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Bachelorarbeit, 2018
39 Seiten, Note: 1,3
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Pflegemodelle
2.1.1 Psychobiographisches Modell nach Böhm
2.1.2 Gezeitenmodell nach Phil Barker
2.2 Generationen
2.2.1 Generationenkonzepte
2.2.2 Generationenüberblick
2.2.3 Die Generation X
2.2.4 Generation Golf
2.2.5 Die dritte Generation Ost
2.2.6 Generation X international
3. Wissenschaftliche Zielsetzung und Fragestellung
4. Methodik
5. Charakteristika der Generation X
5.1 Generationsspezifische Fremdzuschreibungen
5.2 Generationsspezifische Selbstzuschreibungen
5.3 Zusammenfassung der generationsspezifischen Attribute
6. Erörterung der generationenspezifischen Eigenschaften im Kontext der ausgewählten Pflegemodelle
6.1 Generation X im Psychobiographischen Modell nach Böhm
6.2 Generation X im Gezeitenmodell nach Barker
7. Schlussfolgerung/ Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung 1 Die Generationen, ihr Umfeld und ihre Vorlieben. Quelle: Futurebiz
Abbildung 2 Rechercheplan der orientierenden Literaturrecherche
Abbildung 3 Häufung der generationenspezifischen Attribute
Tabelle 1 Suchprozess Pubmed Datenbank
Tabelle 2 Suchprozess LIVIVO Datenbank
Tabelle 3 Suchprozess CINAHL Datenbank
Tabelle 4 GeroLit Datenbank
Tabelle 5 Google Internetsuche
Tabelle 6 Google Scholar Internetsuche
Tabelle 7 Suchprozess Universität Bielefeld
Tabelle 8 Suchprozess Alice Salomon Hochschule
Tabelle 9 Generationenspezifische Fremdzuschreibungen
Tabelle 10 Generationenspezifische Selbstzuschreibungen
Aktuell ist der Pflegenotstand in aller Munde. Altersarmut, Überalterung der Gesellschaft und Demographie- Entwicklung sind ebenfalls hoch aktuelle Themen, die Politik und Gesellschaft gleichermaßen beschäftigen. „Demografischer Wandel sowie Veränderung von kohortenbezogenen Lifestyle -Faktoren und Lebenslagen erfordern eine ständige Anpassung der Angebotsstruktur an die Bedürfnisse und Erwartungen der Zielpersonen.“ (Hoben, Bär & Wahl, 2016, S. 15)
Jede Generation hat ihre eigenen Vorstellungen vom Altern und von der Art und Weise, wie sie sich einen zufriedenen Lebensabend vorstellen. Da die Generation X in nicht allzu ferner Zukunft das Rentenalter und damit auch in ausgeprägtem Maße Pflegebedürftigkeit erreichen wird, erscheint es der Verfasserin sinnvoll zu analysieren, ob es Pflegemodelle gibt, die generationsspezifische Aspekte, insbesondere für die beschriebene Generation X, einbeziehen können.
Vor dem Hintergrund, dass Implementierungsvorgänge von Neuerungen im Gesundheitswesen eine lange Zeit benötigen, ist es notwendig, sich bereits jetzt mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Mit zunehmendem Alter steigt die Pflegebedürftigkeit. (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2010, S. 24). Ausgehend davon, dass die Generation X zwischen 1965 und 1980 geboren wurde, wären die Menschen 2050 ungefähr im Alter von 70 bis 85 Jahren. Die Anzahl pflegebedürftiger Menschen steigt von 6% mit 70 Jahren auf 62 % mit 90 Jahren. In nicht allzu ferner Zukunft wird das Thema Pflegebedürftigkeit also für die Generation X relevant. Es wird vom Statistischen Bundesamt daher ein Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen auf 2,90 Millionen Pflegebedürftige im Jahr 2020 und 3,37 Millionen Pflegebedürftige im Jahr 2030 errechnet. Im Jahr 2050 sind dann 4,50 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland möglich. Die Zahl der Pflegebedürftigen hätte sich bis dahin verdoppelt: der Anstieg läge also bei 100 %. (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2010, S. 30) Die hohe zu erwartende Zahl von Pflegebedürftigen macht die Relevanz der Arbeit deutlich.
„In der Langzeitpflege kommt dem Anforderungsprofil an die Pflege eine spezielle Bedeutung zu. Dieses sollte trotz der zu erwartenden Hilfebedürftigkeit ein selbstwirksames und handlungsfähiges Dasein ermöglichen“ (Bettig, Frommelt, Roes, Schmidt & Thiele, 2015, S.2). Schmidt führt dazu aus, dass anders als in der akuten Krisenbewältigung es in der Langzeitpflege sinnvoll ist, für die Pflegenden nicht nur zu handeln, sondern auch die Patienten dahingehend einzubeziehen, wie die Pflege sein soll (2015, S.5) Hier ist es von besonderem Interesse Pflegemodelle zu betrachten, die kognitive Einschränkungen berücksichtigen. Wenn jemand körperliche Einschränkungen im Alter erfährt, aber über alle seine geistigen Fähigkeiten verfügt, sollte er sich selbstbestimmt mit seiner neuen Situation auseinandersetzen können. Personen, die im Alter neben den körperlichen auch kognitive Einschränkungen haben, sei es aus schon vorher bestehenden psychiatrischen Erkrankungen, oder mit dem Beginn einer dementiellen Erkrankung, sind besonders darauf angewiesen, dass ihr Wunsch nach Selbstbestimmung und ihre Bedürfnisse von den Pflegepersonen erkannt und respektiert werden. In seinem Grundlagenwerk über gerontopsychiatrische Pflege betont Noelle (2015, S.19), dass die professionelle Pflege einen assoziativen Ansatz benötigt, die Einbeziehung sämtlicher Einflussfaktoren auf die konkrete Pflegesituation unter Einbeziehung der Biografie.
Daher widmet sich diese Arbeit im Besonderen den Ansprüchen der Generation X in der gerontopsychiatrischen Pflege. Vor diesem Hintergrund hat die Verfasserin zwei Pflegemodelle aus diesem Bereich ausgewählt an denen exemplarisch die Fragestellung der Arbeit beantwortet werden soll.
Der vielfältige Gebrauch des Wortes Generation und die sozialpolitischen Diskussionen zur Generationenfrage unterstreicht die Aktualität des Themas (Höpflinger, 1999, S.3). Dazu ist es nötig den Begriff der Generation zunächst theoretisch zu betrachten und klarzustellen, welche Art von Generation in dieser Arbeit betrachtet werden soll.
Danach wird die Verfasserin eine Übersicht über die aktuell präsenten Generationen geben und deren Hauptmerkmale herausstellen. Es schließt sich eine ausführliche Beschreibung der Generation X an, wie sie international gesehen wird, insbesondere jedoch eine Darstellung der Generation Golf und der Dritten Generation Ost, die eine besondere Bedeutung in Deutschland haben und Teil der Generation X sind.
In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe dargelegt. Nach einem kurzen Exkurs zu Pflegemodellen im Allgemeinen wird zunächst beschrieben, was ein Pflegemodell ausmacht, anschließend Überlegungen zur Fragestellung veranschaulicht und zwei spezifische Pflegemodelle vorgestellt. Diese werden genauer veranschaulicht, da sie im Laufe der Arbeit für die Beantwortung der Fragestellung der Arbeit herangezogen werden.
Nachfolgend schließt sich die Auseinandersetzung mit der Theorie zur Generationenbildung an. Im Weiteren wird definiert, was eine Generation ausmacht und welche Generationen derzeit in der Gesellschaft bestimmend sind. Es werden auch die verschiedenen Bezeichnungen der Generation X erklärt und eingeordnet. Vor diesem Hintergrund werden die aktuell bedeutsamen Generationen vorgestellt, um danach die Spezifika der Generation X herauszuarbeiten und zu präsentieren.
Ein Pflegemodell gibt Metaparadigmen vor, welche die zentralen Phänomene der Pflege und ihre Beziehung untereinander widerspiegeln. Ein Pflegemodell beschäftigt sich immer mit der zu pflegenden Person, ihrer Umwelt, ihrer Gesundheit oder Krankheit und mit den sich daraus ergebenden Pflegehandlungen. Diese theoretische Basis gibt vor, wie Umfang der Pflege aussehen soll, welcher Zweck mit den Pflegehandlungen erreicht werden soll und welche Werte und Haltung sich dahinter verbergen. Anhand der vorgegebenen Struktur eines Modells ist es möglich, die Wirkung der Pflege zu evaluieren.
„Ein Pflegemodell ist eine vereinfachte, schematische, symbolische oder sprachliche Darstellung der Pflege, die in abstrakter Form wesentliche Aspekte der Pflege und Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten wiedergibt.“ (Sauter, Abderhalden, Needham & Wolff, S.61)
Eine solche pflegetheoretische Grundlage gibt den Rahmen für die tägliche Arbeit vor. Daraus ergibt sich oft das Leitbild einer Einrichtung, es ist richtungsweisend für einen eventuellen pflegefachlichen Schwerpunkt. Die dabei in der Praxis entstehende Systematik ermöglicht eine strukturierte und einheitliche Pflegehandlung.
In seinem Werk über die Generation Golf (Teil der Generation X) wird von Florian Illies (2002, S.185) selbstkritisch angeführt, dass die betreffende Generation eine Generation sein wird, für die das Älterwerden zur Katastrophe wird, da sie sich viel darauf einbildet, jung zu sein. Deshalb stellt sich die Frage, ob den generationsspezifischen Aspekte für die zu untersuchende Generation X in heute angewendeten Pflegemodellen Beachtung eingeräumt werden kann. Dazu hat die Verfasserin zwei Pflegemodelle ausgewählt, um diese auf generationenspezifische Aspekte hin zu überprüfen. Die Auswahl der Pflegemodelle wurde neben der Tatsache, dass sie neueren Datums sind, von den eingangs beschriebenen Gedanken zur gerontopsychiatrischen Pflege bestimmt.
Das Pflegemodell nach Böhm ist ein Modell, welches insbesondere Menschen mit Demenz und ihre Biographie berücksichtigt. Böhm macht Aussagen dazu, wie in der Pflege mit Prägungen aus dem Lebenslauf umzugehen ist und hat die möglichen kognitiven Einschränkungen im Blick. Sein Modell bezieht sich auf die letzte Lebenszeit bis zum Tod. Da davon auszugehen ist, dass ein Teil der alternden Generation X auch von Demenz betroffen sein wird, erscheint es sinnvoll bei der Beantwortung der Fragestellung dieser Arbeit, sich mit einem speziellen Modell für Demenzerkrankte auseinanderzusetzen.
Erwin Böhm, geboren 1940 in Wien, ist ausgebildeter Krankenpfleger für Psychiatrie und arbeitete häufig auf gerontopsychiatrischen Stationen. Im Rahmen seiner Tätigkeit brachte er Patienten aus dem stationären Setting in ihre häusliche Umgebung zurück. Daraus entwickelte er ein Übergangspflegemodell und etablierte dann das psychobiographische Pflegemodell nach Erwin Böhm. Es basiert darauf, verschüttete Fähigkeiten der Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen zu reaktivieren. Sein Ziel ist es, immer die Lebensqualität von Patienten zu steigern, sowie Rückzug von Patienten zu verhindern. Böhm betrachtet Krankheit als seelisches Problem, welches in der jeweiligen Thymopsyche1, Noopsyche2 und Biographie des Menschen seinen Ursprung hat (Böhm, 2004, S. 32). Dabei legt er Wert auf die Faktoren, die einen Menschen in seinem Leben geprägt haben. Durch hermeneutisches Vorgehen werden die psychosozialen Bedürfnisse der Menschen mit demenziellen Beeinträchtigungen erfasst, um eine bedürfnisorientierte Pflege zu erreichen. Er bezieht ein, dass ein Sozialisationsprozess in jedem Zeitgeist und in jeder Schicht anders verläuft und stellt seinen Überlegungen voran, dass sie alle 15 Jahre überarbeitet werden müssen. (Böhm, 2004, S.180).
Böhm benennt in seinem Modell 7 Interaktionsstufen, in denen ein Mensch sich entwickelt und er geht davon aus, dass das Altern regredierend ist. Je nach Ausprägung der Regression fällt der Mensch in eine frühere Entwicklungsstufe zurück. Es folgt ein kurzer Überblick über die 7 Interaktionsstufen:
Stufe 1: Resozialisation
In dieser Stufe ist ein Mensch in der Lage sich an seine Umwelt anzupassen, im Sinne eines lebenslangen Lernens. Normen und Regeln spielen eine große Rolle, die Prägung erfolgt durch Eltern, Schule und Beruf. Können Menschen auf dieser Stufe erreicht werden, sollten sie keine kognitiven Einschränkungen haben. Erwachsenen-Stufe; kognitives Gespräch ist möglich; Milieu, Familie und nähere Umgebung sind von Bedeutung; Betroffene sind verbal mittels aktivierender Pflege erreichbar.
Stufe 2: Mutterwitz
Laut Böhm entspricht diese Entwicklungsstufe der Jugendzeit, man hat eine gemeinsame Sprache, Humor und kulturelle Einflüsse sind hier wichtig. Reden im Dialekt und Humor; Betroffene sind verbal mittels aktivierender Pflege erreichbar
Stufe 3: seelische und soziale Grundbedürfnisse
Ab der 3. Stufe ist es für Böhm zwingend, sich mit der persönlichen Biographie auseinanderzusetzen, da die Regression in diesen Entwicklungsstufe schon in die tieferen Erinnerungsschichten reicht. Es ist wichtig Bedürfnisse zu erkennen, um eine Verschlechterung zu vermeiden. Grundbedürfnisse wie Essen und Schlafen spielen eine zentrale Rolle. Auch reaktive Bedürfnisse müssen beachtet und erfüllt werden. individuelle Bedürfnisse bzw. deren (Nicht-)Befriedigung sind wichtig.
Stufe 4: Prägung
Durch gemeinsam erlernte und sich wiederholende Verhaltensweisen entstehen Rituale, die den Menschen Sicherheit geben. Sicherheitsgebende Rituale und individuelle Eigenarten stehen im Vordergrund der Pflege.
Stufe 5: Höhere Antriebe
In dieser Stufe wird der Pflegebedürftige von seinen Trieben gesteuert, sowohl von den leiblichen, wie Durst oder Müdigkeit, als auch von den seelischen Trieben wie Pflichterfüllung oder Macht. Triebe, Tagträume und Phantasien sind Antriebskräfte des Betroffenen.
Stufe 6: Intuition
Hier geht Böhm davon aus, dass der Mensch sich bereits in der mittleren Stufe der Demenz befindet. Für ihn entspricht das der Stufe eines Kleinkindes, wo Märchen, Bilder und Glauben eine große Rolle spielen. Stufe des Säuglings zum Kleinkind; Märchen, Aberglaube, religiöse Bilder spielen eine wichtige Rolle.
Stufe 7: Urkommunikation
In dieser Stufe funktioniert die Kontaktaufnahme zu den Pflegebedürftigen vor allem nonverbal und mit Körperkontakt. Die emotionale Erreichbarkeit gestaltet sich laut Böhm wie die bei einem Säugling Stufe des Säuglings; emotionale Erreichbarkeit und körperliche Möglichkeiten sind auf die Stufe des Säuglings abzustimmen. (Böhm, 2004, S. 180ff).
Um die Menschen in der jeweiligen Stufe richtig zu verstehen und zu pflegen, ist daher die Biographie für Böhm in diesem Modell die Grundlage aller Handlungen. Daraus wird die Interaktionsstufe bestimmt, auf der sich der zu Pflegende befindet. Durch das Sprechen über die Biographie werden emotionale Resonanzen ausgelöst, die die Pflegenden benutzen, um zu interpretieren, was der Mensch benötigt. Anhand der ermittelten Interaktionsstufen werden die pflegerischen Impulse ausgewählt, um weitere Regressionen zu vermeiden. Bei leichten Verhaltensstörungen setzt er auf das Trainingsmodell des Lernens und die Gerontopsychotherapie, sowie die Verhaltensanalyse. In den weiteren Erreichbarkeitsstufen setzt er unter anderem auf die Milieutherapie, klassische Konditionierung, positive Verstärkung und realitätsorientiertes Training (Stufe 3 bis 5). Bei schweren Verhaltensstörungen, die sich in den Erreichbarkeitsstufen 6 und 7 zeigen setzt er erneut auf Milieutherapie, verhaltenstherapeutische Interventionen und Urkommunikation. Böhm nennt die Pflegeinterventionen Impulse. Er begründet das in seinem Arbeitsbuch mit der Reversibilitätstheorie seines Modells und mit der thymopsychischen Biografie, die er als Grundlage für die Auswahl eines Impulses sieht. Er will die Selbständigkeit der Patienten fördern, sagt aber, dass die Pflegenden die Reize dafür installieren müssen (Böhm, 2002, s.165ff). Die Auswahl der Reize, die angemessen sind, werden entweder aus der singulären Biografie heraus gewählt oder aus der kausalen Literatur für Gerontologie bezogen (Böhm 2002, S. 173). Die Umsetzung des Konzeptes stellt hohe Anforderungen an die Pflegeperson (u. a. Reflexionsfähigkeit, soziale Kompetenz) und an die Einrichtung (räumliche Voraussetzungen).
Das zweite von der Verfasserin ausgewählte Modell ist das Gezeitenmodell nach Phil Barker. Phil Barker ist Krankenpfleger, Psychotherapeut und einer von Großbritanniens ersten Lehrstuhlinhabern für psychiatrische Pflege. Er entwickelte zwischen1995 und 1998 mit seinem Kollegen Chris Stevenson das Gezeitenmodell (Barker, Buchanan-Barker, Zuaboni, Burr, & Schulz 2013, S.153). Die erste Publikation erfolgte dann 2001. Das Gezeitenmodell ist ein Modell, welches nicht auf ein bestimmtes Setting oder eine konkrete Lebensphase zugeschnitten ist. Barker begründet das, indem er darauf verweist, dass in jedem Setting der Zweck der Pflege aus seiner Sicht derselbe bleibt, nämlich Probleme zu identifizieren, die die Quelle des Leidens darstellen und diese gemeinsam mit professionellen Helfern, Familie und Freunden zu entdecken, und der Person zu helfen, sich damit zu arrangieren bzw. die Probleme zu beseitigen (Barker et al., 2013, S.32). Mit der beschriebenen Herangehensweise in diesem Modell leitet Barker einen Paradigmenwechsel ein – während in traditionellen Assessments die Pflegepersonen als Experten gelten, wird bei Barker die gepflegte Person zum Experten seiner Probleme und Bedürfnisse ( Barker et al., 2013, S.16, S.24, S.100).
Barker stellt den Recovery Gedanken in seinem Modell in den Focus, welcher mittlerweile zu einem Schlüsselbegriff in der sozialen Psychiatrie geworden ist. Recovery addiert zu der üblichen Haltung in der Pflege den Blickwinkel der Genesung. Barker baut dabei auf die Selbstbefähigung der Patienten, ihr Empowerment.
Empowerment bedeutet die Rückgewinnung vom Einfluss der Menschen auf ihr eigenes Leben, ihre Stärke die Machtlosigkeit gegenüber ihrer Krankheit zu überwinden und durch diese Emanzipation ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen. (Knuf, 2016, S.10) Damit wird jeder Mensch befähigt eigene Ideen zur Genesung zu entwickeln und die professionelle Pflege soll dazu ihren Beitrag leisten und den Patienten darin unterstützen. Das zentrale Element des Recoveryansatzes ist die Aufhebung einer dichotomisierten Wahrnehmung von Gesundheit und Krankheit. Kein Mensch ist nur gesund oder krank, die Realität zeichnet ein differenzierteres Bild (Knuf, 2016, S.15). Barker hat das Gezeitenmodell für Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen entwickelt, es ist aber auch ein Modell welches für Menschen mit somatischen Erkrankungen und den damit einhergehenden Krisen oder in anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung anwendbar ist (Barker et al., 2013, S.21). Barker spricht in seinem Modell nicht von Patienten sondern von Personen oder Menschen.
Die Werte des Gezeitenmodells können in den Zehn Verpflichtungen zusammengefasst werden:
1. Wertschätzen der persönlichen Stimme - die Geschichte der Person ist vorrangig, bezogen auf das Erleben des Leidens und der damit zusammenhängenden Probleme, sowie die Hoffnung auf deren Lösung.
2. Respektieren der Sprache - den Menschen erlauben, ihre eigene Sprache zu benutzen.
3. Zum Lehrling werden – der hilfebedürftige Mensch ist Experte seiner Geschichte und der Pflegende lernt von ihm was getan werden muss.
4. Die verfügbaren Mittel und Wege nutzen – der Pflegende hilft der Person wahrzunehmen, wie Recovery aufgebaut werden kann.
5. Den nächsten Schritt gestalten – Pflegende und Person decken gemeinsam auf welche Macht Veränderung hat und beraten was jetzt getan werden muss um das angestrebte Ziel zu erreichen.
6. Zeit schenken – die gemeinsam verbrachte Zeit ist der Grundstein für den Wandlungsprozess.
7. Ehrliche Neugier entwickeln - Pflegende müssen echtes Interesse an der Geschichte der Person entwickeln, um besser verstehen zu können.
8. Kontinuierliche Veränderung – das Grundprinzip des Gezeitenmodells basiert auf kontinuierlichem Wandel. Die Pflegenden helfen dem Menschen diesen Wandel zu entdecken und zu beeinflussen, damit er auf den Weg der Genesung zurückfindet.
9. Enthüllen von persönlichen Lebensweisheiten - der Pflegende und die Person erarbeiten zusammen einen Vorrat an Lebensweisheiten, indem die persönliche Geschichte geschrieben wird, um persönliche Stärken und Schwächen zu identifizieren und eine Wertschätzung für die Person zu entwickeln.
10. Transparent sein - Zeit ist die Hebamme der Veränderung. Die Frage, die gestellt werden sollte, lautet: "Wie nutzen wir diese Zeit?" ( Barker et al., 2013, S. 49ff).
Im Gezeitenmodell ist die Dimension, der Ort, an dem eine Person lebt, in drei Bereiche unterteilt, das Selbst, die Welt und die Anderen.
Im Selbst erlebt die Person Gefühle, Überzeugungen, Ideen. Dieser Teil der Person ist sehr privat und dort ist ein Schwerpunkt der Pflegenden, die Person in ihren Gefühlen zu bestärken, sich sicher zu fühlen, eine Brücke in die Welt der anderen Menschen zu schlagen.
Die Welt ist der Teil der Person, wo die Erfahrungen aus dem Selbst mit anderen Menschen geteilt werden. In dem Moment, wo eine Person ihre Gefühle oder Überzeugungen mit anderen bespricht, begibt sie sich in die Welt. Hier setzen die Pflegenden an, um im Alltag Lebensprobleme zu ermitteln und zu lösen.
Das Andere ist der Bereich der Person, in dem sie interagiert, arbeitet, beeinflusst wird und andere beeinflussen kann. Die Pflegenden unterstützen die Person in diesem Bereich durch die professionelle Arbeit zum Beispiel in Gruppen, durch die Vermittlung von sozialer Unterstützung, die genommen aber auch gegeben werden kann (Barker et al., 2013, S.63ff).
Die professionelle Pflege im Gezeitenmodell ist interaktiv und auf Entwicklung bezogen. Das Leiden der Person ist nur ihr selbst bekannt und kommt ggf. in störendem Verhalten an die Öffentlichkeit. Die Pflegenden richten ihr Augenmerk darauf, wie die Person Krankheit oder Gesundheit erlebt und verarbeitet. Die Pflegenden stehen mit den Personen in einer Beziehung, die es ermöglichen soll, Zugang zu diesen sehr privaten Ereignissen zu finden, mit dem Bestreben Lösungen zu finden.
In diesem Kapitel werden die theoretischen Hintergründe zu dem Begriff Generation dargelegt. Der Begriff wird von verschiedenen Seiten aus betrachtet und leitet über zu der Definition und Betrachtungsweise von Generationen, die zur Beantwortung der Fragestellung geeignet scheint.
Das größte deutsche Markforschungsinstitut GFK3 beschreibt eine Generation als eine Anzahl von Menschen eines bestimmten Lebensalters. Sie haben die Gemeinsamkeit, in einem bestimmten zeitlichen Korridor von Jahren zur Welt gekommen zu sein. Bei einer willkürlichen und engen Abgrenzung der Geburtsjahrgänge, spricht man eher von Geburtskohorten. Zu einer Generation werden sie erst, wenn die Geburtsjahrgänge einen größeren Zeitraum umfassen (Generationslagerung) und für die Geburtsjahrgänge etwas gemeinsam Prägendes angenommen werden kann (Generationszusammenhang) (Kecskes, 2012, S.5).
Es ist schwer den Begriff Generationen in all seinen Dimensionen zu erfassen.
In einer aktuellen Abhandlung über Generationen führt Becker (2008, S.217f) aus dass das Wort „Generation“ im Alltag meist ohne weiteres begriffen wird. Der Kontext, in dem es gebraucht wird, verdeutlicht das Wort ausreichend. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen wird dem Wort oft Undeutlichkeit vorgeworfen. Er behauptet, dass dieses „Generationenparadoxon“ bei differenzierter Benutzung der Begriffe verschwindet.
Was verbirgt sich hinter dem Begriff Generation? In einem grundlegenden Werk zu Generationenbeziehungen in Familie und Gesellschaft schlagen Lüscher und Liegle (2003, S.59f) ein Raster von vier Basisdefinitionen vor:
Basisdefinition 1: Das Konzept der Generation charakterisiert kollektive oder individuelle
Akteure hinsichtlich ihrer sozialzeitlichen Positionierung in einer Gesellschaft, einem
Staat, einer sozialen Organisation oder einer Familie und schreibt ihnen eine spezifische Identität (Generationenidentität) zu.
Basisdefinition 2: Das Konzept der Generationendifferenz beinhaltet, sich von Angehörigen anderer Generationen in Bezug auf prägende Erfahrungen in Fühlen, Denken, Wissen und Handeln zu unterscheiden.
Basisdefinition 3: Das Konzept der Generationenbeziehungen bezeichnet wechselseitige
Prozesse der Orientierung, der Beeinflussung, des Austauschs und des Lernens zwischen den Angehörigen von zwei und mehr Generationen (intergenerationelle Beziehung) oder auch innerhalb einer Generation (intragenerationelle Beziehung).
Basisdefinition 4: Das Konzept der Generationenordnung bezeichnet die Gesamtheit der bestehenden Regelungen für Bräuche, Sitte und Recht, die in einer Gesellschaft und in ihren Teilbereichen die Logik der Generationenbeziehungen umschreiben
„Das parallele Erleben von Geschichte, die als vergleichbar empfundene biografische Erfahrungsschichtung sowie die Phantasie, einen gemeinsamen (zeitlichen) Ursprung zu haben – solche Zusammenhänge sind für das Verstehen generationeller Vergemeinschaftungen von grundlegender Bedeutung“ (Jureit, 2010, S.2). Mannheim hat bereits 1928 in seiner Abhandlung über Generationen die Generationenlagerung beschrieben, die er im konkreten räumlich-zeitgeschichtlichen Lebensraum ansiedelt. Darin sieht er den Generationszusammenhang derjenigen annähernd Gleichaltrigen, die durch einen gemeinsamen Horizont verbunden sind. So kristallisieren sich nach Mannheim Generationseinheiten heraus, die Erlebnisgemeinschaften bilden, die sich historisch, politisch, kulturell, sozusagen als kollektive Akteure bemerkbar machen. (Mannheim, 2017, S.91ff)
Der Begriff der Generation kann also in biologischem Sinne betrachtet werden, als Geburtenfolge in einer Familie von Kindern zu Eltern, zu Großeltern. Eine weitere Deutung ist die pädagogische, sie bezeichnet wechselseitige Prozesse der Orientierung, der Beeinflussung, des Austauschs und des Lernens zwischen den Angehörigen von Generationen und innerhalb einer Generation, eine zusätzliche Deutung ist die abgrenzende Generationendifferenz. Die für diese Arbeit relevante Betrachtung des Begriffes Generation ist jedoch eine soziologische im Sinne Karl Mannheims. Diese beschreibt eine Menschenkohorte einer gleichen Altersstufe mit ähnlichen Erlebnissen und Lebensauffassungen, die ebenfalls im historischen Kontext betrachtet wird.
Die einführend gestellte Frage, was eine Generation sei, kann mit weiteren Ermittlungen veranschaulicht werden:
„ ´Wie versteht sich eine Generation als eine solche?´, ´Warum kann sie sich so verstehen?´, ´Wie können wir eine Generation als eine solche verstehen?´, … bemisst sich an unterschiedlichen Befunden und Kriterien in diesen Erklärungs- und Verwendungszusammenhängen“ (Hermann, 2006, S.26).
Oertel (2014, S.29) führt das präziser aus, indem sie erklärt, dass ein Großteil der Bevölkerung bestimmte Lebensphasen in einer bestimmten Reihenfolge durchläuft. Typischerweise werden diese Lebensphasen von eigenen Bedürfnissen charakterisiert und durch wichtige Ereignisse wie Schulstart oder Hochzeit eingeleitet. So werden mit diesen Erklärungsansätzen die Grundhaltungen der einzelnen Generationen und ihre speziellen Bedürfnisse typisiert. Dabei kann eine Typisierung die Besonderheiten des Individuums nicht vollständig erfassen. Die Prägung von Generationen erfolgt durch das gleichzeitige Erleben und Handeln in Kindheit und Jugend in ihrem sozio-kulturellen Umfeld. Bestimmend sind außerdem wichtige Ereignisse, die aus allen Bereichen der Gesellschaft stammen können, wie zum Beispiel aus Politik, Wirtschaft oder Kultur. Es muss genauer differenziert werden, was unter Verhaltensweisen, Fähigkeiten, Wertesystemen und Bedürfnissen zu verstehen ist. Differenziert werden von Oertel (S.29f) beispielsweise das Äußere, die Umgangsformen, die Art der Sprache, Vorlieben und Arbeitstugenden, sowie Wertesysteme und Erwartungen und Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten.
Das macht es notwendig, sich die aktuell vorhandenen soziokulturellen beschriebenen Generationen näher anzusehen, diese miteinander zu vergleichen und daraus die besonderen Werte und Haltungen der für die Fragestellung der Arbeit thematisierten Generation X zu ermitteln. Der Vergleich der Generation X zu den angrenzenden anderen Generationen ist notwendig, um Veränderungen markanter herauszuarbeiten. Es sind daher folgende Generationen für einen Überblick von Interesse:
[...]
1 Thymopsyche: „Jener Anteil der der Seele, die vorwiegend mit Gefühlen zu tun hat.“(Böhm, 2004, S.278)
2 Noopsyche: „Rationaler, kognitiver Anteil unserer Seele, daher auch alle Gedächtnisleistungen. Vorwiegender Therapiefundus der Therapeuten und Pädagogen in der Geriatrie.“ (Böhm, 2004, S.272)
3 GfK-Nürnberg, Gesellschaft für Konsum-, Markt- und Absatzforschung e.V.