Wissenschaftlicher Aufsatz, 2009
6 Seiten, Note: 1,1
Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot[1]
Das strafrechtliche Analogieverbot ist verletzt, wenn § 113 Abs. 2 Nr. 1 StGB dahingehend ausgelegt wird, dass ein Pkw eine „Waffe“ im Sinne dieser Vorschrift darstellt.
Art. 103 Abs. 2 GG enthält einen strengen Gesetzesvorbehalt,[2] der dem Rechtsanwender nicht nur die Analogie, sondern auch eine über den möglichen Wortsinn hinausreichende Interpretation verbietet. Dies gilt auch für strafschärfende Vorschriften.[3]
Der allgemeine Sprachgebrauch versteht unter Waffen Gegenstände, deren primäre Zweckbestimmung im Angriff oder in der Verteidigung liegt.
Zum Sachverhalt:
Der leicht alkoholisierte Bf. wurde wegen zu schnellen, die Vorfahrt nicht beachtenden Fahrens von Polizeibeamten angehalten und kontrolliert. Als einer der Beamten durch das geöffnete Fenster seines Fahrzeugs griff, startete er, um seine Festnahme zu verhindern. Der Beamte wurde eine Wegstrecke mitgeschleppt, ehe er sich von dem Fahrzeug lösen konnte. Das AG hat das Kraftfahrzeug als Waffe im untechnischen Sinne bewertet und den Bf. u. a. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB verurteilt. Berufung und Revision, mit der der Bf. die Verletzung des strafrechtlichen Analogieverbots ausdrücklich beanstandet hatte, blieben erfolglos. Die Verfassungsbeschwerde führte zur Aufhebung der Revisionsentscheidung.
[...]
[1] BVerfG 2. Kammer des 2. Senats , Beschluss vom 01.09.2008 - 2 BvR 2238/07 mit kritisch ablehnender Anmerkung von Simon, NStZ 2009, 86f - richtigerweise ist der Inhalt des Analogieverbots deshalb dahingehend klarzustellen, dass der Bürger bei fachsprachlich geprägten Begriffen einen Anspruch darauf hat, dass von einem eindeutigen juristischen Begriffsinhalt nicht zu seinen Lasten abgewichen werden darf. Die Kammer macht es sich insgesamt zu leicht, sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen des Analogieverbots als auch in der Darstellung des strafrechtlichen Waffenbegriffs und seiner historischen Entwicklung. Für die Harmonisierung von Rechtsbegriffen ist das BVerfG nicht zuständig, so wünschenswert dies angesichts eines Gesetzgebers, dem die Pflege seiner Kodifikationen nicht am Herzen liegt, auch erscheinen mag. Weiterführende und vertiefende Hinweise von Prof. Dr. Dr. Siegfried Schwab, Mag. rer. publ. unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirtin (BA) Silke Schwab.
[2] Gesetzesvorbehalt bedeutet, dass die Strafbarkeit eines Verhaltens und die mögliche Strafe in einem Gesetz geregelt sein muss, wobei ein Gesetz i.S.d Art 103 Abs 2 GG grundsätzlich ein Parlamentsgesetz ( Parlamentsvorbehalt) bedeutet, Radtke, in Epping, u. a., Beckscher Online Kommentar, Art. 103 RN 23.
[3] Mit der strengen Bindung der strafenden Staatsgewalt an das Gesetz gewährt das Bestimmtheitsgebot Rechtssicherheit und schützt zur Wahrung ihrer Freiheitsrechte das Vertrauen der Bürger, dass der Staat nur dasjenige Verhalten als strafbare Handlung verfolgt und bestraft, das zum Zeitpunkt der Tat gesetzlich bestimmt war, BVerfGE 95, 96 [130ff.] = NJW 1997, 929. Art. 103 Abs. 2 GG sorgt zugleich dafür, dass im Bereich des Strafrechts mit seinen weit reichenden Folgen für den Einzelnen nur der Gesetzgeber abstrakt-generell über die Strafbarkeit entscheidet, BVerfGE 75, 329 [341] = NJW 1987, 3175. Als Bestrafung i.S.d. Art 103 Abs 2 GG ist jede staatliche Maßnahme anzusehen, die eine „missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein schuldhaftes Verhalten“ darstellt, BVerfGE 26, 186, 204. Strafe als missbilligende hoheitliche Reaktion auf schuldhaftes kriminelles Unrecht muss in Art und Maß durch den parlamentarischen Gesetzgeber normativ bestimmt werden, die für eine Zuwiderhandlung gegen eine Strafnorm drohende Sanktion muss für den Normadressaten vorhersehbar sein. Hinsichtlich des Maßes der in Frage kommenden Strafe hat der Gesetzgeber einen Strafrahmen zu bestimmen, dem sich grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe ebenso wie eine Sanktionsobergrenze entnehmen lassen, BVerfG, Urteil vom 20.03.2002 - 2 BvR 794/95, NJW 2002, 1779. Keine Strafe in diesem Sinne sind Maßregeln der Besserung und Sicherung nach den §§ 61 StGB ff. Dies folgt aus der Zweigliedrigkeit des deutschen Sanktionssystems ergibt, das zwischen Strafen einerseits und Maßregeln andererseits, Radtke, in Epping, u. a. Beckscher Online Kommentar, Art 103 RN 20.
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