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Bachelorarbeit, 2015
40 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Medienberichte
3. Auswertung der Medienberichte
3.1. Impfquoten in Deutschland und Österreich
3.2. Akteure und Risiko-Gruppen
3.2.1.Impfgegner und Impfskeptiker
3.2.2. Eltern
3.2.3. Jugendliche und junge Erwachsene
3.2.4. Migranten und Flüchtlinge
3.2.5. Gesundheitspersonal
3.3. Gründe für die Impfmüdigkeit
3.3.1. Fehlinformationen im Internet
3.3.2. Zweifel an der Wirksamkeit der Impfungen
3.3.3.Sicherheitsbedenken und Impfrisiko
3.3.4. Verharmlosung der Krankheit
3.3.5. Mangelndes Krankheitsbewusstsein
3.3.6. Zugangsbarrieren
3.3.7.Sonstige
3.4. Durchgeführte Impfkampagnen und Maßnahmen zur Erhöhung der Impfraten
3.4.1. Deutschlandweit
3.4.2. Österreichweit
3.4.3. Regional
3.5. Diskutierte Ideen zur Erhöhung der Impfraten
3.5.1.Impfpflicht
3.5.2. Kita-Aufnahme und Einschulung nur mit Impfschutz
3.5.3. Kostenlose Impfungen
3.5.4. Kopplung von Sozialleistungen an den Impfstatus
3.5.5.Sonstige
3.6. Fazit
4. Kommunikationsstrategien und Maßnahmen aus der Fachliteratur
4.1. Strategien gerichtet an Patienten
4.1.1. Allgemeine Hinweise
4.1.2. Routinekontrollen
4.1.3 Erinnerungs- und Rückrufsysteme
4.1.4.Social Media und Webseiten
4.1.5. Hausbesuche und Vertrauenspersonen
4.1.6.Organisation und verbesserter Zugang
4.2. Strategien gerichtet an das Gesundheitspersonal
4.2.1.Informationsmaterial und Aufklärung
4.2.2. Erinnerungen und technische Unterstützung
4.2.3. Feedback
4.3. Fazit
5. Conclusio
6. Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Masern und die dazugehörige Impfung erfahren in den letzten Jahren vermehrt große mediale Aufmerksamkeit. Aufgrund der aktuell aufflammenden Masernausbrüche in Deutschland und Österreich sind Tageszeitungen und das Internet voll von Artikeln über diese Krankheit und die Vor-und Nachteile einer Impfung.
Masern sind eine der ansteckendsten Krankheiten der Welt. Nahezu 100% der Personen, welche in Kontakt mit dem Virus geraten, erkranken (WHO, 2012; RKI 2015a). Bei der Erkrankung kann es zu schwerwiegenden Komplikationen mit lebenslangen Folgen sowie zum Tod kommen. So starben weltweit vor der flächendeckenden Einführung der Masernimpfung schätzungsweise mehr als 2 Millionen Menschen jährlich an den Folgen einer Infektion (WHO, 2012). Nicht nur in Entwicklungsländern sondern auch in den Industriestaaten stellen die Masern eine Bedrohung dar. So bedarf es bei 10-30% der Infizierten einer stationären Behandlung in einem Krankenhaus und einer von 1.000 Fällen führt schließlich zum Tod (WHO, 2012; ECDC, 2010).
Zur Prophylaxe gegen eine mögliche Maserninfektion wird eine Impfung angeboten. In Österreich wird die Masernimpfung seit 1974 und die MMR-Kombinationsimpfung seit 1994 offiziell empfohlen (BMG, 2013). Die MMR-Impfung schützt nach zwei Dosen neben Masern auch gegen Mumps und Röteln (ECDC, 2010; BMG, 2013). Zu beachten ist hierbei, dass erst die zweite Impfdosis einen vollständigen Schutz garantiert (ECDC, 2010; Gardner et al., 2008; WHO, 2012). Zusätzlich zum Schutz des Individuums erlaubt eine hohe Impfquote in der Bevölkerung den Aufbau einer sogenannten Herdenimmunität. Eine Herdenimmunität erlaubt, bei entsprechend hohen Impfquoten, auch den Schutz von ungeimpften Personen, da sich die Masern nur von Mensch-zu-Mensch übertragen (BMG, 2013; WHO, 2012). Zum Aufbau und Erhalt der Herdenimmunität werden eine 95%ige Impfabdeckung der Bevölkerung mit zwei Dosen MMR benötigt (Gardner et al., 2008; ECDC, 2010).
Mithilfe weltweiter Impfprogramme konnten die Todesfälle aufgrund von Maserninfektionen zwischen den Jahren 2000 und 2010 um 74% reduziert werden (WHO, 2012). Auch in Deutschland sank die Anzahl der Maserninfektionen von 6.139 im Jahr 2001 auf 780 im Jahr 2010 (RKI, 2015a).
Da Masern ausschließlich von Mensch-zu-Mensch übertragen werden, besteht die Möglichkeit, den Erreger mit einer großflächigen Impfabdeckung, ähnlich den Pocken, vollständig zu eliminieren (BMG, 2013). Das Ziel der Maserneliminierung konnte bereits in der WHO Region Gesamtamerika erreicht werden. Im Jahre 2002 wurde die Region als erste Region weltweit für masernfrei erklärt (WHO, 2012). Die WHO formulierte das Ziel, die WHO Region Europa bis 2015 und die gesamte Welt bis zum Jahr 2020 von Masern zu befreien (WHO, 2012). Dabei wurde bereits versucht, die WHO Region Europa bis 2010 masernfrei zu halten. Dieses Vorhaben scheiterte und der Termin bis zur vollständigen Maserneliminierung in Europa musste auf 2015 verschoben werden (BMG, 2013; ECDC, 2010). Infolge der anhaltenden Masernausbrüche in Deutschland und Österreich, aber auch in anderen europäischen Ländern wie Frankreich und Rumänien, wird auch das Ziel der Masernelimination bis 2015 nicht erreicht werden können (RKI, 2015a).
Bereits bis zur Erstellung dieser Arbeit, Mitte August 2015, betrug die Anzahl an gemeldeten Maserninfektionen In Deutschland 2.396 (RKI, 2015b). Für Österreich wurden 305 Fälle gemeldet (BMG, 2015).
Das immer wieder erneute Aufflammen von lokalen Masernausbrüchen kann durch gravierende Impflücken in der Bevölkerung begründet werden (ECDC, 2010; BMG, 2013; RKI 2015a). Dies lässt sich auch anhand internationaler Vergleiche der MMR- Impfabdeckung erkennen. Dabei weist Österreich eine zu anderen Ländern relativ geringe Impfquote für die MMR-Impfung, insbesondere der zweiten Dosis auf (BMG, 2013). Ursache hierfür liegt in einer gewissen Impfmüdigkeit der breiten Bevölkerung (ECDC, 2010; BMG, 2013). Des Weiteren haben schädliche Aktivitäten von Impfgegnern und Impfkritikern einen starken Einfluss (WHO, 2012).
Mit dieser Arbeit soll untersucht werden, mit welchen Ansätzen es möglich ist, die Kommunikation für die MMR-Impfung zu verbessern. Dazu werden Faktoren, welche die Impfmüdigkeit beeinflussen und Argumente der Impfkritiker analysiert. Anschließend werden vergangene Maßnahmen zur Erhöhung der Impfraten im deutschsprachigem Raum und aktuelle Ideen beleuchtet. Dies wird anhand einer Medienanalyse durchgeführt. Die Medienanalyse ausgewählter deutschsprachiger Nachrichtenartikel und Pressemitteilungen erlaubt einen Einblick, wie die Krankheit Masern und die dazugehörige Impfung konkret kommuniziert wird. Die Ergebnisse aus dieser Analyse werden im zweiten Teil der Arbeit um Empfehlungen für Maßnahmen und Kommunikationsstrategien aus der Fachliteratur ergänzt.
Daher soll die Forschungsfrage folgendermaßen lauten:
Mit welchen Kommunikationsstrategien und Maßnahmen lassen sich die Impfquoten für die MMR-Impfung im deutschsprachigen Raum verbessern?
Grundlage dieser Arbeit stellt eine Medienanalyse dar. Dies erlaubt es, einen Einblick in die Kommunikationsweise und breite öffentliche Meinung zur Masernkrankheit und der zugehörigen Impfung zu bekommen. Dazu wurden deutschsprachige online Artikel etablierter Tageszeitungen sowie Pressemitteilungen relevanter Institute und Behörden untersucht. Insgesamt wurden 40 Medienberichte in die Untersuchung einbezogen.
Um ein Höchstmaß an relevanten Informationen aus den Medienberichten extrahieren zu können, wurde die Suche und Auswahl jener Artikel in drei Schritten methodisch abgehandelt. In einem ersten Schritt wurde ein Grundstock an Informationen zum Thema Impfmüdigkeit und Masern aufgebaut. Dazu wurde auf den Internetportalen verschiedener deutscher und österreichischer Tageszeitungen sowie der Suchmaschine Google mit dem Suchbegriff “Impfmüdigkeit Masern” gesucht. Nachdem ein Grundstock an Informationen hinsichtlich Impfmüdigkeit und Masern vorhanden war, wurde in einem nächsten Schritt die Suche auf Maßnahmen, Medienkampagnen und Strategien zur Bekämpfung jener Müdigkeit erweitert. Gesucht wurde im zweiten Schritt auf denselben Portalen nach Begriffen wie “Impfstrategie Masern”, “Masern Impfkampagne” und “Impfgegner Masern”. Anschließend wurden in einem letzten Schritt mit spezifischeren Suchbegriffen Informationslücken gefüllt.
Zeitlich sind alle Medienberichte zwischen den Jahren 2009 und 2015 angesiedelt. Das Jahr 2009 wurde als zeitliche Grenze gewählt, um eine Aktualität der Medienberichte zu gewährleisten, aber Publikationen rund um das verpasste WHO Ziel zur Maserneliminierung 2010 einbeziehen zu können.
Eine Auflistung aller verwendeten Medienberichte mitsamt Suchbegriffen findet sich, in chronologischer Reihenfolge nach Publikationsdatum geordnet, im Anhang wieder.
Auf den folgenden Seiten werden die Ergebnisse der Medienanalyse diskutiert.
Die Betrachtung der Impfquoten in den untersuchten Ländern stellt einen geeigneten Startpunkt für die Auswertung der Medienberichte dar. Die Impfquote ist die maßgebliche Größe für alle weiteren Betrachtungen. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist eine durchwegs hohe Impfabdeckung von 95% der Bevölkerung mit zwei Dosen MMR vonnöten, um Masernausbrüche zu verhindern und eine Herdenimmunität aufzubauen.
Gleich vorweg kann gesagt werden, dass das Problem der Impfmüdigkeit in den deutschsprachigen Ländern weit weniger dramatisch ist als die Situation zunächst vermuten lässt.
So schreibt derStandard (2009a): “Eine sich langsam entwickelnde Impfmüdigkeit, wie hier und dort vermutet, konnte die Umfrage nicht feststellen”. Dies zeigen auch die Impfquoten der anderen Berichte.
In Deutschland wird eine bundesweite Quote von 97% für die erste Dosis MMR und eine 92%-ige für die zweite Dosis angegeben (Bild Zeitung, 2015). In einer weiteren Quelle wird eine durchschnittliche Impfquote von rund 90% angeführt, wobei diese von Bundesland zu Bundesland variiert (Handelsblatt, 2015b). Diese regionalen Unterschiede werden nochmals genauer spezifiziert. Zum einem werden “im Osten”, also in den neuen deutschen Bundesländern, zwar sehr gute Quoten für die erste Impfdosis erzielt, jedoch nicht für die Zweite (Süddeutsche Zeitung, 2013). Des Weiteren zeigen sich besonders im Bundesland Bayern größere Impflücken. Demnach werden Bayern die bundesweit niedrigsten Impfquoten von gleich mehreren Quellen attestiert (Spiegel Online, 2013d; Süddeutsche Zeitung, 2013; Süddeutsche Zeitung, 2014). Trotz diesem bescheidenen Zeugnis werden auch in Bayern immerhin 89,8% der Kinder mit zwei Impfdosen versorgt (Süddeutsche Zeitung, 2014). Einzig eine Quelle beziffert konkret niedrige Zahlen. So bemängelte Spiegel Online, dass im Jahre 2013 nur 37% der Kleinkinder der Stiko-Empfehlung von zwei Impfdosen MMR Folge leisteten (Spiegel Online, 2014a).
In Österreich scheint die Situation ähnlich. Einzig die Geschwindigkeit, in welcher die nötigen Impfungen durchgeführt werden, wird kritisiert. Die Impfrate der 2-jährigen für beide Dosen der MMR-Impfung beträgt hier zwischen 63-81% (AVOS, o.J.; Kurier, 2013). Erst beim Schuleintritt können 95% der Kinder erreicht werden (Kurier, 2013).
Trotz einigermaßen befriedigender Impfquoten jenseits der 90%-Marke in beiden Ländern genügen einige Impflücken, um den Masern immer wieder Chancen zu Ausbrüchen zu geben.
Die Auswertung der Medienberichte hat eine Vielzahl unterschiedlicher Personengruppen ergeben, welche für Impfmüdigkeit als besonders anfällig gelten und/oder das Impfverhalten Anderer wesentlich beeinflussen. Nachfolgend eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Personengruppen.
Für die Personengruppe der Impfgegner geben die Quellen keine konkrete Definition oder Beschreibung an. Gesagt werden kann, dass Impfgegner, wie der Name vermuten lässt, eine ablehnende Position hinsichtlich Impfungen eingenommen haben und sich nicht oder nur wenig von wissenschaftlich begründeten Argumenten beeinflussen lassen (Zeit Online, 2009; derStandard, 2015). Desweiteren arbeitet ein Teil dieser Personengruppe aktiv daran, andere Bevölkerungsteile für ihre Sichtweise zu gewinnen und die öffentliche Meinung über Impfungen negativ zu beeinflussen (derStandard, 2012b; SpringerMedizin.at, 2012). In den USA sind Impfgegner auch unter dem Namen “Anti-Vaxxer” bekannt (Süddeutsche Zeitung, 2015a).
Die Zahlen deuten darauf hin, dass der Anteil an Impfgegnern an der Gesamtbevölkerung über die Jahre hinweg zunimmt. So konnten, laut Medienberichten, im Jahre 2009 erst 2% der Bevölkerung als Impfgegner bezeichnet werden (derStandard, 2009a; Zeit Online 2009). Dieser Anteil erhöhte sich bis 2014 auf 3% und im Jahr 2015 bereits auf 4% (Spiegel Online, 2014b; derStandard, 2015).
Der Anteil an Impfskeptikern, also Personen, welche den Sinn von Impfungen und die damit verbundenen Risiken hinterfragen, aber weiterhin offen für Argumente sind, beziffert derStandard in Österreich mit 40% (derStandard, 2015).
Eltern sind als Erziehungsberechtigte für ihre unmündigen Kindern eine wichtige Personengruppe, wenn es um die Entscheidung für oder gegen die Verabreichung einer Impfung geht. Da es in Deutschland nur eine Impfempfehlung aber keine Impfpflicht gibt, dürfen Eltern für sich und ihre Kindern eine eigenständige Entscheidung treffen (Bild Zeitung, 2015).
Aus den Medienberichten geht hervor, dass es vor allem bei gebildeteren Müttern zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Impfung bis hin zur ausgeprägten Impfskepsis kommt. Dies hat zur Folge, dass gerade Kinder von besser ausgebildeten Müttern einen nicht ausreichenden Impfschutz aufweisen (Spiegel Online, 2013d; Süddeutsche Zeitung, 2013).
Selbst jene Eltern, welche Impfungen positiv gegenüberstehen, verschleppen oft Impfungen für ihre Kinder und tragen somit zu Impflücken in der Bevölkerung bei (Süddeutsche Zeitung, 2013).
Des Weiteren ist ein Impfschutz gegenüber Masern für Eltern von hoher Bedeutung, da diese im engen Kontakt mit ihren noch nicht impffähigen Säuglingen leben (AVOS, o.J.).
Eine der Hauptrisikogruppen für Impfmüdigkeit stellen Jugendliche und junge Erwachsene dar. Dies zeigen die Zahlen für Masernfälle sehr deutlich. Demnach fielen über 50% aller Masernfälle im Jahr 2011 auf Personen über 15 Jahre (Süddeutsche Zeitung, 2012). Das WHO Regionalbüro Europa (2011b) zeichnet für das Jahr 2011 ein noch weitaus schlechteres Bild: "In der Europäischen Region trat die überwiegende Mehrzahl der Masernfälle (90%) unter Jugendlichen und Erwachsenen auf, die nicht geimpft waren bzw. deren Impfstatus nicht bekannt war. ”. Mit der Verschiebung der Hauptrisikogruppe für Masernfälle von Kindern zu Jugendlichen und jungen Erwachsenden, kann von Masern als eine Kinderkrankheit kaum noch eine Rede sein (Spiegel Online, 2014a; Wiener Zeitung, 2015).
Die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen umfasst alle Geburtenjahrgänge 1970 und später. Diese Personengruppe hatte, aufgrund des einsetzenden Erfolges der Masernimpfung, kaum eine Chance, sich mit Masern anzustecken und somit eine natürliche Immunität gegen die Krankheit aufzubauen (Stern, 2013). Zudem scheint dieser Personenkreis sich wenig für das Thema Impfungen zu interessieren. Das Magazin Stern publizierte die Ergebnisse einer Befragung von Personen mit Geburtsjahr 1970 und später. 81% der Befragten wussten nicht über die Empfehlung zur 2-fachen MMR-Impfung Bescheid. Viele Befragte gaben darüber hinaus, an nicht zu wissen, wo sich ihr aktueller Impfpass befindet. Auch geht hervor, dass die Gruppe der 21- bis 29-jährigen besonders impfkritisch ist. Nur 50% dieser Personengruppe stehen Impfungen positiv gegenüber und nur 13% der Personen ohne ausreichenden Masernimpfschutz plant, diesen im kommenden Jahr nachzuholen (Stern, 2013).
Wie im Punkt 3.1. dieser Arbeit aufgezeigt ist die Masernimpfabdeckung bei Kleinkindern gut. Eine der Hauptzielgruppen von Impfkampagnen sollten demnach Jugendliche und junge Erwachsene sein.
Deutschland und Österreich sind Hauptanlaufpunkte für Flüchtlinge aus aller Welt. Die aktuellen Zufluchtsströme stellen die medizinische Versorgung und die Sicherstellung eines ausreichenden Impfschutzes der Flüchtlinge vor Probleme (Die Welt, 2015).
Ein Großteil der Flüchtlinge kommt aus Herkunftsländern, in denen die medizinische Versorgung, aufgrund von Krieg oder sonstigen politischen Wirren, zusammengebrochen ist. Folglich haben Flüchtlinge einen oft nur mangelhaften Impfschutz gegen Masern (Die Welt, 2015; Handelsblatt 2015b). Medienberichten zufolge gingen die Masernausbrüche vom Oktober 2014 in Berlin von Flüchtlingsunterkünften aus (Die Welt, 2015; Handelsblatt, 2015b).
Aber nicht nur Flüchtlinge weisen einen mangelhaften Impfschutz vor. Laut derStandard sind in Österreich von den 1,5 Millionen Personen mit Migrationshintergrund nur die wenigsten ausreichend geimpft (derStandard, 2012a).
Dem Gesundheitspersonal kommt in jedem Gesundheitssystem eine Schlüsselrolle zu. Das Gesundheitspersonal beeinflusst die Themen Masern und Masernimpfschutz auf mehreren Ebenen.
Ärzte sind für die meisten Menschen die zentrale Anlaufstelle für medizinische Fragen. Patienten kennen sich nicht mit den Details der medizinischen Materie aus und vertrauen dem Fachwissen der Mediziner (Zeit Online, 2009). Aus diesem Grund ist es für eine hohe Impfabdeckung der Bevölkerung wichtig, ausreichend Ärzte, welche den Patienten Impfungen empfehlen, mobilisieren zu können (SchleswigHolsteinischer Zeitungsverlag, 2012). Um diese Aufklärfunktion dem Patienten gegenüber übernehmen zu können, müssen Ärzte bestens über die bestehende MMR-Kombinationsimpfung informiert sein. Denn vielfach ist selbst Ärzten nicht bewusst, dass es sich bei der zweiten Dosis MMR keinesfalls nur um eine Auffrischungsimpfung handelt (Süddeutsche Zeitung, 2013).
Die Aufklär- und Beratungsfunktion der Ärzte kann sich auch negativ auf die Impfquoten auswirken. So befinden sich unter den Medizinern professionelle Impfgegner wie Homöopathen und anthroposophische Ärzte, welche ihren Patienten Impfungen nicht weiterempfehlen (Zeit Online, 2009; Spiegel Online, 2013c; Wiener Zeitung, 2015)
Dem Gesundheitspersonal kommt als möglicher Krankheitsüberträger weitere Verantwortung zu. Durch den engen Kontakt zwischen Personal und Patienten im Krankenhaus kann sich der Masernerreger, bei mangelhaftem Impfschutz, leicht verbreiten. In gleich vier Medienberichten wird ungeimpftes Krankenhauspersonal als Risikofaktor für sich und die Patienten eingestuft (Süddeutsche Zeitung, 2015; derStandard, 2015; Wiener Zeitung, 2015; AVOS, o.J.).
Die Gründe und Ursachen, warum sich Menschen nicht für eine Schutzimpfung gegen Masern entscheiden, sind sehr vielfältig wie die Medienanalyse zeigt. Im Folgenden werden die einzelnen Gründe für die Impfmüdigkeit genauer beleuchtet.
Maßgeblichen Einfluss auf Entscheidungen hat die Qualität und Art der zur Verfügung stehenden Informationen. Die erste Anlaufstelle für Informationen stellt für viele Personen das Internet dar. In Zeiten von Web 2.0, Blogs und User generierten Inhalten ist es jedermann möglich, binnen kürzester Zeit Inhalte im Internet zu veröffentlichen. Dies hat zur Folge, dass Informationen im Internet oft falsch, ungeprüft und unsortiert sind (Handelsblatt, 2015d). Dabei schädigen Impfdiskussionen, in denen Impfgegner ungeprüfte Informationen verbreiten, die öffentliche Wahrnehmung über Impfungen schwer (SpringerMedizin.at, 2012; derStandard, 2012b; Spiegel Online, 2013a). Darüber hinaus verzerren subjektive Erfahrungsberichte die Qualität der Informationen im Internet weiter. Vorrangig werden negative Einzelbeispiele über Nebenwirkungen kommuniziert, welche anschließend weitere negative Reaktionen hervorrufen (derStandard, 2012a; Spiegel Online, 2013a).
Ein generelles Problem betrifft die Art wie über Impfungen gesprochen wird. Obwohl jede Impfung ein eigenes Anwendungs-, Nutzens- und Risikoprofil aufweist, fallen Impfungen oft einer Verallgemeinerung zum Opfer (derStandard, 2015).
Wie bereits in der Einleitung beschrieben, werden Masern durch Viren ausgelöst. Die Masernimpfung bereitet das Immunsystem mit einer abgeschwächten Variante des Erregers auf eine mögliche Infektion vor und schützt somit den Geimpften (BMG, 2013). Nur wissenschaftlich auf Wirksamkeit geprüfte Impfungen erhalten in Deutschland und Österreich eine Zulassung (Handelsblatt, 2015b). Diese Wirksamkeit der Impfungen wird von Impfgegnern bezweifelt (WHO Regionalbüro Europa, 2012; Bild Zeitung, 2015; Handelsblatt, 2015b). Harte Impfgegner bezweifeln darüber hinaus die Existenz von Viren und sehen somit Impfungen als völlig falsche Präventionsmethode an (derStandard, 2015).
Eines der am häufigsten angeführten Argumente gegen Impfungen sind mögliche Nebenwirkungen. In einer Umfrage gaben 25% der Befragten an, sich wegen der Angst vor möglichen Impfschäden und Nebenwirkungen gegen eine Impfung entschieden zu haben (AVOS, o.J.). Das Forschungsprojekt „The Vaccine Confidence Project“ untersucht soziale Netzwerke auf Äußerungen über Impfungen. Bisherige Ergebnisse zeigen, dass 16% der negativen Äußerungen etwaige Sicherheitsbedenken zum Thema haben (Spiegel Online, 2013a).
Eine Verbindung zwischen Impfungen und der Wahrscheinlichkeit an Autismus zu erkranken, wird in vielen Medienberichten gesondert hervorgehoben. Dieser Zusammenhang wurde 1998 in einer Studie des britischen Arztes Andrew Wakefield das erste Mal proklamiert. Obwohl die Studie mittlerweile mehrmals als falsch widerlegt wurde, wird das Argument der Auslösung von Autismus immer wieder hervorgebracht (Süddeutsche Zeitung, 2012; Spiegel Online, 2013b; Bild Zeitung, 2015; Handelsblatt, 2015b; Süddeutsche Zeitung, 2015a).
Weitere Bedenken betreffen die Abwehrkräfte kleiner Kinder. Eltern befürchten, dass vor allem Kombinationsimpfungen, das Immunsystem ihrer Kinder überfordern könnten und somit anderen Krankheiten Chancen zum Ausbruch geben (Handelsblatt, 2015b).
Die MMR-Kombinationsimpfung gilt als eines der sichersten Werkzeuge der Medizin. Seit 1998 wurden mehr als drei Millionen Dosen des Wirkstoffes in Österreich verabreicht. Dabei kam es zu keinem bleibenden Impfschaden (AVOS, o.J.; Kurier, 2013).
Masern sind eine gefährliche und hoch ansteckende Krankheit. Dennoch wird sie von vielen nicht ernst genommen und als eine ungefährliche Kinderkrankheit eingestuft (Süddeutsche Zeitung, 2012). Eine Umfrage der BZgA aus dem Jahr 2012 ergab, dass 24% der Befragten Masern als keine gefährliche Krankheit ansehen (BZgA, 2012; Stern, 2013).
Dies ist vor allem zwei Denkansätzen geschuldet. Erstens sind Eltern und ältere Erwachsene der Meinung, dass sie die Krankheit auch durchgemacht und ohne längerfristige Komplikationen gut überstanden haben (Süddeutsche Zeitung, 2013; Handelsblatt, 2015b). Des Weiteren gehen manche Personengruppen noch einen Schritt weiter und sehen die Infektion mit Masern als einen wichtigen Teil zur Abhärtung des Immunsystems und der Kindesentwicklung an (Stern, 2013; Bild Zeitung, 2015; Handelsblatt, 2015b).
Eine Verharmlosung von Masern hat Auswirkungen auf die Impfquoten. Denn sobald eine Krankheit nicht mehr als gefährlich wahrgenommen wird, sinkt die Impfdisziplin (Spiegel Online, 2013b).
Masernfälle im unmittelbaren Bekanntenkreis sind in Deutschland und Österreich selten geworden. Dies ist ein Erfolg jahrelanger Impfprogramme, wodurch Masernfälle auf die heutige Zahl reduziert werden konnten. Als Nebeneffekt dieses Erfolges geraten Masern zusehends in Vergessenheit (Zeit Online, 2009b; derStandard, 2012b).
Das mangelhafte Krankheitsbewusstsein rund um Masern in der Bevölkerung macht sich in Umfrageergebnissen bemerkbar. Als Haupthinderungsgrund für die MMR- Impfung gaben 60% der Befragten in einer deutschlandweiten Repräsentativumfrage im Jahr 2012 an, nicht um die Notwendigkeit einer Impfung Bescheid zu wissen (BZgA, 2012). In einer ähnlichen bundesweiten Repräsentativumfrage zwei Jahre später stieg dieser Wert auf 70% an (Deutsches Ärzteblatt, 2015a). Somit sind Unwissenheit rund um Masern und der Notwendigkeit einer Impfung größere Hinderungsgründe für eine hohe Impfabdeckung als mögliche Sicherheitsbedenken.
Der Prozess des Vergessens wird durch die mediale Berichterstattung von neuen Krankheiten beschleunigt. So schreibt derStandard (2009b): „Im Zuge der dominanten Berichterstattung in den Medien zu neuen Seuchengefahren wie der Schweinegrippe geraten andere Infektionsrisiken in der öffentlichen Wahrnehmung zu Unrecht in den Hintergrund (...) Neue Risiken werden meist schlimmer empfunden als altbekannte, die gerne verdrängt werden. ”.
Barrieren, welche den Zugang zu Impfungen verhindern, können Impfquoten beeinflussen. Zugangsbarrieren treffen vor allem Flüchtlinge und Personen mit Migrationshintergrund.
Für Flüchtlinge steht kein reguläres Impfangebot in Deutschland zur Verfügung (Die Welt, 2015). Stattdessen erhalten Flüchtlinge laut Asylbewerberleistungsgesetz eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung in den ersten 15 Monaten ab Beginn des Aufenthaltes. Dieses eingeschränkte Leistungsangebot umfasst ausschließlich die kostenfreie Masernimpfung für Personen mit Geburtsjahr 1970 und später (Die Welt, 2015). Personen mit Migrationshintergrund erfahren zusätzlich durch Sprachbarrieren eine weitere Zugangsbehinderung (derStandard, 2012a).
Auch Österreicher und Deutsche unterliegen niederschwelligen Zugangsbarrieren (derStandard, 2009a; derStandard, 2012b). So wird Bequemlichkeit vom WHO Regionalbüro Europa als einer der Gründe für Impfmüdigkeit angegeben (WHO Regionalbüro Europa, 2012). Demnach wünschen sich 85% der Teilnehmer einer Umfrage einen einfacheren und bequemeren Zugang zu Schutzimpfungen (derStandard, 2009a).
Neben den erwähnten Gründen für die Impfmüdigkeit nennen die Quellen noch einige weitere.
Einen Kritikpunkt stellen die finanziellen Interessen der Pharmaindustrie an hohen Impfquoten dar (derStandard, 2009a; derStandard, 2015). 21% der negativen Äußerungen über Impfungen über soziale Netzwerke betreffen die Motive von Politik und Pharmaindustrie (Spiegel Online, 2013a).
Eine Quelle nennt religiöse Motive als Grund für die Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen (Bild Zeitung, 2015). In einem anderen Medienbericht wird die Unsicherheit der Bürger aufgrund der unterschiedlichen Auffrischungsvorschriften für jede Impfung genannt (Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, 2012). Auch konnte in einer Quelle eine Free-Rider Mentalität identifiziert werden. Dabei nutzen Personen die Herdenimmunität der Bevölkerung aus, um sich vor Masern zu schützen und gleichzeitig dem Risiko des Impfens zu entgehen (Handelsblatt, 2015b).
Um herauszufinden, mit welchen Maßnahmen die Masernimpfquoten in den deutschsprachigen Ländern gesteigert werden können, ist eine Analyse der durchgeführten Impfkampagnen unerlässlich. Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse aus der Medienanalyse dazu genannt.
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