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Bachelorarbeit, 2023
48 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Mandate der Sozialen Arbeit
2.1 Das „Doppelmandat“
2.2 Das „Tripelmandat“
2.3 Begriffe: Hilfe und Kontrolle
3. Hilfe und Kontrolle im Jugendamt
3.1 Auftrag
3.2 Gesetzliche Grundlagen
3.3 Das „Kindeswohl“
3.4 Handlungsfeld ASD
3.4.1 Arbeitsweise
3.4.2 Kritik und Ausblick
4. Relevante Diskurse
4.1 Dienstleistung und Wächteramt
4.1.1 Ludwig Salgo
4.1.2 Thomas Mörsberger
4.2 Jugendamtshandeln als Teil der Sozialpolitik
4.2.1 Staatlicher Auftrag und Umgang
4.2.2 Punitivität und Arbeitsmarktpolitik
5. Schlussfolgerungen der Diskurse
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Was ist es, das eine/n guten Sozialarbeiter/in ausmacht? Mit dieser Frage möchte ich diese Bachelor Thesis beginnen und als Einstieg ins Thema nutzen. Im Verlauf der letzten Jahre des Studiums habe ich darauf eine für mich klare Antwort gefunden: Flexibilität und die Fähigkeit, Kompromisse eingehen zu können. Selbstverständlich gehören noch viele weitere Eigenschaften dazu, welche allerdings nicht Teil dieser Ausarbeitung sein sollen. Die Frage, die sich daraus ergibt, richtet sich nach dem Grund für das Eingehen von Kompromissen in der Zusammenarbeit mit Klient/innen. Viele Begrifflichkeiten und Problemlagen sind in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit nicht eindeutig definiert und führen dadurch zu Spannungsfeldern und unklaren Entscheidungssituationen für Fachkräfte. Um den Spagat zwischen den unterschiedlichen Anforderungen, die an Sozialarbeiter/innen gestellt werden, zu bewältigen, braucht es meiner Meinung nach die Fähigkeit und Notwendigkeit der kompromissbasierten Lösung, die beide Seiten eines Spannungsverhältnisses miteinbezieht. Genauso so ein Spannungsverhältnis soll im Zuge dieser Abschlussarbeit bearbeitet werden.
Das Handlungsfeld bezieht sich dabei auf das Jugendamt und die Arbeit des ASD. Das Spannungsverhältnis, welches in diesem Bereich eine besonders große Rolle spielt und Kern der Bearbeitung sein wird, ist das, der Hilfe und Kontrolle. Daraus ergibt sich die folgende Fragestellung für die Bachelorarbeit: Wie lässt sich das Spannungsverhältnis zwischen Hilfe und Kontrolle des Tätigkeitsfelds des Jugendamts gestalten?
Für mich persönlich, der sich für den Bereich des Kinderschutzes und damit der Arbeit des Jugendamtes interessiert und dort auch nach dem Studium arbeiten möchte, hat dieses Verhältnis aus Hilfe und Kontrolle schon immer eine gewisse Spannung und Neugierde ausgelöst. Dabei stellten sich mir Fragen nach dem Ursprung dieser Begriffe und der Bedeutung für die Praxis oder den Möglichkeiten für Fachkräfte damit umzugehen. Auch während dem Studium schwebte dieses Spannungsfeld über allen Bereichen der Sozialen Arbeit und ist dadurch sicherlich jedem Studierenden theoretisch bewusst. Trotzdem wird sich damit in den unterschiedlichen Modulen meist nur oberflächlich beschäftigt, obwohl es doch so ein wichtiger Bestandteil der Sozialen Arbeit im Allgemeinen ist. Aus diesem Grund habe ich mich dafür entschieden, mich intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen und in dieser, meiner Bachelor Thesis zu bearbeiten.
Die Frage nach dem Ursprung der Begriffe Hilfe und Kontrolle hat mich zu dem Auftrag und den Mandaten in der Sozialen Arbeit geführt, welche zu Beginn der inhaltlichen Auseinandersetzung meines Themas stehen werden. Im weiteren Verlauf möchte ich neben den Mandaten auch genauer auf die Definition der Hilfe, sowie Kontrolle eingehen und das daraus resultierende Spannungsverhältnis ableiten.
Als Handlungsfeld soll dabei, wie bereits angesprochen, das Jugendamt betrachtet werden, in dem sich ein besonders großer Spagat zwischen Hilfe und Kontrolle auftut (vgl. Ritter, 2021:35). Dabei spielt sowohl der Begriff des Kindeswohls, rechtliche Grundlagen, als auch die Ausgestaltung der Fallarbeit, sowie kritische Betrachtungen der Praxisarbeit in Bezug auf das Spannungsverhältnis eine Rolle.
Zur Verdeutlichung der unterschiedlichen Meinungen der Fachwelt zu diesem Thema werde ich den Diskurs zum Streitgespräch von Ludwig Salgo (2001) und Thomas Mörsberger (2001) mit in meine Arbeit einfließen lassen und dabei versuchen, Gemeinsamkeiten, wie auch Unterschiede herauszuarbeiten, um diese im weiteren Verlauf der Bearbeitung des Themas aufzugreifen.
Ein weiterer Diskurs, der sich im Bereich der Hilfe und Kontrolle auftut ist die Verbindung des Themas zu den Interessen des Staates Deutschland, insbesondere der Sozialpolitik. Soziale Arbeit und damit das Handeln im Jugendamt ist an staatliche Aufgaben gebunden und ein Teil des Sozialsystems, das Einfluss auf die Entwicklung der professionellen Arbeit hat (vgl. Leiber/Leitner, 2017: 112). Aus diesem Grund möchte ich zeigen, wie sich zunehmende Kontrolle und punitive Tendenzen in der Sozialen Arbeit bemerkbar machen und dabei neben dem Handlungsfeld des Jugendamtes auch exemplarisch auf die Sozialhilfe eingehen.
All die unterschiedlichen Ansichten zur Ausgestaltung des Spannungsfeldes zwischen Hilfe und Kontrolle im Jugendamt sollen im besten Falle zur Beantwortung meiner Fragestellung führen. Dazu werde ich auch meine eigene Meinung, kritische Denkanstöße und Gedankengänge in die Bearbeitung des Themas einfließen lassen. Die verschiedenen Bestandteile und Diskurse, die mit dem Thema zu tun haben und ich in der Bachelorarbeit bearbeiten werde, sollen zu Schlussfolgerungen führen, die keine neuen Fragen aufwerfen, sondern versuchen konkrete „Lösungen“ oder Vorschläge des Umgangs mit dem Spagat aus Hilfe und Kontrolle im Jugendamt zu finden.
Die Methode, derer ich mich dazu im Zuge der Bachelor Thesis bediene, ist eine literaturbasierte Analyse des Themas, die verschiedenste Ansichten, inklusive meiner eigenen miteinschließt und mit Hilfe der Forschungsfrage zur Beantwortung eben dieser führen soll.
Wenn wir uns die Mandate, also Aufträge der Sozialen Arbeit anschauen, so spalten sich diese in verschiedene Richtungen. Betrachtet werden muss, von wem das Mandat ausgeht. Sind es die Klient/innen, die vorgeben, welchem Auftrag die Fachkräfte nachgehen oder staatliche Mandate mit einem bestimmten Zweck? Exemplarisch soll dazu im folgenden Kapitel der Begriff des Doppelmandats, sowie Tripelmandats dargestellt werden und die daraus resultierenden Fragen und Entwicklungen im Hinblick auf die Definition von Hilfe und Kontrolle betrachtet werden.
Der Begriff des Doppelmandats beschreibt ein Spannungsverhältnis zwischen den Bedürfnissen und Anliegen der Klient/innen und dem öffentlichen Auftrag der Steuerung und Planung innerhalb der Sozialen Arbeit (vgl. Staub/Bernasconi, 2007: 12ff.). Gemeint sind damit auch kontrollierende Aspekte von Steuerungsmaßnahmen, die zur Anwendung kommen. Die Fachkraft steht zwischen diesen beiden Seiten des Doppelmandats und hat die Aufgabe zu vermitteln und im besten Falle allen beteiligten Akteuren gerecht zu werden. Ist das überhaupt möglich?
In der Praxis kann sich dieser Doppelauftrag beispielsweise durch die Aufgabe des „Wächteramts“ in verschiedenen Tätigkeitsfeldern der Sozialen Arbeit äußern. So ist Bestandteil dieses Gesetzes, das den Eltern gegebene Recht auf Erziehung zu überwachen, was als Grundlage für empfindliche Eingriffe in die Privatsphäre von Familien dienen kann (vgl. Art 6, Abs. 2, GG). Da der Begriff des Doppelmandats an dieser Stelle nur in seinen Grundformen erklärt und dargestellt werden soll, wird noch nicht näher auf diesen Teil des „Wächteramts“ und seine Folgen eingegangen. Gezeigt werden soll dadurch die eine Seite des Doppelmandats, nämlich einen durch das Gesetz legitimierten Auftrag, der in Teilen auch als Kontrolle bezeichnet werden kann. Demgegenüber stehen die Interessen der Klient/innen, welche in manchen Fällen von den Vorstellungen der Fachkräfte oder den staatlichen Vorgaben abweichen können. Dennoch müssen Sozialarbeiter/innen diese Vorstellungen berücksichtigen und die Interessen der Hilfesuchenden im Blick behalten (vgl. Lutz 2020).
Dass sich aus diesem doppelten Auftrag oder auch Doppelmandat ein Spannungsverhältnis ergibt ist unübersehbar. Handelt es sich hierbei also einfach um einen unüberwindbaren Spagat aus Hilfe und Kontrolle, der sich durch den Begriff des Doppelmandats in der Sozialen Arbeit kennzeichnet?
Diesen doppelten Auftrag als unüberwindbar anzusehen ist nicht förderlich für die Praxisarbeit, egal in welchem Tätigkeitsfeld. Zwar befindet sich die Soziale Arbeit an der Schnittstelle von Individuum und Gesellschaft oder öffentlichem Auftrag und muss zwischen diesen Seiten professionell agieren aber eine klare Trennung ist nicht möglich (vgl. Lenherr, 2020: 5). Schallberger und Schwendener (2017: 59f.) sehen bei der Thematik des Doppelmandats das Hilfemandat im Vordergrund. Dieses müsse priorisiert werden, da es auf den Klient/innen bezogen sei und damit den Kern Sozialer Arbeit in seinen Ursprüngen ausmache.
Die Meinungen der Fachwelt gehen bei diesem Diskurs stark auseinander. Grund dafür ist eine fehlende eindeutige Definition des Mandats. Die Ausgestaltung, nämlich die goldene Mitte zu finden, ist jeder Fachkraft selbst überlassen. Daraus können sich verschiedene Priorisierungen und Richtungen in der Zusammenarbeit mit Klient/innen ergeben.
Eine weitere Ansicht in Bezug auf das Doppelmandat macht deutlich, dass alle Mandate die Interessen der Klient/innen wiederspiegeln und dadurch gar kein Spagat oder eine unüberwindbare Trennung entstehen kann. Folgen wir dieser Annahme, wären auch die staatlichen Aufträge und Grundlagen, sowie mögliche Kontrollaspekte des Doppelmandats eigentlich zum Zweck der individuellen Interessen der Klient/innen ausgerichtet (vgl. Hafen, 2008: 454ff.). Dabei werden beide Seiten des Mandats nicht miteinander verschmolzen. Das Mandat der Kontrolle wird weiterhin als vom Arbeitgeber oder politischen Instanzen ausgehend beschrieben. Das Mandat der Hilfe als Grundlage der Bedürfnisse der Klient/innen und Einzelpersonen. Was sich bei dieser Betrachtung allerdings ändert ist der Zweck oder der Blick auf die Hilfe und Kontrolle. Beide Seiten werden nicht als komplett gegensätzlich betrachtet, sondern als koexistent und damit notwendig und hilfreich (vgl. Hafen, 2008: 457).
Lutz (2011: 16) geht soweit, dass er das Doppelte Mandat als „unnötiges Denkmuster“ beschreibt, das die Arbeit mit den Klient/innen nur erschwere. Das Doppelte Mandat werde dabei zu häufig als Ausrede und Möglichkeit der Rechtfertigung von Fehlern in der Praxisarbeit herangezogen. Die Trennung, die beim Begriff des Doppelmandats zwischen den Interessen der Klient/innen und des Staates mitschwingt, kann in der Arbeit mit den Klient/innen dazu führen, dass man sich als Fachkraft für eine Seite entscheidet und dadurch entweder auf Seiten der Klient/innen oder des Arbeitgebers aktiv wird. Diese Parteilichkeit kann zum Problem werden. Als Beispiel kann hier die Arbeit mit „schwierigen“ Jugendlichen genannt werden, deren oppositionelle Rolle gegenüber Regeln und Normen von der zuständigen Fachkraft „heroisiert“ und bekräftigt wird, da diese voll und ganz im Sinne der Klient/innen arbeiten möchte (vgl. Lutz, 2011: 19). Diese Gefahr führt zu Forderungen der klaren Trennung zwischen den Mandaten. Eine Versöhnung beider Seiten ist aus genannten Gründen nur schwer möglich. Die Lösung dieses Problems ist für Lutz (2011: 16) eindeutig. Er sieht für die Profession der Sozialen Arbeit nur ein Mandat, nämlich Menschen bei der Aktivierung ihrer Kräfte und Ressourcen zu unterstützen, die auf Hilfe angewiesen sind. Die eigene Haltung gegenüber den Klient/innen oder dem Mandat des Arbeitgebers kann seiner Meinung nach durch Vertretende der Profession kritisiert und angesprochen werden, ist aber nicht in Form des Doppelmandats und der Verbindung beider Seiten hilfreich.
Diese Sichtweise soll im weiteren Verlauf dieser Bachelorarbeit weiter vertieft werden und kommt nicht zum letzten Mal zur Sprache, da sie zwar eine Möglichkeit des Umgangs mit dem Doppelmandat aufzeigt aber auch neue Fragen entstehen lässt. Wenn eine Trennung und gleichzeitige Beachtung beider Seiten in Form des Doppelmandates zu Problemen führt, wie kann dann eine noch deutlichere Trennung durch die Betrachtung nur eines Mandates die Lösung sein oder ist eine gemeinschaftliche Einbringung von Hilfe und Kontrolle in der Praxis doch möglich?
Neben dem Begriff des Doppelmandats gibt es noch weitere Überlegungen, die sich mit dem Auftrag der Sozialen Arbeit und den unterschiedlichen Perspektiven, die darin eine Rolle spielen auseinandersetzen. In der Fachwelt ist dabei vom sogenannten Tripelmandat die Rede. Wie der Namensgebung bereits zu entnehmen ist, spielen hier 3 unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen eine Rolle (vgl. Hafen, 2008: 456). Zusätzlich zum staatlichen Auftrag und den individuellen Bedürfnissen der Klient/innen ist Kern des Tripelmandats die Einbringung der Sozialen Arbeit als eigenständige Profession. Dies beinhaltet eine ethische Reflexion der eigenen Arbeit, sowie wissenschaftlichen Grundlage der verwendeten Methoden und Techniken (vgl. Staub-Bernasconi, 2007: 10ff.).
Als Bestandteile der Erweiterung des Doppelmandats durch die Betrachtung der Profession Sozialer Arbeit gelten nicht nur wissenschaftliche basiertes Wissen, sondern auch ethische Grundlagen, Menschenrechte und die eigene Haltung (vgl. Lutz, 2020)
Die ethischen Grundlagen sind dabei klar definiert als ethische Basis festgeschrieben. Die ethische Basis beinhaltet unterschiedliche Zugänge zu Personengruppen der Sozialen Arbeit und zahlreiche Kriterien für den berufsethischen Ansatz, sowie dessen Umsetzung. Die Standards und Vorgaben sind in Form einer Veröffentlichung durch den Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit für alle Fachkräfte und Interessierte nachlesbar (vgl. DBSH, 2014: 9ff).
Die Einbindung der Menschenrechte spielt eine entscheidende Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Tripelmandat. Den Rechten, wie Gleichheit, Gerechtigkeit und körperlicher Unversehrtheit soll dabei in der Bezugsarbeit mit Betroffenen Rechnung getragen werden. Soziale Arbeit wird dadurch zur „Menschenrechtsprofession“ und beansprucht den Auftrag der kritischen Betrachtung und Wahrung der Menschenwürde für sich. Diese Kopplung an die Menschenrechte soll in der Praxis vor rein politisch orientierten Maßnahmen schützen und sich im Kern auf die Rechte der Klient/innen besinnen (vgl. Staub-Bernasconi, 2018: 115f).
Als weitere Perspektive darf auch die Ebene der Haltung nicht unerwähnt bleiben. Dabei ist die Sicht auf die Arbeit mit den Menschen gemeint, denen man in der Praxisarbeit begegnet. Die Haltung ihnen gegenüber sollte nach Lutz (2020) dabei von Partizipation, Autonomie, Reflexion und Anerkennung geprägt sein. Diese Leitwörter sind mitverantwortlich für eine gelingende Sozialarbeit. Die Einbindung der Klient/innen durch Partizipation am Hilfeprozess und die gleichzeitige Förderung der Autonomie der Betroffenen ist meiner Meinung nach entscheidend für den Ausgang sämtlicher Hilfsangebote in allen Bereichen der Sozialen Arbeit. Die Reflexion der von den Fachkräften getroffenen Entscheidungen muss regelmäßig erfolgen, um eine stetige Auseinandersetzung mit den Werten der Sozialen Arbeit zu gewährleisten (vgl. Lutz, 2020).
Inwiefern unterscheidet sich nun der Begriff des Tripelmandats vom Doppelmandat, wenn wir uns konkrete Auswirkungen in der Praxis anschauen? Führt die Ergänzung des Doppelmandats durch die Einbindung der Sozialen Arbeit als Profession mit all seinen Werten und der nötigen Reflexion aller getroffenen Entscheidungen nicht zu noch mehr Verwirrung der Fachkräfte im ohnehin schon unklaren Geflecht verschiedener Anforderungen, die an die Soziale Arbeit gestellt werden? Diese Fragen stelle ich mir, wenn ich versuche, das Triplemandat auf die Arbeit mit Klient/innen anzuwenden. Ich denke, so geht es auch vielen Fachkräften, die bereits seit Jahren im Spannungsverhältnis aus Hilfe und Kontrolle agieren und dabei versuchen, dem Tripelmandat gerecht zu werden.
Wie bei vielen undurchsichtigen Begriffsdefinitionen und Diskursen der Fall, so sollte man sich auch in der hier vorgenommenen Betrachtung des Tripelmandats auf das Wesentliche besinnen und versuchen, etwas Konkretes für sich selbst aus den Inhalten zu ziehen.
Dabei bietet vor allem die Forderung der regelmäßigen Reflexion des pädagogischen Handelns eine Chance für die Fallarbeit. Diese besteht in der kritischen und reflektierten Betrachtung der eigenen Herangehensweise an die Hilfeprozesse (vgl. Hafen, 2008: 466). Die Besinnung auf die Ursprünge der Sozialen Arbeit in Form der Menschenrechte kann als Grundlage zur Kritik an öffentlichen und staatlichen Interessen hinter dem Mandat gesehen werden. So beinhaltet das Tripelmandat auch die Verantwortung, sich falls nötig, gegen die Politik und Vorstellungen der Gesellschaft zu wenden. Hintergrund für diese Sichtweise ist die Beteiligung des Berufsstandes der Sozialen Arbeit zu Zeiten des Nationalsozialismus an den politischen Vorgaben der Euthanasiemorde. Sozialarbeiter/innen trugen zur damaligen Zeit aktiv dazu bei vor allem Menschen mit Behinderung an die Behörden auszuliefern (vgl. Dettmann, 2017: 32).
In beiden Vorstellungen der Mandate wird dabei die Einbindung der Sozialen Arbeit in die Politik und deren Interessen sehr deutlich. Soziale Arbeit als Profession ist an diese gebunden und kann sich dem Einfluss der Machthabenden nicht gänzlich entziehen. Dessen ist sich die Soziale Arbeit auch bewusst, was man an dem Konstrukt des Tripelmandats durch die Einbindung der Berufsethik und Bindung an die Menschenrechte zum Schutz eines übermäßigen Einflusses durch die Politik erkennen kann (vgl. Dettmann, 2017: 33). Die sozialpolitischen Beziehungen und Abhängigkeiten werden daher im Verlauf dieser Bachelorarbeit noch genauer betrachtet werden. Der Bezug zueinander dürfte durch die Auseinandersetzung mit dem Doppel- sowie Tripelmandat bereits deutlich geworden sein.
Die Frage nach der Umsetzung des Tripelmandats bleibt allerdings nach wie vor bestehen. Wie bereits mehrfach benannt spielt die eigene Berufsethik und Reflexion, sowie Haltung und Einbindung der Menschenrechte die größte Rolle bei den Inhalten des Mandats. Damit wird eine Abgrenzung vom staatlichen Auftrag, sowie den Bedürfnissen der Klient/innen durch die Perspektive der Fachkraft innerhalb der Profession der Sozialen Arbeit ergänzt. Da diese an staatliche Strukturen gebunden ist und mit ihnen agiert, ist eine klare Abgrenzung nicht möglich, was die Umsetzung des Mandats erschwert (vgl. Lutz, 2020). Des Weiteren fehlen Ansprechpartner für die Durchsetzung der wissenschaftlichen und ethischen Standards, an die sich Fachkräfte wenden könnten. Diese könnten NGO's, Ausbildungsstätten und Lobbyorganisationen der Sozialen Arbeit sein (vgl. Hafen, 2008: 458).
Dennoch bleibt das Tripelmandat ein wichtiger Versuch, den Auftrag der Sozialen Arbeit im Feld einer sich veränderten modernen Gesellschaft durch anhaltende Reflexion der Praxisarbeit zu professionalisieren und als Leitfaden für die angehenden, wie bestehenden Fachkräfte zu dienen. Meiner Meinung nach ist die Ergänzung des Doppelmandats durch die dritte Ebene der benannten Werte und Vorstellungen wichtig und hilfreich. Vor allem die Reflexion aller getroffenen Entscheidungen möchte ich dabei hervorheben, da sie automatisch zu einer „qualitativeren“ Arbeit führen kann und gleichzeitig alle Einflüsse der involvierten Akteure kritisch hinterfragt. Die Arbeit mit den Klient/innen bleibt dabei individuell von Handlungsfeld zu Handlungsfeld. Kern der Konstruktion des Tripelmandats sollte dabei jedoch sein, sich der eigenen Rolle als Fachkraft und dem Einfluss auf jede getroffene Entscheidung neben den starren Begriffen der Hilfe und Kontrolle bewusst zu sein, was als Chance gesehen werden muss, in diesem Spannungsfeld zu agieren.
In diesem Kapitel soll es um die Begrifflichkeiten der Hilfe und Kontrolle gehen, um im weiteren Verlauf den Bezug zum Handlungsfeld des Jugendamts herstellen zu können. Auf den ersten Blick scheinen die Definitionen beider Begriffe klar zu sein, dennoch lassen sie Spielraum für Interpretation und deren Anwendung. Was steckt hinter dem Hilfebegriff, was hinter dem Kontrollbegriff? Ist der Eine positiv und der Andere negativ zu betrachten?
Nach Thieme (2017: 18) ist Hilfe als soziale Interaktion zu verstehen. Wenn man soziale Interaktion auf die Tätigkeiten eines/r Sozialarbeiter/in überträgt, so findet sie täglich statt und das vor allem zwischen Fachkraft und Klient/in. In der Sozialen Arbeit hat sie ihren Ursprung in den Bereichen der Fürsorge und Wohlfahrt. Geschichtlich betrachtet entstand die Soziale Arbeit aus genau diesen Bereichen, insbesondere der Armenfürsorge. Der Kern einer Hilfsleistung besteht laut Thieme in der Bewältigung von Problemen ohne Gegenleistung. In der Praxis kann das beispielsweise das Realisieren von Projekten oder Schaffen von Hilfsangeboten sein. Vordergründig stehen die Anliegen der Klient/innen im Mittelpunkt. Mittlerweile sei Hilfe allerdings sehr defizitorientiert und zunehmend durchstrukturiert (vgl. Thieme, 2017: 19). Diese Art der strukturierten Hilfe führt zu dem Begriff der institutionellen Hilfe, welche eine organisierte in eine Institution eingebundene Form der Hilfe beschreibt (vgl. Lenherr, 2020: 5).
Schon jetzt wird klar, dass Hilfe nicht gleich Hilfe ist. Zu dem „einfachen“ Wort gesellen sich explizitere Beschreibungen wie „strukturiert“ oder „institutionell“. Das Verständnis dieses für die Soziale Arbeit prägenden Begriffs hat sich damit meiner Meinung nach durchaus weiterentwickelt und an die heutige Sozialarbeit angepasst.
Becker-Lenz (2005, 90ff.) sieht Hilfe in seiner ursprünglichen Form der ohne Gegenleistung erfolgten Art von Fürsorge als überholt. Seiner Meinung nach ist Hilfe ohne Kontrollelemente undenkbar. Diese seien mittlerweile ein grundlegendes Merkmal jeder Hilfsleistung geworden. Mit dieser Meinung steht er nicht alleine da. In der Literatur des 21. Jahrhunderts zum Thema finden sich immer wieder Verweise auf eine Form der kontrollierenden Hilfe, welche beide Begrifflichkeiten miteinander vereint (vgl. Müller, 2012: 130f./ Salgo, 2001: 29/ Hafen, 2008: 456). Diese Diskussionen lassen erahnen, dass die Art der Hilfe aus den Anfängen der Sozialen Arbeit in Form der Almosengabe deutlich vom heutigen Verständnis abweicht. Weiterführend kann Hilfe in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Klient/innen nur als Selbsthilfe verstanden werden (vgl. Thieme, 2017: 21).
Spinnt man diesen Gedanken weiter, könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Soziale Arbeit sich von seiner Verantwortung der klassischen Hilfe für alle, die sie brauchen, entfernt. Begriffe wie Selbsthilfe oder Selbstkontrolle verweisen auf die Verantwortung der eigenen Person, also den Hilfsbedürftigen.
Die bisherigen Versuche, den Begriff der Hilfe zu definieren und greifbar zu machen führen zu der Frage, ob dieser überhaupt noch zeitgemäß ist (vgl. Wiesinger, 2015: 22). Lässt sich noch von Hilfe sprechen, wenn diese mit dem ursprünglichen auch gesellschaftlichen Verständnis nicht mehr viel zu tun hat? Heutige Formen von Hilfe finden meist als Angebote der Begleitung, Beratung und Unterstützung statt. Auch Bildungsangebote sind dabei als Hilfsangebote zu verstehen. Diese sind rechtlich verankert und in den meisten Fällen staatlich finanziert. Hier macht sich der Charakter der „institutionellen“ Hilfe erneut bemerkbar. Bestimmte Rahmenbedingungen und Anspruchsvoraussetzungen lassen Hilfe eher als Form der Dienstleistung oder Empowerment der Klient/innen beschreiben (vgl. Wiesinger, 2015: 23ff.). Die Freiwilligkeit und unbürokratische Art der Hilfe ist damit nicht mehr zeitgemäß. Der Begriff dient laut Wiesinger vielmehr als Sammelbegriff für sozialarbeiterisches Handeln und ist undefiniert. Trotzdem könne nicht von einer reinen Form der Dienstleistung gesprochen werden, auf die nur manche Personen Anspruch hätten, da Menschenrechte und Prinzipien sozialer Gerechtigkeit weiterhin eine Rolle spielten (vgl. ebd.).
Kann damit gesagt werden, dass Hilfe in der Sozialen Arbeit kaum noch existiert und durch eine an Vorgaben gebundene Form der Dienstleistung ersetzt worden ist? Meiner Meinung nach nicht. Hilfe findet mittlerweile nur in einem geregelteren Rahmen statt und soll mehr bewirken als noch vor 50 Jahren.
An dem Gedanken, Hilfe vorwiegend als Art der Selbsthilfe zu betrachten, wird in der Fachwelt Kritik geübt. In bestimmten Lebenslagen und Situationen ist dieses Verständnis von Hilfe nicht umsetzbar, gar utopisch (vgl. Heckmann, 1993: 125ff.). Es ist jedoch auch möglich, sich dem Begriff der Selbsthilfe als Chance für die Betroffenen zu nähern. Dann ist Selbsthilfe Teil der Selbstbestimmung, die durch Partizipation und Offenheit im Hilfeprozess gestärkt werden kann (vgl. Heintz, 2016: 36f.).
So wie auch Hilfe nicht einfach mit wenigen Worten definiert werden kann und dann für jeden verständlich ist, muss auch der Begriff der Kontrolle genauer betrachtet werden. Die vorherrschende Meinung und die wörtliche Bedeutung von Kontrolle im Allgemeinen scheint sich nicht mit einer helfenden, klient/innenenorientierten Sozialarbeit zu vertragen. Dennoch gibt es auch in diesem Fall verschiedene Deutungen und Definitionen, die Kontrolle im Kontext der Sozialarbeit erklären sollen.
Eine mögliche Definition liefert Thieme (2017: 19) indem sie Kontrolle als Anpassung an geltende Werte und Strukturen betitelt. Demnach steckt im Kontrollbegriff auch Disziplin. Erstmals möchte ich im Zuge ihrer Beschreibung von Kontrolle in dieser Bachelorarbeit auf den Begriff des „aktivierenden Sozialstaats“ verweisen, der auch in den kommenden Kapiteln noch Erwähnung finden wird. Dieser Begriff ist im Gegensatz zum Wohlfahrtsstaat von Kontrolle geprägt und verfolgt das Ziel der Aktivierung von Klient/innen in ganz unterschiedlichen Formen und Ausprägungen (vgl. Kessl, 2011 in: Dollinger/Schmidt-Semisch, 2011: 131ff).
Auch bei dem Versuch, Kontrolle als Begriff für sich zu betrachten, stößt man auf Ansichten, die Kontrolle als Teil von Hilfe sehen. Dabei ist Hollstein (1980: 204) der Meinung, dass Hilfe nur der „Deckmantel“ der eigentlichen kontrollierenden Aufgabe Sozialer Arbeit sei. Wie sich Kontrolle dabei in der Praxisarbeit der Fachkräfte äußert, hängt von der Ausgestaltung der Art der Kontrolle ab. Dabei spielt das Klient/innenbild des/r Sozialarbeiter/in eine entscheidende Rolle (vgl. Lenherr, 2020: 25). Kontrolle als pauschal negativ und grenzverletzend zu sehen, sei falsch. Vielmehr sei sie Teil des Hilfeauftrags und nützlich (vgl. ebd.).
Es bildet sich also ein Definitionsansatz von Kontrolle im Rahmen der Sozialarbeit heraus. Kontrolle äußert sich in Form von Hilfen aller Art und wirkt auf eine konsequentere Anpassung an die Gesellschaft hin. Dabei ist Kontrolle ein grundlegendes Merkmal von Hilfe.
Weiterführend kann sie auch als sensibles Instrument betrachtet werden, um Hilfe voranzutreiben. Sensibel deswegen, da Kontrollelemente bei Klient/innen auf hohe Ablehnung stoßen. Ein abgewogener und reflektierter „Gebrauch“ von Kontrollmaßnahmen ist daher dringend notwendig (vgl. Markowski, 2009: 82). Im Zuge der Debatte um den „aktivierenden Sozialstaat“ wird Kontrolle zunehmend als positiv und hilfreich betrachtet. Dabei ist genau wie beim zuvor beschriebenen Begriff der Selbsthilfe auch der Begriff der Selbstkontrolle zu finden, welcher ebenfalls auf Übernahme von Verantwortung und Teilhabe als Chance abzielt (vgl. Thieme, 2017: 21).
Kontrolle ist dann sinnvoll, wenn Hilfe im Nachgang effektiver und zielgerichteter erfolgen kann. Auch die Begriffe Leistung und Kontrolle sind im Zusammenhang zu sehen, da Kontrolle nur ein Instrument der Hilfe ist (vgl. AGJ,2007: 1ff.). Kontrolle, egal in welcher Form, muss transparent an die Klient/innen weiterkommuniziert werden. Es muss außerdem die Möglichkeit geben, Kritik an den Entscheidungen und Maßnahmen der Fachkräfte äußern zu können. Wenn diese Bedingungen vorliegen, kann auch zunehmende Kontrolle als Chance gesehen werden, veraltete oder bestehende Konzepte zu überarbeiten (vgl. ebd.).
So hilfreich Kontrolle auch sein kann, der Begriff und die teils stark eingreifenden Maßnahmen im Rahmen eben dieser sind unberechenbar und doch staatlich legitimiert (vgl. Urban, 2004: 155ff.). Dadurch geht mit der Seite, die Kontrolle ausübt auch Macht einher, welche nicht missbraucht werden darf (vgl. Lutz, 2011: 15). Die Verbindung der Begrifflichkeiten von Hilfe und Kontrolle führt zu der Erkenntnis, dass eine klare Trennung im Kontext der Sozialen Arbeit unmöglich ist. Hilfe enthält in nahezu allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit kontrollierende Elemente. Damit kann Hilfe und Kontrolle somit als doppelte Funktionsbestimmung Sozialer Arbeit formuliert werden (vgl. Böllert, 2012: 628f.). Des Weiteren sind beide Begriffe stark durch subjektive Wahrnehmung geprägt. Was Hilfe oder Kontrolle ist, kann von Beteiligten in einem Hilfeprozess ganz unterschiedlich wahrgenommen werden (vgl. Kraus, 2021: 111). Durch den Versuch beide Begrifflichkeiten definieren zu wollen ist klargeworden, dass Hilfe und Kontrolle als „sowohl als auch“ verstanden werden muss und eine strikte Trennung im Rahmen der Sozialen Arbeit nicht zielführend scheint.
Wir haben nun viel über die Begrifflichkeiten der Mandate in der Sozialen Arbeit gelernt und versucht, Hilfe und Kontrolle aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dabei ging es um die Profession der Sozialen Arbeit im Allgemeinen. In den folgenden Kapiteln möchte ich einen Bezug aus dem Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle zum Jugendamt herstellen und damit das Handlungsfeld des ASD näher betrachten. Welche Rolle spielt das Spannungsfeld in diesem Bereich und welche Möglichkeiten gibt es für Fachkräfte des Jugendamts damit umzugehen und eine gelingende Sozialarbeit zu gestalten?
Wenn ich vom Auftrag der Jugendämter in Deutschland spreche, meine ich die vorrangigen Aufgaben und Angebote, die Klient/innen gemacht werden sollen und den Bezug zu den Einflussfaktoren der Hilfe und Kontrolle.
Das Mandat oder der Auftrag, der als ausschlaggebend für die Arbeit im Jugendamt gilt, ist das sogenannte Wächteramt. Dieses ergibt sich aus Art.6 GG und ist Grundlage sämtlicher Maßnahmen und Angebote. Auf die genaue gesetzliche Betrachtung wird dabei im nächsten Kapitel eingegangen werden. Die Erfüllung des Wächteramts, also der „Überwachung“ oder „Kontrolle“ der Rechte und Pflichten von Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder ist Kernaufgabe von Jugendämtern (vgl. Schone, 2001: 51). Die unterschiedlichen Aufgabenbereiche des Jugendamts decken dabei ein großes Spektrum rund um die Hilfen zur Erziehung, Gefährdungseinschätzungen, Vermittlung von Pflegekindern, niedrigschwelligen Beratungen, öffentlichen Förderungen und vielem mehr ab. Dabei wird vor allem die Zusammenarbeit mit verschiedenen Leistungserbringern, wie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe koordiniert und als staatliches Amt auch in großem Maße finanziert (vgl. Beckmann/ Ehlting/ Klaes, 2018: 12ff.).
Das Handeln der Jugendämter ist damit in sämtlichen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe entscheidend und hat Einfluss auf die Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit und Konzepte in den Einrichtungen. Kinderschutz ist als Kernauftrag für die Angebote wie Maßnahmen der Jugendämter maßgebend.
Als eine Äußerung des Autors Thomas Mörsberger zum Thema möchte ich folgendes Zitat hervorheben: „Wie beraten Sie gerne, Widerstand ist zwecklos“ (vgl. Mörsberger, 2001: 35f). Diese bewusst provokativ gewählte Äußerung zur Rolle des Jugendamts und dessen Aufgabe macht deutlich, dass der Beratungscharakter und die damit einhergehende Freiwilligkeit der Annahme von Hilfen nur ein Vorwand zu sein scheinen. Eigentlich jedoch sei Widerstand, also eine Entscheidung gegen die Angebote des Jugendamts, nicht verhandelbar, was auf die Eingriffsrechte und Kontrollmaßnahmen anspielt. Meiner Meinung nach ein nicht ganz aus der Luft gegriffener Vorwurf, der näher betrachtet werden muss.
Fakt ist, dass Eingriffe der Kontrolle immer einer rechtlichen Grundlage und entscheidenden Belegen für das Vorliegen einer Kindeswohlgefährdung bedürfen (vgl. Mörsberger, 2001: 36). Die Frage ist allerdings, was unter Eingriffen von Kontrolle verstanden wird. Die bereits angesprochene unterschiedliche Wahrnehmung des Begriffs macht dabei viel aus. Betrachten wir die Hilfen zur Erziehung, so kommt es vor, dass bei eigentlich freiwilligen Angeboten bereits mit der Einschaltung des Gerichts gedroht wird, um Sorgeberechtigte zur Annahme von Hilfen zu zwingen (vgl. Schone, 2001: 60ff.). Auch wenn das Ziel die Hilfe oder Abwendung von Gefahr bleibt, so ist die Androhung von Kontrolle bereits ein kontrollierender Eingriff in die Erziehung und Autonomie von Eltern, was keine gute Arbeitsgrundlage darstellt. Wie kann dieser Spagat aus Hilfe und Kontrolle nun gelingen, um den Schutzauftrag zu wahren und gleichzeitig die Beziehung zu den Klient/innen nicht unnötig zu belasten?
Das Stichwort bei diesem Thema ist Transparenz. Fachkräfte müssen die Entscheidungen und Dilemmata, denen sie ausgesetzt sind, nicht im Verborgenen austragen, sondern können zumindest teilweise offen mit den Klient/innen kommunizieren (vgl. Gissel- Palkovich, 2011: 184ff). Besonders bei nicht verhandelbaren Punkten, wie Eingriffen in das Elternrecht, ist eine klare Darstellung von den Sozialarbeiter/innen an die Betroffenen hilfreich. Die Zunahme an Inobhutnahmen in den letzten Jahren um rund 25% zeigt, dass Jugendämter härter durchgreifen und öfter schwerwiegende Eingriffe zur Wahrung des Kindeswohls vornehmen (vgl. AGJ, 2019: 3.) Dadurch werden auch Stimmen nach einer besseren Kontrolle der Jugendämter und dessen Vorgehen laut, welche nur schwer umsetzbar ist (vgl. ebd.). Der Auftrag des Jugendamts ist damit stark vom Spannungsfeld zwischen Hilfe und Kontrolle geprägt und wie kein anderes Handlungsfeld davon betroffen (vgl. Ritter, 2021: 35f.). Besonders kontrollierende Eingriffe sind dabei abhängig von persönlichen Gefährdungseinschätzungen und nicht klar definierten Begriffen wie dem des Kindeswohls. Eine Möglichkeit des Umgangs in der Arbeit mit Klient/innen in diesem Spannungsfeld ist eine transparente Kommunikation und die Einbindung der Betroffenen in den Hilfeprozess (vgl. Markowski, 2009: 61.).
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