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Bachelorarbeit, 2023
60 Seiten, Note: 2,3
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Liebe und romantische Liebe
2.2 Interpersonelle Anziehung
2.3 Speed Dating
2.4 Fragestellung
3. Methode
3.1 Suche
3.2 Ein- und Ausschlusskriterien
3.3 Einbezogene Quellen
4. Ergebnisse
4.1 Ähnlichkeit als Prädiktor für romantische Anziehung
4.2 Wissen Menschen um Ihre Präferenzen im Dating Kontext?
4.3 Non-verbale, implizite und affektive Prädiktoren für romantische Anziehung und Selektivität
4.4 Bindung, Sicherheit und Wärme und romantische Anziehung
4.5 Geschlecht und romantische Anziehung
5. Diskussion
6. Literaturverzeichnis
Pressemitteilung
Literaturrecherche
Eine zufriedenstellende Beziehung mit einem romantischen Partner zu führen, ist ein Prädiktor für Gesundheit und Lebenserwartung. Dennoch erleben Menschen die Suche nach einem solchen Partner oft als herausfordernd. Ziel dieses Literaturreviews war es, die Erkenntnisse aus Speed-Dating-Studien über initiale romantische Anziehung zu betrachten, um die Annahmen aus der langbewährten Forschung zu romantischer Anziehung in einem Studiendesign mit hoher ökologischer Validität zu überprüfen. Durch eine systematische Suche über EBSCO Host konnten 20 Studien gefunden werden, die analysiert und zusammengefasst wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass einige Annahmen, insbesondere die likes-attract Hypothese, nicht bestätigt werden konnten. Einige andere, insbesondere evolutionspsychologische Annahmen, konnten bestätigt werden. Außerdem konnten Prädiktoren ermittelt werden, die in der Literatur nur begrenzt diskutiert werden. Einschränkend muss jedoch angemerkt werden, dass Speed-Dating Studien insgesamt nur einen anfänglichen Teil des Prozesses romantischer Anziehung betrachten können. In anderen Kontexten, die ein umfangreicheres Kennenlernen ermöglichen, spielen einige Prinzipien romantischer Anziehung gegebenenfalls eine relevantere Rolle.
Abbildung 1. PRISMA-Flussdiagramm für die Phasen der
Wie entsteht romantische Anziehung? Diese Frage beschäftigt sicher viele Menschen, da das Finden eines romantischen Partners für viele eine Herausforderung darstellt. In einer zufriedenstellenden Beziehung zu sein, ist ein Prädiktor psychologischer und körperlicher Gesundheit sowie der Lebenserwartung. Der Erfolg kommerzieller Dating-Modelle, ob etwa Speed-Dating Angebote oder Online-Dating Plattformen drückt außerdem aus, dass das Finden eines romantischen Partners ein tiefes Bedürfnis vieler Menschen ist und sie zeitliche und monetäre Ressourcen aufwenden, um dieses zu erfüllen. Häufig wird auch von „Liebespartnern“ gesprochen. Was aber ist Liebe? Diese Frage beschäftigt die Menschheit schon seit ewigen Zeiten, sowohl in wissenschaftlichen als auch in nicht wissenschaftlichen Kontexten. Wirft man einen Blick auf die Definition des Dudens, so scheint die Psychologie und insbesondere die Sozialpsychologie die Disziplin zu sein, die für die Beantwortung dieser Frage im wissenschaftlichen Kontext prädestiniert ist. Und doch dauerte es bis in die 1970er Jahre, bis sich die Sozialpsychologie der Untersuchung des Konzeptes Liebe widmete. Das liegt auch daran, dass Liebe nicht gleich Liebe ist, was seinen Ausdruck in den unzähligen Modellen und Ansätzen findet, die seitdem zur Definition des Konzeptes Liebe entwickelt wurden und die allesamt verschiedene Liebesformen unterscheiden. So etwa Lees (1973) Liebesstile, Sternbergs Dreieckstheorie der Liebe oder die Einteilung in passionate love und companionate love, die in erster Linie auf Elaine Hatfield zurückgeht. In allen Fällen wird deutlich, dass Liebe vielschichtig ist und eine einzige Definition nicht ausreicht. (Initiale) romantische Anziehung ist der Beginn einer Liebesbeziehung und einer im Idealfall vollkommenen Liebe, jedoch sind diese beiden Dinge zweifellos nicht gleichzusetzen. Um aber eine stabile, langfristige romantische Beziehung mit einem Partner zu finden, muss ein jeder durch eben diese Phase der initialen romantischen Anziehung gehen und in der Regel verschiedene potenzielle Partner kennenlernen und bewerten. Angesichts der zu Beginn genannten gesundheitlichen Relevanz einer stabilen romantischen Beziehung und angesichts der scheinbar großen Herausforderung einen passenden Partner zu finden, bescheinigt durch den kommerziellen Erfolg von Partnervermittlungen und Dating-Plattformen, ist es entscheidend, diese erste Phase der initialen romantischen Anziehung besser zu verstehen und Vorhersagen zu können, welche Faktoren zu romantischer Anziehung führen.
Aus einer Perspektive der Forschung zur Liebe heraus steht am Anfang immer das Verlieben. Was man im deutschen als „sich verlieben“ bezeichnet, drückt sich im englischen mit to fall in love etwas passiver und das betroffene Individuum überwältigender aus. Damit verdeutlicht die Formulierung bereits, dass Liebe in der Phase des Verliebens wahrscheinlich nicht rein nutzen- oder an expliziten Einstellungen orientiert geschieht, sondern einen Zustand beschreibt, dem sich zu entziehen kaum möglich ist. Eine gewisse interindividuelle Anziehung sorgt dafür, dass eine Person eine andere Person nicht oder nur schwierig aus den Augen lassen kann. Dieses Phänomen der gefühlten Abhängigkeit von einer anderen Person wird so auch in verschiedenen Skalen, die zur Messung von romantischer Liebe dienen, beschrieben.
Aber weshalb empfinden Menschen bestimmten Personen eine gewisse Anziehung gegenüber, anderen hingegen nicht? Welche Faktoren machen diese interindividuelle Anziehung aus, die zu Beginn einer romantischen Beziehung im Mittelpunkt steht?
Einen Beitrag dazu, diese Frage zu beantworten, leisten Speed-Dating- Studien. Diese sind ein gutes Werkzeug, um initial romantic attraction zu erfassen und erklären und besitzen außerdem eine hohe ökologische Validität (Finkel, Eastwick & Matthews, 2007). Ein Großteil der frühen Attraktivitätsforschung, die initiale romantische Anziehung erfassen zu versuchte, konnte eben diese hohe ökologische Validität nicht aufweisen. Da die Einschätzungen von Personen, was sie attraktiv und anziehend finden sich häufig aus verschiedenen Gründen nicht gleichermaßen im Verhalten wiedererkennen lassen, haben Speed-Dating-Events, die sich auch außerhalb des wissenschaftlichen Kontextes einer großen Popularität erfreuen und in ihrer Struktur sicher eine moderne Form des Datings darstellen, ein hohes wissenschaftliches Potenzial. Entsprechend soll diese Arbeit in Form eines systematischen Literaturreviews die Erkenntnisse aus Speed-Dating-Studien zusammentragen und damit einen Beitrag zur eingangs genannten Forschungsfrage beitragen. Dabei wird im theoretischen Teil zunächst definiert, wie romantische Liebe in der Psychologie überhaupt zu verstehen ist und wie beziehungsweise ob populäre Modelle zum Thema Liebe in der Lage sind, die erste Phase romantischer Anziehung abzubilden und zu erklären. Außerdem sollen grundsätzliche Prinzipien interindividueller Anziehung betrachtet werden. Warum tendieren Menschen dazu, bei manchen Menschen eine stärkere Anziehung zu verspüren als bei anderen? Wieso fühlt sich der Mensch als soziales Wesen zu manchen seiner Artgenossen eher hingezogen als zu anderen? Weshalb gehen wir aufgrund romantischer Reize potenziell enge soziale Beziehungen mit bestimmten Personen ein, was macht sie reizvoll?
Nach einer darauffolgenden kurzen ausführlichen Argumentation, wieso Speed-Dating-Studien für diese Arbeit und in der Attraktionsforschung generell eine besondere Relevanz besitzen, beginnt das eigentliche Review der Studien zum Thema. Diese werden im Hinblick auf die Forschungsfrage ausgewertet und zusammengefasst. Das Ziel ist, einzuordnen, welchen Beitrag Speed-Dating Studien bislang zur Beantwortung der Forschungsfrage tatsächlich leisten konnten und inwiefern die Erkenntnisse mit denen der interindividuellen Anziehung in anderen Kontexten beziehungsweise der Theorie übereinstimmen. Zuletzt folgt die Diskussion, in der die Erkenntnisse eigeordnet werden und auf weitere Gedanken zu dem Thema aufmerksam gemacht wird.
In diesem Abschnitt folgt eine kurze Einführung in den theoretischen Hintergrund, zunächst zum Thema Liebe und romantische Liebe. Anschließend werden Prinzipien interpersoneller Anziehung mit Schwerpunkt auf Prinzipien romantischer Anziehung betrachtet. Zuletzt folgt eine theoretische Einführung in die Methode der Speed-Dating Studien.
Liebe im romantischen Kontext ist intuitiv zu unterscheiden von anderen Liebesformen, wie etwa freundschaftlicher Liebe oder Liebe zu den Eltern. Wie wird die Psychologie beziehungsweise psychologische Theorien und Modelle zum Thema Liebe dem gerecht? Die Versuche, Liebe messbar zu machen, gehen in die 1970er Jahre zurück. Bereits Zick Rubin, der erste Sozialpsychologe, der eine Skala entwickelte, um romantische Liebe messbar zu machen, erkannte die Tatsache an, dass es verschiedene Arten der Liebe gibt. Er nennt etwa die Liebe zu Gott oder die Liebe eines Kindes zu seinen Eltern als weitere Liebesarten (Rubin 1970). Diese spielten in seinen Untersuchungen jedoch keine Rolle. Das große Interesse an der romantischen Liebe teilte Rubin mit vielen anderen Psychologen, die ihm folgten und sicher teilweise auf seinen Forschungsarbeiten aufbauten, wie etwa Elaine Hatfield. Die Existenz von romantischer Liebe schien, im Vergleich zu etwa kameradschaftlicher Liebe, relativ unstrittig zu sein. Rubin konnte mit seiner Liebesskala erstmals die romantische Liebe als eigenständiges und vor allem messbares Konzept definieren und von reinem Mögen abgrenzen. Er nannte drei Komponenten romantischer Liebe: Das Gefühl, die andere Person zu brauchen, eine erhöhte Sorge- und Hilfsbereitschaft der Person gegenüber und Exklusivität und absorption (Rubin 1970).
Auch wenn es Rubin gelang, Liebe messbar zu machen, ist seine Definition von romantischer Liebe stark gefärbt von den gesellschaftlichen Konventionen seiner Zeit. So versteht er romantische Liebe als Liebe zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts mit der Absicht, eines Tages heiraten zu wollen.
Dieser durchaus konservativen und auf langfristige Bindung ausgelegten Definition setzte etwa Hatfield (1982) das Phänomen der leidenschaftlichen Liebe (passionate love) entgegen. Im Zentrum dieser Definition steht vor allem eine intensive physiologische Erregung, Erfüllung durch Beisammensein mit der anderen Person und negativen Gefühlen wie Leere und Verzweiflung, wenn die Liebe nicht erwidert wird. Auf der Annahme basierend wurde die Passionate Love Scale (PLS) entwickelt (Hatfield & Sprecher, 1986). Passionate love in dieser Definition kann laut einigen Autoren als Form der Liebe bezeichnet werden, die den Prozess des Verliebens (falling in love) ab zutreffendsten beschreibt (z.B. Hendrick und Hendrick, 2019).
Hatfield geht davon aus, dass sich alle Formen der Liebe letztendlich in zwei Kategorien unterteilen lassen: Zum einen eben passionate love, die romantische Form der Liebe, die dem Zustand des Verliebtseins entspricht. Zum anderen companionate love, die von einer hohen Intimität im emotionalen Sinne geprägt ist und laut eigener Auffassung vergleichbar mit dem, was Rubin als romantische Liebe bezeichnet (Hatfield 1982). Damit wird zwischen dem Zustand des Verliebtseins und einer starken Hingezogenheit zu einer anderen Person und einer Liebe im Sinne einer starken persönlich partnerschaftlichen Bindung unterschieden. Passionate love nach Hatfield lässt sich im zentralen Nervensystem durch Neuroimaging beobachten (Bartels & Zeki, 2010, Cacioppo 2019). Liebe, und hier im Speziellen auch die Form der Liebe während des Verliebtseins, lässt sich also nicht nur auf theoretischer Ebene als Konzept abgrenzen, sondern auch konkret im zentralen Nervensystem beobachten.
Es lässt sich bis hierhin festhalten, Liebe ein eigenständiges, empirisch messbares Konstrukt ist. Hatfields Arbeit zur passionate love kommt dem Zustand des Verliebtseins relativ nahe. Wie lässt sich diese Phase durch andere populäre Modelle definieren?
Eine der populärsten traditionellen Ansätze ist die Dreieckstheorie der Liebe (Sternberg, 1984). Der Theorie nach besteht Liebe aus drei Komponenten: Vertrautheit oder Intimität, Leidenschaft sowie Entscheidung oder Festlegung. Die Komponente der Vertrautheit beschreibt dabei Nähe, Verbundenheit, Sympathie, Sternberg bezeichnet sie auch als warme Komponente der Liebe (Sternberg, 1986). Leidenschaft hingegen könnte man als „heiße“ Komponente der Liebe bezeichnen; sie umfasst physische Attraktion, Romantik und Aufregung. Der dritte Teil des Dreiecks, Festlegung, die kalte Komponente, beschreibt die bewusste, auf kognitiver Ebene gefällte Entscheidung für eine Beziehung, für eine Bindung. Auch in Sternbergs Modell existiert das Konzept der romantischen Liebe. Bezeichnet er ein Vorhandensein aller drei Komponenten als vollständige Liebe, so ist romantische Liebe als das Vorhandensein der Komponenten Vertrautheit/Intimität und Leidenschaft zu verstehen.
Die hohe Relevanz von Sternbergs Modell für diese Arbeit ergibt sich nicht nur aus der Tatsache, dass sie eine kulturübergreifende Universalität besitzt (Sorokowski et al, 2021), sondern dass Sternberg für jede der drei Komponenten verschiedene Funktionen aufstellt, die darstellen, wie sich diese über die Dauer einer Beziehung hinweg entwickeln. So ist etwa die Komponente der Leidenschaft zu Beginn besonders hoch, während sich die Vertrautheit erst mit zunehmender Beziehungsdauer steigert. Von dieser Theorie ausgehend entwickelte Wojciszke ein 6-Phasen-Modell der Dynamik der Liebe (Wojciszke, 2002). Wojciszke nennt die erste Phase seines Modells die falling in love - Phase. In dieser ersten Phase ist die Leidenschaft besonders hoch und die einzige Komponente, die die eine von Wojciszke festgelegte Schwelle überschreitet, die dazu führt, dass eine enge Beziehung überhaupt entstehen kann. Leidenschaft oder leidenschaftliche Liebe wären demnach also der Initiator jeder langfristigen, engen (romantischen) Beziehung. Für die Frage danach, was zu Anziehung führt, ist das nicht unerheblich. Mit Eintreten der zweiten Phase, dem romantic beginning, besteht die Liebe zusätzlich noch aus der Komponente der Intimität und entspräche damit Sternbergs Definition der romantischen Liebe. Bis zu diesem Punkt jedoch ist es ausschließlich die Leidenschaft in einer gewissen Intensität, die dazu führt, dass eine enge romantische Beziehung überhaupt entstehen kann Ein anderes Modell der Liebe stammt von John Alan Lee. Er beschreibt verschiedene sogenannte Liebesstile. Nach seinem Modell existieren drei primäre Liebesstile (Eros, Ludus und Storge) sowie drei sekundäre Liebesstile, die sich aus einer Mischung der primären ergeben (Pragma, Mania, Agape) (Lee, 1973). Eros beschreibt dabei leidenschaftliche, erotische Liebe, Ludus spielerische und nicht festgelegte und Storge freundschaftliche Liebe. Mania als sekundärer Liebesstil ist dabei von einer intensiven Obsessivität gekennzeichnet, Agape wird als aufopferungsvolle Liebe beschrieben und Pragma als rationaler Liebesstil.
Welcher Liebesstil besonders ausgeprägt ist, hängt dabei von einer Vielzahl individueller, interindividueller und sozialer Faktoren ab (Hendrick und Hendrick 2019). Gleichzeitig schwanken die Ausprägungen auch in Abhängigkeit der Beziehungssituation. In der für dieser Arbeit relevante Phase des Verliebens (falling in love), die von Hendrick und Hendrick im Sinne leidenschaftlicher Liebe als „emotional storm“ bezeichnet wird, wird etwa davon ausgegangen, dass der Liebesstil ludus in dieser Phase weniger stark ausgeprägt ist, eros und Agape hingegen stärker (Hendrick & Hendrick, 1988). Diese Erkenntnisse decken sich mit den Annahmen von Wojciszke auf Grundlage von Sternbergs Modell: Leidenschaftliche, erotische und hingebungsvolle Liebe spielt in dieser Phase die größte Rolle. Pragmatisch rationale Überlegungen (pragma oder Festlegung in Sternbergs Modell) eine geringere.
Liebe ist also als eigenständiges Konstrukt erfassbar, messbar und beobachtbar. Ansätze von Hatfield, Lee und Sternberg sind in der Lage, wenn auch alle in unterschiedlicher Art und Weise die Phase des falling in love mit seinen Besonderheiten von anderen Phasen einer Liebesbeziehung oder anderen Liebesformen abzugrenzen. Alle Modelle beschreiben die initiale Phase einer romantischen Beziehung als besonders leidenschaftlich und weniger von pragmatischen Einstellungen oder Abwägungen oder gar fester emotionaler Verbundenheit geprägt. Das ist insofern zu beachten, da dies auch Konsequenzen auf die interpersonelle Anziehung in einer initialen Begegnung zwischen zwei Personen haben könnte. Schließlich müssen die Reize, die initiale romantische Anziehung auslösen, in der Lage sein, eine solche Leidenschaft auszulösen. Außerdem kann davon ausgegangen werden, dass ein affektiver und hochemotionaler Zustand wie ihn etwa Hatfield als compassionate love beschreibt, nicht in erster Linie von rationalen Überlegungen oder expliziten Einstellungen initiiert wird. Dies sollte auch Konsequenzen auf die Auswirkungen von Prinzipien interpersoneller Anziehung haben, die in einer ersten romantischen Begegnung wirken.
Der Begriff der Leidenschaft fällt im Zusammenhang mit Liebe in ihrer ersten Phase, dem Verlieben und dem Verspüren einer gewissen Anziehung, auffällig oft. Was aber führt überhaupt zu dieser Leidenschaft, diesem Empfinden? Was führt zu interpersoneller Anziehung? Ganz generell existieren bestimmte Prinzipien interpersoneller Anziehung, die gerade bei ersten Begegnungen eine große Rolle spielen. Nach Reis und Berscheid (1998) spielt etwa Vertrautheit eine große Rolle. Der Mere-Exposure-Effekt (Zajonc, 1968) besagt etwa, dass Menschen attraktiver erscheinen, wenn sie vertrauter sind. Ein gewisser Effekt von Vertrautheit lässt sich bereits in Szenarien beobachten, in denen sich die Personen zwar nicht kennen (man würde im alltäglichen Sprachgebrauch nicht von Vertrautheit sprechen), aber bereits einige Male gesehen haben. Für die Untersuchung von Speed- Dating-Studien ist Vertrautheit als Faktor höchstwahrscheinlich jedoch kaum relevant.
Von größerer Bedeutung hingegen scheint die Reziprozität der Anziehung zu sein. Allein das Wissen darüber, dass jemand von einer anderen Person für attraktiv befunden wird, kann dazu führen, die andere Person ebenfalls attraktiver zu finden (Condon & Crano 1988, Curtis & Miller 1986). Allerdings verstärkt sich dieser Effekt vor allem in längeren Beziehungen (Kenny, 1994) sodass sich die Frage stellt, ob und inwiefern dieser Effekt in Speed-Dating-Studien überhaupt eine Rolle spielt.
Ein weiterer Aspekt, der interpersonelle Anziehung begünstigen kann, ist Ähnlichkeit, konkreter besonders Ähnlichkeit in Einstellungen. Bereits Newcomb (1961) legte dar, dass Ähnlichkeit ein wichtiger Faktor in interpersoneller Anziehung sein kann. Nach Byrne (1971) erscheint Ähnlichkeit aus verschiedenen Gründen attraktiv, beispielsweise auch deshalb, weil sie das Selbst-Konzept validiert. Walster & Walster (1963) nehmen an, dass Menschen davon ausgehen, von ähnlichen Personen eher gemocht zu werden als von weniger ähnlichen Personen - was wiederum ein Argument für die Reziprozität von Anziehung wäre. Auch Ähnlichkeit in Bezug auf die Persönlichkeitseigenschaften kann außerdem attraktiv sein. Klohnen & Luo (2003) konnten zeigen, dass die Ähnlichkeit der Persönlichkeit einer Person mit der Persönlichkeit des Selbst und des idealen Selbst attraktiv erschien. Die Ähnlichkeit in Persönlichkeitseigenschaften ist dabei jedoch weniger relevant als die in Einstellungen. Duck und Craig (1975) beschrieben, dass äußerliche Ähnlichkeiten für initiale Anziehung relevanter sind als Ähnlichkeiten in psychologischen Eigenschaften. Die auch als similar-attract bekannte Hypothese wurde von vielen Autoren aufgegriffen und in verschiedenen Kontexten bestätigt (z.B. Buston & Emlen, 2003; Keller, Thießen & Young, 1996). Auch Montoya et al. (2008) konnten in einer Metaanalyse große Effekte von Ähnlichkeit auf romantische Anziehung feststellen.
Selbstverständlich spielt auch die physische Attraktivität eine große Rolle. Verschiedene Experimente (Cunningham, 1986) belegten nicht nur die Wichtigkeit bestimmter Eigenschaften des Gesichtes, sondern auch die Attribution von Persönlichkeitseigenschaften mit bestimmten äußerlichen Merkmalen. Menschen tendieren generell dazu, Schönheit (nicht explizit) als enorm wichtig zu bewerten. In mehreren Metaanalysen konnte gezeigt werden, dass attraktiven Menschen nicht nur mehr wünschenswerte Eigenschaften zugeschrieben werden, ihnen wird auch eine erfolgreichere Zukunft zugeschrieben (z.B. Eagly et al. 1991). Physische Attraktivität hat auch in evolutionspsychologischen Ansätzen häufig eine hohe Bedeutung, dies gilt insbesondere für Frauen und ihre Attraktivität, auch aber für Männer (Geary et al., 2004). Buss et al. (2001) konnten außerdem in einer Metaanalyse feststellen, dass die Bedeutung physischer Attraktivität in den letzten 50 Jahren stetig an Bedeutung gewonnen hat.
Eine Herausforderung stellt dabei auch die Unterscheidung zwischen short-term und long-term Strategien dar. Traditionelle Liebesmodelle, wie im ersten Abschnitt benannt, beziehen sich im Überwiegenden auf langfristige Beziehungen. Menschen tendieren auch dazu, für langfristige Beziehungen andere Präferenzen im Hinblick auf den Partner anzugeben als für kurzfristige (Buss, 1989), gleichzeitig jedoch ist fraglich, ob diese Unterschiede im Hinblick auf initiale romantische Anziehung beim ersten Aufeinandertreffen überhaupt eine Rolle spielen. In beiden Fällen lassen sich aus der Literatur jedoch Geschlechterunterschiede beobachten: Männer legen größeren Wert auf Äußerlichkeiten, Frauen auf die Einkommensperspektiven, oder, in Bezug auf short-term Strategie, die kurzfristig verfügbaren Ressourcen des Mannes (Buss & Schmidt, 1993; Feingold, 1992). Inwiefern Partner in Speed-Dating-Szenarien als potenziell langfristiger oder kurzfristiger Partner betrachtet werden, welchen Einfluss das auf initiale romantische Anziehung hat und inwiefern sich long-term von short-term Strategien in so einem zeitlich kurzen Szenario überhaupt im tatsächlichen Verhalten äußern, wird zu diskutieren sein.
Darüber hinaus werden auch (perceiver -unabhängig) Persönlichkeitseigenschaften in ihrer Relevanz diskutiert. In Bezug auf die Big 5 Persönlichkeitseigenschaften etwa beschreiben Figueredo et al. (2006) hohe Gewissenhaftigkeit, Extraversion und Verträglichkeit bei geringerem Neurotizismus als attraktiv; jedoch muss angemerkt werden, dass diese Studie, wie einige in der Attraktivitätsforschung, ausschließlich von Selbstreporten der Teilnehmer ausgeht, nicht aber ihr tatsächliches Verhalten und ihre tatsächlichen Präferenzen in Dating-Situationen (oder generell Situationen, indem Menschen auf potenzielle romantische Partner treffen) berücksichtigen. Außerdem geben Menschen an, freundliche und warme Partner generell zu bevorzugen (Buss, 1989).
Auch persönliche Verhaltensweisen können Anziehung begünstigen. Speziell kommunikative Verhaltensweisen, etwa self-disclosure, kann dazu führen, dass romantische Anziehung und höhere Intimität empfunden wird (Jiang et al., 2011).
Zuletzt sollte auch betrachtet werden, dass das Bindungsverhalten einen Einfluss haben kann. Mikulincer & Shaver (2007) betonen die generelle Bedeutung von Attachment-Theorien für romantische Beziehungen. Personen sind sich in der Regel darüber bewusst, dass ein Partner mit einem stabilen Bindungsstil für eine langfristige Beziehung attraktiver ist. Werden hypothetische Partner beschrieben, zeigen Menschen eine Präferenz für sicher gebundene Partner (Chappell & Davis, 1998).
In diesem Abschnitt nun noch einige Anmerkungen zu Speed-Dating Studien. Den besonderen Wert von Speed-Dating-Studien im Zusammenhang mit romantischer Anziehung und engen Beziehungen heben die Autoren Eli Finkel, Paul Eastwick und Jacob Matthews hervor (Finkel et al. 2007). Während viele Studien lange Zeit mit „fiktiven“ Partnern arbeiteten, also den Teilnehmern nur Fotos oder gar eine Beschreibung einer Person in Textform gereicht wurden, haben Speed-Dating Studien das Potenzial, Menschen zusammenzubringen und diese vor, während des Zusammentreffens und danach intensiv zu begleiten. Darüber hinaus argumentieren die Autoren, dass Speed-Dating Studien eine hohe ökologische Validität besitzen; unter anderem deshalb, weil Speed-Dating Events auch außerhalb von wissenschaftlichen Kontexten populär sind und auch Menschen, die Speed-Dating Events nicht besuchen, im Alltag in ähnliche Situationen geraten, in denen viele potenzielle Partner beurteilt werden müssen. Viele Speed-Dating Studien finden sogar an „natürlichen“ Orten statt, wie etwa Bars oder Restaurants. In einigen Studien werden die Teilnehmer nicht rekrutiert, sondern in Kooperation mit Speed-Dating- Unternehmen ein tatsächliches Event beachtet, welches auch außerhalb der Studie stattfinden würde. Auch präsentiert die Forschung zu romantischer Anziehung eine enorme Anzahl an Faktoren und Einflüssen, die für romantische Anziehung relevant sein können, wie im vorherigen Abschnitt gegebenenfalls bereits deutlich geworden ist. Wenngleich es der Fall sein mag, dass dies schlichtweg der Komplexität des Phänomens gerecht wird, besitzen Speed-Dating Studien unter Umständen das Potenzial, diese Vielzahl an Eigenschaften auf eine übersichtliche Anzahl signifikanter (!) Einflussfaktoren in initialen romantischen Aufeinandertreffen zu reduzieren sowie deren relative Relevanz zu klären.
Aus der Theorie ergeben sich folgende Fragestellungen: SpeedDating Studien sind Situationen, in welchen die beiden Teilnehmer sich bislang vollkommen unbekannt sind. Liebestheorien gehen davon aus, dass initiale romantische Anziehung in erster Linie auf einer leidenschaftlichen, emotionalen Ebene stattfindet. Welche der dargestellten generellen Prinzipien interindividueller Anziehung sind für Speed-Dating-Szenarien besonders relevant? Die hohe ökologische Validität von Speed-Dating Szenarien und die Ähnlichkeit zu Alltagssituationen veranschaulicht, weshalb Grund zu der Annahme besteht, dass Speed-Dating-Studien überaus dazu in der Lage sind, initiale romantische Anziehung zu erklären. Abschließend ist noch anzumerken, dass außerdem kein systematisches Review gefunden werden konnte, das Erkenntnisse aus Speed-Dating Studien aufbereitet; obwohl die systematische Aufarbeitung der Ergebnisse dieses Forschungsansatzes sicher gewinnbringend für das Verständnis initialer romantischer Anziehung ist.
Da die Arbeit in erster Linie betrachten soll, welchen zusätzlichen Wert Speed-Dating Studien zur Erforschung romantischer Anziehung bieten können, werden keine Hypothesen aufgestellt. Die Fragestellungen lauten wie folgt
1. Inwiefern lassen sich aus der Literatur bekannte Prinzipien interpersoneller Attraktion und Prädiktoren in tatsächlichen Dating- Szenarien bestätigen?
2. Inwieweit besitzen Speed-Dating Studien das Potenzial, bislang nicht oder gering berücksichtigte Prädiktoren romantischer Anziehung zu identifizieren?
3. Methode
In diesem Teil wird die Methode vorgestellt, die für die Erstellung des systematischen Reviews angewandt wurde, sowie eine Übersicht der Studien, die im Ergebnisteil genauer präsentiert werden.
Bei der Definition eines wissenschaftlichen Reviews kann zwischen zwei Arten unterschieden werden: Zwischen einerseits dem systematischen und andererseits dem narrativen Review. Für ein systematisches Review werden Ein- und Ausschlusskriterien festgelegt. Es folgt eine systematische Recherche unter Berücksichigung dieser, in welcher alle gefundenen publizierten Studien schließlich systematisch und qualitativ zusammengefasst werden. Ein narratives Review fasst ebenfalls Studien zu einem Thema qualitativ zusammen, anders als beim systematischen Review findet die Literaturrecherche jedoch nicht so systematisiert und tendenziell subjektiv statt. (Ressing, Blettner & Klug, 2009).
Da diese Arbeit ein systematisches Review ist, soll im Folgenden genauer über Ein- und Ausschlusskriterien, Suchwörter und Datenbanken berichtet werden, welche genutzt wurden, um systematisch sämtliche Literatur zum Thema Speed-Dating Studien und romantische Anziehung ausfindig zu machen und zusammenzufassen.
Die systematische Literaturrecherche wurde mit EBSCO Host durchgeführt. Dabei wurden alle Datenbanken von EBSCO Host (z. B. APA PsycArticles, APA PsycInfo, Psychology and Behavioral Science Collection, Gender Studies Database, etc.) ausgewählt, um sämtliche Literatur zu finden, auch jene, die eventuell thematisch anders klassifiziert ist. Die Suchanfrage wurde wie folgt durchgeführt: (speed dating OR speed-dating) AND (attraction OR initial attraction OR interpersonal attraction) AND (love OR romantic love OR romance OR romantic).
Über GoogleSchoolar wurde parallel eine Suche durchgeführt, diese ergab jedoch keine weiteren Studien. Außerdem wurde eine Suche mit dem Schneeballsystem durchgeführt, um weitere Studien ausfindig zu machen.
Insgesamt ergaben sich mit dem genannten Suchbegriff auf EBSCO Host n= 100 Studien. Nach Ausschluss von Duplikaten, Büchern, Artikeln, die älter als 2000 waren sowie dem Kriterium, das jegliche Literatur peer- reviewed sein musste, ergaben sich n=33 Studien. Weitere Studien wurden nach Lesen des Abstracts nach bestimmten inhaltlichen Kriterien ausgeschlossen. Wurde ein Artikel bereits in der Theorie ausführlich behandelt oder bezog sich ein Artikel auf rein methodische Hinweise zum Thema, beinhaltete aber keine tatsächliche Studie, wurde er ausgeschlossen. Studien, die sich nicht mit initialer romantischer Anziehung auseinandersetzten oder einen inhaltlichen Fokus auf neuronale und hormonale Prozesse hatten, dabei aber sozialpsychologische Theorien und Konstrukte nicht relevant aufgriffen, wurden ebenfalls ausgeschlossen. Ein Treffer war ein journalistisch-informativer Beitrag und enthielt ebenfalls keine Studie, auch dieser Treffer wurde aussortiert. Somit ergaben sich n = 20 Studien, die durch das Lesen des Volltextes überprüft wurden und allesamt in die Arbeit mitaufgenommen wurden.
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