Diplomarbeit, 2008
115 Seiten, Note: 1,3
II. Abkürzungsverzeichnis
III. Tabellenverzeichnis
IV. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Begriffsdefinitionen und Abgrenzungen
2.1. Internationalisierung
2.2. Internationalisierungstheorien
2.3. Mittelständische Unternehmen
2.3.1. Vorbemerkung
2.3.2. Quantitative Merkmale
2.3.3. Qualitative Merkmale
2.3.4. Stärken und Schwächen und ihre Folgen für die Internationalisierung
3. Das Internationalisierungsverhalten deutscher mittelständischer Unternehmen
3.1. Die wirtschaftliche Bedeutung mittelständischer Unternehmen
3.2. Internationalisierungsdruck und Motive für die Internationalisierung
3.3. Das Vorgehen deutscher KMUs bei der Auslandsmarkterschließung
3.4. Erfolgsfaktoren und Hemmnisse für die Internationalisierung
4. Theoretische Erklärungsansätze zur Internationalisierung von deutschen mittelständischen Unternehmen
4.1. Auswahl der zu betrachtenden Internationalisierungstheorien
4.2. Phasenmodelle der Internationalisierung
4.2.1. Vorbemerkung
4.2.2. Das Uppsala-Modell
4.2.2.1. Charakteristika und zentrale Komponenten
4.2.2.2. Internationalisierungsmuster der Uppsala-Schule
4.2.2.3. Internationalisierungsmodell der Uppsala-Schule
4.2.3. Eignung als Erklärungsansatz
4.3. Das eklektische Paradigma
4.3.1. Charakteristika und zentrale Komponenten
4.3.2. Eignung als Erklärungsansatz
4.4. Netzwerkansätze und Netzwerktheorien
4.4.1. Vorbemerkung
4.4.2. Der Netzwerkansatz der Internationalisierung - Charakteristika und zentrale Komponenten
4.4.3. Eignung als Erklärungsansatz
4.5. Theorien der frühen bzw. sprunghaften Internationalisierung
4.5.1. Vorbemerkung
4.5.2. Die Theorie der International New Ventures – Charakteristika und zentrale Komponenten
4.5.3. Eignung als Erklärungsansatz
5. Fazit
V. Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Internationaler Vergleich der Beschäftigungsgrenzen von KMUs
Tabelle 2: KMU-Definition der EU-Kommission
Tabelle 3: KMU-Definition des IfM Bonn
Tabelle 4: Stärken und Schwächen mittelständischer Unternehmen
Tabelle 5: Unterschiede zwischen mittelständischen und großen Unternehmen
hinsichtlich der internationalen Geschäftstätigkeit
Tabelle 6: Internationalisierungszwänge und -anreize
Tabelle 7: Überblick Internationalisierungstheorien und -ansätze
Tabelle 8: Internationalisierung im Netzwerkmodell von Johanson und Mattsson
Tabelle 9: Merkmale von Born Global Firms
Tabelle 10: Die vier Typen von International New Ventures nach Oviatt und
McDougall
Abbildung 1: Unterscheidung mittelständischer Unternehmen anhand der Eigentumsverhältnisse
Abbildung 2: Qualitative Abgrenzungsmerkmale mittelständischer Unternehmen
Abbildung 3: Vollzeitbeschäftigte in mittelständischen Unternehmen (Hochrechnung
für das Jahr 2004)
Abbildung 4: Vergleich mittelständische Unternehmen und Großunternehmen in Deutschland
Abbildung 5: Die EU-Osterweiterung aus der Sicht mittelständischer Unternehmer
Abbildung 6: Erfolgsquoten nach Zielregionen
Abbildung 7: Internationalisierungsgrad nach Branchen
Abbildung 8: Internationalisierungsgrad nach Jahresumsatz
Abbildung 9: Die Nutzung von Internationalisierungsformen (ohne Export)
Abbildung 10: Zielregionen der Exporte mittelständischer Unternehmen
Abbildung 11: Anteil der Auslandsinvestitionen an den Gesamtinvestitionen
Abbildung 12: Systematisierung der Internationalisierungshemmnisse
Abbildung 13: Internationalisierungshürden und -hemmnisse außerhalb der EU
Abbildung 14: Internationalisierungshürden und -hemmnisse innerhalb der EU
Abbildung 15: Systematisierung der Internationalisierungstheorien
Abbildung 16: Establishment chain des Internationalisierungsmusters der Uppsala-Schule
Abbildung 17: Psychic distance chain des Internationalisierungsmusters der Uppsala-Schule
Abbildung 18: Das Internationalisierungsprozessmodell der Uppsala-Schule
Abbildung 19: Internationalisierungsphasen mittelständischer Weltmarktführer
Abbildung 20: Das eklektische Paradigma von Dunning – Zusammenhang zwischen Internationalisierungsformen und Vorteilskategorien
Abbildung 21: Voraussetzungen für eine nachhaltige Existenz von International New Ventures 90
Mittelständische Unternehmen haben eine große Bedeutung für den Standort Deutschland, was sich schon daran ablesen lässt, dass sie als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ (Giersberg 2007) bezeichnet werden und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) davon ausgeht, dass ca. 41 Prozent der steuerpflichtigen Umsätze von Mittelständlern erzielt werden, diese knapp 71 Prozent der Arbeitsplätze in Deutschland stellen, 99,7 Prozent der Unternehmen ausmachen und damit „die deutsche Wirtschaft [...] vor allem durch rd. 3,4 Millionen kleine und mittlere Unternehmen und Selbständigen in Handwerk, industriellem Gewerbe, Handel, Tourismus, Dienstleistungen und Freien Berufen geprägt“ (BMWi 2008) wird.
Die deutsche Bundesregierung hat 2006 eine „Mittelstandsinitiative“ ins Leben gerufen, durch die u. a. Bürokratie abgebaut, die Innovationsfähigkeit gestärkt, die Rahmenbedingungen verbessert und darüber hinaus deutsche Mittelständler bei ihrem Engagement auf ausländischen Märkten besser unterstützt werden sollen (BMWi 2006, S. 1 ff.). Dass die „Mittelstands-initiative“ auch dazu dienen soll, mittelständische Unternehmen in Deutschland besser auf ihre internationale Geschäftstätigkeit vorzubereiten, zeigt die Bedeutung von Inter-nationalisierung gerade für diese Gruppe von Unternehmen und wirft die Frage auf, ob theoretische Ansätze und Modelle das Internationalisierungsverhalten erklären können.
Zur Beantwortung der Frage ist es notwendig zu erläutern, was unter Internationalisierung und Internationalisierungstheorien zu verstehen ist. Ferner sind mittelständische Unternehmen zu definieren, ihre Stärken und Schwächen darzustellen und die sich daraus ergebenden Folgen für die Internationalisierung aufzuzeigen (vgl. 2. Kapitel).
Die Betrachtung des Vorgehens deutscher mittelständischer Unternehmen bei der Länder-markterschließung im Ausland erfolgt im dritten Kapitel und bildet die Ausgangsbasis für die spätere Überprüfung der theoretischen Erklärungsansätze. Dazu werden einerseits die Motive für die Internationalisierung sowie die Erfolgsfaktoren erörtert und andererseits die Hemmnisse und der Druck, der mittelständische Unternehmen zur einer Geschäftstätigkeit außerhalb Deutschlands antreibt, analysiert.
Die Gründe für die Auswahl der betrachteten Internationalisierungstheorien werden zu Beginn des vierten Kapitels dargelegt, bevor diese Ansätze auf ihre Eignung, das Internationalisierungsverhalten deutscher mittelständischer Unternehmen zu erklären, geprüft werden und die Arbeit mit einer zusammenfassenden Betrachtung und Schlussfolgerungen abschließt.
Internationalisierung stellt in den strategischen Überlegungen vieler Unternehmen „eine zentrale Komponente“ (Bamberger/Evers 1997, S. 378) dar, da sie dem Ausbau von Wettbewerbsvorteilen und somit der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit auf nationalen und internationalen Märkten dient. In der Literatur existieren zahlreiche Begriffsbestimmungen für Internationalisierung, jedoch aufgrund des breiten Spektrums keine eindeutige Definition (Perlitz 2004, S. 8).
Internationalisierung und Globalisierung sind „nicht als Synonyme zu verstehen“ (Haas 2006, S. 6). Internationalisierung gilt „als Vorstufe bzw. als Interimszustand zur Globalisierung“ (Haas 2006, S. 4), da „unter Globalisierung eine weitergehende und komplexere Form der Internationalisierung im Sinne einer gesteigerten funktionalen Integration zwischen international dispersen ökonomischen Aktivitäten“ (Haas 2006, S. 4) verstanden wird. Auch Zentes/Swoboda/Morschett (2004, S. 5) sehen „Globalisierung als die extreme bzw. umfassendste Ausprägung der Internationalisierung“.
Einige Autoren beschränken Internationalisierung auf bestimmte betriebliche Bereiche wie Absatz und Marketing, wohingegen andere Ansichten „von einer funktionsübergreifenden Ausdehnung der Aktionsmöglichkeiten der Unternehmung in andere Länder ausgehen“ (Perlitz 2004, S. 8). Auf internationalen Märkten tätige Unternehmen sind „heute meist dadurch charakterisiert, dass die Wertschöpfungsaktivitäten, so Forschung & Entwicklung und Produktion, in mehreren oder gar vielen Ländern ausgeführt werden und es dabei zugleich zu Austauschbeziehungen zwischen dislozierten Einheiten kommt“ (Zentes/Swoboda/Morschett 2004, S. 3). Eine solche Cross-Border-Wertschöpfung zeigt, dass Internationalisierung „das gesamte Spektrum grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit“ (Zentes/Swoboda/Morschett 2004, S. 4) umfassen kann. Internationalisierung auf bestimmte Funktionsbereiche einer Unternehmung einzuschränken, ist deshalb nicht zweckmäßig (Perlitz 2004, S. 8).
Grundsätzlich kann Internationalisierung aus zwei Sichtweisen betrachtet werden: Aus der statischen Perspektive, bei der „Internationalisierung am Akt der erstmaligen Aufnahme internationaler Aktivitäten festgemacht“ (Bamberger/Evers 1997, S. 379) wird, und als dynamischer Prozess, der ein wachsendes Engagement auf internationalen Märkten beinhaltet (Welch/Luostarinen 1988, S. 36).
Bei statischer Betrachtung muss zunächst die Frage geklärt werden, „ab wann eine KMU als internationalisiert gilt, ob also Export ausreicht oder andere Bedingungen, wie beispielsweise (ein bestimmter Anteil von) Direktinvestitionen im Ausland oder ein bestimmter Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz gegeben sein müssen“ (Bamberger/Evers 1997, S. 379).
Zur Messung des Ausmaßes der Internationalisierung lassen sich bei den institutionellen Ansätzen drei verschiedene Methoden unterscheiden: Neben quantitativen und qualitativen existieren integrative Messkonzepte, „die versuchen, quantitative und qualitative Merkmale zu berücksichtigen, dabei aber eher eine heuristische Funktion erfüllen“ (Kutschker/Schmid 2005, S. 249).
Quantitative Konzepte nutzen eine oder mehrere miteinander kombinierte Kennzahlen, wie z. B. den Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz oder die Anzahl der Auslandsmärkte, in denen ein Unternehmen aktiv ist. Da wegen der oftmals zwischen Branchen und Unternehmen vorherrschenden Heterogenität quantitative Kriterien zur Abgrenzung problematisch sind, erfolgt bei qualitativen Konzepten eine „Orientierung an den Unternehmenszielen“ (Perlitz 2004, S. 10). Kutschker/Schmid (2005, S. 319 ff.) messen mit ihrem integrativen Konzept die im Ausland erzeugte Wertschöpfung, die geografisch-kulturelle Distanz der bearbeiteten Ländermärkte und die Integration der internationalen Aktivitäten innerhalb der Unternehmung. Die Internationalität eines Unternehmens hängt von der Stärke der Ausbildung der drei Kriterien ab.
Die statische Perspektive fokussiert demnach „das Ergebnis bzw. das Ausmass (sic!) der Internationalisierung, den sog. Internationalisierungsgrad“ (Löser 2000, S. 20 f.), und betrachtet nur einen Zustand, weshalb sie folglich keine Aussagen darüber liefert, ob die internationalen „Aktivitäten für die Evolution eines Unternehmens von Bedeutung sind“ (Weber 1997, S. 24). Aus diesen Gründen erscheint eine Verengung des Internationalisierungsbegriffs auf die erstmalige Aufnahme eines Auslandsengagements nicht angebracht (Perlitz 2004, S. 8).
Welch/Luostarinen (1988, S. 36) vertreten die prozessuale Sichtweise und betonen, dass neben außenorientierten auch binnenlandorientierte Beziehungen zu ausländischen Geschäftspartnern bzw. wechselseitige Verflechtungen Internationalisierung begünstigen. Nach Andersen (1997, S. 29) kann Internationalisierung als „process of adapting exchange transaction modality to international markets“ definiert werden. Er kombiniert damit statisch-ökonomische mit prozess- und verhaltensorientierten Elementen und „hebt [...] die häufig [...] vorgenommene Reduzierung des Internationalisierungsbegriffes auf Fragen von Absatz und Marketing auf“ (Welter 2002, S. 11 f.). Die prozessuale Perspektive ist dynamisch und versucht „die Entwicklung des ‚going international’ zu charakterisieren“ (Weber 1997, S. 27).
Bamberger/Evers (1997, S. 379 f.) betonen, dass es sich bei Internationalisierung sowohl um ein wachsendes als auch um ein variierendes Auslandsengagement handelt. Dies schließt explizit auch einen Rückgang des internationalen Engagements (De-Internationalisierung einer Unternehmung) ein, wohingegen klassische Ansätze „Internationalisierung von Unternehmen überwiegend als ‚Einbahnstraße’“ (Oesterle 1999, S. 221 ff.) verstehen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Aspekte definiert Welter (2002, S. 12) Internationalisierung als einen „Prozess in dessen Verlauf sich Umfang und Reichweite von Aktivitäten des Unternehmens mit internationalem Bezug verändern“. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird die Begriffsdefinition von Welter verwendet, da die Erklärung des Internationalisierungsverhaltens eine prozessuale und somit ganzheitliche Sicht erfordert.
Internationalisierungstheorien sollen analysieren und Antworten liefern, warum Unternehmen international tätig werden. Theorien „bilden deshalb den Ausgangspunkt für die Erklärung der Internationalisierungsformen und -prozesse“ (Zentes/Swoboda/Schramm-Klein 2006, S. 9). Neben dem Grund für das ‚going international’ (Kausalität) sollen auch Modalität, Temporalität und Lokalität des internationalen Engagements einer Unternehmung erklärt werden (Kutschker/Schmid 2005, S. 371). In der Literatur findet sich infolgedessen eine Fülle von Internationalisierungstheorien, „deren Ziel es ist, Erklärungsvariablen zu identifizieren, die für die Internationalisierung von Volkswirtschaften, Branchen und/oder Unternehmen bedeutsam sind“ (Perlitz 2004, S. 66).
Viele Theorien in der internationalen Managementforschung stellen eine bestimmte Fragestellung in den Mittelpunkt, weshalb sie eher als Partialansatz anzusehen sind, und „erheben auch nicht den Anspruch eines ganzheitlichen Erklärungsansatzes“ (Zentes/Swoboda/Schramm-Klein 2006, S. 10). Kutschker/Schmid (2005, S. 373) listen zahlreiche Kriterien auf, anhand derer die Theorien der Internationalisierung systematisiert werden können: Dies sind bspw. der geografische oder inhaltliche Erklärungsbereich der Theorien, die disziplinäre Herkunft, der Erklärungsanspruch, die Erklärungsebene oder die zeitliche Entstehung der Theorien und die zu erklärende Form der internationalen Aktivitäten. Im Rahmen dieser Arbeit wird das letztgenannte Kriterium zur Systematisierung verwendet, das von Kutschker/Schmid (2005, S. 373 ff.) für eine Dreiteilung in Außenhandelstheorien, Direktinvestitionstheorien und übergreifende Theorien der Internationalisierung genutzt wird.
Da der Fokus der vorliegenden Arbeit nicht auf einer einzelnen Unternehmung, sondern auf deutschen mittelständischen Unternehmen liegt, ist der Begriff der Internationalisierungstheorie von den Strategien einer internationalen Unternehmung abzugrenzen. Unternehmensstrategien sind nicht nur von den Unternehmenszielen abhängig, sondern werden „auch maßgeblich [...] von der Kultur, der Philosophie und den Visionen der Unternehmung“ (Kutschker/Schmid 2005, S. 809 f.) beeinflusst. Stoßrichtungen von Internationalisierungsstrategien können bspw. Markteintritts- und Marktbearbeitungs-, Zielmarkt-, Timing-, Allokations- und Koordinationsstrategien sein (Kutschker/Schmid 2005, S. 810).
Die Begriffe „mittelständische Unternehmen“, „Mittelstand“ und „kleinere und mittlere Unternehmen“ (KMUs) werden im allgemeinen Sprachgebrauch meist synonym verwendet. Um den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit, deutsche mittelständische Unternehmen, eingrenzen und insbesondere von Großunternehmen abgrenzen zu können, ist eine Begriffsbestimmung erforderlich.
Ganzel (1962, S. 7) hat sich schon zu Beginn der 60er Jahre mit dieser Problematik beschäftigt und über 200 verschiedene Definitionen für „mittelständische Unternehmen“ identifiziert. Eine einheitliche Definition existiert in der betriebswirtschaftlichen Literatur jedoch nicht (Habedank 2006, S. 27).
Benutzt wird der Begriff „Mittelstand“ überwiegend in Deutschland, während im angloamerikanischen und romanischen Sprachraum „kleine und mittlere Unternehmen“, die „einen statistisch greifbaren Teil der Gesamtwirtschaft“ (Backes-Gellner/Huhn 2000, S. 178) bezeichnen, verwendet wird. „Mittelstand“ ist in Deutschland nicht klar umrissen, so dass damit neben bestimmten Arten von Unternehmen u. a. auch soziologische Implikationen verbunden werden (Kormalis 2005, S. 37) und der Begriff somit „neben ökonomischen auch gesellschaftliche und psychologische Aspekte“ (Backes-Gellner/Huhn 2000, S. 178) umfasst.
Im Rahmen dieser Arbeit soll ausschließlich der wirtschaftliche Mittelstand betrachtet werden, der durch quantitative und qualitative Merkmale, die „für das Verständnis, der Motive, Einschätzungen, Verhaltensdeterminanten und Darstellungsformen des Mittelstandes von zentraler Bedeutung“ (Günterberg/Wolter 2002, S. 1) sind, gekennzeichnet ist. Folglich setzt sich die Mittelstandsdefinition aus zwei Bestandteilen zusammen: Während qualitative Aspekte dazu dienen, Wesensmerkmale zu identifizieren, „die als charakteristisch für die jeweiligen Unternehmensgrößenklassen gelten“ (Haas/Neumair 2006, S. 670), erfolgt bei der quantitativen Abgrenzung eine Zuordnung von Unternehmen zu festgelegten Betriebsgrößenklassen.
Das Institut für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn) verbindet in seiner Begriffsabgrenzung quantitative und qualitative Elemente und liefert damit eine „inzwischen weithin akzeptierte Definition“ (Klemmer u. a. 1996, S. 18). Dieser Definition soll in der vorliegenden Arbeit gefolgt und unter „mittelständischen Unternehmen“ sowohl kleinere und mittlere Unternehmen als auch Familienunternehmen subsumiert werden. Im Folgenden werden deshalb die quantitativen Merkmale, die KMUs ausmachen, und qualitative Aspekte, die Familienunternehmen charakterisieren, näher erläutert, um die Definition weiter zu präzisieren.
Zur quantitativen Abgrenzung von mittelständischen Unternehmen werden „statistisch erfassbare Kriterien“ (Kormalis 2005, S. 38) herangezogen. Dementsprechend sind quantitative Merkmale definiert als „diejenigen Charakteristika eines Unternehmens, die sich in Mengenzahlen ausdrücken lassen“ (Dierkes 1999, S. 95). Beschäftigtenanzahl, Gewinn, Eigenkapital, Bilanzsumme und Jahresumsatz sind nur einige Beispiele für Kennzahlen, die bei der quantitativen Definition angewandt werden (Weber/Kabst 2000, S. 7).
Die Auswahl geeigneter Indikatoren und Kennzahlen zur Bestimmung der Unternehmensgrößenklassen ist nicht nur aufgrund der Fülle der Indikatoren problematisch (Günterberg/Wolter 2002, S. 1), denn manche Kriterien besitzen „nicht immer ein hohes Aussagepotential für die gewünschte Abgrenzung“ (Kormalis 2005, S. 38). Wird eine Kombination von zwei Kennzahlen zur Einteilung verwandt, kann es zu Problemen kommen, wenn eines der beiden Kriterien zur Einordnung in eine andere Unternehmensgrößenklasse führt (Dierkes 1999, S. 96).
Zu berücksichtigen sind neben den betrieblichen Besonderheiten insbesondere auch die Spezifika einzelner Branchen (Schmidt/Kiefer 2005, S. 1362). Mittelständische Unternehmen finden sich in nahezu allen Branchen, so dass eine große Heterogenität bspw. im Hinblick auf Marktgröße, Arbeits- und Kapitalintensität sowie verwendete Maschinen und Technologien herrscht, die bei der „unternehmensgrößenbezogenen Analyse beachtet werden“ (Günterberg/Wolter 2002, S. 2) sollte, um die Vergleichbarkeit von Unternehmen unterschiedlicher Branchen zu gewährleisten (Pfohl 1997, S. 17).
Umsatz und Beschäftigtenzahl sind „die gebräuchlichsten Indikatoren“ (Backes-Gellner/Huhn 2000, S. 178) und werden oft als Grundlage für Statistiken sowie in empirischen Studien verwendet, was auf das bei anderen Kennzahlen sehr beschränkte Datenmaterial und auf pragmatische Gründe zurückzuführen ist. Bei der Verwendung der beiden vorgenannten Kriterien sind jedoch auch Einschränkungen zu beachten, zu deren Verdeutlichung an dieser Stelle nur einige Beispiele angeführt werden sollen: Die Aussagekraft der Beschäftigtenzahl ist aufgrund der zunehmenden Automatisierung von Geschäftsprozessen beschränkt (Langen 1978, S. 96 f.) und der Umsatz unterliegt wegen seiner Messung in Geldeinheiten Inflationseffekten (Hamer 1990a, S. 11). Außerdem kann die Vergleichbarkeit eingeschränkt sein, wenn branchenbedingte Unterschiede bei Lagerbeständen und Fertigungstiefe vorliegen (Hamer 1987, S. 58).
Für die Einteilung in Unternehmensgrößenklassen mittels der Anzahl der Beschäftigten existiert „weder in Deutschland noch im internationalen Vergleich bislang ein bewährter Standard“ (Weber/Kabst 2000, S. 7). Die Ursache, warum sich bislang keine international einheitliche Größendefinition etabliert hat, wird in „der unterschiedlichen Einschätzung der Unternehmensgröße in Abhängigkeit der jeweiligen Größe des Landes und seiner Volkswirtschaft“ (Weber 1997, S. 8) vermutet. Die internationalen Grenzwerte für ein mittelständisches Unternehmen „schwanken [...] in einer Spannbreite von 10 bis 1000 Beschäftigten“ (Weber/Kabst 2000, S. 7). Einen überblicksartigen internationalen Vergleich liefert Tabelle 1.
Tabelle 1: Internationaler Vergleich der Beschäftigungsgrenzen von KMUs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Verlag für die Deutsche Wirtschaft 2002; Krämer 2003, S. 10 ff.
Die von der Europäischen Kommission 2003 veröffentlichte und seit 01.01.2005 geltende Empfehlung sieht ein Unternehmen als KMU an, wenn es nicht mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigt, der Jahresumsatz 50 Millionen Euro bzw. die Bilanzsumme 43 Millionen Euro nicht überschreitet und es nicht konzerngebunden ist, d. h., dass kein anderes Unternehmen mit mehr als 25 Prozent am betrachteten Unternehmen beteiligt ist (Europäische Kommission 2006, S. 14 ff.).
Tabelle 2: KMU-Definition der EU-Kommission
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Europäische Kommission 2006, S. 14.
Im Vergleich dazu begrenzen das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn, die OECD, das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie das Institut für Mittelstandsforschung an der Universität Mannheim die Beschäftigtenzahl für mittelständische Unternehmen auf 499 Beschäftigte und vertreten damit die am häufigsten verwendete Begrenzung (Behr 2001, S. 2). Als kleines und mittleres Unternehmen gelten nach Definition des IfM Bonn somit alle Unternehmen, die weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen und deren Jahresumsatz unter 50 Millionen Euro liegt (IfM Bonn 2008a).
Tabelle 3: KMU-Definition des IfM Bonn
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: IfM Bonn 2008a.
Die Vorteile der quantitativen Merkmale bestehen „in der einfachen Erfassbarkeit und objektiven Nachweisbarkeit der Kriterien“ (Haas/Neumair 2006, S. 671). Außerdem gestatten quantitative Merkmale einen Vergleich zweier Unternehmen, ohne zuerst eine Interpretation oder Bewertung der Merkmale vornehmen zu müssen (Dierkes 1999, S. 96).
Die Heterogenität mittelständischer Unternehmen birgt aber auch Nachteile: Dadurch ist es schwierig, „unter Verwendung quantitativer Maßgrößen begrenzte homogene Gruppen [zu] bilden“ (Weber 1997, S. 8). An der Kompatibilität der Merkmale wird ebenfalls gezweifelt und es wird Willkür bei der Definition der Unternehmensgrößenklassen unterstellt (Haas/Neumair 2006, S. 671). Die Festlegung sowie die zu vermutende Trennschärfe von Schwellen- bzw. Grenzwerten sei insofern kritisch zu sehen, da „ein mittelständisches Unternehmen, z. B. beim Übergang von 499 auf 500 Beschäftigte nicht unmittelbar einen großbetrieblichen Charakter annehmen und seine mittelständischen Verhaltensweisen ablegen“ (Weber 1997, S. 8 f.) wird.
An den vorgenannten Kritikpunkten wird deutlich, warum sich in der Literatur die Meinung durchgesetzt hat, dass neben quantitativen auch qualitative Merkmale in die Begriffsbestimmung einfließen sollten (Lubritz 1998, S. 15).
Unter qualitativen Kriterien werden diejenigen Merkmale verstanden, welche „die ein mittelständisches Unternehmen kennzeichnenden Wesenszüge darstellen“ (Weber 1997, S. 9). Da die Betrachtung eines einzigen Merkmals nicht geeignet ist, ein mittelständisches Unternehmen zu identifizieren (Bridge/O’Neill/Cromie 2003, S. 184), werden normalerweise Merkmalsbündel sowie die Ausprägungsstärke der darin enthaltenen Kriterien zur Abgrenzung von Großunternehmen genutzt (Löser 2000, S. 26).
Nach Meinung von Günterberg/Wolter (2002, S. 2) sind qualitative Kriterien gerade „für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Mittelstand von zentraler Bedeutung“. Diese sollten jedoch nur im Zusammenhang mit quantitativen betrachtet werden, da sich qualitative Kriterien meist unmittelbar aus den quantitativen Charakteristika ergeben (Hamer 1990b, S. 43). Darüber hinaus werden die wirtschaftlichen Aktivitäten eines Unternehmens von den qualitativen Merkmalen meist derart stark beeinflusst, dass quantitative Aspekte in den Hintergrund treten und sogar Unternehmen, die quantitative Grenzen überschritten haben, trotzdem als mittelständisch angesehen werden (Günterberg/Kayser 2004, S. 1).
Zu den bedeutendsten qualitativen Aspekten zählt die enge Verzahnung zwischen dem Unternehmen und seinem Inhaber, da diese sowohl den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens als auch das Marktverhalten determiniert (Günterberg/Kayser 2004, S. 1). Für die Abgrenzung von Großunternehmen sind demzufolge weniger Schwellenwerte oder die Rechtsform relevant, sondern die Prägung des Unternehmens „durch die Einheit von Eigentum und Leitung“ (BMWi 2007, S. 10) in der Person des Inhabers, worauf auch die Bezeichnung Familienunternehmen zurückzuführen ist. Nach der Definition des IfM Bonn (2008b) liegt Eigentümerführung und somit ein Familienunternehmen im engeren Sinn vor, „wenn bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörigen mindestens 50 % der Anteile eines Unternehmens halten und diese natürlichen Personen der Geschäftsführung angehören“.
Nach der Art der Eigentumsverhältnisse lassen sich drei Unternehmenstypen abgrenzen: Die beiden konzernunabhängigen Formen unterscheiden sich dadurch, dass bei Typ 1 Inhaberführung vorliegt und bei Typ 2 ein nicht zur Eigentümerfamilie gehörender, angestellter Manager das Unternehmen leitet. Unter Typ 3 werden schließlich die konzerngebundenen Unternehmen verstanden, die normalerweise deutlich verschieden von Typ 1 und 2 sind, da dort „strategische Entscheidungen [...] von einer möglicherweise räumlich getrennt sitzenden Konzernleitung im Interesse der Gruppe entschieden“ (BMWi 2007, S. 11) werden, was einerseits zu Zielkonflikten führen, andererseits aber auch Vorteile im Hinblick auf den Zugang zu Konzernressourcen haben kann.
Abbildung 1: Unterscheidung mittelständischer Unternehmen anhand der Eigentumsverhältnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: BMWi 2007, S. 11.
Die Tatsache, dass Familienunternehmen normalerweise unabhängig bzw. zumindest weitgehend unabhängig von Konzernen sind, ist „ein weiteres besonders wichtiges qualitatives Kriterium“ (Günterberg/Wolter 2002, S. 2 f.), da sich daraus der Einfluss bzw. die alleinige Verantwortlichkeit des Unternehmers für die unternehmenspolitischen und strategischen Entscheidungen sowie Auswirkungen auf Unternehmensorganisation, Personalführung, Entscheidungsfindung und Finanzierung des Unternehmens ergeben. Ein mittelständisches Unternehmen zeichnet sich also dadurch aus, dass der Geschäftsinhaber „eine herausragende Stellung einnimmt“ (Haas/Neumair 2006, S. 673).
Die Dynamik des wirtschaftlichen Umfeldes und im Zeitablauf zu erwartende Veränderungen sind Gründe dafür, warum eine zu starre Begriffsdefinition nicht zweckmäßig erscheint (Habedank 2006, S. 32). Zahlreiche Autoren führen deswegen Auflistungen von Kriterien aus verschiedenen Bereichen an.
Abbildung 2: Qualitative Abgrenzungsmerkmale mittelständischer Unternehmen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Habedank 2006, S. 32.
Daher sollen stellvertretend die Abgrenzungsmerkmale von Bamberger/Wrona (2002, S. 279 ff.), Pfohl/Kellerwessel (1990, S. 18 ff.) und von Neumair/Bartl (2003, S. 19 f.) näher betrachtet und der Gliederung von Haas/Neumair (2006, S. 672) folgend in vier Bereiche unterteilt werden:
Der Führungs- und Organisationsbereich von mittelständischen Unternehmen ist neben der bereits erläuterten Prägung durch den Unternehmer, der oft sowohl Eigentümer als auch alleiniger Entscheider ist, auch durch begrenzt vorhandene Personalressourcen charakterisiert (Dierkes 1999, S. 97 f.).
Kennzeichen des Produktionsbereichs sind ein kundenindividuelles und auf bestimmte Produkte bzw. Produktgruppen spezialisiertes Leistungsangebot sowie eine Konzentration auf Nischenmärkte (Fröhlich/Pichler/Pleitner 2000, S. 12).
Gute und nicht selten auch persönliche Beziehungen zu Kunden und Lieferanten sowie die daraus resultierende Kundennähe und schnell anpassbare Prozesse führen dazu, dass mittelständische Unternehmen im Absatz- und Beschaffungsbereich „flexibel und bedarfsgerecht auf veränderte Markterfordernisse reagieren“ (Haas/Neumair 2006, S. 672) können.
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