus meint dabei eine Konsumenteneigenschaft, die mit der Tendenz einhergeht rezipierte Werbeclaims als unglaubwürdig einzuschätzen (Obermiller & Spangenberg, 1998). Eine als gering wahrgenommene Glaubwürdigkeit grüner Werbeanzeigen führt jedoch zu einer negativen Einstellung gegenüber der Anzeige und dem werbenden Unternehmen (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005) und infolgedessen zu einer geringeren Kaufintention der Konsument:innen (La Ferle & Choi, 2005; Bickart & Ruth, 2012. Für Unternehmen ist es also von zentraler Bedeutung wahrgenommenes Greenwashing in ihren grünen Werbeanzeigen zu verhindern, damit die Glaubwürdigkeit der Werbung wieder steigt.
Forscher:innen sind sich dennoch uneinig darüber, ob ein genereller Skeptizismus gegenüber grünen Werbeanzeigen vorherrscht oder, ob der Skeptizismus in Abhängigkeit von kontextuellen Bedingungen der Anzeige sowie psychographischen Eigenschaften der Konsument:innen auftritt. Die Befunde hierzu sind diffus und teilweise widersprüchlich. Dennoch zeichnet sich ein erstes Bild ab, wonach insbesondere der Informationsgehalt der Anzeige und das grüne Involvement der Konsument:innen eine zentrale Rolle für die Glaubwürdigkeitseinschätzung spielen (Matthes & Wonneberger, 2014; Matthes et al., 2014). Personen, die ein hohes grünes Involvement aufweisen, sind dabei nach Matthes et al. (2014) gekennzeichnet durch ein hohes Umweltbewusstsein, eine positive Einstellung gegenüber grünen Produkten und ein grünes Kaufverhalten. Jedoch werden in anderen Studien auch davon abweichende Operationalisierungen verwendet. Im Fokus steht jedoch immer eine starke Einstellung gegenüber der Umwelt.
Mitte der 90er Jahre rückte innerhalb der grünen Werbeforschung erstmals die Theorie des skeptischen grünen Konsumierenden, der nur schwer durch Werbung erreichbar ist, in den Fokus. Zurückzuführen ist diese Annahme auf Shrum und Kolleg:innen (1995), die infolgedessen von einem erstzunehmenden Dilemma für Werbetreibende sprechen, da in der grünen Werbeforschung grüne bzw. involvierte Konsument:innen als Zielgruppe der Werbetreibenden gelten. Viele Autor:innen integrierten daraufhin das Bild der skeptischen Konsument:innen in ihre Forschungsarbeiten, ohne diese Annahme weiter zu hinterfragen. Matthes und Wonneberger (2014) nahmen erstmals direkten Bezug zu Shrums et al. (1995) Annahme und stellten dabei fest, dass die Forscher:innen nicht die notwendige Differenzierung zwischen grüner und allgemeiner Werbung vornahmen. Darüber hinaus kamen sie, entgegen der Annahme von Shrum et al. (1995), zu dem Ergebnis, dass involvierte und somit grüne Konsument:innen weniger skeptisch gegenüber grüner Werbung sind als nicht involvierte Konsument:innen (Matthes & Wonneberger, 2014). Tucker und Kolleg:innen (2012) kamen in ihrer experimentellen Studie zu einem vergleichbaren Ergebnis. Matthes und Wonneberger (2014) begründen die zu Shrum et al (1995) abweichenden Ergebnisse auch darin, dass sich der Informationsgehalt von grünen Werbeanzeigen in den vergangenen Jahrzehnten stark erhöht hat. Dieser allgemein hohe Informationsgehalt grüner Werbeanzeigen bietet grünen Konsument:innen wichtige Informationen für ihre Kaufentscheidungen (Matthes & Wonneberger, 2014). Dabei führt der hohe Informationsgehalt grüner Werbung, nicht jedoch der emotionale und visuelle Gehalt, zu einer weniger kritischen Beurteilung der Werbung und somit zur Verringerung des Werbeskeptizismus und einer höheren Glaubwürdigkeitseinschätzung (Matthes & Wonneberger, 2014). Matthes und Wonneberger (2014) heben zudem hervor, dass dieses Ergebnis im Einklang mit den Annahmen des Elaboration Likelihood Models (Petty & Cacioppo, 1986) ist. Demnach sind grüne und somit involvierte Konsument:innen motiviert die dargebotenen Informationen zentral und damit aufwändiger zu verarbeiten, wohingegen schwächer involvierte Personen eine weniger aufwändige Verarbeitungsweise wählen und somit eher den emotionalen Gehalt der Webeanzeige, wie zum Beispiel Naturbilder, zur Bewertung dieser heranziehen (Matthes & Wonneberger, 2014). Auch Magnier und Schoormans (2015) konnten einen solchen Befund replizieren.
Geht man nach den klassischen Annahmen zur Charakterisierung von Greenwashing von Kangun et al. (1991) beispielsweise, sollten vor allem solche Anzeigen als Greenwashing empfunden werden, die vage bzw. mehrdeutige, ausgelassene oder falsche Informationen enthalten. Dies ist im Einklang mit den Ergebnissen von Matthes und Wonneberger (2014), da ein geringer Informationsgehalt somit tendenziell mit der Auslassung wichtiger Informationen einhergeht und den grünen Werbeslogan vage und mehrdeutig wirken lässt. Konsument:innen schätzen die Werbung infolgedessen als unglaubwürdig ein (Matthes & Wonneberger, 2014). Jedoch existieren auch Studien, die ein hiervon abweichendes Bild aufzeigen. So zeigen Schmuck und Kolleg:innen (2018), dass lediglich Falschaussagen das wahrgenommene Greenwashing in der Anzeige erhöhen, vage und damit tendenziell informationsarme Werbebotschaften jedoch nicht - selbst dann nicht, wenn Konsument:innen ein ausgeprägtes Umweltwissen oder ein hohes Umweltbewusstsein besitzen.
Eine weitere Studie von Matthes und Kolleg:innen (2014) zeigte dagegen erneut, dass text-basierte Werbung mit einem hohen Informationsgehalt von involvierten Konsument:innen positiver bewertet wird als von weniger involvierten Konsument:innen. Jedoch wurden emotionale Anzeigen, die Naturbilder enthielten und einen niedrigen Informationsgehalt aufwiesen sowohl von involvierten als auch von nicht involvierten Konsument:innen als glaubwürdig bewertet, was den Annahmen des ELM tendenziell widerspricht. Am glaubwürdigsten waren jedoch Anzeigen, die beide Aspekte kombinierten (Mattes et al., 2014). Hartmann und Apaolaza-Ibáñez (2009) dagegen berichteten, dass visuelle Elemente in grünen Werbeanzeigen unabhängig vom Involvement glaubwürdiger wirken als text-basierte Inhalte. Die stark emotionalisierenden visuellen Elemente, wie Natur- und Landschaftsbilder, lösen automatisch eine umweltbewusste Assoziation und eine höhere Glaubwürdigkeit der rezipierten Werbung aus (Hartmann & Apaolaza-Ibáñez, 2009.) Sehr aktuelle Befunde von Grebmer und Diefenbach aus dem Jahr 2020 jedoch zeigen wieder ein davon vollkommen abweichendes Bild. Demnach wird text-basierte Werbung sowohl von hoch als auch von niedrig involvierten Konsument:innen als glaubwürdiger beurteilt als visuelle Werbung (Grebmer & Diefenbach, 2020). Hoch involvierten Konsument:innen waren jedoch skeptisch, wenn die Werbeanzeige visueller Art war und damit lediglich Naturbilder ohne zusätzliche Informationen zur Nachhaltigkeit des Produktes enthielt (Grebmer & Diefenbach, 2020).
Anhand dieser Studien und ihrer abweichenden Ergebnisse wird zunehmend deutlich, dass die Befundlage zur Glaubwürdigkeit grüner Werbung nicht eindeutig geklärt wurde. Nichtsdestotrotz zeigt sich auf Grundlage mehrerer experimenteller Studien, dass grüne Werbeanzeigen mit umfassenden Informationen als glaubwürdiger beurteilt werden als solche mit vagen oder unbestimmten Informationen (Chan & Lau, 2004; Chang, 2011; De Vlieger et al., 2013). Wonneberger und Matthes (2016) fassen zusammen, dass ein hoher Informationsgehalt essentiell ist, um Inhalte zu vermitteln und die Glaubwürdigkeit von grüner Werbung zu gewährleisten, jedoch kommt es dabei auch auf das richtige Verhältnis von informativen und emotionalen Elementen an. Auch Matthes et al. (2014) und (Hartmann et al., 2005) plädieren anhand ihrer Studienergebnisse für eine Mischform aus funktionalen und emotionalen Dimensionen, da sie darin den größten positiven Effekt auf die Konsument:innen bezüglich verkaufsrelevanter Faktoren sehen. Die vielen diffusen und teilweise widersprüchlichen Befunden machen jedoch die Notwendigkeit grüner Werbeforschung deutlich. Durch die vielen vom Kontext abhängigen Bedingungen und individuellen Eigenschaften der Konsument:innen sowie uneinheitlichen Operationalisierungen in den Studien, bleibt offen wann und unter welchen Bedingungen eine grüne Anzeige am glaubwürdigsten wirkt.
Im Rahmen der grünen Werbeforschung wurde bisher kaum beachtet, dass Social-Media-Plattformen zunehmend auch als Werbefläche verwendet werden. Durch die Digitalisierung und steigende Bedeutung des Internets für Werbetreibende, wächst auch das Interesse für grüne Online-Marketing-Strategien (Singh & Sonnenburg, 2012). Dabei haben Social-Media-Plattformen die Kommunikation zwischen Unternehmen und Konsument:innen revolutioniert, denn sie ermöglichen den Konsument:innen ein neuartiges interaktives Kauferlebnis (Singh & Sonnenburg, 2012). Aus diesem Grund erscheint in der Werbeforschung eine Differenzierung zwischen Werbung und Social-Media-Werbung von Nöten. Eine solche Differenzierung wurde im Rahmen der grünen Werbewirkungsforschung bisher jedoch nicht vorgenommen.
Dabei zeigt sich, dass Werbetreibende von den interpersonalen Interaktionen profitieren können. Denn das Kaufverhalten von Konsument:innen wird stark beeinflusst von den Meinungen anderer (Bearden & Rose, 1990). So wird in Konsument:innen häufig erst durch die Interaktion mit anderen der Wunsch erweckt, ein bestimmtes Produkt zu erwerben (Oliver & Lee, 2010). Social-Media-Nutzer:innen tauschen sich zunehmend öffentlich über Marken und Werbung aus. Durch die digitale Kommunikation zwischen den Konsument:innen entsteht dann eine Art Mund-zu-Mund-Propaganda, die sich positiv auf den Verkaufserfolg von Unternehmen auswirken könnte (Brettel et al., 2015). Darüber hinaus zeigt eine Studie von Heinonen (2011), dass Konsument:innen Social Media nutzen, um sich die nötigen Informationen für ihre Kaufentscheidung einzuholen.
Vor allem um allgemeinen Werbeskeptizismus zu reduzieren und die Glaubwürdigkeit von Werbeanzeigen zu erhöhen, zeigen sich Social-Media-Kanäle mit der richtigen Marketingstrategie erfolgsversprechend (Wang et al., 2012; Hajli, 2014). Unter dem Gesichtspunkt, dass die Glaubwürdigkeit von Anzeigen als wichtiger Prädiktor für verkaufsrelevante Outcomes gilt, sollte die Nutzung sozialer Medien für Unternehmen von zentraler Bedeutung sein. So haben Interaktionen zwischen Werbetreibenden und Konsument:innen über soziale Medien einen positiven Zusammenhang mit dem Vertrauen in das werbende Unternehmen und der Einstellung zum Produkt (Wang et al., 2012; Hajli, 2014). Ebenso zeigen Studienergebnisse, dass die Nutzung sozialer Medien und der digitale interpersonale Austausch einen positiven Zusammenhang mit der Kaufabsicht haben (Li et al., 2012). Dabei fanden Forscher:innen heraus, dass Unternehmen Werbeskeptizismus insbesondere dann verringern und das Vertrauen der Nutzer:innen gewinnen können, wenn sie die Meinungen der Nutzer:innen unmittelbar in ihre Posts miteinbeziehen, statt ausschließlich vom Unternehmen generierte Inhalte zu veröffentlichen (Atzori et al., 2010; Lee et al., 2013) In der heutigen Zeit nehmen Konsument:innen den von Unternehmen erstellen Content nicht mehr kommentarlos hin. Stattdessen teilen sie ihre Meinung zum Unternehmen und ihren Werbebotschaften, zum Beispiel durch Nutzerkommentare, aktiv mit (Colleoni, 2013).
Die Ergebnisse der genannten Studien beziehen sich jedoch lediglich auf allgemeine Werbung. Befunde zur Wirkung grüner Werbung auf Social Media gibt es kaum. Jedoch zeigt Lee (2008), dass Social Media insbesondere für grüne Werbung relevant ist, da dort das grüne Verhalten von Konsument:innen beeinflusst wird.
Bei den genannten Forschungsbefunden wird die Bedeutung der Online-Präsenz von Unternehmen und einer erfolgreichen Social-Media-Marketingstrategie für die letztendliche Kaufentscheidung der Konsument:innen deutlich. Dennoch ist Social-Media-Marketing durch das rapide Wachstum und die Entwicklung sozialer Medien für viele Unternehmen neu, was mit einer hohen Unsicherheit in der Nutzung dieser Plattformen verbunden ist (Kaplan, 2012). Viele Unternehmen wissen nicht, wie sie das Potential von sozialen Medien für die Vermarktung ihrer Produkte gewinnbringend nutzen können (Kaplan, 2012). Darüber hinaus sind die Forschungen diesbezüglich noch nicht ausgereift. Wie bereits erwähnt, existieren in der grünen Werbeforschung bisher nur wenige empirische Befunde zu Werbewirkungen im Kontext von Social Media. Die vielfältigen potentiellen Einflussfaktoren auf die Wirkung von Werbung auf Social Media verdeutlichen die Notwendigkeit künftiger Forschung noch weiter.
Aufgrund des interaktiven Charakters sozialer Medien und dem damit verbundenen Einfluss anderer bekommt der sogenannte Bandwagon-Effekt, auch Mitläufer-Effekt genannt, eine zentrale Bedeutung. Dieser wirkt sich maßgeblich auf die Glaubwürdigkeitseinschätzung von Nutzer:innen aus (Sundar, 2008). Im folgenden Kapitel erfolgt daher zunächst eine Definition des Bandwagon-Effektes. Anschließend wird ein solcher Mitläufer-Effekt im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit von Online-Inhalten sowie im Kontext grüner Werbung beschrieben.
„If others think that something is good, then I should, too“ (Sundar et al., 2009, S. 4232).
Mit diesen Worten vereinfachen Sundar und Kolleg:innen (2009) das Phänomen des Bandwagon-Effektes. Der Bandwagon-Effekt meint die Tendenz, die Meinungen und Handlungen anderer zu übernehmen (Simon, 1954). Die kollektive Meinung von anderen wird als wahr empfunden und folglich ohne eine selbstständige tiefergehende Informationsverarbeitung übernommen (Simon, 1954).
Sundar (2008) bezeichnet die Anpassung der eigenen Meinung an die des Kollektivs auch als Bandwagon-Heuristik. Wie in Kapitel 2.1.4 bereits beschrieben meint Heuristik eine Generalisierung von Wissen aufgrund von gemachten Erfahrungen, die mentale Shortcuts bei der Verarbeitung von Informationen bieten (Chaiken, 1980). Die Annahmen der Bandwagon-Heuristik sind im Einklang mit dem Heuristisch-Systematischen Modell nach Chaiken (1980), wonach die heuristische Informationsverarbeitung durch bestimmte Hinweisreize, auch Cues genannt, angeregt wird. Nach dem MAIN Model von Sundar (2008) können technische Features auf Websites mit solchen Hinweisreizen verknüpft sein. Diese Hinweisreize sind beispielsweise Nutzerkommentare, Likes oder Retweets. Sie triggern die kognitiven Heuristiken, wodurch Nutzer:innen die dargebotenen Informationen mit Qualitätsmerkmalen verbinden und daraus ein Glaubwürdigkeitsurteil bilden (Sundar, 2008). Die Hinweisreize agieren damit als Bandwagon-Cues und weisen auf die Popularität und kollektive Bestätigung der rezipierten Inhalte hin, wodurch die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Inhalte steigt (Sundar, 2008). Die Bandwagon-Cues werden also zur Urteilsbildung herangezogen, um so die Informationsverarbeitung zu vereinfachen (Sundar, 2008). Anders ausgedrückt: Es ist es leichter vorhandene Meinungen zu übernehmen, statt sich eigene Gedanken über einen Sachverhalt zu machen. Eine ähnliche Argumentation liefert das Elaboration Likelihood Model nach Petty und Cacioppo (1986). Hier wird - äquivalent zum Heuristisch-Systematischen Modell - durch Bandwagon-Cues eine periphere Verarbeitungsroute aktiviert.
Wie zuvor beschrieben wirkt sich der Bandwagon-Effekt auf die Glaubwürdigkeitseinschätzung der Nutzer:innen aus (Sundar, 2008). Studien von Waddell (2018) oder Winter und Kolleg:innen (2015) konnten einen solchen Effekt im Hinblick auf Online-Inhalte nachweisen, indem sie herausfanden, dass negative Nutzerkommentare die wahrgenommene Glaubwürdigkeit von Zeitungsartikeln verringern. In den genannten Studien konnten jedoch nur negative Kommentare die Glaubwürdigkeit verringern. Ein Effekt in die entgegengesetzte Richtung konnten die Forscher:innen dagegen nicht beobachten. Die Befundlage hierzu ist jedoch nicht eindeutig. Entsprechend der theoretischen Annahmen von Sundar (2008) sollten Nutzerkommentare dennoch in beiden Richtungen einen Effekt haben.
Bei Werbung, die auf diversen Social-Media-Plattformen dargeboten wird, können Nutzer:innen ihre Meinung zur rezipierten Werbung und dem beworbenen Produkt oftmals durch die Kommentarspalte oder Like-Funktion öffentlich preisgeben. Demnach spielt der Bandwagon-Effekt auch hier eine zentrale Rolle. Die Wirkung solcher Bandwagon-Cues wurde jedoch bisher noch nicht explizit auf die Glaubwürdigkeit von Werbeanzeigen untersucht. Im Kontext allgemeiner Marktforschung zeigen allerdings mehrere Studien einen Effekt der Bandwagon-Cues auf die Kaufabsicht von Konsument:innen. So kamen Zhao und Kolleg:innen (2018) zu dem Ergebnis, dass Bandwagon-Cues, die auf die Reputation des Verkäufers hindeuten, die Kaufabsicht bezüglich kostenpflichtigen Online-Inhalten erhöhen. Des Weiteren wirken sich Bandwagon-Cues in Form von der Anzahl der Produktbewertungen (Zhang et al., 2014) oder als Hinweis auf die Käuferzahl eines Produktes (Coulter & Roggeveen, 2012) ebenso auf die Kaufabsicht von Nutzer:innen aus. Lu et al. (2016) legen zudem dar, dass sich Bandwagon-Cues positiv auf das Vertrauen von Konsumen:innen gegenüber der Online-Händler auswirken. Ai und Kolleg:innen zeigten daraufhin im Rahmen ihrer Studie aus dem Jahr 2020, dass der positive Effekt der Bandwagon-Cues auf die Kaufabsicht von Rezipient:innen mediiert wird durch das Vertrauen der Verkäufer gegenüber. Wie bereits mehrfach beschrieben, spielt bei der Kaufabsicht und dem Vertrauen der Konsument:innen die Glaubwürdigkeit von Werbung eine zentrale Rolle. Denn sie gilt als Prädiktor zur Einstellungsbildung gegenüber der Anzeige und dem werbenden Unternehmen (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005) was wiederum die Kaufabsicht beeinflusst (La Ferle & Choi, 2005; Bickart & Ruth, 2012). Folglich sollten sich Bandwagon-Cues positiv auf die Glaubwürdigkeit von Werbeanzeigen auswirken.
In den genannten Studien der Marktforschung wurde zudem lediglich die Wirkung von quantitativen Bandwagon-Cues, wie Likes oder die Anzahl der Produktbewertungen, untersucht. Dabei sind es insbesondere qualitative Bandwagon-Cues, wie Nutzerkommentare, die einen Bandwagon-Effekt hervorrufen können. Dagegen haben Likes eine geringere Wirkung (Winter et al., 2015; Lee et al., 2022). Außerdem können Nutzerkommentare die Wahrnehmung von Rezipient:innen im Hinblick auf die rezipierten Online-Inhalte in eine bestimmte Richtung verändern. Oder wie es Houston und Kolleg:innen (2011) ausdrücken: „...user comments accompanying online content can influence perceptions of that content” (S. 88). Solche qualitativen Bandwagon-Cues verursachen dabei eine Wahrnehmungs- und Meinungsänderung in Richtung der in der Kommentarspalte vertretenen Meinung (Lee et al., 2022). Bei quantitativen Bandwagon-Cues dagegen lässt sich lediglich auf die Popularität der Inhalte schließen.
Die Wirkung von Nutzerkommentaren als Bandwagon-Cues wurde jedoch in der Werbeforschung und insbesondere im Kontext grüner Werbung bisher kaum erforscht. Dennoch sollte, gemäß des Bandwagon-Effektes und der eben beschriebenen Forschungsbefunde, die Wahrnehmung und Glaubwürdigkeit grüner Werbung auf Social Media maßgeblich mit dem Vorhandensein von Nutzerkommentaren zusammenhängen. Weisen somit die Kommentare auf Greenwashing in der dargebotenen Anzeige hin, sollte die Anzeige dann auch verstärkt als Greenwashing wahrgenommen und infolgedessen als unglaubwürdig empfunden werden.
Darüber hinaus ist die Stärke des Effektes der Bandwagon-Cues abhängig von kontextuellen Bedingungen (z.B. Ai et al., 2020). Die Wirkung der Bandwagon-Cues ist insbesondere dann gegeben, wenn Nutzer:innen unsicher bezüglich der Qualität einer Information sind (Xu & Fu, 2014). Diese Unsicherheit entsteht auch bei fehlenden Informationen oder wie Ai et al. (2020) zusammenfassen: „When information is lacking, users will refer to those signals [bandwagon cues] to speculate the ability of the provider and content quality“ (S.3). Die Rezipierende greifen dann also verstärkt auf die Informationen der Bandwagon-Cues zurück und übernehmen die Meinung anderer Nutzer:innen (Ai et al., 2020). So sollten Nutzer:innen, die eine grüne Werbeanzeige mit fehlenden oder vagen Informationen rezipieren, verstärkt die Informationen der Bandwagon-Cues für ihre Meinungsbildung heranziehen.
Der Bandwagon-Effekt ist jedoch nicht nur vom Kontext, sondern auch von individuellen Eigenschaften der Nutzer:innen abhängig. Wie bereits beschrieben, handelt es sich bei Bandwagon-Cues um heuristische oder auch periphere Reize, die als mentaler Shortcut für die Informationsverarbeitung dienen (Chaiken, 1980; Petty & Cacioppo, 1986). Demnach wirken Bandwagon-Cues vor allem bei solchen Rezipient:innen, die wenig involviert in das Thema der Inhalte und folglich nicht motiviert sind sich ausgiebig mit den rezipierten Inhalte zu beschäftigen, um daraus eine Meinung zu bilden. Im Gegenzug sollten involvierte Rezipient:innen, gemäß der Annahmen des ELM (Petty & Cacioppo, 1986) oder des Heuristisch-Systematischen Modells (Chaiken, 1980), eine hohe Motivation zur Informationsverarbeitung aufweisen und somit alle gegebenen Informationen für ihre Meinungsbildung nutzen. Im Hinblick auf grüne Online-Werbung sind involvierte Nutzer:innen beispielsweise solche, die eine starke Umwelteinstellung aufweisen. Demnach sollte der Bandwagon-Effekt bei Rezipient:innen mit starker Umwelteinstellung schwächer ausfallen als bei Personen mit schwacher Umwelteinstellung.
In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wurden die Forschungslücken der grünen Werbeforschung deutlich. Es existieren kaum wissenschaftliche Befunde, inwiefern grüne Werbung im Kontext von sozialen Medien auf die Rezipient:innen wirkt. Insbesondere dem interaktiven Aspekt und dem Vorhandensein der öffentlichen Meinung der Nutzer:innen in Form von Nutzerkommentaren wurde bisher keine Beachtung geschenkt. Dabei zeigen erste Studien das erfolgsversprechende Potential sozialer Medien für grüne Werbung (z.B. Lee, 2008). Jedoch sind weitere Forschungsbefunde zu den Wirkmechanismen grüner Werbeanzeigen auf Social-Media-Plattformen notwendig, um daraus erfolgreiche grüne Marketingstrategie zu entwickeln. Dabei kommt im Unterschied zu allgemeiner Werbung dem Vorwurf des Greenwashings eine besondere Bedeutung hinzu. Im folgenden Kapitel werden deshalb die Hypothesen aus den dargestellten empirischen Befunden und Forschungslücken abgeleitet und im Anschluss getestet. Abbildung 1 zeigt das Kausalmodell, welches alle aufgestellten Hypothesen vereint.
Gemäß der Annahmen des Bandwagon-Effektes agieren Nutzerkommentare auf Social Media als Bandwagon-Cues und beeinflussen maßgeblich die Glaubwürdigkeitsurteile von Rezipient:innen (Sundar, 2008). Erste Studienergebnisse zeigen zudem, dass Bandwagon-Cues das Vertrauen von Konsument:innen erhöhen und dies wiederum die Kaufabsicht steigert (Ai et al., 2020). Dabei gilt die Glaubwürdigkeit von Anzeigen als zentraler Prädiktor für die Einstellungsbildung gegenüber der Anzeige und dem Unternehmen (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005), was wiederum die Kaufabsicht von Konsument:innen beeinflusst (La Ferle & Choi, 2005; Bickart & Ruth, 2012). Einige Studien zeigten zudem, dass es vor allem Nutzerkommentare sind, die einen Bandwagon-Effekt hervorrufen (Winter et al., 2015; Lee et al., 2022). Somit sollten Bandwagon-Cues in Form von Nutzerkommentaren, die auf Greenwashing hinweisen, die Glaubwürdigkeit der Anzeige verringern. Im Vergleich dazu sollten Nutzerkommentare, die die Nachhaltigkeit des Produktes betonen, die Glaubwürdigkeit der Anzeige erhöhen. Folglich lautet die erste Hypothese:
H1: Bandwagon-Cues in Form von positiven und negativen Nutzerkommentaren haben einen direkten Effekt auf die Glaubwürdigkeit der Anzeige.
Bandwagon-Cues, insbesondere in Form von Nutzerkommentaren, können die Wahrnehmung von Rezipient:innen verändern (Houston et al., 2011). Dabei kommt es zu einer Wahrnehmungs- und Meinungsänderung in Richtung der in der Kommentarspalte vertretenen Meinung (Lee et al., 2022). Befinden sich in der Kommentarspalte also viele kritische Nutzerkommentare zur rezipierten grünen Werbung in Bezug auf Greenwashing, sollten die Rezipierenden diese Werbung auch verstärkt als Greenwashing wahrnehmen. Studienergebnisse zeigen zudem, dass wahrgenommenes Greenwashing in grüner Werbung einen negativen Einfluss auf zahlreiche verkaufsrelevante Variablen hat: Die Einstellung gegenüber der Werbung sowie dem Unternehmen (Newell et al., 1998; Schmuck et al., 2018), die Glaubwürdigkeit des werbenden Unternehmens und die Kaufintention (Newell et al., 1998). Die wahrgenommene Glaubwürdigkeit der Anzeige gilt dabei als Voraussetzung zur Einstellungsbildung gegenüber der Anzeige (MacKenzie & Lutz, 1989; La Ferle & Choi, 2005). Der negative Effekt auf die Einstellung zur Werbung ist unabhängig davon, ob die Werbung tatsächlich irreführend ist oder nur als solche wahrgenommen wird (Newell et al., 1998). Somit wird erwartet, dass wahrgenommenes Greenwashing den Effekt der Bandwagon-Cues auf die Glaubwürdigkeit der Anzeige mediiert. Folglich lautet die zweite Hypothese:
H2: Der Effekt der Bandwagon-Cues auf die Glaubwürdigkeit der Werbeanzeige wird mediiert durch das wahrgenommene Greenwashing.
Rezipient:innen greifen insbesondere dann auf die Information der Bandwagon-Cues zurück, wenn sie durch fehlende Informationen innerhalb der rezipierten Inhalte unsicher bezüglich der Qualität dieser sind (Xu & Fu, 2014). Ein grüner Werbeslogan wirkt ohne weitere Informationen vage und irreführend, wodurch Nutzer:innen folglich skeptisch werden (Matthes & Wonneberger, 2014). Daher sollten Nutzer:innen bei einer Werbeanzeige mit vagen oder fehlenden Informationen bezüglich der Nachhaltigkeit des beworbenen Produktes verstärkt Informationen der Bandwagon-Cues für ihre Meinungsbildung heranziehen. Ist der Informationsgehalt der Anzeige also gering, sollten die Bandwagon-Cues einen größeren Effekt haben. Umgekehrt sollten Bandwagon-Cues bei Anzeigen mit vielen Informationen zur Nachhaltigkeit des Produktes einen geringeren Effekt haben. Es wird also erwartet, dass der Effekt der Bandwagon-Cues auf das wahrgenommene Greenwashing durch den Informationsgehalt der Anzeige moderiert wird. Die dritte Hypothese lautet demnach:
H3: Der Effekt der Bandwagon-Cues auf das wahrgenommene Greenwashing ist stärker bei einem niedrigen Informationsgehalt der Anzeige bezüglich der Nachhaltigkeit des Produktes als bei einem hohen Informationsgehalt.
Gemäß der theoretischen Annahmen des Heuristisch-Systematischen Modells (Chaiken, 1980) oder des ELM (Petty & Cacioppo, 1986), sollten Rezipient:innen mit starker Umwelteinstellung besonders motiviert sein die gegebenen Informationen systematisch bzw. zentral statt heuristisch bzw. peripher zu verarbeiten. Sie nutzen demnach alle zugänglichen Informationen und Argumente der Anzeige selbst, um sich daraus eine Meinung zu bilden. Bandwagon-Cues sind jedoch heuristische bzw. periphere Hinweisreize, die eine simplere Informationsverarbeitung anregen. Daher sollte der Effekt der Bandwagon-Cues auf das wahrgenommene Greenwashing bei Rezipient:innen mit starker Umwelteinstellung schwächer ausfallen als bei Personen mit schwacher Umwelteinstellung. Somit lautet die vierte und letzte Hypothese:
H4: Der Effekt der Bandwagon-Cues auf das wahrgenommene Greenwashing ist stärker bei einer schwachen Umwelteinstellung der Rezipierenden als bei einer starken Umwelteinstellung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Hypothetisches Kausaldiagramm
Die Hypothesen wurden im Zuge einer experimentellen Online-Studie im 2 (Bandwagon-Cues negativ vs. positiv) x 2 (Informationsgehalt der Anzeige gering vs. hoch) faktoriellen between-subjects Design getestet. Die Durchführung der Studie fand über das Umfragetool SoSci Survey (Leiner, 2019) statt. Dabei wurde im ersten Schritt nach einem kurzen Briefing das Experiment durchgeführt, im Rahmen dessen die Bandwagon-Cues in Form von Nutzerkommentaren sowie der Informationsgehalt der Anzeige variiert wurden. Im Anschluss wurde die Glaubwürdigkeit der Anzeige und daraufhin das wahrgenommene Greenwashing der Proband:innen gemessen. Anschließend folgte der Manipulationscheck und in einem nächsten Schritt die Erhebung der Umwelteinstellung . Letztlich wurden soziodemographische Daten erfasst. Diese Reihenfolge wurde gewählt, um etwaige Priming-Effekte zu verhindern. Um die Objektivität, Reliabilität und Validität der Messinstrumente zu gewährleisten, wurde auf offene Fragen verzichtet. Zudem wurden die Fragen innerhalb einer Fragebatterie randomisiert, sodass potentielle Reihenfolgeeffekte ausgeschlossen werden können. Zusätzlich wurde die Indexbildung der einzelnen Variablen anhand vorangehender Studien durchgeführt, um so eine hohe Reliabilität zu erzielen. Die Versuchspersonen wurden zufällig auf die vier Experimentalgruppen aufgeteilt und durchliefen im Anschluss an das Experiment einen Manipulationscheck, sodass die Wirksamkeit des experimentellen Materials gewährleistet wird. Als Untersuchungszeitraum wurden drei bis vier Wochen in den Monaten Juni und Juli 2022 geplant. Die erforderliche Stichprobengröße wurde A-Priori ermittelt.
Nachfolgend werden die Stichprobenplanung, das genutzte Stimulusmaterial und die Fragebögen sowie der Versuchsablauf im Detail beschrieben. Anschließend werden die Datenaufarbeitung und die dazugehörigen Reliabilitäts- sowie Faktorenanalysen skizziert.
Um eine möglichst bevölkerungsrepräsentative Stichprobe zu erhalten, wurden keine weiteren Ein- und Ausschlusskriterien hinsichtlich der Zusammensetzung der Stichprobe getroffen. Vor der Datenerhebung erfolgte eine A-Priori Stichprobenumfangsplanung mit Hilfe des Tools G*Power (Faul et al., 2007). Diese ergab, dass bei einem festgelegten Signifikanzniveau von α = .05 und einer gewünschten Teststärke von 1 - β = .95 (f = .15) mindestens 138 Versuchspersonen nötig sind, um mögliche Haupteffekte und Interaktionen aufzudecken (siehe Anhang C).
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