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Bachelorarbeit, 2020
47 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Die Erste Republik
3. Die Frauenrolle in der Ersten Republik
3.1. Die politische Rolle der Frau
3.1.1. Die Frauenbewegungen
3.1.2. Entwicklung der Frauenteilnahme in politischen Parteien
3.1.3. Die Frauentage
3.2. Die soziale Rolle der Frau
3.2.1. Das Eheleben der Frau
3.2.2. Sexualität und Moral der Frau
3.2.3. Die Entstehung des Wohlfahrtstaates
3.3. Die gesellschaftliche Rolle der Frau
3.4. Die rechtliche Rolle der Frau
3.4.1. Das Wahlrecht
3.4.2. Schutzgesetze für Frauen und Frauenberufe
3.4.3. Recht auf Bildung
3.4.4. Rechte der Mütter
4. Das Frauenbild
4.1. Kunst und Kultur
4.2. Die Darstellung der Frau in den Medien
4.3. Frauensport in der Zwischenkriegszeit
4.4. Exkurs: Vergleich mit dem amerikanischen Frauenbild
5. Die Mode der „neuen“ Frau
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
8. Quellenverzeichnis
9. Abbildungsverzeichnis
Während dem Ersten Weltkrieg kam es zu einer Umgestaltung der Gesellschaft, die dazu beitrug, manche Entwicklungen zu beschleunigen und insbesondere Frauen mehr Rechte und politische Mitbestimmung zu ermöglichen. Immer mehr Frauen organisierten sich innerhalb von Frauenbewegungen, wobei politische, soziale und bürgerliche Rechte angestrebt wurden. Das Wahlrecht 1918 in Österreich verlieh den Frauen schließlich das erste Mal eine politische Stimme. Nach Kriegsende entwickelten sich die Chancen von Frauen im Erwerbsleben ständig weiter und auch ihre Stellung innerhalb der Familie wurde grundlegend verändert. Die vorliegende Bachelorarbeit soll einen Überblick über die soziale, gesellschaftliche und politische Rolle der Frau während der Ersten Republik schaffen.
During the First World War, society was transformed in a way that helped accelerate developmental processes and, in particular, gave women more rights and political participation. More and more women organized themselves within women's movements with political, social and civil rights being sought. With the implementation of the right to vote in Austria in 1918, women could finally cast a political vote for the first time. After the war, the opportunities of women in the professional field continued to develop and their position within the family was fundamentally changed. This thesis is intended to provide an overview of the social, societal and political role of women during the First Republic.
Die vorliegende Bachelorarbeit untersucht die gesellschaftliche, soziale und politische Rolle der Frau in der Ersten Republik. Als geographischer Rahmen soll Österreich und Deutschland dienen. In Bezug auf die räumliche Einteilung kann zwar in ganz Europa von einem sich veränderten Rollenverständnis der Geschlechter gesprochen werden, es soll sich aber aufgrund der gebotenen Kürze dieser Arbeit, neben einem kurzen Exkurs auf die amerikanische Frau, auf den deutschsprachigen Raum konzentriert werden. Diese Arbeit setzt sich kritisch mit dem Zeitraum der Ersten Republik (1918-1938) auseinander, obwohl der Fokus auf die Frau der 20er Jahre gelegt werden soll.
Der Erste Weltkrieg führte zu einem maßgeblichen Wandel der Frauenrolle innerhalb der Gesellschaft. Dieser gesellschaftliche Wandel vollzog sich weit über die Kriegsjahre hinaus und wurde zum Wegweiser für die Emanzipation der Frau. Das Aufkommen der Massenparteien war zunächst mit einem Ausschluss der Frauen verbunden. Der weiblichen Bevölkerung wurde lange Zeit die Rolle der „Gattin“ und „Mutter“ aus natürlichem Recht zugewiesen, die Sehnsucht nach einer selbständigen Tätigkeit sowie Arbeitsbeschäftigung wurde ihnen sogar abgesprochen. Im Zentrum der weiteren Kapitel stehen die politischen, gesellschaftlichen, sozialen und rechtlichen Rollenzuteilungen sowie deren Entwicklungen.
Der erste Teil der Arbeit widmet sich einer allgemeinen Aufzählung der weiblichen Verhältnisse und Umstände in der Ersten Republik, wobei der Fokus auf die Frauenbewegungen gelegt wird. Im weiteren Verlauf werden die vorherrschenden Geschlechterrollen vor, während und nach dem Ersten Weltkrieg behandelt. Hierbei sollen ausschlaggebende Änderungen eruiert und anschließend analysiert werden. Es etablierten sich nach dem Ersten Weltkrieg neue Berufsfelder und Gelegenheiten für Frauen. Angesichts der enormen Leistungen der Frauen während des Krieges war es nicht mehr vertretbar, ihnen das Wahlrecht noch länger zu verwehren. 1919 wählten die Frauen dann erstmals und die Ersten unter ihnen durften politisch ihre Rechte vertreten. Die Frau der 20er Jahre konnte neben ihrer Berufsausübung nämlich auch unverheiratet und selbstständig sein.
Die Rolle der Frau wurde nach und nach verändert und modifiziert. Sie erkämpfte sich das Recht auf einen Platz in der Arbeitswelt und setzte sich mit ihrem neu gefundenen Selbstbewusstsein in einer männlich-dominierten Welt durch.
Durch zeitgenössische Erscheinungen wie Bubi-Haarschnitt, Zigaretten und Fransenkleid etablierte sich der neue Frauentypus zur Ikone der 1920er-Jahre. Die Veränderungen in der Damenmode gingen mit einem neuen weiblichen Körperideal einher, wobei die Darstellung sowie das Bild der „neuen“ Frau näher beleuchtet werden sollen. Die weiteren Ausführungen belaufen sich auf die Darstellung der Frau in den Medien, vorwiegend Zeitschriften der Ersten Republik. Das letzte Kapitel der Arbeit setzt sich das Ziel, eingehend zu analysieren, wie sich das neue modische Erscheinungsbild der Frau sowohl in der Politik und den Illustrierten als auch in der Gesellschaft widergespiegelt hat.
In dieser Bachelorarbeit wurde facheinschlägige Literatur sowie Zeitungsartikel aus ausgewählten Onlinemedien der Ersten Republik verwendet, um die zeitgenössische Aktualität der historischen Frauen- und Geschlechterfrage zu verdeutlichen. Zum Abschluss der Bachelorarbeit wird neben einer kurzen Zusammenfassung ein persönliches Resümee gezogen, das sich nach der Analyse eingestellt hat.
Die Habsburgermonarchie hatte zwar aus heutiger Sicht als Großreich eine historisch bedeutsame Rolle gespielt, konnte jedoch ohne zielbewusste Politik und Verwaltung, Ordnung und Gesetzmäßigkeit nicht länger als Monarchie fortbestehen. Nationale Spannungen werden als eine von vielen Gründen für den Zusammenbruch des Staates gesehen.1 Im November 1918 wurde von den letzten Abgeordneten der Monarchie die Republik Deutsch-Österreich ausgerufen und gleichzeitig der Anschluss an Deutschland verkündet. Unter den sozialdemokratischen Staatskanzler Karl Renner bildete sich eine provisorische Staatsregierung. Mit dem Friedensvertrag von St. Germain wurde jedoch der Anschluss an Deutschland untersagt und der Name der Republik als Österreich festgelegt.2
Die Wende zu einem neuen System erfolgte bereits nach der Ausrufung der Republik Deutsch-Österreich am 12. November 1918. Nicht nur die Länder forderten mehr Eigenständigkeit, besonders die Frauenbewegungen beschäftigten die Republik weitgehend.3 Geschlechterspezifische Forschungen zum Ersten Weltkrieg und zur darauffolgenden Nachkriegszeit standen lange Zeit nicht im Zentrum der Geschlechterforschung in Österreich. Das steigende Interesse an dieser Thematik lässt sich als eher neuartiges Phänomen beobachten.4
Der Zusammenbruch des Kaiserreiches und der Beginn der Republik bewirkten einen politischen Umbruch. Die außergewöhnlichen Lebensumstände und Erfahrungen, welche die Menschen im Ersten Weltkrieg durchlebten, gingen in der Folge mit Nachwirkungen besonders im Leben der Frauen einher. Durch die Verfassung wurde das aktive und passive Frauenwahlrecht verankert, welches ihnen grundsätzliche Gleichberechtigung gewährte. Während dem Krieg tat sich außerdem ein neuer Arbeitsmarkt auf, da viele der Männer abwesend waren. Nach Kriegsende ergaben sich somit ungeahnte Chancen und Möglichkeiten für viele Frauen, da sich neue Berufsfelder und verbesserte Ausbildungsmöglichkeiten eröffneten.5
Da sich die Kriegserfahrungen im Zeitraum 1914-1918 auf die nachfolgende Republik Österreich ausgewirkt haben, spricht Karin Schmidlechner vom Ende der Monarchie, als wäre es die Anfangsphase einer ganz neuen Epoche. In diesem Zusammenhang wird auch die geforderte Rückkehr zur „Ordnung“ in den Familien sowie in der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik genannt, die in der Nachkriegszeit europaweit angestrebt wurde. Die Frau hatte während des Ersten Weltkrieges eine zu öffentliche Position eingenommen, was sich besonders gegen die Vorstellungen der traditionellen männlichen Herrschaft und ihrer Machtverhältnisse richtete. Diese sogenannte Geschlechterordnung, welche von allen politischen Parteien vertreten wurde, sollte eine Rückbesinnung an die alten Hierarchien bewirken.6
Der politische Aufbruch nach Ende des Ersten Weltkriegs dauerte jedoch nur kurz, da sich die alten Geschlechterverhältnisse in der Nachkriegszeit schnell wiedereinstellten. Die Männer empfanden die Umbruchsjahre von 1918 bis 1922 zwar als Krise, doch neben der schon erwähnten Einführung des Wahlrechts für Frauen in der Mehrzahl der europäischen Länder, kam es kaum zu wesentlichen Veränderungen. Frauen zogen zwar ins Parlament ein, aber die Gesetzesanträge, die sie einbrachten, fanden keine Mehrheit.7
Den Frauen wurde während der Kriegsjahre ihre Unentbehrlichkeit beim Wiederaufbau des Staates prophezeit, doch das Blatt begann sich schnell zu wenden. Die Frauen wurden laut Francoise Thébaud, als eigentliche „Kriegsgewinnlerinnen“ verunglimpft, die für starke Arbeit sowieso nicht fähig genug wären und dadurch „ im Namen der Verteidigung der Rasse “8 an den häuslichen Herd zurückbefördert werden mussten. Auf Grund dessen wurde die Demobilisierung der Frauen seitens der männlichen Gesellschaft besonders bei den Rüstungsarbeiterinnen vorangetrieben.9
Gabriella Hauch beleuchtet den Punkt, dass es sich bei der Gründung der Republik Deutsch-Österreich nach dem Ersten Weltkrieg noch lange nicht um die „Stunde Null“ in Fragen der Frauen- und Geschlechterpolitik handelte. Die Gleichstellung der Frau im politischen Vereinsrecht und die Einführung des Frauenwahlrechts ging vielmehr mit einer gesellschaftspolitischen Zäsur einher, welche ihren Fokus in der Ersten Republik allerdings in Richtung Parlament und Gesetzesreformen legte.10
Pfoser & Weigl erläutern, dass die wichtigsten Veränderungen mit Bezug auf die Geschlechterbeziehungen von der ökonomischen Sphäre ausgingen. Obwohl der Weg zu mehr Gleichberechtigung noch weit in die Zukunft reichen sollte, wurde das männliche Konzept als „Haushaltsvorstand“ von den weiblichen Politikerinnen infrage gestellt. Die medialen, politischen und wirtschaftlichen Einflüsse erschwerten den Männern immer mehr die Kontrolle über die arbeitsmarktpolitische und gesellschaftspolitische Macht.11
Der kurze Frühling der Frauenbewegung nahm dessen ungeachtet durch den Nationalsozialismus und seine diversen ideologischen Abkömmlinge ein jähes Ende und führte weitgehend zu einem erneuten Rückschritt für die Frau. Ab Oktober 1931 wurden mit der Gründung der NS-Frauenschaft die Frauenbewegungen auch öffentlich durch Nationalsozialistinnen bekämpft. Die nationalsozialistische Bewegung hatte wenig Interesse an den Frauenbewegungen selbst als vielmehr an den Frauen als potenzielle Wählerinnen. Gegen die frauenfeindliche Propaganda der NSDAP wurde zwar noch seitens liberaler Parteien versucht vorzugehen, indem Presseauszüge und Appelle an die Frau abgedruckt wurden („Material zum Kampf der Frauen um Arbeit und Beruf“), doch diese Versuche erwiesen sich als zu spät und hilflos und stärkten die Differenzen in Bezug auf die Frauenfrage der schon zuvor uneinigen Parteien noch zusätzlich.12 Curt Roston schrieb in diesem Zusammenhang 1933: „Die deutschen Frauen wollen in der Hauptsache Gattin und Mutter, sie wollen nicht Genossin sein, wie die roten Volksbeglücker es sich und ihnen einzureden versuchen. Sie haben keine Sehnsucht nach der Fabrik, keine Sehnsucht nach dem Büro und auch keine Sehnsucht nach dem Parlament. Ein trautes Heim, ein lieber Mann und eine Schar glücklicher Kinder steht ihrem Herzen näher.“13
Nach 1910 waren Frauen bereits vielfach in den freien Berufen oder als Angestellte tätig, somit kann mit Beginn des 20. Jahrhunderts schon von einer Emanzipation der weiblichen Bevölkerung gesprochen werden.14 Die Vorherrschaft der männlichen Bevölkerung blieb jedoch in der modernen Gesellschaft noch weiterhin bestehen. Ilse Lenz spricht in diesem Zusammenhang vom „Hauptmechanismus der geschlechtlichen Arbeitsteilung“15, in der Frauen für den Ehemann und die gemeinsamen Kinder unbezahlte Arbeit im Haushalt und in der Versorgung leisteten. Die geschlechtliche Arbeitsteilung kann aber auch in Hinblick auf den Arbeitsmarkt verstanden werden, da Frauen seltener eingestellt und tendenziell schlechter bezahlt wurden als die Männer. Man kann daraus schließen, dass der Großteil der Frauen zwar am Berufsleben teilnehmen konnte, diese positiven Aspekte jedoch im Widerspruch zu den alten Ungleichheiten der Geschlechter standen.16
Der Zusammenbruch der Ordnung nach Ende des Ersten Weltkriegs schien anfangs zum Durchbruch der Frauen zu führen. Die Ziele der bürgerlichen sowie der proletarischen Frauenbewegungen verliefen zwar oft in unterschiedliche Richtungen, in einem Punkt stimmten sie jedoch überein. Trautl Brandstaller äußert sich dazu wie folgt: „ Die Herrschaft des Mannes innerhalb der Familie sollte ebenso beendet werden wie die Männerherrschaft in der Politik.“17
Ohnehin mussten Frauen aufgrund der schlechten Ernährungsbedingungen der Kriegszeit oftmals ganz allein ihre Familie ernähren oder die Männer an ihren Arbeitsplätzen ersetzen. Daraufhin wurden in der Nachkriegszeit die geschlechtsspezifischen Rollenverteilungen hinterfragt, da der „männliche“ öffentliche Bereich nicht mehr klar abzutrennen war vom „weiblichen“ Privatbereich, wie noch zuvor. Bereits ab 1917 stellten die Frauen beispielsweise im Bereich der Rüstungsindustrie die Mehrheit dar. Viele gesellschaftliche Aufgabenbereiche, für die die Frau zuvor als nicht fähig erklärt wurde, erforderten nun deren Mitwirkung.18
Die weibliche Bevölkerung hatte durch ihre aufopfernde Rolle im Ersten Weltkrieg bewiesen, dass sie sich erfolgreich in politischen und sozialen Anliegen durchsetzen konnte. Somit wurde auch innerhalb der Bevölkerung offensichtlich, dass die Frau nicht nur für die Mutterrolle und ihre Aufgaben im Haushalt taugte.19
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts versuchten immer mehr Frauen in der Öffentlichkeit Mitsprache zu erlangen und begannen Forderungen zu stellen, vorrangig nach Anerkennung und Mitbestimmung. Nicht nur in öffentlichen Angelegenheiten, auch bei den generellen weiblichen Leistungen im Bereich der Kultur und in der Gesellschaft sollte entsprechende Akzeptanz vorherrschen. Die bürgerliche Ordnung des vorigen Jahrhunderts hatte eine Krise ausgelöst, wobei der weibliche Teil der Bevölkerung nun die Chance hatte, durch ihr Engagement daraus profitieren zu können. Die Frauen dieses Jahrhunderts erkannten immer mehr die inneren Zusammenhänge zwischen der Frauenfrage und der beginnenden sozialen und politischen Krise, weshalb sie die schlechten Bedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter hinterfragten sowie generelle Fragen des Friedens diskutierten.20
Trautl Brandstaller nennt in diesem Zusammenhang zwei Frauen, die zwar aus verschiedenen Milieus stammten, jedoch zur Jahrhundertewende zusammen versuchten Politik zu machen: Rosa Luxemburg und Rosa Mayreder. Die aus Polen stammende Rosa Luxemburg konfrontierte die Sozialdemokratie in Deutschland nach Friedensfragen, während die österreichische Rosa Mayreder dem linken Flügel der bürgerlichen Frauenbewegung angehörte. Rosa Luxemburgs politische Tätigkeit als Volksversammlungsrednerin wurde von Befürwortern des Krieges schon nach kurzer Zeit heftig diskutiert, was schlussendlich zu ihrer Ermordung durch rechtsextreme und frauenfeindliche Freikorps führte. Im Gegensatz zu Rosa Luxemburg, verlief das Schicksal weniger tragisch für Rosa Mayreder, die mit Hilfe weiterer Frauen als Gründerin des „ Allgemeinen österreichischen Frauenvereins “ fungierte. Infolgedessen publizierte sie noch Essays, wo sie vorherrschende Rollenverteilungen und die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter kritisierte.21
Die Frauenforschung im deutschsprachigen Bereich entstand aus einer politischen Bewegung heraus, wobei die Politik und das Recht hinterfragt werden sollten. Gabriella Hauch führt an, dass das Forschungsfeld der geschlechts- und frauenspezifischen Fragen im Bereich „Frauen und Politik“ folgendermaßen strukturiert sind: „ Ausgrenzung und Möglichkeiten zur Partizipation, keine legitimierten Aktivitäten in Vereinen & die Eingrenzung des Akkulturationsprozess “.22
Die Frau wurde als das weibliche Geschlecht konstruiert, wobei sie darauf mit der frauenspezifischen Identitätsbildung im Kollektiv reagierte. Die meisten Frauenbewegungen zogen ihre Kraft aus der Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit. Es sollten weder homogene Konzeptionen von männlich und weiblich noch Differenzen geleugnet werden.23
Im 19. Jahrhundert gehörte die Diskriminierung der Frau noch zu einem „ Selbstverständnis einer geschlossenen Männergesellschaft, die längst nicht mehr lebensfähig war.“24 Gegen Ende des ausgehenden 19. Jahrhunderts entstand die Alte (Erste) Frauenbewegung, mit dem Ziel, vorherrschende Wertvorstellungen neu zu diskutieren und die generelle soziale und rechtliche Mitbestimmung der Frauen zu erlangen. Im Vordergrund der Frauenfrage standen als primäre Ziele die gleichen Bildungschancen und Berufsmöglichkeiten für Frauen, das aktive und passive Wahlrecht sowie die politische Partizipation und Mitbestimmung. Einige Teile der Frauenbewegung beschäftigten sich seit Beginn mit der grundlegenden Gleichstellung der Geschlechter, die auch noch in der Gegenwart genug Raum für Diskussionen bildet.25
Trotz Einführung des Wahlrechts für Frauen blieben die Frauenbewegungen weiterhin bestehen, da ihnen die Konsequenzen ihrer Aktivitäten bewusst gemacht wurden.26
Im Jahr 1871 wurde der erste Arbeiterinnen-Bildungsverein zur Ausbildung von berufstätigen Frauen gegründet. Ziel war der Zugang zu Allgemein- und politischer Bildung, was in der dominanten Männerwelt auf erheblichen Widerstand stieß. Bereits im Jahr 1898 gelang den Sozialdemokratinnen die Gründung einer eigenen Frauenorganisation mit dem Ziel zur Durchsetzung des Frauenwahlrechtes, was aber seitens fehlender Solidarität der Männer sehr erschwert wurde und dessen Erfolg sich erst im Jahr 1918 einstellen sollte.27 Im Jahr 1918 fanden Januarstreiks und einzelne Proteste im Juni statt, wo Frauen nicht nur aufgrund der Versorgungsnot der Nachkriegszeit teilnahmen, sondern um ihren Frust über die Missstände öffentlich Nachdruck zu verleihen. Da die Präsenz der Frauen im öffentlichen Raum mittlerweile unübersehbar gestiegen war, konnte sich die Provisorische Nationalversammlung nicht mehr der Zustimmung der bisher verwehrten Rechte der Frauen entziehen.28
Der jahrzehntelange Kampf der Frauen in der Geschichte Österreichs für das Wahlrecht endete schließlich am 12. November 1918. War vor dem Jahr 1918 die Gründung von politischen Frauenvereinen noch untersagt, entstanden in den folgenden Jahren Frauenvereine und Wohltätigkeitsvereine unter dem Deckmantel von ehrenamtlicher Sozialarbeit.29
Bereits ab dem Revolutionsjahr 1848 hatten Frauen das aktive und passive Wahlrecht gefordert und sich in Vereinen organisiert, doch erst der Zusammenbruch der Monarchie führte am 12. November 1918 zum freien, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht für Frauen durch die Provisorische Nationalversammlung.30 Das Wahlrecht führte zwar nicht direkt zu der angestrebten Anerkennung als vollwertige Staatsbürgerinnen, kann jedoch heutzutage als einer der ersten politisch relevanten Schritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung gesehen werden. Nach 1918 forderten viele politische Aktivistinnen eine generelle Teilnahme an der Gestaltung der Politik.31
Der Frauenanteil im Nationalrat in Österreich hielt sich zwischen 1919 bis zum Ende der parlamentarischen Demokratie 1933 aber bis auf weiteres sehr gering - denn auch im Zeitraum der Ersten Republik bekleideten nur 19 Frauen ein Nationalratsmandat - von insgesamt 408 Abgeordneten.32
Von einer repräsentativen Vertretung der Staatsbürgerinnen in der Politik konnte trotz des zugesagten Wahlrechts noch immer keine Rede sein. Während den Wahlen zur Konstituierenden Nationalversammlung wurden die Wählerinnen nach wie vor als Ehefrauen und Mütter von Kriegsteilnehmern angesprochen.33
Die Sozialdemokratie hatten zwar das Frauenwahlrecht auf den Weg gebracht, von den Wählerinnen kam zu Beginn allerdings keine Vergütung. Heutige Wahlanalysen lassen vermuten, dass die absolute Mehrheit der Sozialdemokraten zu Beginn der Republik, durch die Einführung des Frauenwahlrechts sogar verhindert wurde. Frauen wählten offenbar mehrheitlich konservative Parteien, von denen sie jedoch keine einzige in ihren Kämpfen unterstützt hatte.34 Gabrielle Hauch betont hierbei: „ Die Mehrheit der Frauenstimmen ging auf Bundesebene in der Ersten Republik zur Christlichsozialen Partei.“35 Die Wählerinnen spiegelten viele unterschiedliche politische Interessen wider, da das Wahlverhalten der Anfangsjahre stark von den Erwartungen abwich. Zwischen 1927 und 1930 wählten etwa 40% sozialdemokratisch, den restlichen Prozentsatz bildeten die konservativen Parteien.36 Bei späteren Wahlen der Ersten Republik holte die SDAP zwar bei den Wählerinnen auf, aber ein gewisses Stimmenübergewicht für die konservativen Parteien blieb weiterhin bestehen.37
Eine weitere paradoxe Situation stellte sich kurz nach Kriegsende ein, als die Soldaten wieder in ihre früheren Arbeitsplätze gegliedert und die Frauen davon verdrängt werden sollten. Weder die bürgerlichen noch die proletarischen Frauen protestierten dagegen. Die Diskussion über die daraus resultierende Frauenarbeitslosigkeit und die Erstellung von Richtlinien, nach denen diese Entlassungen zu erfolgen hatten, blieb dafür nicht aus.38
Die Gründung von Frauenzeitschriften, welche nicht die Frauen unterdrückten und ihnen die Dominanz des Mannes vorschrieben, brachten eine entscheidende Wende in der Republik. Beispielsweise wurde die politische Zeitschrift die „Arbeiterinnen Zeitung“ durch weibliches Engagement gegründet, mit der Intention weibliche Themenbereiche anzusprechen und mehr Gleichberechtigung zu schaffen. Frauenvereine und Frauenzeitschriften vertraten unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Verdrängung der Frau aus der Wirtschaft: „ Einerseits durften nach ihrer Meinung Frauen [...] nicht wieder der Arbeitslosigkeit ausgeliefert werden. Andererseits vertraten sie auch weiterhin den traditionellen Standpunkt, dass die Frau ins Haus gehöre.“39
Als Gegenmodell der konservativen Forderungen auf Rückbesinnung zu der alten, christlichen Ordnung wurden gegensätzliche theoretische Konzeptionen seitens der Sozialdemokraten aufgestellt, welche Frauen und Männer als gleichwertige Mitglieder in der Politik propagierten.40
Durch den Reichsparteitag 1919 wurde eine „gemeinsame Organisation“ von Männern und Frauen beschlossen, mit dem Frauenzentralkomitee an der Spitze der sozialdemokratischen Frauenorganisation. Die Hoffnung auf mehr Akzeptanz durch die gemeinsame Organisation erfüllte sich letztendlich nicht, da die Diskussionen in Richtung der Frauenfragen keine Zustimmung fanden.41
Mithilfe sozialdemokratischer Förderungen, unter anderem mit Frauenschulen und Rednerinnenkursen, schafften es mehrheitlich Frauen zu Spitzenfunktionärinnen innerhalb der Sozialdemokratischen Partei. Die SDAP wurde im Frauenbereich in Frauenkomitees und Frauenkonferenzen, von Lokal-, Bezirks-, Kreis-, Landes- bis hin zur Bundesebene, organisiert, wobei die Frauenreichskonferenzen seit 1920 nur am Vortag der Parteitage abgehalten werden durften. Die demokratischen Frauen stützten sich im Parlament vor allem auf Politikerinnen, die bereits politische Erfahrung gemacht hatten. Viele Politikerinnen der Ersten Republik waren auch schon vor dem Ersten Weltkrieg in der Politik aktiv gewesen, unter anderem Adelheid Popp, Therese Schlesinger, Anna Boschek und Gabriele Proft, um nur einige wenige Persönlichkeiten zu nennen.42
Das Ziel der sozialistischen Frauenbewegung stellte nicht allein die Einführung des Frauenwahlrechts dar. Vielmehr richtete sich ihr Enthusiasmus und ihr Engagement in Hinblick auf die Gleichstellung mit dem Mann als Teil der allgemeinen Frauenfrage. Forderungen seitens der Frauen im Hinblick auf Schutz der Arbeiterinnen am Arbeitsplatz, nach sozialer Fürsorge für Mutter und Kind oder der Gleichbehandlung von verheirateten und ledigen Müttern, wurden immer notwendiger.43 Weiters führt Gabriella Hauch an, dass die SDAP mit der sozialistischen beziehungsweise marxistischen Theorie von der Frauenemanzipation korrespondierte: „ Die gesellschaftliche geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und die daraus folgende Doppel- und Dreifachbelastung der Frauen würde durch das kapitalistische System, der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen und speziell der Frau durch den Mann begründet.“44
Obwohl die SDAP auch dazu beitrug, dass die Frauenerwerbstätigkeit nach dem Krieg zurückging, forderten sie anhand bestimmter Reformen die Befreiung der Frau, welche allein durch den Sozialismus gelingen konnte: Gleicher Zugang zu Bildungs- und Berufsmöglichkeiten bei gleichem Lohn für gleiche Leistung und Schaffung sozialpolitischer Einrichtungen, die die Reproduktions- und Familienarbeit abnehmen bzw. erleichtern würden. Von der Hausarbeitsteilung zwischen Mann und Frau war aber praktisch nicht die Rede.45
[...]
1 vgl. Stadler 1968 : 18f
2 vgl. Pelinka/Rosenberger 2007: 26f
3 vgl. Karner 2018: 9
4 vgl. Schmidlechner 2008: 87
5 vgl. Seelen 1995: 6f
6 vgl. Schmidlechner 2008: 88
7 vgl. Brandstaller 2007: 78f; vgl. Pfoser & Weigl 2017: 306
8 Thébaud 1995: 82
9 vgl. Thébaud 1995: 82
10 vgl. Hauch 1995: 21
11 vgl. Pfoser & Weigl 2017: 306f
12 vgl. Gerhard 2009: 95f
13 Hauch 1995: 198, zit. nach Curt Rosten, Berlin 1933
14 vgl. Thébaud 1995: 93
15 Lenz 2009: 18
16 vgl. Lenz 2009: 18ff
17 Brandstaller 2007: 75
18 Vgl. Schmidlechner 2008: 90
19 vgl. Pfoser & Weigl 2017: 298
20 vgl. Brandstaller 2007: 76
21 vgl. Brandstaller 2007: 76ff.
22 Hauch 2009: 155
23 vgl. Hauch 2009: 155
24 Flossmann & Neuwirth 2017: 147
25 vgl. Flossmann & Neuwirth 2017: 147f
26 vgl. Sichtermann 2009: 119
27 vgl. Krondorfer & Grammel 2012: 18
28 vgl. Pfoser & Weigl 2017: 298
29 vgl. Krondorfer & Grammel 2012: 19f
30 vgl. Hauch 2009: 129
31 vgl. Schmidlechner 2017: 313
32 Hauch 2009: 158
33 vgl. Pfoser & Weigl 2017: 298
34 vgl. Notz 2018: 10
35 vgl. Hauch 2011: 84f
36 vgl. Bader-Zaar 2008: 28
37 vgl. Pfoser & Weigl 2017: 301
38 vgl. Schmidlechner 2008: 91
39 Schmidlechner 2008: 95
40 vgl. Schmidlechner 2017: 316
41 vgl. Hauch 2009: 130
42 vgl. Hauch 2009: 130f
43 vgl. Notz 2018: 5
44 Hauch 2009: 131
45 vgl. Hauch 2009: 131