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Masterarbeit, 2019
168 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung: Von der kompetenten Fachkraft zum kompetenten Kind – durch Interaktion
2. Bedeutsamkeit der Fachkraft-Kind-Interaktion im Rahmen des Struktur-Orientierungs-Prozess-Modells
3. Fachkraft-Kind-Interaktion
3.1 Grundlagen der Fachkraft-Kind-Interaktion
3.2 Operationalisierung eines qualitativ hochwertigen Interaktionsverhaltens
4. Grundlagen zur Gestaltung von Fortbildungen
5. Zusammenfassung
6. Konzeptualisierung einer Fortbildung zur Steigerung der Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion
6.1 Rahmenbedingungen
6.2 Zielsetzung
6.3 Didaktisch-methodische Grundlagen
6.4 Ablauf
6.4.1 Modul 1: Bedeutung der Fachkraft-Kind-Interaktion
6.4.2 Modul 2: Interaktionsgestaltung
6.4.3 Modul 3: Wiederholung und Reflexion
7. Diskussion
Literatur- und Quellenverzeichnis
Anhang
1. Fortbildungsprogramm
2. Module und Materialien
2.1 Modul 1: Bedeutung der Fachkraft-Kind-Interaktion
M1: Lernsituation: „Was ist eine gute Betreuung?“
M2: Einteilung und Arbeitsauftrag der Gruppenarbeit
M3: Informationstext: Pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen
2.2 Modul 2: Interaktionsgestaltung
Klima
Sensitivität
Orientierung am Kind
Verhaltenssteuerung
Lern- und Entwicklungsförderung
Feedbackqualität
Unterstützung der sprachlichen Entwicklung
2.3 Modul 3: Wiederholung und Reflexion
M27: Tabu-Karten
M28: Evaluationsbogen
M29: Literaturliste
3. Fortbildungsportfolio
„Das Thema Frühpädagogik hat Hochkonjunktur. Im Vordergrund der öffentlichen Auseinandersetzung stehen die Bedeutung der frühen Förderung hinsichtlich der Entwicklungschancen von Kindern und die gestiegenen Anforderungen an die Einrichtungen sowie die Ausbildung der dort professionell Tätigen“ (Schneider, 2010, S. 7).
Der Pädagoge Klaus Schneider konturiert im obigen Zitat die aktuellen Entwicklungslinien in der Frühpädagogik, welche in eine beträchtliche Zunahme des öffentlichen Interesses am betreffenden Sujet münden. Neben der Bedeutsamkeit einer frühen Entwicklungsförderung rotieren die einschlägigen Diskurse vor allem um die erhöhten Erwartungen, die an die Betreuungseinrichtungen herangetragen werden. Angesichts der steigenden (gesellschaftlichen) Sensibilisierung für ebendiese Erwartungen beziehungsweise wegen des sich sukzessive durchsetzenden Wissens um die entwicklungs- und bildungsfördernden Aufgaben frühpädagogischer Fachkräfte rückt ferner deren Qualifikation in den Fokus der Aufmerksamkeit (vgl. etwa Fröhlich-Gildhoff & Viernickel, 2010, S. 107). Mit Blick auf die erhöhte Inanspruchnahme der extra-familialen Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren erscheint die Feststellung Schneiders, die Frühpädagogik habe ‚Hochkonjunktur‘, weniger plakativ als vielmehr pragmatisch. Die Quote der institutionell und in öffentlich geförderter Tagespflege betreuten unter Dreijährigen ist von 17,6% im Jahre 2008 binnen zehn Jahren auf 33,6% gestiegen und hat sich damit beinahe verdoppelt (vgl. Statistisches Bundesamt, 2018, S. 117).
Der signifikante Anstieg der sogenannten U3-Betreuungsquote dokumentiert, dass mehr als ein Drittel der unter Dreijährigen hierzulande wesentliche Zeit der ersten Lebensjahre in außerfamilialen Settings verbringt (vgl. auch Stamm, 2010, S. 150). Außerfamiliale Settings avancieren sonach zu einer wichtigen Sozialisationsinstanz der Kinder. Im Zuge der zunehmenden institutionellen Betreuung der Jüngsten verschärfen sich zugleich die Forderungen nach einer guten Qualität derselben (vgl. ebd.). Wie die einleitenden Worte Schneiders bereits erahnen lassen, wird die Debatte um die Qualität in Kindertagesstätten gegenwärtig vermehrt mit Blick auf die Frage nach der adäquaten Entwicklungsförderung der Kinder geführt (vgl. Fthenakis, 2005, S. 2). Da die Interaktionen zwischen der Fachkraft und den Kindern als Kern des pädagogischen Handelns gelten und ihnen das Potenzial inhärent ist, die kindliche Entwicklung positiv zu beeinflussen (vgl. Weltzien, 2013, S. 59-60), erweist sich die Fachkraft-Kind-Interaktion hierfür im Besonderen als bedeutsam. Darüber hinaus bietet sich das Interaktionsverhalten insofern zur Steigerung der Betreuungsqualität an, als dieses im Vergleich zu einer Vielzahl anderer Aspekte, wie dem politisch geregelten Fachkraft-Kind-Schlüssel von der einzelnen Fachkraft proaktiv verändert werden kann. Vor diesem Hintergrund avancieren Fortbildungen zur Verbesserung der Fachkraft-Kind-Interaktion zu einem legitimen Instrument der Qualifizierung des pädagogischen Personals, mit dessen Hilfe zu einer gelingenden Entwicklung der Kinder beigetragen werden soll.
Trotz der expandierenden außerhäuslichen Betreuung junger Kinder, trotz der vielfältigen Postulate nach deren adäquater Förderung und trotz der entwicklungsanregenden Chance von Interaktionen, muss für den Themenbereich der Interaktion ein Fortbildungsmangel konstatiert werden.1 Aus diesem Grund widmet sich die vorliegende Masterarbeit der Frage, wie eine Fortbildung zu konzipieren ist, um die Qualität des Interaktionsverhaltens von pädagogischen Fachkräften2 im Rahmen der familienergänzenden institutionellen Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren zu steigern.3 Um eine zulängliche Beantwortung derselben zu gewährleisten, wird die Thesis einer dichotomen Strukturierung unterzogen: Im ersten Teil werden die für die Konzeptualisierung der Fortbildung wesentlichen Prämissen geklärt. Hierbei soll zunächst die bereits angedeutete Importanz einer hohen Interaktionsqualität anhand des sogenannten Struktur-Orientierungs-Prozess-Modells näher erläutert werden. Im dritten Kapitel wird der Fachkraft-Kind-Interaktion als solcher Aufmerksamkeit geschenkt, wobei zuerst deren Grundlagen thematisiert werden. Überdies bedarf es der Operationalisierung eines qualitativ hochwertigen Interaktionsverhaltens. Zu diesem Zwecke gilt es Charakteristika respektive Indikatoren für ‚gute‘ Interaktionen aus dem Classroom Assessment Scoring System – CLASS – (La Paro, Hamre & Pianta, 2012) zu extrahieren.4 In den Ausführungen des vierten Kapitels wird erörtert, unter welchen Bedingungen sich Fortbildungen grundsätzlich als effektiv erweisen, sodass diese Überlegungen in die Konzeption der Fortbildung integriert werden können. Der erste Teil, welcher das Fundament der ausgearbeiteten Fortbildung bildet, endet mit einer knappen Zusammenfassung, aus der die Legitimation der Fragestellung hervorgeht. Die konzipierte Fortbildung wird im zweiten Teil der Arbeit präsentiert, wobei zunächst deren Rahmenbedingungen und Zielvorstellungen transparent gemacht werden. Damit die Erzieherinnen5 durch die Fortbildung dazu befähigt werden, die Merkmale hochwertiger Interaktion auch im pädagogischen Alltag umzusetzen, werden anschließend didaktisch-methodische Grundlagen der Fortbildungsgestaltung einsichtig gemacht. Im Abschnitt 6.4 wird die entworfene Fortbildung in ihrem beabsichtigen Verlauf beschrieben. Sämtliche hierfür angefertigte Materialien sind dem Anhang der Arbeit zu entnehmen. Abschließend werden Limitationen ebenso wie potenzielle Schwierigkeiten, die bei der Umsetzung des Fortbildungsprogramms auftreten könnten, und entsprechende Optimierungsvorschläge diskutiert. Neben der Reflexion der Fortbildung wird an dieser Stelle gleichfalls ein Ausblick in angrenzende Fragestellungen und Forschungsdesiderate offeriert.
Angesichts der zunehmenden extra-familialen Förderung junger Kinder, die vor allem mit dem quantitativen Ausbau des Betreuungssystems korrespondiert, hält seit Mitte der neunziger Jahre die Frage nach der pädagogischen Qualität der entsprechenden Einrichtungen vermehrt Einzug in die fachlichen Diskurse (vgl. Roux, 2013, S. 129). Die Wichtigkeit der Betreuungsqualität wurde auch auf politischer Ebene erkannt und in Form des Förderungsauftrages (§ 22 Sozialgesetzbuch – Achtes Buch – Kinder- und Jugendhilfe) für verbindlich erklärt. Zu fördern ist demnach die emotionale, soziale, geistige und körperliche Entwicklung des Kindes, wobei die Förderung dem Alter, dem Entwicklungsstand sowie den Bedürfnissen und Interessen des jeweiligen Kindes Rechnung tragen muss.
Wenngleich sich sukzessive ein Bewusstsein um die Notwendigkeit qualitativ hochwertiger Betreuungsangebote durchsetzt, herrscht im öffentlichen Diskurs kein Konsens darüber, was unter Qualität im erzieherischen Segment eigentlich zu verstehen ist (vgl. Roux, 2013, S. 129) beziehungsweise wie eine optimale Förderung im Sinne des Gesetzgebers zu realisieren ist. Die inkonsistente Auffassung pädagogischer Qualität geht insbesondere daraus hervor, dass die entsprechende Debatte von verschiedenen Personengruppen mit ihren je individuellen Interessen geführt wird (vgl. Stamm, 2010, S. 150). Während für die in der Einrichtung tätigen Fachkräfte etwa eine geringe Anzahl an Kindern pro Gruppe eine gute Betreuungsqualität indiziert, können für die Erziehungsberechtigten flexible Öffnungszeiten entscheidend sein (vgl. auch Tietze, 2008, S. 17). Obgleich derartige personale Sichtweisen nicht unberücksichtigt bleiben sollten, dürfen diese nicht das Fundament bilden, auf das sich ein wissenschaftlicher Diskurs stützt (vgl. ebd.). Indes bedarf es eines theoretischen und empirischen Zugangs, mit dessen Hilfe die pädagogische Qualität in den entsprechenden Tageseinrichtungen einsichtig gemacht und gezielt weiterentwickelt werden kann (vgl. Roux, 2013, S. 131).
Trotz der Parallelisierung differierender Konstruktionen zeichnet sich im Rahmen nationaler wie internationaler Studien zunehmend ein einheitliches Bild pädagogischer Qualität ab (vgl. etwa Pianta et al., 2005; Tietze et al., 2013; NICHD Early Child Care Research Network [ECCRN], 2005). Das sogenannte Struktur-Orientierungs-Prozess-Modell gilt spätestens seit dessen Integration in den 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200) mehrheitlich als anerkannt (vgl. Tietze, 2008, S. 17). Die Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung gliedert sich hierbei in drei verschiedene Bereiche: die Strukturen, die Orientierungen und die Prozesse einer Einrichtung (vgl. Kuger & Kluczniok, 2008, S. 160).6 Da die drei Komponenten jeweils unterschiedlich stark ausgeprägt und damit zugleich die pädagogische Qualität7 als solche in unterschiedlichem Maß gegeben sein kann, besteht der zentrale Mehrwert des betreffenden Modells darin, dass auf der Grundlage seiner Trisektion Qualitätsoptimierungen zielgerichtet angestrebt werden können. Die einzelnen Bereiche pädagogischer Qualität können demzufolge als Stellschrauben zur Verbesserung der Qualität begriffen werden (vgl. Tietze, 2008, S. 17-18).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Konzeptualisierung pädagogischer Qualität im Rahmen des Struktur-Orientierungs-Prozess-Modells (eigene Darstellung in Anlehnung an BMFSFJ, 2006, S. 415)
Der Identifizierung einer hochwertigen Betreuung liegt grundsätzlich der bereits genannte Förderungsauftrag zugrunde. Demnach muss das Zusammenspiel der drei Dimensionen, also die pädagogische Qualität insgesamt, auf das physische, soziale, emotionale sowie intellektuelle Wohlergehen und auf eine Entwicklungs- und Bildungsförderung der Kinder in diesen Bereichen abzielen (vgl. Tietze et al., 1998, S. 20; Tietze, 2008, S. 17). Im Zuge dessen rücken persönliche oder intuitive Qualitätseinschätzungen zugunsten von Aspekten, welche mit Outcomes auf Seiten der Kinder und ihren Familien assoziiert werden, in den Hintergrund (vgl. Roux & Tietze, 2007, S. 374-375; Tietze, 2008, S. 17).
Die Strukturqualität bezieht sich auf zeitlich vergleichsweise beständige Rahmenbedingungen, welche für gewöhnlich auf politischer Ebene festgelegt und folglich nicht von der einzelnen Fachkraft veränderbar sind (vgl. Kuger & Kluczniok, 2008, S. 160; Tietze & Förster, 2005, S. 35). Dabei gelten die Ausbildung der Erzieherinnen, die Gruppengröße sowie der Fachkraft-Kind-Schlüssel als ‚eisernes Dreieck‘ (vgl. Stamm, 2010, S. 151), da sich für diese Faktoren häufig signifikante Zusammenhänge mit Merkmalen der Prozessqualität und der kindlichen Entwicklung bekunden lassen (vgl. Viernickel & Schwarz, 2009, S. 20). Die strukturellen Merkmale können grundsätzlich in personale, räumliche und sozial-organisatorische Aspekte klassifiziert werden (vgl. Tietze et al., 2013, S. 69-71). Während die personale Dimension etwa auf das Alter der Fachkraft oder ihre berufliche Ausbildung rekurriert, impliziert die sozial-organisatorische Dimension Aspekte wie die Gruppengröße oder den Fachkraft-Kind-Schlüssel (vgl. ebd.). Die räumliche Beschaffenheit bezieht sich indes auf den „Platz innen und außen pro Kind“ (BMFSFJ, 2006, S. 200). Die vorgegebenen strukturellen Faktoren können sich je nach Ausprägung förderlich oder hinderlich auf die pädagogischen Prozesse auswirken (vgl. Tietze, 2008, S. 18). Aus diesem Grund wird die Strukturqualität – wie in Abbildung 1 ersichtlich – und die nachstehend erläuterte Orientierungsqualität als Input bezeichnet, der Einfluss auf die Prozessqualität, den sogenannten Output, nimmt (vgl. ebd., S. 9).
Analog zur Strukturqualität impliziert auch die Komponente der Orientierungsqualität grundlegende Bedingungen und Richtlinien, welche den Kindertagesstätten zum Teil von außen vorgegeben werden (vgl. Tietze & Förster, 2005, S. 35). Hierzu zählen vor allem Curricula, wie die Bildungspläne der jeweiligen Länder oder die von den Einrichtungen ausgearbeiteten pädagogischen Konzeptionen (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200). Ferner werden bestimmte Werte ebenso wie Erziehungsvorstellungen, insbesondere zum Bild des Kindes, dessen Entwicklung, Bildung und Förderung unter diese Kategorie gefasst (vgl. Tietze & Lee, 2009, S. 46; Wertfein, Müller & Kofler, 2012, S. 7). Die Aspekte der Orientierungsqualität bilden somit den Rahmen, in dem sich das pädagogische Handeln vollzieht (vgl. Tietze, 2008, S. 18).
Das pädagogische Handeln ist der Komponente der Prozessqualität zugehörig. Diese umfasst im weiten Sinne die faktisch verwirklichte Pädagogik, also die „Art und Weise, wie pädagogische Fachkräfte den Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag umsetzen“ (Becker-Stoll, Niesel & Wertfein, 2015, S. 19) und wird deshalb als Output deklariert. Streng genommen liegt der Fokus hierbei aber nicht nur auf dem Kind selbst, sondern gleichermaßen auf dem Umgang mit dessen Eltern (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200). Auf einer konkreteren Ebene rücken vor allem die Interaktionen in den Blick (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 19). Dabei finden sowohl Interaktionen zwischen dem pädagogischen Personal und den Kindern als auch Peer-Interaktionen und Interaktionen mit der materiellen Umgebung Berücksichtigung (vgl. Roux, 2013, S. 133). Grundsätzlich gilt, dass die Interaktionen dem Alter respektive dem Entwicklungsstand sowie den Interessen des Kindes Rechnung tragen sollen (vgl. Tietze, 2008, S. 18). Nebstdem kann zwischen der globalen und der bereichsspezifischen Prozessqualität differenziert werden. Während erstere „die Pflege- und Betreuungsaspekte, [die] räumlich-materiale Umgebung einer Gruppe, [die] Wärme und Responsivität des Fachpersonals sowie allgemeine Förderaspekte umfasst“ (Kuger & Kluczniok, 2008, S. 162),8 bezieht sich ihr bereichsspezifisches Pendant auf die Förderung in bestimmten Entwicklungsdomänen, beispielsweise der Mathematik oder der Sprache (vgl. ebd.). Einzuräumen ist, dass es sich im Rahmen der globalen Prozessqualität geradezu unvermeidlich gestaltet, bereichsspezifische, insbesondere sprachliche Kompetenzen, mit zu fördern. Im Sinne der globalen Prozessqualität erfahren diese Bereiche allerdings eher eine beiläufige Förderung (vgl. Kuger & Kluczniok, 2008, S. 162).
Dem Struktur-Orientierungs-Prozess-ModelI liegt die Annahme zugrunde, dass die drei Qualitätsdimensionen Effekte auf den kindlichen Bildungs- und Entwicklungsstand entfalten können, also sogenannte Outcomes wahrscheinlich machen (vgl. Tietze, 2008, S. 19). Überdies wird davon ausgegangen, dass die pädagogische Qualität simultan auf die Eltern und durch diese – sozusagen mittelbar – auf die Kinder wirkt (vgl. ebd.).9 Wie bereits erwähnt wird zudem vermutet, dass die Strukturen und Orientierungen einer Einrichtung zueinander in Beziehung stehen und auf die Prozessqualität wirken (vgl. Tietze, 2008, S. 20). Sie bilden den Rahmen, in dem sich das pädagogische Handeln vollzieht (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200). Dies bedeutet etwa, dass sich der Besuch einer Fortbildung, die zur Strukturqualität gezählt werden kann, nicht zwangsläufig in den kindlichen Outcomes niederschlägt. Um dies zu erzielen, ist es stattdessen erforderlich, dass die Qualifizierung zu einer Verbesserung des pädagogischen Handelns beziehungsweise der Interaktion mit den Kindern führt und diese dadurch besser in ihrer Entwicklung gefördert werden. Die in einer Fortbildung angebahnten Kompetenzen müssen sich mithin als handlungsleitend im pädagogischen Alltag und im Umgang mit den Kindern erweisen. Das pädagogische Handeln wirkt dann im Sinne der Prozessqualität direkt auf den kindlichen Bildungs- und Entwicklungsstand. Dabei darf jedoch nicht unberücksichtigt bleiben, dass sich der Einfluss der Familie auf die Entwicklung der Kinder wesentlich bedeutsamer erzeigt als jener der außerfamiliären Betreuungsqualität (vgl. Tietze et al., 1998, S. 317, 389; Tietze et al., 2013, S. 146).
Zudem liegen dem Struktur-Orientierungs-Prozess-Modell keine deterministischen Zusammenhänge zugrunde (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 20-21; Tietze, 2008, S. 19), was indiziert, dass die Prozessqualität nicht vollständig durch die Merkmale der Strukturen und Orientierungen erklärt werden kann (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 203). Angesichts dessen wird im 12. Kinder- und Jugendbericht eine Beeinflussung durch zwei weitere Faktoren angenommen: Die Management- und Organisationsqualität sowie die Kontextqualitä t (vgl. ebd., S. 200). Erstere hat nicht nur einen eigenen Einfluss auf die Prozessqualität (vgl. Viernickel, 2008, S. 47), sondern bestimmt überdies die Wirkung der Struktur- und Orientierungsqualität (Input) auf die Prozessqualität (Output) mit, moderiert also die Wirkung dieser Einflussnahme (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200). Hierunter fallen beispielsweise der Führungsstil der Einrichtungsleitung, die Kooperation des Fachpersonals und Teambesprechungen, mit deren Hilfe die pädagogische Qualität zu optimieren gesucht wird (vgl. Becker-Stoll, 2009, S. 2; Tietze & Viernickel, 2016, S. 17; Viernickel, 2008, S 47). Das Erreichen einer hohen Prozessqualität hängt darüber hinaus auch von kontextuellen Gegebenheiten ab. Darunter werden externe Unterstützungen gefasst, etwa durch die Fachberatung oder den betreffenden Träger der Institution, sowie Unterstützung in Gestalt von Fortbildungen (vgl. BMFSFJ, 2006, S. 200).
Fortbildungen können im Rahmen des Struktur-Orientierungs-Prozess-Modells aber ebenso als Bestandteil der Strukturqualität (vgl. etwa Viernickel & Schwarz, 2009, S. 2; Wertfein et al., 2012, S. 6) oder – wegen ihrer potenziellen Beeinflussung der Auffassung von Bildung, Betreuung und Erziehung – als ein Aspekt der Orientierungsqualität begriffen werden (vgl. Schlecht, Förster & Wellner, 2016, S. 9). Für die hier konzipierte Fortbildung mit ihrer spezifischen Absicht und dem darauf ausgerichtetem Vorgehen erscheint eine Klassifikation im Sinne der Bundesregierung als Komponente der Kontextqualität als zu unpräzise und daher wenig zielführend. Stattdessen wird die ausgearbeitete Fortbildung als Bestandteil der Qualifizierung der Fachkräfte zur personalen Dimension der Strukturqualität gezählt. Da das Ziel der Fortbildung darin besteht, die Qualität des Interaktionsverhaltens der Erzieherinnen zu steigern, wird in Anlehnung an Stamm (2010, S. 151, 160-161) davon ausgegangen, dass die Fortbildung als strukturelles Merkmal der pädagogischen Qualität Einfluss auf die Orientierungsqualität nehmen kann, indem die Teilnahme an der Fortbildung (Strukturqualität) respektive die dort erworbenen Kompetenzen den Fachkräften bestenfalls einen Orientierungsrahmen für das pädagogische Handeln im Betreuungsalltag (Orientierungsqualität) bieten. Auf diese Weise soll im Konkreten die Fachkraft-Kind-Interaktion (Prozessqualität) optimiert werden, um dadurch die Entwicklung der Kinder (Outcomes) positiv zu beeinflussen.
Das Vorhaben, die Fachkraft-Kind-Interaktion zu verbessern, erscheint besonders mit Blick auf die Erkenntnisse internationaler Studien ebenso sinnvoll wie legitim.10 Dabei ist vor allem die US-amerikanische Längsschnittstudie Early Child Care Research Network (ECCRN), die vom National Institute of Child Health and Human Development (NICHD) finanziert wurde, zu nennen. Sie ist die bislang größte Untersuchung zum Einfluss der Tagesbetreuung auf die kindliche Entwicklung (vgl. Belsky, 2010, S. 75). Zu Beginn der neunziger Jahre wurden hierfür Kinder und deren Familien von der Geburt bis zum 15. Lebensjahr begleitet. Dabei konnte nachgewiesen werden, dass Kinder in familienexternen Settings, welche sich durch ein qualitativ hochwertiges Verhalten der Betreuungsperson auszeichnen, mit 24, 36 und 54 Monaten bessere kognitiv-sprachliche Outcomes zeigen (vgl. NICHD ECCRN, 2006, S. 99, 108-111).11 Darüber hinaus zeigten sich teilweise Zusammenhänge zur sozial-emotionalen Entwicklung: Ein qualitativ hochwertiges Verhalten der Fachkraft ging zu bestimmten Erhebungszeitpunkten mit weniger Verhaltensproblemen und einer höheren Einschätzung der Sozialkompetenz durch die Mütter einher (vgl. NICHD ECCRN, 2005, S. 32; NICHD ECCRN, 2006, S. 108-111). Je geringer die erfahrene Qualität war, desto mehr Verhaltensprobleme wurden hingegen von den Fachkräften und den Müttern und von den Müttern zusätzlich eine geringere Sozialkompetenz berichtet (vgl. NICHD ECCRN, 2005, S. 274).
Im Lichte der internationalen Forschung offenbaren sich zudem Anhaltspunkte dafür, dass für bestimmte Outcomes der Kinder weniger die globale Prozessqualität, als vielmehr die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion ausschlaggebend ist (vgl. Roßbach, 2005, S. 131). So finden Loeb, Fuller, Kagan & Carrol (2004) in ihrer Untersuchung von außerfamiliär betreuten Kindern aus sozial benachteiligten Familien,12 dass eine höhere Interaktionsqualität im Sinne der Caregiver Interaction Scale – CIS – (Arnett, 1989a), einem Beobachtungsinstrument zur Erfassung der sozio-emotionalen Qualität der Interaktion (vgl. Sommer [Linberg] & Sechtig, 2016, S. 16) mit einer Verringerung von Verhaltensproblemen im Alter von vier Jahren im Zusammenhang steht (vgl. S. 61-62). Auch im Effective Provision of Pre-School Education (EPPE) Projekt, das ab 1997 die Entwicklung von Kindern ab circa drei Jahren in Großbritannien untersuchte, zeigt sich die mit Hilfe der CIS erhobene Fachkraft-Kind-Interaktion im Gegensatz zur globalen Prozessqualität als wirkungsvoller im Hinblick auf das Sozialverhalten der Kinder (vgl. Roßbach, 2005, S. 121-122; Sammons et al., 2003, S. 44-45). Auch Mashburn et al. (2008) gestehen in ihrer Untersuchung zur Förderung diverser Entwicklungsbereiche von viereinhalbjährigen Kindern der mittels CLASS erhobenen Fachkraft-Kind-Interaktion eine maßgebliche Bedeutung zu. Während die emotionale Unterstützung mit einer höheren Einschätzung der Sozialkompetenz und geringeren Verhaltensproblemen verknüpft war, erwiesen sich lernanregende Interaktionen vor allem für die Förderung von akademischen und sprachlichen Kompetenzen als wirksam (vgl. Mashburn et al., 2008, S. 743). Die Qualität der lernunterstützenden Interaktionen wird in Deutschland derzeit allerdings als deutlich verbesserungsbedürftig angesehen (vgl. etwa König, 2009, S. 254; von Suchodoletz, Fäsche, Gunzenhauser & Hamre, 2014, S. 516; Wertfein, Wirts & Wildgruber, 2015, S. 26).
Die NUBBEK-Studie, welche im Jahr 2010 die pädagogische Qualität in familiären wie außerfamiliären Settings und Beziehungen zum Entwicklungsstand für zwei- und vierjährige Kinder inspizierte (vgl. Tietze et al., 2013, S. 17), zeichnet hinsichtlich der Bedeutung der Fachkraft-Kind-Interaktion indes ein auf den ersten Blick bizarr anmutendes Bild: Ein besseres Interaktionsverhalten im Sinne der CIS zeigte keine Verbindung zu den Entwicklungsmaßen der zweijährigen Kinder. Bei den Vierjährigen wurden von den Müttern wider Erwarten weniger Sozialkompetenz und mehr Problemverhalten beobachtet (vgl. ebd., S. 121). Diese Erkenntnis muss allerdings mit dem Querschnittdesign der Studie assoziiert werden, infolge dessen lediglich Aussagen über Beziehungen zwischen der Betreuungsqualität und der kindlichen Entwicklung und Bildung getroffen werden können, während längerfristige Auswirkungen und streng genommen auch kausale Verbindungen unbekannt bleiben (vgl. ebd., S. 11). Auch bei der Erfassung der globalen Prozessqualität anhand der revidierten Krippen-Skala – KRIPS-R – (Tietze, Bolz, Grenner, Schlecht & Wellner, 2005) konnte bei den Zweijährigen kein Zusammenhang zu den kindlichen Outcomes identifiziert werden. Bei den Vierjährigen zeigten sich anhand der revidierten Kindergarten-Skala – KES-R – (Tietze, Schuster, Grenner & Roßbach, 2001) allerdings nach Einschätzung der Mütter höhere Werte hinsichtlich der Kommunikations- und motorischen Fertigkeiten sowie der Sozialkompetenz und weniger Problemverhalten.13 Beim Befund für die zweijährigen Kinder muss bedacht werden, dass diese – verglichen mit den Vierjährigen – zum betreffenden Erhebungszeitpunkt weniger kumulierte Zeit in der institutionellen Betreuung verbracht hatten, wodurch den dort gemachten Erfahrungen eine kürzere Wirkungszeit zuteilwurde (vgl. Tietze et al., 2013, S. 123). Weiterhin integriert die KES eine Subskala, die sich auf Interaktionen bezieht, weswegen die beobachteten Beziehungen zu den kindlichen Outcomes auch von der Fachkraft-Kind-Interaktion mit beeinflusst werden. In der NUBBEK-Studie nimmt ferner die Erzieherin-Kind-Beziehung eine wichtige Rolle ein: Wird diese von der Fachkraft als gut eingeschätzt, zeigen sich Zusammenhänge zu einer Fülle an Outcomes der Zwei- und Vierjährigen, zum Beispiel hinsichtlich der Sozialkompetenz oder der Kommunikationsfertigkeit (vgl. ebd., S. 129). Da sich die Beziehung zwischen Betreuungskraft und Kind aber durch Interaktionen konstituiert (vgl. Weltzien, Fröhlich-Gildhoff, Wadepohl & Mackowiak, 2017, S. 9-10), kann auch dieser Befund nicht losgelöst von der Fachkraft-Kind-Interaktion interpretiert werden.14 Überdies wurde die Fachkraft gebeten, die Häufigkeit bestimmter Aktivitäten mit Hilfe eines Fragebogens einzuschätzen. Unter anderem sollte angegeben werden, wie oft sie mit den Kindern Rollen- und Sprachspiele – wie zum Beispiel Reime – durchführt (vgl. Tietze et al., 2013, S. 74). Eine höhere Taxierung der Häufigkeit derartiger gemeinsamer Aktivitäten ging bei Kindern beider Altersstufen mit einem besseren rezeptiven Wortschatz und höheren Kommunikationsfertigkeiten einher. Vom pädagogischen Personal wurden überdies bessere Alltags- und motorische Fertigkeiten, eine bessere Sozialkompetenz und weniger Problemverhalten angegeben (vgl. ebd., S. 121). Auch bei dieser Erkenntnis muss allerdings berücksichtigt werden, dass die zu evaluierenden gemeinsamen Aktivitäten auf Interaktionen beruhen. Wenn also die Häufigkeit solcher Handlungen als hoch beurteilt wurde, gab es folglich auch viele Interaktionen mit dem Kind. Hinzu kommt, dass es sich dabei um hochwertige Aktivitäten handelt, welche Einfluss auf die Qualität der Fachkraft-Kind-Interaktion nehmen. Die Einschätzung derartiger Aktivitäten ist daher untrennbar mit Interaktion verquickt. Zudem sind die Befunde der NUBBEK-Studie in Relation zu einer Vielzahl internationaler Analysen zu sehen, welche die Importanz einer guten Fachkraft-Kind-Interaktion exponieren.
Obschon die Ergebnisse der internationalen Forschung in Anbetracht der unterschiedlichen (politischen) Rahmenbedingungen der familialen und außerfamilialen Kinderbetreuung nicht ohne jede Einschränkung auf die Situation in anderen Ländern bezogen werden können, eröffnen sie dennoch Anknüpfungspunkte, die auch im Kontext des entsprechenden Qualitätsdiskurses in Deutschland berücksichtigt werden sollten (vgl. auch Belsky, 2010, S. 82). So müsste etwa die NUBBEK-Studie eine longitudinale Erweiterung erfahren, um Aussagen über (längerfristige) Auswirkungen einer qualitativ hochwertigen Fachkraft-Kind-Interaktion auf die kindliche Entwicklung und Bildung zu gewinnen. Die Ergebnisse der internationalen Studien führten jedenfalls insoweit zu einer Umorientierung, als der Blick von den Input-Bedingungen der Struktur- und Orientierungsqualität nunmehr verstärkt zu den prozessualen Komponenten pädagogischer Qualität gerichtet wird (vgl. König, 2009, S. 56).
Für die Bundesrepublik Deutschland muss trotz der vermehrten Zuwendung zu prozessualen Aspekten pädagogischer Qualität ein Forschungsdefizit bezüglich des Interaktionsverhaltens konstatiert werden (vgl. ebd.).15 Über das Potenzial einer qualitativ hochwertigen Fachkraft-Kind-Interaktion herrscht gleichwohl weitestgehend Konsens (vgl. Wertfein et al., 2015, S. 7).
Ein Grund, weshalb die Fachkraft-Kind-Interaktion zunehmend als eine zentrale Ressource im Feld der Elementarpädagogik begriffen wird, besteht in ihrem Zusammenhang zur Beziehung und Bindung und der damit verbundenen Möglichkeit der Entwicklungsförderung. Im Gegensatz zur Interaktion, die sich im interpersonalen Handeln manifestiert (vgl. Perrez, Huber & Geißler, 2006, S. 359)16 und damit beobachtbar ist, repräsentiert eine Beziehung zwischen zwei Menschen ein Konstrukt, das sich infolge einer Fülle an Interaktionen herausbildet (vgl. Weltzien et al., 2017, S. 9). Eine zwischenmenschliche Bindung, die metaphorisch als emotionales Band – affectional bond (Ainsworth, 1989, S. 709) – umschrieben werden kann, entwickelt sich auf der Basis von Beziehungserfahrungen, die wiederum auf Interaktionserfahrungen beruhen (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 66).17 Vor diesem Hintergrund sind positive Interaktionen mit dem Kind deshalb von zentraler Bedeutung, da sich durch sie eine interpersonelle Beziehung konstituiert, die auf längere Sicht in eine Bindung münden und dadurch die Entwicklung des Kindes positiv beeinflussen kann (vgl. Weltzien et al., 2017, S. 10).
Bowlby (2010), der als Begründer der Bindungstheorie gilt,18 postuliert, dass „das Streben nach engen emotionalen Beziehungen“ (S. 98) evolutionär im Menschen angelegt ist. Er geht davon aus, dass jeder Mensch von Geburt an mit einem Bindungsverhaltenssystem ausgestattet ist, durch das die Nähe zur Bindungsperson geregelt wird (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 33; Bowlby, 1975, S. 172-173). Das Bindungsverhalten definiert er insoweit als ein „Verhalten, das darauf ausgerichtet ist, die Nähe eines vermeintlich kompetenteren Menschen zu suchen oder zu bewahren“ (Bowlby, 2010, S. 21). Es wird aktiviert, wenn das Kind Versorgung oder Zuwendung benötigt und äußert sich beispielsweise im Weinen des Kindes (vgl. Bowlby, 1975, S. 197-198; ebd.). Ausschlaggebend für die Aktivierung respektive Deaktivierung des Bindungssystems sind vergangene Bindungserfahrungen und die entsprechenden Konsequenzen beziehungsweise Reaktionen der Bindungsperson (vgl. Bowlby, 1975, S. 173; Linberg, 2018, S. 16). Die auf Interaktionen beruhenden Bindungserfahrungen werden nach Bowlby (1975) in inneren Arbeitsmodellen gespeichert (vgl. S. 87) und beeinflussen die Erwartungen an und die künftigen Interaktionen mit anderen Menschen (vgl. Weltzien et al., 2017, S. 9-10). Dementsprechend tragen die Bezugspersonen durch die Interaktionsgestaltung dazu bei, die inneren Arbeitsmodelle der Kinder zu prägen, wodurch nicht nur das Verhalten des Kindes gegenüber anderen Personen, sondern gleichermaßen das Bild, welches das Kind von sich selbst hat, beeinflusst wird (vgl. Weltzien, 2014, S. 52-53). Dem Bindungsverhaltenssystem des Kindes steht das Fürsorgeverhaltenssystem der Bezugsperson gegenüber, das die Bereitschaft zur Befriedigung der kindlichen Bedürfnisse nach Bindung konstituiert (vgl. Linberg, 2018, S. 16). Das Fürsorgeverhaltenssystem wird wiederum von vergangenen Erfahrungen beeinflusst, die in einem inneren Arbeitsmodell der Bezugsperson repräsentiert sind (vgl. Lohaus, Ball & Lißmann, 2014, S. 153).
Das von Ainsworth geprägte Konzept der Sensitivität beziehungsweise Feinfühligkeit19 bildet den Kern des Fürsorgesystems und impliziert eine prompte und angemessene Reaktion auf die kindlichen Signale (vgl. Ainsworth, 2011b, S. 414). Angesichts dessen wird vermehrt auch der Begriff der sensitiven Responsivität verwendet. Damit wird ausgedrückt, ob überhaupt auf die kindlichen Signale reagiert wird (Responsivität) und wenn ja, wie feinfühlig diese Reaktion ist (Sensitivität) (vgl. Remsperger, 2011, S. 125). Es kommt demnach zum einen darauf an, die mitunter sehr feinen und insbesondere bei jungen Kindern zumeist nonverbalen Bedürfnisbekundungen (vgl. Spieß, 2012, S. 38) wahrzunehmen und korrekt zu deuten. Zum anderen muss auf diese Hinweise möglichst unmittelbar und adäquat reagiert werden (vgl. Ainsworth, 2011b, S. 414). Eine prompte Reaktion trägt dazu bei, dass zwischen den kindlichen Signalen und den Konsequenzen derselben Kontingenz erfahrbar wird (vgl. Keller & Meyer, 1982, S. 123) und sich das Kind zunehmend als kompetent im Umgang mit seinen Mitmenschen erleben kann (vgl. Ainsworth, 2011b, S. 417). Angemessen ist die Reaktion, wenn eine Passung zwischen dem Bedürfnis des Kindes und dessen Beantwortung durch die Bezugsperson besteht.20 Eine adäquate Reaktion liegt demnach vor, wenn das kindliche Bedürfnis befriedigt wurde (vgl. ebd.; Linberg, 2018, S. 31). Gleichfalls muss die Reaktion dem Stand der kindlichen Entwicklung entsprechend gestaltet werden (vgl. Grossmann & Grossmann, 2012).
Wurde das Kind durch das Fürsorgeverhalten der Bindungsperson beruhigt, kann das sogenannte Explorationsverhaltenssystem aktiviert werden. Dieses ermöglicht es dem Kind, seine Umwelt zu erforschen und bildet somit die Voraussetzung für kindliche Lernprozesse (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 33, 36; Bowlby, 2010, S. 99). Das Verhältnis des Bindungs- und Explorationsverhaltenssystem wird als komplementär begriffen: Die Aktivierung des einen Systems schließt die Aktivierung des anderen aus; folgerichtig kann nur eines der beiden Systeme aktiviert sein (vgl. Ainsworth, 2011a, S. 389; Becker-Stoll et al., 2015, S. 36). Das Bindungsverhaltenssystem wird durch den (1) internalen Status des Kindes, etwa bei Müdigkeit, durch (2) Gefahren aus der Umwelt oder durch (3) die Abwesenheit der Bezugsperson in Gang gesetzt (vgl. Bell & Richard, 2000, S. 70). Aufgrund der Vermittlung von Sicherheit durch die Bezugsperson wird es deaktiviert (vgl. Lohaus et al., 2014, S. 151), sodass das Kind Explorationsverhalten zeigen kann. Die Bezugsperson fungiert dabei sowohl als sichere Basis, von der aus das Kind seine Umwelt explorieren kann wie auch als sicherer Hafen, zu dem es zurückkehren kann, um Trost zu finden (vgl. Marvin, Cooper, Hoffman & Powell 2003, S. 27). Erlebt das Kind, dass seine Bedürfnisse befriedigt werden, kann sich über die Zeit eine tragfähige Bindung aufbauen, womit der Grundstein für eine gesunde Entwicklung gelegt wird (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 33).
Damit einhergehend sind für eine Bindung zwischen Kind und Bezugsperson nach Ahnert (2007) die Merkmale der Zuwendung, Sicherheit, Stressreduktion, Explorationsunterstützung und Assistenz kennzeichnend (vgl. S. 33-34), wobei für Kinder im Krippenalter den ersten drei Aspekten eine besondere Gewichtung zukommt (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 65). Das Kriterium der (1) Zuwendung drückt sich vor allem in einer warmen und fürsorglichen Interaktion aus, die vom Kind und der Bezugsperson genossen wird (vgl. Ahnert, 2007, S. 33). Ferner wird der Bezugsperson eine (2) Sicherheit vermittelnde Funktion zuteil, indem sie den Kindern auch dann verfügbar ist, wenn sich diese selbstständig beschäftigen. Auf diese Weise wird den Kindern die Exploration ihrer Umwelt ermöglicht (vgl. ebd.). Nebstdem besteht eine Aufgabe der Bezugsperson in der (3) Stressreduktion. Hierbei sollte sie den Kindern bei Bedarf Trost spenden und versuchen, deren negativen Emotionen zu regulieren beziehungsweise positive Emotionen erfahrbar zu machen (vgl. ebd.). Indem die Bezugsperson die Kinder bei der Emotionsregulation in anspruchsvollen Situationen unterstützt, erfahren sich diese als kompetent und erwerben Strategien, mit deren Hilfe sie ihre Gefühle sukzessive selbst regulieren können, was für die weitere sozio-emotionale Entwicklung maßgebend ist (vgl. Weltzien, 2014, S. 59). Der Faktor der (4) Explorationsunterstützung impliziert, dass die Kinder, wenn sie beispielsweise verunsichert sind, zur Bezugsperson zurückkehren und sich bei ihr rückversichern können.21 Dabei sollte das Kind gleichwohl zu neuen Explorationen ermutigt werden (vgl. Ahnert, 2007, S. 33). Dem Merkmal der (5) Assistenz folgend, sollen Kinder Unterstützung von den Betreuungskräften erhalten, sofern diese gewisse Aufgaben nicht eigenständig bewältigen können (vgl. ebd., S. 34).
Die von Ahnert (2007) definierten Merkmale einer Bindungsbeziehung gelten ebenso für den institutionellen Kontext (vgl. Weltzien, 2014, S. 49). Dass ein Kind auch zu seiner Erzieherin eine verlässliche Bindung entwickeln kann, gilt mittlerweile als unbestritten (vgl. etwa Ahnert, Pinquart und Lamb, 2006; van Ijzendoorn, Sagi & Lambermon, 1992). Die Bindung zu den Eltern kann jedoch nicht durch die Bindung zur Fachkraft ersetzt werden (vgl. Ahnert & Lamb, 2011, S. 346; Becker-Stoll et al., 2015, S. 64). Ferner stellt eine sichere Bindung zur Mutter keinen Garant für eine verlässliche Bindung zur Erzieherin dar; Kinder, die demgegenüber eine weniger tragfähige Bindung zum Elternteil haben, können durchaus eine Bindung zur Fachkraft entwickeln (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 64). Die Fachkraft-Kind-Beziehung ist für gewöhnlich allerdings ausschließlich auf den Betreuungskontext bezogen und schwindet dementsprechend mit dem Eintritt in die Schule (vgl. Weltzien, 2014, S. 51). Das entscheidende Kriterium für den Aufbau einer sicheren Bindung zur pädagogischen Fachkraft bildet wiederum deren Sensitivität, obschon diese im institutionellen Kontext auf der Ebene der gesamten Kindergruppe zu sehen ist (vgl. Ahnert et al., 2006, S. 664; Becker-Stoll et al., 2015, S. 64).22 In diesem Sinne bedarf es eines „empathische[n], gruppenbezogen ausgerichtete[n] Erzieherverhalten[s], das die wichtigsten sozialen Bedürfnisse eines Kindes unter der Einbeziehung der Anforderungen der Gruppe zum richtigen Zeitpunkt bedient“ (Ahnert, 2014, S. 268).
Das Konzept der Sensitivität wird demzufolge nicht nur, wie dies im Rahmen der Bindungstheorie typischerweise postuliert wird, auf Situationen bezogen, in denen das Kind verunsichert ist, sondern auch auf Signale, die kindliches Wohlbefinden indizieren (vgl. Linberg, 2018, S. 32-33; MacDonald, 1992). Angesichts dessen sollte der gesamte pädagogische Alltag von feinfühligen Interaktionen zwischen der Fachkraft und den Kindern geprägt sein (vgl. Remsperger, 2011, S. 87). Das globale Interaktionsverhalten wird dabei zunehmend in emotional unterstützende und lernanregende Facetten untergliedert (vgl. Hamre, Pianta, Downer, DeCoster & Mashburn, 2013; Kuger & Kluczniok, 2008; Linberg, 2018, S. 53). Das im institutionellen Kontext geforderte sensitive Gruppenklima steht vor allem mit dem Bereich der Emotions- und Verhaltensunterstützung in Beziehung. Dieses wird im Krippenalltag insbesondere dadurch herausgefordert, dass das Kind (erstmals) mit einer größeren Zahl anderer Kinder in Kontakt kommt. Daher gilt es Peer-Konflikten ebenso wie dem Fehlverhalten einzelner Kinder proaktiv vorzubeugen, indem klare Verhaltensregeln kommuniziert werden (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 71-72). Damit einhergehend ist auf kindliches Fehlverhalten generell mit Hinweisen auf das erwünschte Verhalten zu reagieren (vgl. ebd., S. 72). Zudem hat sich gezeigt, dass, Kinder, die sich „in das Miteinander einbezogen [fühlen]“ (ebd.), einen hohen Grad an compliance an den Tag legen, also auf Verhaltenshinweise bereitwillig eingehen und sich um das erwünschte Verhalten bemühen (vgl. von Suchodoletz, 2013, S. 157). Für die Herausbildung von compliance respektive für die Einhaltung von Vorgaben der Fachkraft ist nach Glüer (2013, S. 376) die Bindungsqualität zwischen Bezugsperson und Kind, die wiederum auf Erfahrungen sensitiver Interaktionen basiert, zentral (vgl. Grossmann & Grossmann, 2012, S. 209). Auch die Bereitschaft zur aktiven Partizipation an Lerngelegenheiten, das sogenannte engagement, weist eine Verbindung zur Fachkraft-Kind-Beziehung und somit zu sensitiven, gruppenspezifischen Interaktionen auf (vgl. Glüer, 2013, S. 107; Weltzien, 2014, S. 79-80).
Mit Blick auf die lernanregende Komponente von Interaktionen ist insbesondere Wygotskis These, wonach neue Fähigkeiten des Kindes zunächst in Interaktionen mit kompetenteren Personen entwickelt und anschließend internalisiert werden, elementar (vgl. Berk & Winsler, 1997, S. 24).23 Dieser Transformationsprozess erfolgt in der sogenannten Zone nächstmöglicher Entwicklung (vgl. ebd.). Wygotski (1979) definiert diese als „distance between the actual developmental level as determined by independent problem solving and the level of potential development as determined through problem solving under adult guidance or in collaboration with more capable peers“ (S. 86). Durch die Fokussierung der Diskrepanz zwischen dem aktuellen Entwicklungsstand des Kindes, für den eine selbstständige Problemlösung konstitutiv ist, und dem potenziellen Entwicklungsniveau, das mit Hilfe der Unterstützung und Anleitung von kompetenteren Personen erlangt werden kann, richtet Wygotski den Blick auf das Lernpotenzial des Kindes, das es interaktiv auszuschöpfen gilt.24
Das Konzept des Scaffolding beruht auf dem Prinzip der Unterstützung des kindlichen Lernens durch kompetentere Erwachsene (vgl. König, 2009, S. 111). Beim Scaffolding leistet die Fachkraft dem Kind im Sinne der Zone nächstmöglicher Entwicklung Hilfestellung, sodass es in die Lage versetzt wird, neue Handlungen auszuführen (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 67). Indem nur so viel Unterstützung gegeben wird, dass das Kind die Aufgabe selbst bewältigen kann (vgl. Graf, 2010; Remsperger, 2011, S. 135), erlebt sich dieses zunehmend als kompetent und selbstbestimmt (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 32), wodurch die intrinsische Motivation gefördert wird (vgl. Deci & Ryan, 1995, S. 37).25 Auch beim sogenannten sustained shared thinking wird das kindliche Lernen durch die Unterstützung des Erwachsenen gefördert (vgl. Hopf, 2012, S. 36). Dieses Interaktionsformat wird auch im Effective Pedagogy in Early Years – EPEY – Projekt als vor allem der kognitiven Entwicklung zuträglich exponiert. Das EPEY-Projekt nutzt die in der EPPE-Studie generierten Daten, um pädagogische Strategien besonders effektiver Einrichtungen zu identifizieren (vgl. König, 2009, S. 61; Siraj-Blatchford et al., 2002, S. 10).26 Die Strategie des sustained shared thinking wurde wie folgt definiert: „any episode in which two or more individuals ‚worked together‘ in an intellectual way to solve a problem, clarify a concept, evaluate activities, extend a narrative“ (Siraj-Blatchford, 2010, S. 157). S ustained shared thinking kann insofern identifiziert werden, wenn sich mindestens zwei Personen gemeinsam an reziproken Interaktionsprozessen, zum Beispiel kollaborativen Problemlösungsversuchen beteiligen, wodurch die kindlichen Denkfähigkeiten gefördert werden (vgl. ebd.). Ein wesentliches Element des sustained shared thinking besteht sonach in der Dialogorientierung, mit deren Hilfe das Lernen der Kinder „durch die gemeinsame Entwicklung und Weiterführung von Gedankengängen“ (Drieschner, 2011, S. 20) unterstützt wird. König (2009) unterstreicht in diesem Kontext die Aufgabe der Fachkraft, dialogische Denkprozesse bewusst anzuregen, wobei das Kind als ebenbürtiger Interaktionspartner beziehungsweise Ko-Konstrukteur der eigenen Lernprozesse begriffen werden soll (vgl. S. 140, 272). Die aktive Rolle des Kindes wurde in der EPPE-Studie auch insoweit akzentuiert, als konstatiert wurde, dass Aktivitäten, die vom Kind und nicht von der Fachkraft initiiert werden, konstitutiv für eine effektive pädagogische Praxis sind (vgl. Siraj-Blatchford, 2010, S. 157).
Wirksame Interaktionsformen wie das sustained shared thinking fanden in den EPEY-Einrichtungen vor allem in dyadischen Interaktionssituationen statt (vgl. ebd., S. 158). Becker-Stoll et al. (2015) räumen zwar ein, dass sich die Feinfühligkeit der Fachkraft prinzipiell auf der Ebene der gesamten Gruppe vollziehen muss, betonen aber, dass gerade deshalb Gelegenheiten zur Interaktion mit dem einzelnen Kind aktiv und systematisch genutzt werden müssen (vgl. S. 70). Hierzu zählen insbesondere Pflegesituationen wie das Wickeln. Dieses Potenzial hat Pikler im Ansatz der beziehungsvollen Pflege anerkannt. Hiernach sollen Pflegesituationen zum Beziehungsaufbau genutzt werden, indem behutsame Berührungen erfolgen und Handlungen angekündigt werden (vgl. Pikler, 1988, S. 170-171). Indem die Erzieherin die Handlungen sprachlich begleitet und die Äußerungen des Kindes erweitert, wird simultan die sprachliche Entwicklung gefördert (vgl. Becker-Stoll et al., 2015, S. 67 Pikler, 1985, S. 65). Damit sich das Kind als kompetent erleben kann, ist es darüber hinaus in die Handlungen einzubeziehen (vgl. Pikler, 1988, S. 170-171). Befunde der zweiten IFP-Krippenstudie, welche die pädagogische Prozessqualität anhand der KRIPS-R in Krippengruppen untersuchte, dekuvrieren die unzureichende Qualität im Bereich Betreuung und Pflege der Kinder, welcher auch die Fachkraft-Kind-Interaktion tangiert (vgl. Wertfein et al., 2012, S. 34). Vor diesem Hintergrund sollen die Erzieherinnen in der konzipierten Fortbildung nicht nur die Notwendigkeit einer bewussten Interaktionsgestaltung erfahren; überdies sollen sie dafür sensibilisiert werden, dass sich Routinesituationen, vor allem solche in dyadischer Konstellation im Besonderen zur Beziehungs- und Lernförderung eignen.
Im Allgemeinen zielt die konzipierte Fortbildung darauf ab, die vielversprechenden Chancen des Interaktionsverhaltens zu nutzen, indem eine Optimierung desselben angestrebt wird. Eine positive Beeinflussung der Fachkraft-Kind-Interaktion bedarf allerdings der Operationalisierung dessen, was unter einem qualitativ hochwertigen Interaktionsverhalten konkret verstanden werden kann. Aus diesem Grund wird im Folgenden der Soll-Zustand, den es durch die Fortbildung zu erreicht gilt, greifbar gemacht. Hierfür werden auf der Grundlage des von La Paro, Hamre und Pianta entwickelten Classroom Assessment Scoring System – CLASS – Indikatoren einer desiderablen Fachkraft-Kind-Interaktion deduziert, die auf den in diesem Abschnitt skizzierten Grundlagen basieren.
[...]
1 So findet sich beispielsweise in der Datenbank des Staatsinstituts für Frühpädagogik (vgl. Staatsinstitut für Frühpädagogik [IFP], o.J.) für das Bundesland Bayern im Jahr 2019 lediglich eine Fortbildung, die sich explizit dem Interaktionsverhalten des pädagogischen Personals widmet, ohne aber einen Schwerpunkt auf Kinder in den ersten drei Lebensjahren zu legen. Gleichwohl anzunehmen ist, dass in Fortbildungen mit anderen thematischen Orientierungen, zum Beispiel der musikalischen (Früh-)Förderung die Gestaltung von Interaktionen mit berücksichtigt wird, sollten vermehrt Qualifizierungsmaßnahmen angeboten werden, welche die Interaktionsgestaltung nicht als Querschnittsthema marginalisieren, sondern deren zentrale Bedeutung anerkennen, indem die Interaktion mit den Kindern in den Mittelpunkt der Veranstaltung gerückt wird.
2 Der Begriff ‚Fachkräfte‘ wird hier und im Folgenden in einem weiten Sinne gebraucht und schließt nicht nur Erzieherinnen und Erzieher, sondern beispielsweise auch Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger ein, welche streng genommen als pädagogische Ergänzungskräfte zu bezeichnen wären. Gemeint sind somit alle Personen, die in der institutionellen Betreuung von Kindern bis zum dritten Lebensjahr für pädagogische Zwecke tätig sind.
3 Aufgrund des begrenzten Umfangs der Masterarbeit wird das konzipierte Fortbildungsprogramm nicht in der Praxis umgesetzt. Mit Hilfe der Schilderung des geplanten Verlaufs desselben (vgl. Abschnitt 6.4) sowie der im Anhang beigefügten Materialien soll eine potenzielle Durchführung der Fortbildung jedoch ermöglicht werden.
4 Das Classroom Assessment Scoring System wird im Folgenden mit ‚CLASS ‘ abgekürzt.
5 Hier und im Folgenden wird im Sinne einer besseren Lesbarkeit und in Anbetracht der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der pädagogischen Fachkräfte weiblichen Geschlechts ist, das feminine Genus verwendet. Dies gilt für sämtliche Personenbezeichnungen. Mit Begriffen wie ‚Erzieherin‘ oder ‚Referentin‘ sollen jedoch gleichermaßen Personen eines anderen Genders angesprochen werden. In den im Anhang beigefügten Materialien zur Fortbildung wird auf eine solche Vereinheitlichung indes verzichtet.
6 Obgleich das Struktur-Orientierungs-Prozess-Modell auch für Analysen der pädagogischen Qualität im Kontext der Tagespflege herangezogen werden kann, wird wegen der thematischen Ausrichtung der vorliegenden Arbeit im Folgenden ausschließlich von Kindertageseinrichtungen gesprochen.
7 Die Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung, welche sich aus den drei genannten Qualitätsdimensionen speist, wird im Folgenden auch als pädagogische Qualität bezeichnet.
8 Das Konzept der Responsivität beziehungsweise der sensitiven Responsivität (vgl. Remsperger, 2011) bezieht sich darauf, die Signale und Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und diese prompt, angemessen und feinfühlig zu beantworten (vgl. Ainsworth, 2011b, S. 414). Hierauf wird im dritten Gliederungspunkt genauer eingegangen.
9 Wegen der Fokussierung auf die Fachkraft-Kind-Interaktion wird die Beeinflussung der Eltern und die daraus resultierende Wirkung auf die Entwicklung und Bildung der Kinder nicht weiter ausgeführt.
10 Im Folgenden wird lediglich ein Überblick über einige zentrale Forschungsbefunde zu den Auswirkungen eines qualitativ hochwertigen Interaktionsverhaltens auf die kindliche Entwicklung und Bildung dargestellt. Da auf nationaler Ebene kaum Studien zur Verfügung stehen, die sich explizit der Untersuchung der Fachkraft-Kind-Interaktion und nicht der globalen Prozessqualität insgesamt widmen, muss vor allem auf internationale Studien verwiesen werden.
11 Um die Qualität des Verhaltens der Betreuungsperson zu beurteilen, wurde im Rahmen der NICHD-Studie mit dem Observational Record of the Caregiving Environment (ORCE) ein Instrument zur Erfassung sensitiv-responsiven beziehungsweise sprachlich stimulierenden Verhaltens der Betreuungsperson erarbeitet. Wenngleich das betreffende Instrument vornehmlich auf die Verhaltensweisen der Betreuungsperson fokussiert, reflektiert es wesentliche Aspekte eines hochwertigen Interaktionsverhaltens (vgl. Abschnitt 3.1; vgl. NICHD, 1996, S. 279; NICHD, 2006, S. 111; Roßbach, 2005, S. 72).
12 In die Studie von Loeb et al. (2004) wurden ausschließlich Kinder alleinerziehender Mütter einbezogen (vgl. S. 49).
13 Die Fachkraft berichtete indes lediglich von einer Beziehung zu den kommunikativen Fertigkeiten (vgl. Tietze et al., 2013, S. 121).
14 Auf den Zusammenhang von Beziehung und Interaktion wird im Abschnitt 3.1 näher eingegangen.
15 So richten vor allem größere Untersuchungen wie die NUBBEK-Studie ihr Erkenntnisinteresse weniger an der Interaktionsqualität als solche, sondern vielmehr an der globalen Prozessqualität aus (vgl. Kapitel 2).
16 Diese Definition bezieht sich auf die Form der sozialen Interaktion, also die Interaktion zwischen Menschen. Im Bereich der institutionellen Kinderbetreuung wird mit der Subkategorie der pädagogischen Interaktion ausgedrückt, dass sich das Handeln dabei in einem pädagogischen Kontext vollzieht (vgl. Perrez, Huber & Geißler, 2006, S. 361).
17 Für die Ausbildung einer Bindung ist daher ein gewisses Maß an Stabilität in der Betreuung erforderlich (vgl. Becker-Stoll, 2007, S. 18).
18 Im Folgenden wird lediglich auf Aspekte der Bindungstheorie eingegangen, die für die Thematik der vorliegenden Arbeit bedeutsam scheinen.
19 Hier und im Folgenden werden die Begriffe ‚Sensitivität‘ und ‚Feinfühligkeit‘ (vgl. etwa Grossmann & Grossmann, 2012, S. 117) synonym verwendet.
20 Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Bezugsperson das Kind in den Arm nimmt, wenn es weint, es aber wieder loslässt, wenn das Kind Signale dafür aussendet, seine Umwelt erkunden zu wollen (vgl. Ainsworth, 2011b, S. 416).
21 Bei der sozialen Rückversicherung – social referencing – beobachtet das Kind etwa den gefühlsmäßigen Ausdruck der Bezugsperson, um in Erfahrung zu bringen, wie eine bestimmte Situation zu interpretieren ist beziehungsweise ob seine Verunsicherung berechtigt ist (vgl. Feinman & Lewis, 1983, S. 878; Walden, 1991, S. 70).
22 Da auch eine gute Atmosphäre im Team, also zwischen den Fachkräften, die Entwicklung von Erzieherin-Kind-Beziehungen begünstigt (vgl. Weltzien, 2014, S. 51), wird – dies kann vorweggenommen werden – die hier konzipierte Veranstaltung als Team-Fortbildung konzipiert (vgl. Abschnitt 6.1).
23 Wygotski gilt als Begründer des sogenannten Ko-Konstruktivismus, bei dem angenommen wird, dass Kinder in gemeinsamer Interaktion mit anderen Menschen lernen (vgl. Textor, 2007, S. 83). Da auch das Lernen Erwachsener als ein ko-konstruktiver Prozess zu verstehen ist (vgl. Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen [BStMAS] & Staatsinstitut für Frühpädagogik [IFP], 2010, S. 21), wird auf das Prinzip des Ko-Konstruktivismus bei den im Abschnitt 6.3 dargelegten didaktisch-methodischen Überlegungen zurückgegriffen.
24 Hierin manifestiert sich ein feinfühliges Verhalten der Fachkraft bereits insofern, als der aktuelle Entwicklungsstand des Kindes erkannt und auf dieser Grundlage eine adäquate und liebevolle Unterstützung angeboten wird (vgl. Linberg, 2018, S. 36).
25 Intrinsische Motivation liegt vor, wenn eine Handlung um ihrer selbst willen ausgeführt wird, etwa weil damit positive Emotionen wie Freude verbunden sind (vgl. Krapp, Geyer & Lewalter, 2014, S. 194).
26 Die Einrichtungen gelten dann als effektiv, wenn die dort betreuten Kinder besser gefördert wurden, als dies aufgrund der Erhebungen beim Eintritt in die Studie, zum Beispiel zum familiären Hintergrund zu prognostizieren gewesen wäre (vgl. Siraj-Blatchford et al., 2002, S. 6, 16-17).