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Bachelorarbeit, 2020
71 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Definitionen
2.1.1. Diversität
2.1.2. Kulturelle Diversität
2.1.3. Interkulturelle Kompetenz
2.2. Herausforderungen aufgrund von kultureller Diversität in der beruflichen Bildung
2.3. Chance und Potentiale von kultureller Diversität
2.4. Diversity Management
2.4.1. Grundlagen von Diversity Management
2.4.2. Maßnahmen von Diversity-Management-Programmen
2.5. Diversity Management in der beruflichen Bildung
2.6. Standard des pädagogischen Professionals in der beruflichen Bildung
2.6.1. Persönlichkeit des Lehrenden
2.6.2. Inhaltliche und curriculare Planung
2.6.3. Gestaltung von Lernprozessen und Methoden
2.6.4. Soziale Beziehungen der Lernenden
2.6.5. Umgang mit Konflikten
2.6.6. Umgang mit Sprache
2.6.7. Kooperation und Mitarbeit an der Organisationsentwicklung
2.7. Methodik
2.7.1. Systematisches Literaturreview
2.7.2. Qualitative Inhaltsanalyse
2.7.2.1. Was ist eine Qualitative Inhaltsanalyse?
2.7.2.2. Grundverfahren qualitativer Inhaltsanalyse
2.7.2.3. Grundprinzipien der qualitativen Inhaltsanalyse
2.7.2.4. Vorgehen nach dem inhaltsanalytischem Ablaufmodell von Mayring
3. Ergebnisse
3.1. Kurzvorstellung der Studien
3.1.1. Der „Diversity-Professional“ in der beruflichen Bildung (vgl. Kimmelmann, 2009)
3.1.2. Interkulturelle Kompetenz bei Lehrerinnen und Lehrern aus Sicht der empirischen Bildungsforschung (vgl. Bender-Szymanski, 2013)
3.1.3. Dimensionen interkultureller Kompetenz aus Sicht von Lehrkräften (vgl. Over, Mienert, 2010)
3.1.4. Intercultural Competenve in education, counselling and psychotherapie (vgl. Portera, 2014)
3.2. Zusammenfassung der Ergebnisse
3.2.1. Kategorie „Persönlichkeit“
3.2.2. Kategorie „curriculare Eingebundenheit kultureller Inhalte “
3.2.3. Kategorie „Lernprozessgestaltung“
3.2.4. Kategorie „professionelle Beziehungsarbeit“
3.2.5. Kategorie „professionelles Konfliktmanagement“
3.2.6. Kategorie „Sprache“
3.2.7. Kategorie „Kooperation“
3.3. Das erweiterte Kompetenzprofil des interkulturell professionell Lehrenden
4. Diskussion
4.1. Kritische Betrachtung der interkulturellen Kompetenzen
4.2. Stärken und Schwächen der Studien
4.2.1. Stärken und Schwächen der Studie: Der „Diversity-Professional“ in der beruflichen Bildung (Kimmelmann 2009)
4.2.2. Stärken und Schwächen der Studie: Interkulturelle Kompetenz bei Lehrerinnen und Lehrern aus Sicht der empirischen Bildungsforschung (Bender-Szymanski, 2013)
4.2.3. Stärken und Schwächen der Studie: Dimensionen interkultureller Kompetenz aus Sicht von Lehrkräften (Over, Mienert, 2010)
4.2.4. Stärken und Schwächen der Studie: Intercultural Competenve in education, counselling and psychotherapie (Portera, 2014)
4.3. Stärken und Schwächen der vorliegenden Arbeit (methodisches Vorgehen)
5. Schlussfolgerung
6. Ausblick
7. Literaturverzeichnis
8. Abkürzungsverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
10. Tabellenverzeichnis
11. Anhang
11.1. Übersichtstabellen
Lehrende in der beruflichen Bildung treffen häufig eine heterogene Gruppe bestehend aus Lernenden mit verschiedenen Migrationshintergründen an (vgl. Hachfeld, 2013, S. 11). In vielen Fällen findet man eine Variation von Auszubildende mit Migrationshintergrund aus der ersten Generation, der zweiten Generation, sowie aus verschiedenen Herkunftsländern vor. Das ist verbunden mit ethnischer, sprachlicher, sozialer und religiöser Diversität (vgl. (Berufsbildungsbericht, 2019, S. 46). Diese Diversität ist eine große Herausforderung für die professionellen Lehrenden in beruflichen Bildungseinrichtungen. Vielfalt ist jedoch schon längst zum Normalfall in Deutschland geworden und sollte nicht länger als eine Belastung dargestellt werden (vgl. Kimmelmann 2009, S. 7). Die Ergebnisse des Statistischen Bundesamts aus den Jahren 2006 und 2018 zeigen, dass der Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund stetig wächst (vgl. Statistisches Bundesamt, 2018, 2006). Während im Jahr 2006 18,2 % der Bevölkerung eine ausländische Staatsangehörigkeit oder einen Migrationshintergrund hatte, waren es im Jahr 2018 schon 25,4 % der Bevölkerung. Dieser stetig hohe Anteil an Bürgern mit Migrationshintergrund lässt sich auch in der beruflichen Bildung beobachten (Berufsbildungsbericht, 2019, S. 46). Im Jahr 2017 lag der Anteil der Bürger mit Migrationshintergrung bei 34,2 % (Berufsbildungsbericht, 2019, S. 46).
Der Umgang mit kultureller Diversität im deutschen Bildungssystem wird in der Literatur als mangelhaft beschrieben (vgl. Auernheimer, 2009, S. 12). Die Mängel des berufsbildenden Systems im Umgang mit kultureller Diversität sind auf verschiedenen Ebenen zu erkennen. Auf der Ebene der Berufspolitik und der Forschung sind große Vernachlässigungen wahrzunehmen. Dies wird darin ersichtlich, dass kaum wissenschaftliche Analysen oder pädagogische Konzepte existieren, die kulturelle Vielfalt aufgreifen (vgl. Bethschneider, 2008, S.2). Diese geringe Beachtung der kulturellen Diversität spiegelt sich auch auf der Ebene der Schulen wider. Die Schulen und Organisationen beharren weiterhin auf traditionelle monolinguistische und monokulturelle Systeme (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 30). Auch auf der Ebene der Aus- und Weiterbildung der Lehrenden zeigt sich eine fehlende konstruktive Auseinandersetzung mit der Diversität (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 30). Erst im Jahr 2013 verschriftlicht das Kultusministerium eine Auseinandersetzung der Lehrenden mit der kulturellen Vielfalt (vgl. KMK, 2013). Aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit Diversität in der Lehrerbildung, kommt es bislang auch kaum zu inhaltlicher oder methodischer Berücksichtigung der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe der Lernenden (vgl. Morris-Lange et al., 2016, S. 11-12).
Die fehlende Sensibilität und Kompetenz gegenüber Diversität sind sowohl bei den Lehrenden als auch bei den Unternehmen existent. Die kulturelle Vielfalt wird defizitorientiert beurteilt und somit zum Nachteil der Lernenden ausgelegt (vgl. Granato, Eberhard, 2008, S. 7). Im Vordergrund stehen Bereiche bei denen Lernende mit Migrationshintergrund Schwierigkeiten aufweisen könnten, wie z.B. die Sprache (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 33). In Folge dessen kommt es häufig zur Diskriminierung der Lernenden. Diese Diskriminierung ist sowohl direkt über Äußerungen, als auch indirekt über Beurteilungen festzustellen (vgl. Gomolla, 2006, S.23).
Aus den vorangegangenen Mängeln des Bildungssystems in Deutschland ergibt sich ein Handlungsbedarf auf dem Feld der interkulturellen Bildung. Dieser Handlungsbedarf erfordert eine Übernahme von Verantwortung auf verschiedenen Ebenen. Es ist eine gesellschaftliche Verantwortung die Bürgerinnen und Bürger mit Migrationshintergrund zu integrieren. Eine Demokratie, mit Chancengleichheit für jeden, ist nur dann möglich, wenn die Integration aller Bürgerinnen und Bürger gewährleistet ist (vgl. Nationaler Aktionsplan Integration, 2019). Ein großer Teil dieser Integration wir in der beruflichen Bildung geleistet, da diese den Auftrag hat jedem Menschen eine adäquate Chance auf berufliche Bildung zu gewährleisten (vgl. Nationaler Aktionsplan Integration, 2019, S. 63). Diese berufliche Bildung ermöglicht den Bürgern die grundlegende Chance auf Berufstätigkeit. Auch das Bundesministerium der Justiz nimmt seit 2006, mit dem allgemeinen Gleichstellungsgesetz, die berufliche Bildung in die rechtliche Verantwortung, Lernende zu integrieren (Bundesministerium der Justiz, 2006). Der Nationale Integrationsplan der Regierung fordert eine stärkere Förderung der Lernenden mit Migrationshintergrund in der beruflichen Bildung (vgl. Nationaler Integrationsplan, 2007, S. 70-71), dazu soll das Bildungspersonal entsprechend qualifiziert werden (vgl. ebd. S. 73-74). Die Weiterqualifizierung soll dazu führen, dass vorhandene Maßnahmen stärker an die Bedürfnisse der Lernenden mit Migrationshintergrund angepasst werden, sodass sie ihre vorhandenen interkulturellen Kompetenzen besser einsetzen können (vgl. ebd. S. 77-78). Neben der gesellschaftlichen und rechtlichen Verantwortung an die Lehrenden sollten diese auch den professionellen Umgang mit kulturell diversen Lernenden anstreben, um ihre eigenen pädagogischen Vorstellungen und Ansprüche weiterzuentwickeln. (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 36).
Die Lehrenden spielen bei der Vermittlung von interkulturellen Kompetenzen eine entscheidende Rolle und können die Lernenden durch ihre Einstellung, Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit kultureller Diversität maßgeblich beeinflussen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 40). „Die Verwirklichung gleichberechtigter Teilhabe hängt in hohem Maße davon ab, inwieweit es dem Bildungssystem, aber auch der einzelnen Schule gelingt, allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrem soziokulturellen Hintergrund einen qualifizierten Schulabschluss zu ermöglichen.“ (KMK, 2013, S.3). Dazu sollte die Schule und die Lehrenden Vielfalt zugleich als Normalität, als auch als Potenzial für alle wahrnehmen und dazu beitragen, dass interkulturelle Kompetenzen in allen Unterrichten gefördert wird (vgl. KMK, 2013, S. 3).
Damit die Lehrenden ihrer Verantwortung professionell entgegentreten können ist ein Ansatz zum Umgang mit kultureller Diversität unerlässlich. Ein in der Wirtschaft bereits etablierter Ansatz ist der Diversity-Management-Ansatz. Grundsätzlich wird im Diversity-Management-Ansatz die Vielfalt der Belegschaft mit seinen Vorteilen für den Betrieb in den Vordergrund gestellt (vgl. Kimmelmann, 2010, S.63). Die Potentiale der Vielfalt werden zum Erfolg des Unternehmens genutzt und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhalten positive Rückmeldung und Wertschätzung für ihre geleistete Arbeit. Dieser Ansatz mit seinen Maßnahmen ist auf die berufliche Bildung übertragbar und würde den rechtlichen, politischen, gesellschaftlichen und eigenen Anforderungen der Lehrenden entsprechen. Daher wird der Ansatz in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet und auf die Kompatibilität mit der beruflichen Bildung geprüft. Resultierend aus dem Ansatz stellt sich jedoch die Kernfrage der Bachelorarbeit: Welche interkulturellen Kompetenzen benötigen Lehrende in der beruflichen Bildung, um Diversity-Management-Ansätze im schulischen Kontext umsetzen zu können?
Ziel der Arbeit ist es ein Kompetenzprofil für Lehrende in der beruflichen Bildung, zum Umgang mit kulturell diversen Lernenden, zu entwickeln. Da in der nationalen und internationalen Literatur sehr kontrovers darüber diskutiert wird, was interkulturell kompetente Lehrende ausmacht, wird in dieser Arbeit eine systematische Literaturanalyse durchgeführt, bei der verschiedene empirische Studien zu interkulturellen Kompetenzen von Lehrenden gegenübergestellt werden.
Um dieses Ziel zu erreichen werden zu Beginn der Arbeit zunächst die grundlegenden Begriffe der Diversität, der kulturellen Diversität (2.1) und der interkulturellen Kompetenz (2.2) definiert. Um die Relevanz der Diversität für die Lehrenden, die Lernenden und die Unternehmen herauszustellen werden in den folgenden Kapiteln 2.3 und 2.4 Herausforderungen und Chancen von Diversität in der beruflichen Bildung dargestellt. Anschließend wird der Diversity-Management Ansatz mit seinen Grundlagen und Maßnahmen dargestellt. Dieser Ansatz wird im Weiteren auf die berufliche Bildung übertragen und mit Kompetenzen für Lehrende unterlegt. Maßgeblich für diesen Transfer ist dabei die Monographie von Kimmelmann (2010). Mit diesem Kapitel sind die theoretischen Hintergründe der Arbeit abgeschlossen.
Anschließend werden weitere nationale und internationale Studien zum Thema der interkulturellen Kompetenzen vorgestellt, die mittels der systematischen Literaturanalyse ausfindig gemacht worden sind. Die Studien werden mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2015) kodiert und eingeordnet. Im Ergebnisteil werden vier Studien zu interkulturellen Kompetenzen gegenübergestellt und es wird ein erweitertes Kompetenzprofil des interkulturell professionell Lehrenden erstellt, dass im Diskussionsteil kritisch reflektiert wird.
Ein häufig genutztes Synonym für Diversität ist „Vielfalt“. Dieser Begriff drückt aus, dass Menschen in verschiedensten Faktoren Unterschiede und Gemeinsamkeiten haben können (vgl. Stuber 2009, S.16). Diese Faktoren können z.B. Ethnischer Hintergrund, Nationalität, Geschlecht, Alter, Persönlichkeit Bildung, Berufserfahrung und Fachkompetenz sein. Lieberman et al. (vgl. Lieberman et al., 2004, S. 75) führten 66 Faktoren von „Diversity“ auf. Diese 66 Faktoren können jedoch je nach Betrachter nochmals ausgeweitet werden. In der Pädagogik werden die Faktoren des sozialen Hintergrunds und der schulischen Vorbildung häufig hinzugezogen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 49). Besonders in der beruflichen Bildung wird die „Vielfalt“ der Lernenden deutlich und wird häufig mit der Heterogenität gleichgestellt.
Diversität lässt sich lt. Saalfrank (vgl. 2008, S. 338) jedoch klar von Heterogenität abgrenzen: „Heterogenität hat nur die Verschiedenheit im Blick, während Diversity für die Vielfalt steht“ (Saalfrank, 2008, S. 338). Das bedeutet, dass die Heterogenität nur die Unterschiede der Lernenden im Blick hat, im Gegensatz dazu bezieht sich die Diversität auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten (vgl. Stuber, 2009, S. 18). Diversität fasst also die Begriffe der Heterogenität und Homogenität zusammen. Ebenfalls abzugrenzen ist die Haltung der Lehrenden bei der Diversität und Heterogenität. Während Heterogenität eine neutrale Betrachtung der Lernenden darstellt (vgl. Wenning, 2007, S. 23), suggeriert Diversität eine positive Haltung der Lehrenden gegenüber der Vielfalt der Lernenden (vgl. Wenning, 2007, S. 24). Die Unterschiede werden als positiv bewertet und dementsprechend gewinnbringend eingesetzt. So kann man beispielsweise bei einer Gruppenarbeit die Gruppenmitglieder in ihrer Vielfalt mischen, um unterschiedliche Betrachtungsweisen auf die Arbeit zu fördern (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 51). Im Folgenden wir der Begriff der kulturellen Diversität definiert, der in der weiteren Arbeit eine entscheidende Rolle einnimmt.
Kultur ist in der Literatur vielfach sehr unterschiedlich definiert, es gibt jedoch zwei Blickpunkte, die als allgemeingültig betrachtet werden können. Zum einen der symbolische Charakter von Kultur und zum anderen die Orientierungsfunktion der Kultur (vgl. Auernheimer, 2007, S. 73- 74). Die verschiedenen Kulturen schaffen Verbindungen zwischen den Mitgliedern, indem symbolisch Objekte im Alltag verwendet werden, wie z.B. Kleidung, Accessoires oder Kommunikation. Diese Möglichkeiten sich selbst darzustellen, schaffen soziale Zugehörigkeiten und zeigen eine Art von Lebensstil (vgl. Auernheimer, 2007, S.74).
In jeder Kultur gibt es bestimmte Werte und Normen, die sich nicht immer in Gesetzen äußern, sondern auch häufig als erwarteter Verhaltenskodex zwischen Mitgliedern der Kultur (vgl. Auernheimer, 2007, S.74). Dieser Verhaltenskodex gibt den Mitgliedern der Kultur eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe.
Kulturen sind jedoch keine abgeschlossenen Strukturen, sondern flexibel und von der Weltansicht der Mitgliederinnen und Mitglieder abhängige Konstruktionen (vgl. Bennett, Bennet, 2004, S. 150). Mitgliederinnen und Mitglieder einer Kultur können dafür sorgen, dass ihre Kultur verschiedene Formen annimmt und sich somit neuen Gegebenheiten anpasst (vgl. Unesco, 2002, Artikel 1). Folglich unterliegt Kultur einer Dynamik und einer Subjektivität der einzelnen Mitgliederinnen und Mitglieder und ist ein Mix aus Unterschieden und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Kulturen (vgl. Thomas, 1996, S. 246).
Für die Lernenden bedeutet das, dass sie neben den Unterschieden zu den anderen Lernenden ohne Migrationshintergrund auch Gemeinsamkeiten entdecken können. Lernende mit Migrationshintergrund können sich also besonders im Kontext der Schule als ähnlich zu den Lernenden ohne Migrationshintergrund betrachten.
Um mit den Lernenden zu interagieren benötigen die Lehrenden und Lernenden interkulturelle Kompetenzen, die im nächsten Kapitel dieser Arbeit definiert werden.
In der Literatur findet man zahlreiche Definitionen von interkultureller Kompetenz, die aus unterschiedlichen Theorien und Hintergründen entstanden sind. Da die Spannweite so groß ist, geht Bolten (2007) sogar soweit, dass er bezweifelt, dass es interkulturelle Kompetenz überhaupt gibt (vgl. Bolten, 2007, S. 7). Die meisten Autoren sehen die Gültigkeit einer Definition von interkultureller Kompetenz jeweils für einen bestimmten Personen, bzw. Berufskreis als gegeben (vgl. u.a. Staub, 2011, S. 40, Over et al., 2010, S. 35). Die jeweiligen Definitionen haben also keine Allgemeingültigkeit. Im Folgenden wird also eine Definition genannt, die in der vorliegenden Arbeit aufgrund des Berufsfeldes und des Personenkreises Gültigkeit besitzt, jedoch nicht den Anspruch auf Allgemeingültigkeit erhebt.
„Interkulturelle Kompetenz von Lehrkräften bezeichnet die spezifischen Kompetenzen, die Lehrkräfte im Umgang mit Heterogenität im multi- bzw. interkulturellen Schulalltag benötigen. Sie beinhaltet methodische, fachliche, soziale und personale Teilkompetenzen, die im Umgang mit Heterogenität benötigt werden und bezieht sich auf alle Aufgabenbereiche der jeweiligen Lehrkraft. Die einzelnen Teilkompetenzen unterscheiden sich dabei bzgl. der schulspezifischen Umgebungsbedingungen.“ (Over; Mienert, 2010, S. 35-36).
Die Definition ist zunächst bewusst sehr weit aufgestellt und zielt auf eine möglichst breite Öffnung des Kompetenzbegriffs ab. Im zweiten Satz werden dem interkulturellen Kompetenzbegriff die in der Lehrerbildung bekannten Teilkompetenzbereiche angebracht. Diese beziehen sich auf das klassische Kompetenzmodell nach Weinert (2002). Zu den Aufgabenbereichen der Lehrenden gehören sowohl die Arbeit mit den Lernenden als auch weitere Aufgaben, wie z.B. Elternarbeit, kollegiale Arbeit oder organisatorische Arbeiten, die alle in der Definition einbezogen werden sollen. Der dritte Satz der Definition weißt auf unterschiedliche schulspezifische Umgebungsbedingungen hin. Da sich die Umgebungsbedingungen in jeder Schule unterscheiden ist es wichtig auch Spezifika jeder Schule in die Definition einzubeziehen.
Wenn in der folgenden Arbeit von interkultureller Kompetenz gesprochen wird, ist die vorliegende Definition zugrunde zu legen.
Das Lernen und Lehren in der beruflichen Bildung ist bis heute stark von Unsicherheiten der Lehrenden begleitet. Die häufigsten Herausforderungen werden im Weiteren dargestellt:
Die weiblichen Lehrenden geben häufig aufkommende Rollenkonflikte an. Damit ist besonders der Konflikt mit männlichen Lernenden aus patriarchalischen Ländern, in denen die Rolle der Frau anders definiert ist als in Deutschland (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 58). Eine weitere Herausforderung sind die unterschiedlichen Leistungsstärken und unterschiedlichen Sprachniveaus der Lernenden (vgl. Gruber, 2017, S. 226). Ebenfalls als Herausforderung angesehen wird die Abgrenzung von einzelnen Lernenden oder einzelnen Untergruppen (vgl. Gruber, 2017, S. 226). Häufig bilden sich Untergruppen entsprechend des national-kulturellen Hintergrunds. Die Abgrenzung Einzelner oder einer gesamten Gruppe führt zu Konflikten innerhalb des Klassenverbands (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 58). Weitere Konflikt entstehen, wenn beispielsweise Konflikte aus dem Familienkreis in den Klassenverband eingebracht und ausgetragen werden. Aufgrund der religiösen Unterschiede kommt es z.B. häufig zu Wünschen der Freistellung vom Unterricht aufgrund von religiösen Vorbehalten gegenüber den Lerninhalten oder Feiertagen in der Religion. Auch diese Anfragen stellen eine Herausforderung für die Lehrenden und den Klassenverbund dar und enthalten großes Konfliktpotential (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 58). Die Lehrenden empfinden als besonders herausfordernd, dass häufig keine klar definierten Rechte oder Regeln formuliert sind und sie selbstständig auf die Anfragen reagieren müssen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 58). Auch Verständnisprobleme mit Lernenden und die Motivation der einzelnen Lernenden wurden als schwierig empfunden (vgl. Gruber, 2017, S. 226).
Die Lehrenden geben jedoch ebenfalls an, dass sie die kulturelle Vielfalt innerhalb eines Klassenverbands sehr wertschätzen, da sie ebenfalls viele Vorteile in der Vielfalt sehen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 58; Gruber, 2017, S. 226). Im Folgenden Abschnitt soll auf die Vorteile und Chance der kulturellen Vielfalt in der beruflichen Bildung eingegangen werden.
Eine große Ressource von kultureller Vielfalt ist die Mehrsprachigkeit der Lernenden. Diese Ressource hat gleich zwei positive Merkmale. Zum einen kann der Lernende zwischen zwei Sprachen wechseln, zum anderen ist das frühkindliche Erlernen von mehreren Sprachen häufig mit hohen sprachkognitiven Fähigkeiten verbunden (vgl. Schader, 2004, S. 32). Diese Fähigkeiten können den Lernenden dabei helfen weitere Sprachen zu erlernen.
Die Lernenden mit Migrationshintergrund besitzen kulturelles Wissen aus verschiedenen sozialen Systemen und damit verbundene unterschiedliche Werte und Normen in den Kulturen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 59). Aufgrund dieses Wissens kann eine Situation aus verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die perspektivische Betrachtung einer Situation nimmt auf nationaler und internationaler Ebene stetig zu.
Fachkräfte und Lernende aus der beruflichen Bildung haben häufig Kontakt mit Kunden mit Migrationshintergrund. Es ist von besonderer Wichtigkeit kultursensibel auf die Kunden zugehen zu können, um eine Compliance oder Kooperation erzielen zu können (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 60). Ebenfalls können die sprachlichen Fähigkeiten des Einzelnen zu einer verbesserten Kommunikation mit den Kunden führen, indem sich die Kunden in ihrer Muttersprache äußern können, was besonders bei „gefühlsbeladenden“ Situationen besonders wichtig ist (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 60).
Aber auch im schulischen Setting ist es elementar diese Ressourcen der Lernenden mit Migrationshintergrund zu nutzen. Die verschiedenen Perspektiven der kulturell diversen Lernenden ergänzen sich. Auch die Lehrenden werden durch die kulturellen Kompetenzen der Lernenden stetig ergänzt und unterstützt (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 60). Der Einbeziehung der interkulturellen Kompetenzen der Lernenden kann die Qualität und den Anspruch des fachpraktischen Unterrichts steigern.
Das Bundesinstitut für berufliche Bildung belegt mit seiner Studie (vgl. Settelmeyer, 2008), dass diese interkulturellen Kompetenzen der Lernenden eine tatsächliche Relevanz für die Ausbildung, sowie die Lehrenden haben und häufig schon erfolgreich genutzt werden.
Im Allgemeinen können gemischtkulturelle Gruppen jedem Lernenden in dem System Kompetenzen wie Toleranz, Perspektivwechsel und Offenheit vermitteln (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 60). Auch die Kreativität und Problemlösungsfähigkeit lassen sich in interkulturellen Gruppen steigern.
Ob die Potentiale der Lernenden jedoch genutzt werden ist entscheidend von zwei Faktoren abhängig. Grundlegend ist die individuelle Einstellung des Lernenden und seine Offenheit gegenüber dem interkulturellen Lernen. Wenn die Lernenden dem lernen in einer Gruppe mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen nicht offen gegenüber sind, dann werden sie ihre Potentiale auch nicht ausschöpfen. Ebenso wichtig ist jedoch das Handeln der professionellen Lehrenden. Die professionell Lehrenden müssen kulturelle und sprachliche Vielfalt erkennen, sie gezielt in das Unterrichtsgeschehen einbauen und kontinuierlich fördern (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 62). Damit die Lehrenden das umsetzen zu können sind entsprechende interkulturelle Kompetenzen und Rahmenbedingungen der Einrichtung notwendig.
Um interkulturelle Kompetenzen eines Lehrenden herausstellen zu können ist es ausschlaggebend, den Ansatz des Diversity-Managements zu kennen. Daher wird in den nächsten Kapiteln näher auf diesen eingegangen.
Diversity-Management ist ein Konzept, dass in den 1960ern entwickelt und in den 1990ern besonders in der betriebswirtschaftlichen Lehre weiterentwickelt wurde. Die unternehmerischen Formen des Diversity-Management-Ansatzes haben sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert und entwickelt. Grundsätzlich wird im Diversity-Management-Ansatz die Vielfalt der Belegschaft mit seinen Vorteilen für den Betrieb in den Vordergrund gestellt (vgl. Franken, 2019, S. 273). Die Potentiale der Vielfalt werden zum Erfolg des Unternehmens genutzt und die Mitarbeiter erfahren Wertschätzung für ihre individuelle Vielfalt. Anknüpfend werden die aktuell anerkannten Grundlagen des Diversity-Management-Ansatzes vorgestellt.
Bewusstes Anerkennen von Unterschieden
Damit die Mitarbeiter wertschätzend miteinander umgehen ist es bedeutsam, dass nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Gemeinsamkeiten anerkannt werden (vgl. Stuber, 2004, S. 16). Die Mitarbeiter werden also nicht auf einzelne Merkmale beschränkt, sondern in ihrer Gesamtheit betrachtet, dadurch werden die Potenziale, die jeder Mitarbeiter mitbringt, genutzt.
Umfassendes Wertschätzen von Individualität
Ein Diversity-Management-Konzept erkennt nicht nur vorhandene Vielfalt und Gemeinsamkeiten der Mitarbeiter, sondern schätzt sie auch als wertvolle Ressource ein (vgl. Knoth, 2006, S. 9). Die unterschiedlichen Individualitäten werden eingebunden und gefördert, sodass sich Vielfalt und Inklusion ergänzen (vgl. Stuber et al., 2009, S. 25). Von allen Mitarbeitenden wird erwartet, dass sie sich bewusst mit ihren Ansichten über Vielfalt und Heterogenität auseinandersetzen. Sie sollen diese Ansichten und Einstellungen akzeptieren und den Umgang damit lernen (vgl. Franken, 2019, S. 282).
Proaktives Nutzen der Potenziale von Unterschiedlichkeiten
Wenn Unternehmen Vielfalt innerhalb ihrer Mitarbeiter besitzen, dann heißt das nicht gleichbedeutend, dass auch ein Ertrag für das Unternehmen entsteht. Um die Vielfalt zu nutzen müssen dementsprechend auch verschiedene Instrumente genutzt werden (vgl. Vedder, 2003, S.19). Diversity-Management-Ansätze zielen auf ein aktives erkennen und nutzen von Potenzialen ab. Maßnahmen, die etabliert werden müssen, um die Potenziale zu verwenden werden im weiteren Verlauf beschrieben.
Trotz unterschiedlichster Formen und Konzepte von Diversity-Management gibt es bestimmte Maßnahmen, die sich als etabliert herausstellen lassen:
Maßnahmen zur strukturellen Einbettung des Ansatzes:
Um ein Diversity-Management-Konzept zu implementieren ist ein weitläufiger Einblick in den aktuellen Zustand des Unternehmens maßgebend. Aus dem Ist-Zustand können Handlungsbedarfe abgeleitet werden (vgl. Haselier, 2005, S.24). Um dem Ansatz im Unternehmen Wertigkeit zu verleihen ist es fundamental einen Diversity-Beauftragten zu benennen und Schulungen für die Mitarbeiter inklusive der Führungskräfte durchzuführen (vgl. Haselier, 2005, S.19). Außerdem gibt es Zertifizierungen, die z.B. kulturelle Vielfalt bescheinigen, die Unternehmen durchführen lassen können. Die Zertifizierungen untermauern die Bedeutsamkeit für das Unternehmen und die Mitarbeiter (vgl. Blom und Meier, 2004, S.253).
Die strukturelle Einbettung mit der Benennung von Diversity-Beauftragten und der Schulung aller Mitarbeiter ist auch für ein Diversity-Management-Ansatz in der beruflichen Bildung grundlegend (vgl. Franken, 2019, S. 301-302).
Maßnahme zur Berücksichtigung der Mitarbeiterinteressen:
Um die Mitarbeitermotivation zu steigern werden häufig Maßnahmen eingeführt, um die kulturellen Individualitäten und Interessen zu berücksichtigen. Zu diesen Maßnahmen zählen beispielsweise individualisierte Urlaubsregelungen (längerer Besuch in der Heimat möglich), Gebetsräume, Gewährung von kulturspezifischen Feiertagen oder die Berücksichtigung der religiösen Essgewohnheiten der Mitarbeiter (vgl. Franken, 2019, S. 304).
Auch in der beruflichen Bildung sollten die Interessen der Lernenden berücksichtigt werden. Die schulische Atmosphäre sollte so gestaltet sein, dass genügend Raum und Zeit zur Interaktion zwischen den Lernenden möglich ist. Auch kulturspezifische Freistellung sollte möglich sein. Wichtig ist jedoch eine einheitliche Vorgehensweise der Bildungseinrichtung (vgl. Franken, 2019, S. 304).
Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt:
Um gezielt Vielfalt in verschiedenen Bereichen zu erreichen, werden Anreize für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geschaffen. Anreize könnten wie vorangegangen erwähnt Maßnahmen zur Berücksichtigung der Interessen sein, aber auch Programme wie Mentoring, bei denen den neuen Mitarbeitern gezielt ein erfahrener Mentor zur Seite gestellt wird (vgl. Franken, 2019, S. 337). Auch das gezielte Anwerben von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund kann die kulturelle Vielfalt im Unternehmen steigern.
In der beruflichen Bildung sollten auch Programme wie Mentoring umgesetzt werden. D. h., dass erfahrenere Lernende die neuen Lernenden auf der Schule als Mentor begleiten. Bei der Auswahl der Lernenden (sofern sie stattfindet) sollte kulturelle Vielfalt gezielt beachtet werden (vgl. Franken, 2019, S. 304).
Maßnahmen zu Nutzung der Vielfalt:
Um die Vielfalt zu nutzen werden Netzwerke aufgebaut und die Kompetenzen der Mitarbeiter gezielt gesammelt. Sind die Kompetenzen erfasst, so werden Teams und Mitarbeiternetzwerke zusammengestellt, die verschiedene Kompetenzen zusammenführen und so dem Unternehmen helfen. Diese Teams bringen unterschiedliche Perspektiven, Verständnisse und unterschiedliches Wissen mit sich, so dass die Mitarbeitenden voneinander und miteinander lernen. Die Heterogenität wird also zur positiven Entwicklung der Lernenden genutzt (vgl. Franken, 2019, S. 305-306).
Für die Lehrenden in der beruflichen Bildung bedeutet dies, dass sie die Potenziale der Lernenden gezielt erfassen und multiprofessionelle Teams mit verschiedenen Kompetenzen zusammenstellen, so dass die Lernenden auch voneinander lernen (vgl. Franken, 2019, S. 305-306).
Die Grundlagen von Diversity-Management sowie auch die Maßnahmen zur Umsetzung sind ebenso wichtig für Lehrende in der beruflichen Bildung, wie für Unternehmen mit diversen Beschäftigten. Denn auch in der beruflichen Bildung sollten Unterschiede und Vielfalt anerkannt, erkannt, wertgeschätzt und genutzt werden. Vertreter des betriebswirtschaftlichen Ansatzes, wie Struber (Struber, 2004, S.77-78) äußern sich klar für die Nutzbarmachung von Diversity-Management-Ansätzen auch in Bereichen der Bildung. Auch Vertreter der Pädagogen sprechen sich für den Diversity-Management-Ansatz in der beruflichen Bildung aus (vgl. u.a. Kimmelmann, 2009a; Kanschat, 2009; El-Mafaalani, 2009). Bei Diversity-Management-Ansätzen im betriebswirtschaftlichen Bereich stehen meist Gesellschaftsinteressen und Wirtschaftsinteressen im Vordergrund. In der beruflichen Bildung stehen jedoch andere Ziele wie Chancengleichheit und soziale Gerechtigkeit im Vordergrund, die mit dem Diversity-Management-Ansatz verfolgt werden können (vgl. Liprecht, 2009, S. 69).
Diversity-Management im schulischen Bereich hat den Anspruch Partizipation zu erreichen, Diskriminierung zu verhindern und Vielfalt zu fördern (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 85). Diversity-Management schließt die diversen Lernenden nicht aus den Gruppen aus, sondern fördert die vielfältige Zusammensetzung der Gruppen, was Diskriminierung verhindert.
Die Verlagerung der Betrachtungsweise von defizitorientiert zu ressourcenorientiert fördert das Selbstwertgefühl der Lernenden und löst vorhandene Wiederstände gegen den Ansatz auf (vgl. Gather Thurler, 2006, S. 5). Die Betrachtungsweise verlangt nicht nur Toleranz, sondern auch Wertschätzung der kulturellen Vielfalt der Lernenden (vgl. Kimmelmann, 2010, S.111)
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Diversity-Management-Ansätze der Betriebswirtschaft und der beruflichen Bildung viele Gemeinsamkeiten haben. Der Ansatz führt zu einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der Diversität und kann sowohl in Unternehmen als auch in Schulen zu einem besseren Arbeitsklima, weniger Diskriminierung, weniger Konfliktpotenzial und einer besseren Nutzung der Potenziale jedes einzelnen Mitarbeitenden führen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 86).
Um Diversity-Management-Ansätze in der beruflichen Bildung umsetzen zu können, erfordert es verschiedene schulische Umstrukturierungsmaßnahmen. Die Schule nimmt zunächst eine realistische Bestandsaufnahme der Diversität in ihrer Schule vor. Anschließend formulieren die Lehrenden Ziele zur Integration, Potenzialorientierung und sozialem Lernen, die erreicht werden sollen (vgl. Grossenbacher; Obersdorfer, 2006, S. 41).
Die Schulkultur entwickelt sich im Rahmen von Diversity-Management so, dass sie die kulturelle Vielfalt widerspiegelt und die eigene Kultur hinterfragt (vgl. Nohl, 2007, S. 62). Die Schulkultur spiegelt sich oftmals in der Gestaltung des Schulgebäudes, den Veranstaltungen, den Angeboten oder der Hausordnung wieder (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 90). Diese Rahmenbedingungen sollten überprüft und angepasst werden. Um die Schulkultur weiterzuentwickeln stehen verschiedene Ansatzpunkte zur Verfügung. Die Schule kann verschieden Programme oder Projekte einführen, wie Streitschlichter-Programme oder Projekte gegen Diskriminierung (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 113). Ebenfalls können kulturelle Werte in den Klassenregeln, dem Leitbild und den Freizeitangeboten eingearbeitet werden (vgl. Kimmelmann, 2010, S.113).
Auch die Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden spielt eine entscheidende Rolle. Sie sollte gleichberechtigt wertschätzend gestaltet werden. Wichtig ist, dass kulturell geprägtes Verhalten nicht abweichend behandelt wird (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 90). Eine Interaktion findet kontinuierlich formell und informell statt und wird durch Maßnahmen wie Lehrer-Schüler-Konferenzen unterstützt (vgl. Hellpap, 2007, S. 187).
Eine besonders bedeutende Rolle nimmt die Schulleitung ein. Die Schulleitung übernimmt, wie in den betriebswirtschaftlichen Modellen, das Management der Ziele und inspiriert, koordiniert, motiviert und unterstützt die Kollegen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 91). Die Schulleitung steuert die Abläufe und die Umsetzung von Veränderung. Sie setzt die nötigen Ressourcen frei und verändert Strukturen. Essenziell ist also, dass die Schulleitung den Diversity-Management-Ansatz vollständig vertritt. Es wäre möglich, dass die Schulleitung als Team agiert, dass aus kulturell diversen Lehrenden besteht (vgl. Rüsch, 1999, S.16). Die Leitung sollte darauf achten, dass es in den Lehrplänen und Curricula ausreichend Zeit und Raum befindet kulturelle Diversität mit in den Unterricht zu integrieren. Um die kulturell diversen Lernenden zu unterstützen, sollten die Lehrmaterialien mehrsprachig Angeboten werden und punktuell auch bilingual unterrichtet werden (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 115). Dabei ist wichtig, dass die Lernenden nicht voneinander getrennt werden, sondern kooperativ in divers zusammengesetzten Gruppen lernen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 115).
Die Arbeit mit kulturell diversen Lernenden erfordert eine gute Kooperation im Schulteam, da sich die Lehrenden gegenseitig unterstützen und ergänzen. Die Kooperationen zwischen den Lehrenden helfen Informationen und Wissen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten und neue Lösungen zu finden (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 96). Dies erfordert einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Lehrenden und eine konstruktive Bearbeitung der Probleme.
Der zentralste Bestandteil des Diversity-Management-Ansatz stellt jedoch die Lehrenden selbst dar. Die Lehrerteams und Klassenverbände sollten multikulturelle zusammengestellt werden und sollten bei der Einstellung kulturelle Kompetenzen erfassen. Außerdem sollten die Lehrenden zum Umgang mit kultureller Diversität fort- oder weitergebildet werden (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 116). Alle Lehrenden müssen so qualifiziert werden, dass sie mit den kulturell diversen Lernenden umgehen können, die Potenziale erkennen können und sie nutzen.
Um den Lehrenden einen strukturierten und diversitätsbezogenen Umgang mit den Lernenden zu ermöglichen hat Kimmelmann (2010) mittels einer Lehrerbefragung, theoretischen und empirischen Untersuchungen einen Standard zur Fort- und Weiterbildung zum Umgang mit Diversität für Lehrende entwickelt. Der Standard besteht aus 7 Dimensionen und wird im Folgenden vorgestellt.
Persönlichkeit wird in diesem Zusammenhang als Summe der Eigenschaften verstanden, die Lehrende besitzen. Diese Eigenschaften unterscheiden die Lehrenden voneinander und machen die Individualität aus (vgl. Euler, Hahn, 2014, S.28). Trotz der veränderten Lehrerrolle in der modernen Pädagogik sind die Lehrenden weiterhin ein zentraler Bestandteil des Unterrichts (Gudjons, 2006, S. 15-20). Mitzel stellt die These auf, dass man keiner Person etwas vermitteln kann, was einem nicht selbst wichtig ist (vgl. Mitzel, 1998, S. 54). Für den Diversity-Ansatz bedeutet das demnach, dass zunächst die Lehrperson selbst ein entsprechendes „Diversity-Profil“ entwickeln muss, bevor man die Kenntnisse und Fähigkeiten an die Lernenden weitergeben kann (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 209). Dieses Profil inkludiert respektvolles und tolerantes Verhalten gegenüber allen Lernenden (vgl. Sonnenschein, 1999, S. 108). Er ergänzt das Profil durch konsequentes ausleben der freien Entfaltung und der Selbstverwirklichung, so dass Freiräume entstehen und Kreativität ausgelebt werden kann.
Um professionell mit der Vielfalt der Lernenden umgehen zu können ist eine aktive Auseinandersetzung mit Vielfalt essenziell, damit Unterschiede und Gemeinsamkeiten wahrgenommen und erkannt werden. Die Lehrenden benötigen demzufolge neben dem Wissen und den Informationsquellen die entsprechende innere Haltung gegenüber der Diversität (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 212).
Ebenfalls müssen die Lehrenden Zusammenhänge zwischen politischen, gesellschaftlichen und subkulturellen Themen erkennen und wahrnehmen, da auch diese Entwicklungen Einwirkungen auf den Unterricht haben können (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 215). Wenn beispielsweise bei der aktuellen „Flüchtlingsproblematik“ in der Türkei und Griechenland, türkische und griechische Lernende zusammenarbeiten, kann dies Konfliktpotenzial besitzen. Über dieses Konfliktpotenzial müssen die Lehrenden im Bilde sein, um frühzeitig reagieren zu können. Auch grundlegende rechtliche Kenntnisse in Bezug auf z.B. Asylbewerberverfahren, Duldung und Aufenthaltsrecht sind von Bedeutung. Wenn die Lehrenden grundlegende Kenntnisse besitzen, können sie die Lernenden unterstützen oder Verständnis für ihre Situation aufbringen. Zusammengefasst bedeutet es, dass die Lehrenden grundlegende rechtliche und sozialwissenschaftliche Kenntnisse in Bezug auf die Einwanderungsgesellschaft haben sollten (vgl. Hormel, Scherr, 2004, S.127).
Kimmelmann (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 222) legt ebenfalls großen Wert auf die Auseinandersetzung mit der eigenen kulturellen Identität. Um diese vielschichtig entwickeln zu können ist Grundwissen zu sozialwissenschaftlichen Theorien der Identitätsentwicklung notwendig. Die Lehrenden müssen in der Lage sein die eigene Kultur zu reflektieren und dazu die Bereitschaft besitzen, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen (vgl. Kimmelmann, 2010, 223). Neben ihrer eigenen kulturellen Identität muss jedoch auch die kulturelle Identität des Lernenden situationsgebunden eingeschätzt werden. Die Lehrenden müssen also Wissen über Verarbeitungsstrategien und Entscheidungsprozesse der Identitätsbildung bei verschiedenen kulturellen Einflüssen besitzen und dieses Wissen anwenden, um Verhaltensweisen der Lernenden deuten zu können. Die Betrachtungsweise der Lernenden darf jedoch dabei nicht einseitig werden. Das bedeutet, dass die Lehrenden das Wissen und die Fähigkeit besitzen, kulturbezogene Deutungen machen zu können. Sie verliert aber dabei nicht die individuellen Abweichungen der einzelnen Lernenden aus dem Blick (vgl. Bender-Szymanski, 2008, S.216).
Da die Lehrenden täglich mit kultureller Diversität konfrontiert sind, müssen sie sich ihrer Einstellung gegenüber dieser bewusst sein, dass auch ihr Handeln von der Einstellung beeinflusst wird. Um dem Diversity-Management Ansatz gerecht zu werden muss der Lehrende pädagogisches und psychologisches Grundwissen über diese Auswirkungen ihres Handelns besitzen. Außerdem müssen die Lehrenden Techniken und Methoden besitzen, mit denen sie sich selbst reflektieren können. Grundvoraussetzung dafür ist der Wille einer kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Normalitätsvorstellungen (vgl. Kimmelmann, 2010, S.234). Darauf aufbauend sollte das eigene Handeln der Lehrenden kontinuierlich so ausgerichtet sein, dass allen Lernenden die gleichen Chancen gewährleistet werden (vgl. Kimmelmann, 2010, S.239). Dazu müssen die Lehrenden die Formen von direkter und indirekter Diskriminierung im pädagogischen Handeln kennen sowie kriteriengestützte Muster für die Berücksichtigung der Diskriminierung beherrschen (vgl. Kimmelmann, 2010, S.239).
Nicht zuletzt müssen die Lehrenden die Fertigkeit besitzen ihre eigenen Grenzen und Potenziale im Umgang mit kultureller Diversität zu erkennen und darauf aufbauend ihren Fort- und Weiterbildungsbedarfe zu erfassen. Voraussetzungen dafür sind die Kenntnisse zur Einschätzung und die Möglichkeiten zu entsprechenden Bildungsmaßnahmen.
Zusammenfassend betrachtet ist die Bereitschaft zur Selbstreflexion und die innere Haltung der Lehrenden und Lernenden ein zentraler Gegenstand der Persönlichkeit. Die Selbstreflexion bezieht sich dabei auf die eigene Person und die Effekte des pädagogischen Handelns gegenüber den kulturell diversen Lernenden.
Mit inhaltlicher curricularer Planung ist nicht die Erweiterung der Curricula durch zusätzlich kulturelle Inhalte gemeint, sondern die „Überwindung der monokulturellen Orientierung“ ( Auernheimer, 2007, S.143). Es ist also essenziell, dass die Inhalte kulturelle Aspekte einbezogen werden und verschiedene Perspektiven einer Situation beleuchtet werden, so dass die Diversität sichtbar wird (vgl. Kimmelmann, 2010, S.262).
Damit die Lehrenden die vorgegebenen Inhalte diversitätsgerecht umsetzen können, müssen diese relevante kulturelle Hintergründe zu den curricularen Vorgaben kennen, sie müssen die Ansatzpunkte für diversity-gerechte Planungen erkennen und umsetzen können und die Vorteile darin sehen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 264). Im Unterricht müssen die Lernenden die Möglichkeiten bekommen ihr kulturelles Wissen und ihre individuellen Erfahrungen einbringen zu können. Um die Lernenden zu motivieren müssen die Lehrenden die didaktischen Fähigkeiten mitbringen Aufgaben und Problemstellungen zu formulieren, die es ermöglichen Vorwissen einzubauen (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 268). Bei der Erstellung oder Sichtung der Unterrichtsmaterialien ist jedoch besonders darauf zu achten, dass es nicht zu einer diskriminierenden Darstellung einzelner kultureller Gruppen kommt (vgl. Kimmelmann, 2010, S. 272).
Da im Unterricht häufig Medien verwendet werden, die kulturelle Diversität darstellen ist ein kritischer Umgang mit diesen ebenfalls zu lehren. Für die Lehrenden bedeutet dies, dass sie selbst über Fertigkeiten und Kenntnisse bezüglich der Medienerziehung verfügen und sich der Beeinflussung der Massenmedien bewusst sind (vgl. Kimmelmann, 2010, S.282).
Weitere Fähigkeiten, die den Lernenden im Unterricht gelehrt werden sollen, ohne dass sie explizit unterrichtet werden, sind unter anderem Reflexions- und Problemlösungsfähigkeiten. Das bedeutet für die Lehrenden, dass sie demokratische Umgangsformen unterstützen, soziales Lernen fördern, Situationen zur Meinungsäußerung schaffen und gute Moderationsfähigkeiten besitzen (vgl. Kimmelmann, 2010, S.291).
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