Masterarbeit, 2023
122 Seiten, Note: 1,8
1.1 Historische Betrachtung des Immobilienmarkts
1.2 Relevanz und Problemstellung des Themas
1.3 Zielsetzung der Untersuchung
1.5 Vorgehensweise der Untersuchung
2.2.3 Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft
2.3 Immobilienzertifikate zur Bewertung nachhaltiger Immobilien
2.4 Bedeutung in der Gesellschaft
3. Politische und gesetzliche Rahmenbedingungen
3.2 Maßnahmen auf europäischer Ebene
3.3 Nationale Nachhaltigkeitsmaßnahmen
3.3.2 Klimapolitik und regulatorischer Trend
3.3.3 Branchenstandards der Immobilienwirtschaft
4. Geschäftsmodelle zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien
4.1 Digitalisierung der Gebäude
4.2 Alternative Bauverfahren
4.2.1 Modularer bzw. serieller Bau
4.2.1.1 Vorteile
4.2.1.2 Nachteile
4.2.1.3 Fazit
4.2.2 Additive Fertigungsverfahren
4.2.2.1 Vorteile
4.2.2.2 Nachteile
4.2.2.3 Fazit
4.3 Kreislaufwirtschaft
4.4 Energie- und Wärmeversorgung
4.4.1 Regenerative Energieträger
4.4.2 Senkung des Energieverbrauchs
5. Anreizmechanismen zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien
5.1 Staatliche Subventionen
5.1.1 KfW-Förderung im Überblick
5.1.2 Sanierung zum KfW-Effizienzhaus
5.2 Steuerliche Gestaltungsinstrumente
5.2.1 Status Quo und potenzielle Ansatzpunkte
5.2.2 Erhöhte AfA für energetische Maßnahmen
5.2.2.1 Auslegung der energetischen Maßnahme
5.2.2.2 Steuerliche Abschreibungsfähigkeit
5.2.2.3 Zusammenfassung
5.3 Risikotransfer durch Versicherungen
5.3.1 Rolle von Versicherungsunternehmen
5.3.2 Anknüpfungspunkte
5.3.3 Nachhaltige Versicherungslösungen
6. Schluss
6.1 Fazit
6.2 Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Rechtsprechungsverzeichnis
Verzeichnis der Richtlinien und Weisungen
Rechtsquellenverzeichnis
Sonstiges Verzeichnis
Abbildung 1: Anstieg der CO2-Emissionen seit dem Mittelalter
Abbildung 2: Weltweite Klimaklagen
Abbildung 3: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Abbildung 4: Dimensionen der Nachhaltigkeit
Abbildung 5: Sustainable Development Goals
Abbildung 6: Schlüsseltechnologien in Bauen 4.0
Abbildung 7: Vorteile eines digitalen Zwillings
Abbildung 8: BIM im Gebäudelebenszyklus
Abbildung 9: Additive Fertigung im Betonbau
Abbildung 10: Kosteneffizienz der additiven Fertigung
Abbildung 11: Kreislaufwirtschaft im Immobiliensektor
Abbildung 12: Unterscheidung von Energieträgern
Abbildung 13: Arten der Wasserstofferzeugung
Abbildung 14: Energieflussbild
Abbildung 15: Energieeffizienzpyramide
Abbildung 16: Monetäre Anreize im Lebenszyklus eines Gebäudes
Abbildung 17: Steuerliche Ansatzpunkte
Abbildung 18: Arten der Abschreibung
Abbildung 19: Darstellung AfA für energetische Maßnahmen
Tabelle 1: Begriffsbestimmung von Gebäuden mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitsausprägungen
Tabelle 2: KfW-Förderung effizienter Sanierungen
Tabelle 3: Zeitliche Staffelung der Steuerermäßigung nach § 35c EStG
AfA Absetzung für Abnutzung
BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
BEG Bundesförderung für effiziente Gebäude
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BFH Bundesfinanzhof
BFH/NV Bundesfinanzhof / nicht veröffentlicht
BFT Zeitschrift für Betonwerk, Fertigteil-Technik
bifne Bayerisches Institut für nachhaltige Entwicklung
BIM Building Information Modeling
BIP Bruttoinlandsprodukt
BKR Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht
BMF Bundesministerium für Finanzen
BMWK Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
BRE Building Research Establishment
BREEAM BRE Environmental Assessment Method
BStBl. Bundessteuerblatt
BVerfG Bundesverfassungsgericht
BVerfGE Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
BWK Fachzeitschrift des Bundes der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau
CEN Europäisches Komitee für Normung
COD Ordinary legislative procedure
DAB Deutsches Architektenblatt
DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen / Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen
DBZ Deutsche BauZeitschrift
EE-Klasse Erneuerbare-Energien-Klasse
EH Effizienzhaus
EIOPA European Insurance and Occupational Pension Authority
ESG Environment, Social, Governance
ESGZ ESG Zeitschrift
EStÄR Einkommensteuer-Änderungsrichtlinie
EStG Einkommensteuergesetz
EStH Einkommensteuerhinweis
EStR Einkommensteuerrichtlinien
EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
EWeRK Zeitschrift für Energie- und Wettbewerbsrecht in der
Kommunalen Wirtschaft
EY Ernst & Young Global Limited
FDP Freie Demokratische Partei
GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.
GEG Gebäudeenergiegesetz
GG Grundgesetz
gGmbH gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GGO Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
GMBl. Gemeinsames Ministerialblatt
GWF Zeitschrift Gas und Wasserfach
H. Hinweis
h. M. herrschende Meinung
ICG Institut für Corporate Governance in der Deutschen Immbilienwirtschaft e.V.
IEA International Energy Agency
Ifo-Institut Information und Forschung Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.
IW Institut der deutschen Wirtschaft
IZ Immobilienzeitung
i. V. m. in Verbindung mit
JStG Jahressteuergesetz
KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau
KIT Karlsruher Institut für Technologie
KlimR Klima und Recht
KSG Klimaschutzgesetz
LEED Leadership in Energy and Environmental Design
LkSG Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
NJW Neue Juristische Wochenschrift
NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OLG Oberlandesgericht
ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft
o. S. ohne Seite
ppm parts per million
R. Richtlinie
Rn. Randnummer
S. Seite / Satz
SDG Sustainable Development Goals
SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands
u. und
UNCED United Nations Conference on Environment and Development
USGBC United States Green Building Council
UStG Umsatzsteuergesetz
v. vom
vs. versus
VDI Verein Deutscher Ingenieure
VW Zeitschrift Versicherungswirtschaft
WPB Worst Performing Building
WCED World Commission on Environment and Development
ZfE Zeitschrift für Energiewirtschaft
ZfV Zeitschrift für Versicherungswesen
ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V.
In die Thematik der Geschäftsmodelle und Anreizmechanismen zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien wird im Folgenden durch eine Betrachtung der historischen Veränderung des Immobilienmarkts und die daraus resultierende Relevanz und Problemstellung eingeleitet. Im Anschluss werden die Zielsetzung, Methodik und die Gangart der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit erläutert.
Ein wesentlicher Parameter zur Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung der Immobilienwirtschaft in Deutschland sind die Immobilienpreise. Das Statistische Bundesamt veröffentlicht hierzu den regelmäßig aktualisierten Häuserpreisindex. Die prozentuale Veränderung der Immobilienpreise erfolgt im Vergleich zum Basisjahr 2015. In Bezug auf die Rückschau der letzten 20 Jahre gibt es faktisch zwei Erkenntnisse. Zum einen sind die Immobilienpreise im Zeitraum von 2000 bis 2010 nahezu stagniert. Zum anderen ist ein deutlicher Preisanstieg ab 2010 zu erkennen. Dabei sticht besonders der signifikante Anstieg ab 2015 ins Auge, der sich zum 2. Quartal 2022 auf 67,3 %[1] beziffern lässt.[2]
Eine Vielzahl an unterschiedlichen Aspekten kann bei der Erhöhung der Immobilienpreise angeführt werden. So kann bspw. die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank in den letzten Jahren genannt werden. Durch Herabsenkung des Leitzinses haben auch Banken geringe Zinsen auf Sparanlagen und Kredite angeboten, wodurch die Nachfrage bei Immobilien angestiegen ist. Außerdem hat die Covid-19-Pandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zu erheblichen Schwierigkeiten in Form von sprunghaften Preisanstiegen von Rohstoffen sowie Lieferengpässen geführt. Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass die Kosten für einige Baumaterialien deutlich angestiegen sind. So ist bspw. bei Konstruktionsvollholz im Mai 2021 eine Verteuerung von 83,3 % gegenüber dem Vorjahresmonat zu verzeichnen.[3]
Neben den Immobilienpreisen sind auch die Bauinvestitionen ein wesentlicher Faktor in Bezug auf die ökonomische Entwicklung. In der Grafik im Anhang II wird die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Deutschlands in Form des Bruttoinlandsprodukts (BIP) den Bauinvestitionen gegenübergestellt. Während das BIP einen weitestgehend kontinuierlichen Anstieg verzeichnet, ist bei den Bauinvestitionen in der Zeit von 1999 bis 2009 ein erheblicher Einbruch erkennbar. Der seit 2009 beobachtbare positive Aufwärtstrend der Bauinvestitionen wurde wiederum durch die Covid-19-Pandemie und des Krieges in Europa beendet. So hat sich im Jahr 2022 die Auftragslage und damit zusammenhängend die Bauinvestitionen um fast 10 % verschlechtert.[4] Die nun feststellbare gegenläufige Entwicklung ist unter Betrachtung des Gebäudebestands in Deutschland kontraproduktiv, da selbst die Bauinvestitionen in Neubauten auf dem bisherigen Niveau nur einen marginalen Einfluss auf das Ziel der Klimaneutralität gehabt hätten. Bei der Durchführung der letzten Mikrozensus-Zusatzerhebung des Statistischen Bundesamtes zur Wohnsituation in Deutschland im Jahr 2018 konnte ermittelt werden, dass mehr als 40 % des gesamtdeutschen Wohnungsbestands zwischen 1949 und 1978 gebaut wurde. In den neuen Bundesländern sind sogar knapp 43 % der bestehenden Wohnungen vor dem Jahr 1948 errichtet worden.[5] Daher rechnet das Bundesumweltamt mit einer Anzahl von 75 %, der vor 1978 gebauten Wohnungen in Bezug auf den deutschlandweiten Immobilienbestand von ca. 40 Mio. Wohneinheiten.[6] Damit besteht enormer Handlungsbedarf im Hinblick auf die Energieeffizienz der Altbauten, da diese Gebäude in der Regel ohne konkrete Wärmeschutzmaßnahmen erbaut wurden.[7] In dem Hintergrundbericht des Umweltbundesamtes wurden Gebäudedaten der co2online gGmbH verwendet, um erste Aussagen über den Wirkungsgrad von Gebäudesanierungen auf den Heizenergieverbrauch zu treffen. Dabei konnte festgestellt werden, dass Gebäudegruppen mit Erbauung vor 1978, die vollständig saniert wurden, bis zu 52 % Heizenergie einsparen.[8]
Doch auch in puncto nachhaltiger Immobilienneubau konnten in den letzten Jahren einige Fortschritte verzeichnet werden. Es gab verschiedene nennenswerte Leuchtturmprojekte, die viel Potenzial als Anleitung für eine zukünftige und flächendeckende Bebauung bieten. Exemplarisch können Projekte wie „The Cradle“[9], „Quartier Sewanstraße Berlin“[10] und „Futurium Berlin“[11] genannt werden. Diese Projekte haben alle gemein, dass sie wegweisend für die Immobilienbranche sind und Vorbildcharakter für die künftige Stadtentwicklung aufweisen. Dabei beschäftigen sich diese mit verschiedenen Aspekten der Nachhaltigkeit. Angefangen von der Bauweise, über die innere Ausstattung bis hin zur Energieversorgung der Gebäude.
Neue Hitzerekorde, anhaltende Dürreperioden, Stürme und Überschwemmungen sind Beispiele von Extremwetterereignissen, die immer häufiger auftreten. Diese Phänomene werden von vielen Menschen weltweit als Zeichen des Klimawandels angesehen. Die Ursache für die Klimaerwärmung stellt die Steigerung der Treibhausgasemissionen dar. Die vorhandenen natürlichen Treibhausgase in der Atmosphäre behindern die Abstrahlung von Wärme auf der Erdoberfläche und reflektieren einen Teil davon. Dadurch wurde die globale Durchschnittstemperatur der Erdoberfläche von -18 °C auf +15 °C erhöht.[12] Diese Klimaveränderung kann auf natürliche Ursachen, wie bspw. Änderung der Leuchtkraft der Sonne oder die Veränderung der Erdumlaufbahn um die Sonne, zurückgeführt werden. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre über die letzten 800.000 Jahre immer wieder verändert hat. Über diesen Zeitraum belief sich der Schwankungsbereich der CO2-Konzentration zwischen 172 ppm und 316 ppm. Dabei entspricht ein ppm einem Molekül Kohlendioxid pro einer Million Moleküle trockener Luft.[13] Doch zeigt die nachfolgende Grafik, dass die CO2-Emissionen aufgrund der umfangreichen Verbrennung von fossilen Energieträgern seit Beginn der Industrialisierung um 1850 exorbitant angestiegen sind. Im Jahr 2021 konnte bereits ein Wert in Höhe von 417 ppm gemessen werden.[14]
Abbildung 1: Anstieg der CO2-Emissionen seit dem Mittelalter
Quelle: 2 Degrees Institute, Global CO2-Levels, 2022, o. S.
Durch die gestiegene Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre kommt es zu einer stärkeren Rückstrahlung der Wärme, wodurch die Temperatur an der Erdoberfläche steigt.[15] Dies führte dazu, dass die globale Durchschnittstemperatur bereits im Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1880 um 1,2 °C angestiegen ist. Bei einer linearen Extrapolation des CO2-Anstiegs für die Jahre 1960 bis 2021 kann davon ausgegangen werden, dass die Zunahme der Temperatur auf 1,5 °C im Jahr 2038 und auf 2,0 °C im Jahr 2050 erreicht wird.[16] Diese Entwicklung führt einerseits zu physischen und andererseits zu transitorischen Risiken. Physische Risiken sind dabei Auswirkungen des Klimawandels, die bereits heute bzw. künftig sichtbar sind. Also die Extremwetterereignisse, die bereits zuvor exemplarisch aufgezählt wurden. Im Gegensatz dazu sind transitorische Risiken die zukünftig notwendigen Kosten für Anpassungsmaßnahmen, um sich auf die verschiedenen Szenarien des Klimawandels einzustellen.[17] Im Bereich des Immobiliensektors können dazu bspw. Kosten für die Umstellung auf alternative Energieerzeugung genannt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Reduktion von Kohlendioxid ein zentrales Ziel. Die Immobilienwirtschaft spielt dabei eine entscheidende Rolle, denn je nach Schätzung sind ca. 40 % des weltweiten CO2-Ausstoßes auf den Bau und die Unterhaltung von Immobilien zurückzuführen.[18]
Weiterhin ist ein starker Anstieg von sog. Klimaklagen festzustellen. Die nachfolgende Statistik zeigt, dass Klimaklagen bis 2007 ein nahezu singuläres Phänomen darstellen. Ab diesem Zeitpunkt ist jedoch eine eminente Veränderung, die insbesondere auf professionalisierte Klagekampagnen zurückzuführen ist, zu sehen. Bislang ist die Anzahl der Klimaklagen v. a. durch die USA geprägt. Jedoch ist auch eine zunehmende Tendenz in Europa und speziell in Deutschland erkennbar.[19]
Abbildung 2: Weltweite Klimaklagen
Quelle: Grantham Research Institute on Climate Change and the Environment, Klima-
klagen, 2022, S. 9
Der Begriff „Klimaklage“ ist aus juristischer Sicht nicht fest definiert. Jedoch hat sich zwischenzeitlich eine einheitliche Bedeutung verfestigt. Kurzum werden damit gerichtliche Verfahren bezeichnet, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel bzw. dem Klimaschutz stehen und auf einen Verstoß gegen geltende Klimaschutzvorgaben beruhen.[20] Bislang richten sich die Mehrzahl der Klimaklagen gegen Staaten.[21] Gleichwohl sind auch immer häufiger Unternehmen das Ziel solcher Klagen. Im Fokus stehen hier Unternehmungen im Energie- und Finanzsektor.[22] Allerdings kann auch im Hinblick auf die rasante Zunahme dieser Verfahren nicht ausgeschlossen werden, dass der Immobiliensektor in die Klagewelle miteinbezogen wird.
Inwieweit Unternehmen tatsächlich eine Verantwortung für die negative Entwicklung des Klimawandels trifft, zeigt ein europäisches Gerichtsurteil, welches ein Unternehmen verurteilte, seinen zukünftigen CO2-Ausstoß zu verringern. Im letzten Jahr hat das niederländische Bezirksgericht in Den Haag den Ölkonzern Royal Dutch Shell dazu verurteilt, seine Treibhausgasemission bis 2030 um 45 % zu reduzieren.[23] Diese Entscheidung ist zwar nicht rechtskräftig, da seitens Shell Berufung eingelegt wurde, nichtsdestotrotz zeigt es, dass die Versuche steigen, Unternehmen für den Klimaschutz zur Verantwortung zu ziehen. Auch in Deutschland sind ähnliche Entscheidungen möglich. Unterschiedlich wäre jedoch die Anspruchsgrundlage, die nicht auf deliktischen, sondern vielmehr auf sachenrechtlichen Ansprüchen gegen Eigentumsstörung gem. § 1004 Abs. 1 BGB i. V. m. § 823 Abs. 1 BGB basiert.[24] Derzeit ist in diesem Zusammenhang auch ein Gerichtsverfahren beim Oberlandesgericht Hamm anhängig.[25] Unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens ist klar, dass solche Aktionen medienwirksam sind und schnell zu einem Reputationsschaden führen können.
Die vorstehenden Ausführungen beschreiben Beispiele im Hinblick auf die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Umdenkens zu mehr Nachhaltigkeit. Dazu kann die Immobilienwirtschaft einen großen Teil beitragen. Obwohl die Bauinvestitionen, bedingt durch die gesamtwirtschaftliche Situation, am Sinken sind, ist künftig wieder mit einem Anstieg zurechnen. Zudem plant die Bundesregierung einen signifikanten Ausbau der Infrastruktur und von Wohngebäuden.[26] Aber auch bei Altbauten besteht viel Potenzial zur Energieeinsparung und damit zur Reduzierung von CO2-Emissionen. Dafür hat die Bundesregierung mit ihrem Leitbild der nachhaltigen Entwicklung durch die Übernahme der Lebenszyklusbetrachtung den Weg geebnet.[27] Diese zentrale Position wird durch die Herausgabe von Gesetzen, Verordnungen, Leitfäden und Normen weiter verstärkt.[28]
Auch führende Industriezweige sehen ihre Verantwortung gegenüber der Umwelt und Gesellschaft und implementieren die Nachhaltigkeit im Unternehmen und den Produkten. Dazu zählt bspw. auch die Anmietung oder der Kauf von nachhaltigen und zertifizierten Immobilien.[29] Vor diesem Hintergrund reicht die dominierende Meinung der Immobilienwirtschaft, die Kosten zu reduzieren und die Qualität zu optimieren, nicht mehr aus, um die künftige Positionierung am Immobilienmarkt zu erhalten.[30] Vielmehr bedarf es der Umsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei der Errichtung und Sanierung von Gebäuden. Die Denkweise des nachhaltigen Bauens entspricht sinngemäß dem Konzept einer nachhaltigen Entwicklung. Im Mittelpunkt der nachhaltigen Entwicklung steht die Maximierung, die Effizienz sowie die Zugrundelegung eines vollumfänglichen Ansatzes im Lebenszyklus einer Immobilie. Die reine Fokussierung auf energieeffizientes und ökologisches Bauen ist dabei nur noch komplementär zu sehen. Ergänzend dazu, lässt sich nachhaltiges Bauen nicht durch ein konkretes Modell anpassen und verwirklichen. Die Individualität des Bauvorhabens ruft unterschiedliche Maßnahmen, Alternativen und Lösungen in den jeweiligen Konzepten hervor.[31] Dabei ist die Anwendung von Nachhaltigkeitsbewertungs- oder Zertifizierungssystemen lediglich ein erster Anfang. Schließlich werden allein die Teilnehmer am Immobilienmarkt bestehen bleiben, die vorausschauend diese notwendigen und ganzheitlichen Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen.[32] In der Praxis konzentriert sich nachhaltiges Bauen jedoch hauptsächlich auf die Umsetzung der Prozesse der verschiedenen Zertifizierungs- und Bewertungssysteme.[33] Es gibt nur singuläre Bauvorhaben, die einen strategischen und operativen Ansatz zur Schaffung nachhaltiger Immobilien implementieren. Um jedoch eine flächendeckende Lösung zu gewährleisten, bedarf es geeigneter Geschäftsmodelle zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien. Ergänzt man diese Ausgangssituation um die Gemengelage steigender Immobilienpreise und Kosten für Baustoffe bei gleichzeitig veränderter Finanzierungslage, wird die hohe Kostenbelastung für Eigentümer erkenntlich. Es ist daher dienlich, wenn es verschiedene Anreizsysteme gibt, die die finanzielle Situation der Immobilieneigentümer bei den Bauvorhaben zur Schaffung nachhaltiger Immobilien erleichtern.
Der Deutsche Bundestag[34] hat sein Konzept der Nachhaltigkeit von 1998 mit den folgenden Worten eingeleitet.
„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“[35] (Antoine de Saint-Exupéry)
Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt, ist die Immobilienbranche für einen wesentlichen Teil der CO2-Emissionen verantwortlich. Daher hat der Deutsche Bundestag der Immobilienwirtschaft eine essenzielle Rolle in der Gestaltung der Zukunft zugesprochen, da diese die Nachhaltigkeit in der Zukunft veritabel „erbaut“. Dieser Problemstellung folgernd, befasst sich die Zielsetzung der Arbeit mit der methodischen Aufbereitung von möglichen Geschäftsmodellen zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien. Dabei soll ein Sinnzusammenhang zwischen bereits existierender Geschäftsmodelle und potenzieller Forschungsgebiete untereinander hergestellt werden. Die ermittelten Ergebnisse werden in eigenen Modellen visualisiert. Im Fokus steht der ökologische Blickwinkel. Dieses Exzerpt wird durch die politischen Bestrebungen in Deutschland, bis 2030 die CO2-Emissionen um 65 % gegenüber dem Jahr 1990 zu senken und sogar bis 2045 eine Treibhausgasneutralität herzustellen, angeleitet.[36] Diese Arbeit bezieht sich schwerpunktmäßig auf Geschäftsmodelle zur Schaffung nachhaltiger Wohnimmobilien in Deutschland. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die beschriebenen Geschäftsmodelle ausschließlich für diese angewendet werden können. Aus dieser Zielsetzung resultiert die zentrale Forschungsfrage dieser Arbeit:
Bedarf es für die Immobilienwirtschaft eines Veränderungsprozesses in der Entwicklung von Gebäuden, um die nationalen Klimaziele zu erreichen?
Im Rahmen dieser Arbeit soll geklärt werden, ob die herkömmlichen Methoden der Bauindustrie ausreichen, um die notwendigen und politisch adressierten Klimaziele zu erreichen. Es gibt ein breites Spektrum an Geschäftsmodellen, die im teilweise im engen Zusammenhang und zugleich in Wechselwirkung zueinanderstehen. In Kombination kann sich damit eine Symbiose in Bezug auf die Lebenszyklusbetrachtung ergeben. Diese Fragestellung bezieht sich nicht ausschließlich auf den Neubau, sondern schließt die Modernisierung bzw. Sanierung des Altbestands vielmehr mit ein.
Die anvisierten Klimaziele seitens der Bundesregierung führen bereits heutzutage zu einer legislativen Reform. Der technische Fortschritt bietet mannigfaltige Potenziale für eine nachhaltige Gestaltung der deutschen Infrastruktur sowie für private Gebäude. Ein gesellschaftlicher Wandel ist dahingehend auch bereits zu erkennen.[37] Allerdings werden die Auswirkungen insbesondere die privaten Haushalte treffen, da sich der Immobilienbestand in Deutschland mit über 80 % im Privatbesitz befindet.[38] Dies wird zu einer zusätzlichen monetären Belastung der Haushalte führen. Vor diesem Hintergrund soll diese Arbeit einen Wissensbeitrag in Form von etwaigen Anreizmechanismen zur Entwicklung nachhaltiger Immobilien leisten. Auch hier wird zunächst ein Überblick des aktuellen Forschungsstands dargestellt. Darauf aufbauend werden zu den steuerlichen und versicherungsseitigen Anreizmechanismen eigene Lösungen kreiert und entsprechende Modelle entwickelt. Folglich stellt sich konsequenterweise die ergänzende Frage:
Sind für die Verwirklichung des notwendigen Veränderungsprozesses monetäre Anreizmechanismen notwendig?
Es soll in dieser Arbeit dargelegt werden, dass die regulatorischen Maßnahmen der Regierung maßgeblichen Einfluss auf die Immobilienbranche haben. Die Auswirkungen sind v. a. bei den Eigentümern von Bestandsimmobilien zu spüren, wenn es um eine nachhaltige Sanierung des Gebäudes geht. Abschließend ergibt sich die additionale Frage dazu:
Welche monetären Anreizmechanismen können den notwendigen Veränderungsprozess unterstützen?
Es existieren bereits staatliche Initiativen und privatwirtschaftliche Ansätze, die zum nachhaltigen Bauen und Sanieren animieren. In dieser Arbeit werden dazu Ergänzungen und neue Modelle entwickelt. Diese sind ein notwendiger Teilbereich, um die angestrebten Klimaziele zu erreichen. Die zusätzliche finanzielle Belastung kann durch attraktive Maßnahmen abgefedert werden.
Es handelt sich um eine literaturbasierte Arbeit, die es sich zur Aufgabe nimmt, die Forschungsfragen mittels Literaturanalyse zu beantworten. Mit dieser Vorgehensweise konnten Forschungslücken identifiziert werden, die es durch weitere wissenschaftliche Arbeiten zu überprüften gilt. Die ausgewählte Literatur konzentriert sich insbesondere auf zwei Kernbereiche. Einerseits stehen die gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit im Gebäudesektor im Fokus. Dies ist notwendig, da sich die erste Forschungsfrage auf die politischen Bestrebungen zur Herstellung einer Treibhausgasneutralität in Deutschland bis zum Jahr 2045 bezieht. Auf dieser Basis wird Literatur ausgewählt, welche die politische Ausrichtung öffentlicher Institutionen beschreibt. Andererseits wird sich schwerpunktmäßig mit Beiträgen aus Sammelwerken und Fachzeitschriften auseinandergesetzt, um die aktuellen Themen der Geschäftsmodelle und Anreizsysteme darzustellen. Schließlich werden aktuelle Umfragen und Studien analysiert, die zur Beantwortung der Forschungsfragen dienen. Da es sich bei den thematisierten Aspekten um breite Forschungsgebiete handelt, wird der Blick auf die Kernelemente der jeweiligen Thematik gerichtet und dabei potenzielle Entwicklungen in der Zukunft angebracht. Eine vollumfängliche Darstellung der Themengebiete ist daher nicht das Ziel dieser Arbeit.
Zunächst wurde im Rahmen einer Einführung die Relevanz der Thematik aufgezeigt. Die Brisanz dieser Entwicklungen war die Grundlage für die Schaffung der Regularien in Bezug auf Nachhaltigkeit. Vor diesem Hintergrund wird anschließend der Begriff der Nachhaltigkeit im Allgemeinen beleuchtet. Die lange Historie und die stetige Weiterentwicklung bieten ein breites Spektrum an Themen. Die Messung von Environment, Social und Governance (ESG)- bzw. Nachhaltigkeitskriterien ist daher keine triviale Aufgabe. Deshalb sollen verschiedene Instrumente zur Bewertung der Nachhaltigkeit im Immobiliensektor dargestellt werden. Zudem wird auf die zunehmende Bedeutung in der Gesellschaft eingegangen, da bereits ein gesellschaftliches Umdenken in der Bevölkerung wahrzunehmen ist.[39]
Im nächsten Schritt soll eine Bestandsaufnahme der politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen vorgenommen werden. Geleitet wird dieses Kapitel mit dem übergeordneten Ziel der Bundesregierung, bis 2045 eine Klimaneutralität herzustellen. Dafür werden zunächst internationale als auch europäische Regelungen analysiert, die das deutsche Leitbild maßgeblich geprägt haben. Dabei wird sich auf Regularien fokussiert, die Einfluss auf die Immobilienwirtschaft haben. Ausgehend von der Zunahme regulatorischer Vorgaben zeigt sich auch in der Rechtsprechung zum Klima- und Umweltschutz eine Fokussierung auf diese Thematik.
Anschließend werden alternative Geschäftsmodelle zur Entwicklung eines nachhaltigen Immobilienbestands dargestellt. Es wird aufgrund der Fülle an unterschiedlichen Geschäftsideen lediglich ein Querschnitt an Optionen aufgezeigt. Dabei werden verschiedene Bereiche des kompletten Lebenszyklus eines Gebäudes gestreift. Dies fängt bei der initialen Errichtung des Gebäudes, bspw. in Form einer digitalen Erfassung der verwendeten Materialien, an. Hier wird sich insbesondere auf das Building Information Modeling (BIM) als Softwarelösung konzentriert. Außerdem werden zwei alternative Bauverfahren thematisiert, die den konventionellen Gebäudebau revolutionieren können. Dabei wirkt sich die Verwendung innovativer Baustoffe besonders aus. Zudem können auch bei der Bewirtschaftung der Immobilie signifikante Verbesserungen vorgenommen werden. Die Energieversorgung mit grünen Energieträgern hat dabei immensen Einfluss. Weiterhin soll identifiziert werden, inwieweit die vorherigen Maßnahmen die Fähigkeit für eine Kreislaufwirtschaft bieten.
Im Rahmen der Arbeit wird schließlich untersucht, ob es Möglichkeiten gibt, damit zum einen die intendierten Nachhaltigkeitsziele erfüllt und zum anderen auch Vorteile für die Immobilieneigentümer geschaffen werden können. Daher beschäftigt sich das letzte Kapitel mit der Ermittlung etwaiger Anreize zur Schaffung nachhaltiger Immobilien. Mögliche Teilbereiche stellen dabei die Finanzierung, steuerliche Entlastungen und versicherungsseitige Lösungen dar.
Im letzten Teil werden die zentralen Ergebnisse zusammengefasst und die Erreichbarkeit der gestellten Forschungsfragen überprüft. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick auf potenzielle Weiterentwicklungen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeit im Immobiliensektor.
Im nachfolgenden werden verschiedene Dimensionen in Bezug auf Nachhaltigkeit dargestellt. Dazu wird eingangs der Ursprung des Begriffs analysiert. Weiterhin werden die zwei wesentlichen Definitionen der Nachhaltigkeit im Allgemeinen beschrieben. Zudem wird darauf eingegangen, wie sich Nachhaltigkeit im Immobiliensektor definieren lässt und eine Bewertung dieser vorgenommen werden kann. Schließlich endet dieser Teil mit einer Untersuchung über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Gesellschaft.
Der Ursprung des Begriffs „nachhaltend“ ist bereits auf das Jahr 1713 zurückzuführen. Zu jener Zeit mahnte Hans Carl von Carlowitz vor einer steigenden und profitorientierten Abholzung und einer damit einhergehenden Übernutzung der Wälder. Damit legte er mit seiner Abhandlung „Sylvicultura oeconomica“ den Grundstein für die Nachhaltigkeit. Darin fordert er, lediglich so viel Holz zu roden, wie durch Wiederaufforstung nachwächst.[40]
Der forstwirtschaftlich geprägte Begriff der Nachhaltigkeit erfährt erst im Jahr 1972 eine Übertragung in den internationalen Umweltschutz. Die UN-Konferenz in Stockholm gilt als Anfang der weltweiten Umweltpolitik und hat sich mit der Sicherung der natürlichen Lebensgrundlage zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beschäftigt. Die seinerzeit erarbeitete Strategie beschreibt dabei den Rahmen für den Umweltschutz und enthält Handlungsempfehlungen zur Realisierung des Ziels.[41] Im selben Jahr hat der „Club of Rome“ seinen Bericht „The Limits to Growth“ veröffentlicht, bei dem er zu folgender einprägsamer Konklusion gekommen ist: „Wenn die gegenwärtige Zunahme der Weltbevölkerung, der Industrialisierung, der Umweltverschmutzung, der Nahrungsmittelproduktion und der Ausbeutung von natürlichen Rohstoffen unverändert anhält, werden die absoluten Wachstumsgrenzen auf der Erde im Laufe der nächsten hundert Jahre erreicht.“[42]
Ein weiterer Meilenstein wurde 1987 in Form des sog. Brundtland-Berichts[43] gelegt. Die von der UN gegründete Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (WCED) führte unter Leitung der ehemaligen norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland erstmals das Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ ein. Dies führte dazu, dass ein weltweiter Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit begann.[44] Aus diesem politischen Interesse resultierte im Jahre 1992 die Entstehung der Agenda 21, die schließlich die Verbindung zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Themen schuf.[45] Die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch das Inkrafttreten des Artikels 20a im Grundgesetz und wurde durch die Berufung der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ fortgeführt. Geleitet durch das Bestreben einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung, erarbeitete die Kommission konkrete Umweltziele, Rahmenbedingungen und Maßnahmen zur Verfolgung dieses Leitbilds.[46] Schließlich wurde von der Bundesregierung im Jahr 2002 eine Strategie zur nachhaltigen Entwicklung vorgestellt. Im Fokus stehen hierbei die Themengebiete Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, Sozialer Zusammenhalt und Internationale Verantwortung.[47]
Die Vielschichtigkeit im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bzw. nachhaltiger Entwicklung führt dazu, dass sich diese Begriffe nicht eindeutig definieren lassen. Hinzu kommt, dass verschiedene Interessensgruppen den Begriff unterschiedlich auslegen. Im Folgende werden die bekanntesten Definitionen dargestellt. Zudem wird eine Betrachtung der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft vorgenommen, die zur Bestimmung des Umfangs sowie der Abgrenzung bestimmter Sachverhalte dienen soll.
Eine wesentliche Grundlage für die Beschreibung des Begriffs Nachhaltigkeit stellt der Brundtland-Bericht dar. Darin wurde der Grundgedanke der nachhaltigen Entwicklung geschaffen. So heißt es konkret:
„Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“[48]
Demnach stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt. Die nachhaltige Entwicklung umfasst sowohl die Bedürfnisse der Gegenwart als auch der Zukunft. Es wird also die Langfristigkeit dieses Ziels erkennbar. Es verwundert daher nicht, dass sustainable mit dauerhaft übersetzt wurde. Die deutsche Übersetzung lautet wie folgt:
„Dauerhafte Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre Bedürfnisse nicht befriedigen können.“[49]
Allerdings lässt der Satz auch Interpretationsspielraum zu, welche Bedürfnisse damit genau gemeint sein können. In diesem Kontext schreibt Brundtland im Vorwort, dass die Aspekte „Nachhaltigkeit“ und „Entwicklung“ nicht singulär betrachtet werden dürfen. Diese Aussage beschreibt die zentrale Richtung des Berichts. In den vorgestellten Konzepten werden inter- und intragenerative Bedürfnisse fokussiert. Jedoch wird auch ausgeführt, dass die Grenzen der Umwelt zu berücksichtigen sind. Um Gerechtigkeit für alle Menschen zu schaffen, insbesondere für Menschen armer Länder, bedarf es grundsätzlich eines starken Wirtschaftswachstums, welcher aber unter Einhaltung des Umweltaspekts als Nebenbedingung erreicht werden soll.[50]
Eine Weiterentwicklung in Form der Berücksichtigung der drei Nachhaltigkeitsdimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales stellt das Drei-Säulen-Modell dar.
Abbildung 3: Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Quelle: Schwarz, J. et al., Bauprozessmanagement, 2013, S. 115
Es ist nicht eindeutig belegt, wer die Ausdifferenzierung dieser drei Perspektiven vorgenommen hat. Allerdings wurde dieses Konzept von der Enquete-Kommission 1998 übernommen. Außerdem ist die Kommission zu dem Resultat gekommen, dass die drei Sichtweisen nicht einzeln betrachtet werden sollen, sondern integrativ behandelt werden müssen.[51] Jedoch stellt die gleichgewichtete Umsetzung der Nachhaltigkeit Schwierigkeiten dar. Selbst bei der rein optischen Betrachtung des Drei-Säulen-Modells fehlt die Schnittmenge aus den drei Bereichen. Daher eignet sich nachfolgende Darstellung besser.
Abbildung 4: Dimensionen der Nachhaltigkeit
Quelle: In Anlehnung an Bayerisches Institut für nachhaltige Entwicklung, bifne nachhaltige Entwicklung, 2011, o. S.
Diese optische Wahrnehmung lässt sich jedoch auch in die Realität übertragen. Bereits durch unterschiedliche Präferenzen und Interessen durch die Anwender kann es zu einer unterschiedlichen Ausprägung der Bereiche kommen. Weiterhin existieren in der Praxis regelmäßig dimensionsübergreifende Zielkonflikte und Wechselwirkungen.[52] Diese vielfältigen Beziehungen zwischen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Komponente lassen jedoch auch den Schluss zu, dass nicht nur eine isolierte Betrachtung ausgeschlossen werden sollte, sondern zur Zielerreichung vielmehr auch eine integrative und dimensionsübergreifende Umsetzung unabdingbar ist.[53] In Anlehnung zu Abbildung 4 führt das Bayerische Institut für nachhaltige Entwicklung folgende Definition ein:
„Nachhaltigkeit ist dort erreicht, wo sich die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und So- ziales schneiden. Nachhaltige Entwicklung ist der Prozess, welcher die drei Bereiche zur vollständigen Deckung bringt“[54]
Demnach stellt die Nachhaltigkeit das Zentrum der drei Perspektiven dar und beschreibt den Prozess, in dem diese simultan laufen.
Die Nachhaltigkeit mit ihren verschiedenen Dimensionen stellt ein umfangreiches Themengebiet dar. Dies lässt sich auch auf die Immobilienwirtschaft übertragen. Vor diesem Hintergrund gibt es ein unterschiedliches Verständnis, was zur Nachhaltigkeit bei Gebäuden führt. Eine Orientierung zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Bauwerken versucht die DIN EN 15643 zu schaffen. Darin werden – angelehnt an das Drei-Säulen-Modell – die Rahmenbedingungen für eine umweltbezogene, soziale und ökonomische Qualität beschrieben.[55] Die Nachhaltigkeit im übergeordneten Sinne ist die „Fähigkeit eines Systems, für gegenwärtige und zukünftige Generationen erhaltbar zu sein“[56]. Durch den intra- und intergenerationellen Bezug ist der Zusammenhang zur Brundtland-Definition erkennbar. Doch auch in dieser Normierung ist eine Definition, was Gerechtigkeit für heutige und künftige Generationen darstellt, nicht zu finden.
Bisherige Studien zeigen allerdings, dass bis dato insbesondere auf die ökologischen und ökonomischen Perspektiven Wert gelegt wird.[57] So verdeutlicht die Studie im Anhang III, dass höhere Energieeffizienz als ökologisches Merkmal zu den wichtigsten Charakteristika von nachhaltigen Immobilien zählt. Im Anschluss folgen einige ökonomische Ausprägungen wie niedrigere Nebenkosten und langfristige Rendite. Daher gibt es auch verschiedenste Bezeichnungen von Gebäuden im Hinblick auf deren Zielausrichtung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit. Exemplarisch können hier Passiv- oder Niedrigenergiehaus, Green Building und nachhaltiges Gebäude genannt werden. Ersteres setzt den Fokus auf die energetischen Qualitäten, wohingegen das Green Building auch noch die sozialen Aspekte inkludiert.[58] Eine vollumfängliche Sichtweise auf die Nachhaltigkeit in ihren verschiedenen Dimensionen erfüllt der Begriff des nachhaltigen Gebäudes. Hierbei werden alle Bereiche der Nachhaltigkeit im Kontext einer Lebenszyklusbetrachtung berücksichtigt.[59] Die nachfolgende Grafik soll die inhaltliche Divergenz darstellen:
Tabelle 1: Begriffsbestimmung von Gebäuden mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitsausprägungen
Quelle: In Anlehnung an Schneider, D., Immobilien-Portfoliomanagement, 2013, S. 24
Im Verlauf dieser Arbeit wird sich auf die Definition eines „nachhaltigen Gebäudes“ gestützt. Außerdem wird die Bezeichnung der „nachhaltigen Immobilie“ synonym verwendet. Somit steht im Rahmen dieser Arbeit die ganzheitliche Betrachtungsweise im Sinne aller drei Dimensionen im Vordergrund, auch wenn sich die analysierten Geschäftsmodelle schwerpunktmäßig auf den ökologischen Bereich beziehen. Weiterhin umfasst das Wort der „Entwicklung“ einer (nachhaltigen) Immobilie alle Ertüchtigungsmaßnahmen im Lebenszyklus eines Gebäudes. Damit ist nicht nur der Neubau eines Gebäudes inbegriffen, sondern betrifft bspw. auch die Sanierung, den Umbau und den Rückbau.
Unabhängig der Begriffsdefinition der vorgenannten Konzepte könnte sich die Frage gestellt werden, inwieweit eine solche Unterscheidung überhaupt notwendig ist. Es gibt zahlreiche Bewertungs- und Zertifizierungssysteme, die einen Beleg über die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien liefern können. Das Ziel dieser Mechanismen ist zum einen die Unterstützung in Form eines Leitfadens zur nachhaltigen Konzeptionierung eines Bauvorhabens sowie für eine nachhaltige Bewirtschaftung und zum anderen die Messung der Gebäudeperformance. Die marktgängigsten Zertifizierungssysteme stellen das Deutsche Gütesiegel Nachhaltigen Bauens (DGNB), Leadership in Energy and Environmental Design (LEED) und die Building Research Establishment Environmental Assessment Method (BREEAM) dar.[60]
Bei dem Zertifizierungssystem BREEAM handelt es sich um das älteste Zertifizierungssystem. Es wurde 1990 in Großbritannien von der Gebäudeforschungseinrichtung BRE ins Leben gerufen. Das System wurde kontinuierlich weiterentwickelt und der Service wird mittlerweile in großen Teilen der Welt zur Verfügung gestellt. Im Zentrum der Analyse steht der ökologische und soziale Blickwinkel entlang des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes und ist somit dem Green Building Ansatz gleichzusetzen. Dadurch intendiert BREEAM die Unterstützung fast aller 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Agenda 2030. Durch Einteilung in neun Kategorien wird schließlich eine Gesamtnote ermittelt, die sechs verschiedene Stufen einnehmen kann.[61]
Das Zertifizierungssystem LEED wurde 1998 auf Basis von BREEAM entwickelt und stellt das Pendant auf dem amerikanischen Markt dar. Die Ursprungsversion von LEED stammt von der Entwicklungsgruppe United States Green Building Council (USGBC) und ist mittlerweile das weltweit verbreitetste Zertifizierungssystem. Auch LEED verfolgt den Green Building Ansatz und untersucht demnach ökologische, gesundheitliche und sozio-kulturelle Aspekte. Die Bewertung einer Immobilie erfolgt anhand von acht Themengebieten wie bspw. Wassereffizienz und Innenraumluftqualität. Die vergebenen Punkte für die verschiedenen Bereiche werden addiert und enden in einer Gesamtbeurteilung. Es gibt vier unterschiedliche Zertifizierungsnoten.[62]
Der Marktführer in Bezug auf Gebäudezertifizierungen in Deutschland ist das Zertifizierungssystem DGNB. Die gleichnamige Organisation wurde von 16 Initiatoren unterschiedlicher Fachrichtungen der Bau- und Immobilienwirtschaft ins Leben gerufen und stellt das Sprachrohr für die rund 2.000 Mitgliedsorganisationen dar. Die DGNB hat bereits über 8.700 Projekte zertifiziert und ist in 29 Ländern aktiv. Das Ziel ist die Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft zur Schaffung eines angemessenen Nachhaltigkeitsbewusstseins. Das System orientiert sich am Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit und thematisiert neben den ökologischen und sozio-kulturellen Aspekten auch die ökonomische Dimension im Sinne von Funktionalität, Prozess und Technik.[63] Vor diesem Hintergrund bestehen zwar Parallelen zu den Zertifizierungssystemen BREEAM und LEED, doch geht DGNB damit einen Schritt weiter. Zudem quantifiziert es die drei Sichtweisen über den gesamten Lebenszyklus und fokussiert sich stärker auf das Gebäude, wohingegen BREEAM und LEED das Baugeschehen und den Betrieb betrachten.[64]
Alle drei zuvor analysierten Zertifizierungssysteme thematisieren insbesondere im Hinblick auf die ökologische und soziale Sichtweise ähnliche Nachhaltigkeitsschwerpunkte. Durch Überprüfung der festgelegten Kriterien werden die Ergebnisse in bestimmte Zertifizierungsstufen eingeordnet. Allerdings erfolgt die Bewertung anhand unterschiedlicher Systematiken, Gewichtungen und Länderspezifika. Vor diesem Hintergrund ist eine Vergleichbarkeit nicht gegeben und es liegen Abweichungen vor.[65]
Die Zertifizierungssysteme stellen aktuell ein erstes probates Mittel für den Nachweis der Einhaltung von Nachhaltigkeitsaspekten dar. Die Wichtigkeit von Nachhaltigkeitszertifizierungen ist je nach Branche und Immobilienart unterschiedlich. Bspw. ist eine Vermietung von Büroimmobilien ohne Zertifizierung nur noch eingeschränkt möglich.[66] Konträr dazu sieht es mit Wohnimmobilien aus. Aufgrund der angespannten Marktsituation sind zertifizierte Wohnimmobilien momentan sekundär. Jedoch sollte auch festgehalten werden, dass die meisten Zertifizierungssysteme die Nachhaltigkeit lediglich in Auszügen analysieren und eine gesamtheitliche Darstellung nicht möglich ist. Zudem erfolgt die Bewertung zu einem bestimmten Stichtag und unterliegt keiner fortlaufenden Überprüfung.[67]
Die nachhaltige Entwicklung ist ein omnipräsentes Thema in der Politik und Regulatorik. Darüber hinaus konnte es aber auch in der Zivilgesellschaft und anderen Bereichen an Bedeutung gewinnen. Besonders die spürbaren Folgen des Klimawandels, weltweite Klima- und Umweltproteste und eine verstärkte Berichterstattung führen zu einer stärkeren Präsenz in der Bevölkerung.[68]
Verschiedene Studien bestätigen ein gesellschaftliches Umdenken. Exemplarisch können die erhobenen Daten des Umweltbundesamtes im Zusammenhang mit der Umwelteinstellung und des Umweltverhaltens der befragten Personen angeführt werden. In der Umfrage aus dem Jahr 2020 gaben 65 % der Befragten an, dass Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig für sie ist und zählt damit zu den eminentesten Aspekten.[69] Eine weitere Studie zum Thema Nachhaltigkeit zeigt, dass 85 % der befragten Personen die Bedeutung von Nachhaltigkeit erkennen und es nicht nur als Modewort ansehen. Zudem stimmen mehr als die Hälfte aller Befragten zu, dass das eigene Verhalten einen positiven Effekt auf die Umweltprobleme bewirken kann.[70]
Ein Zeichen für das verstärkte Interesse in der Gesellschaft ist zudem die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen. Diese Signale wurden auch von Unternehmensgründern wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund haben sich zunehmend
Startups mit den gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit auseinandergesetzt. Im Rahmen des Green Startup Monitors 2022 haben sich 43 % aller deutschen Startups der „Green Economy“ zugeordnet. Dieser Anteil hält sich über die letzten drei Jahre stabil in der genannten Größenordnung.[71]
Der gesamtgesellschaftliche Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit führt zu einem Bewusstseinswandel, der sukzessive veränderte Konsummuster und Lebensstile mit sich bringt. Dies hat sich bspw. auch in einer von der Bundesregierung durchgeführten Umfrage aus 2020 zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gezeigt. Die befragten Personen forderten die Übernahme der Verantwortung von Unternehmen hinsichtlich ihrer Wirtschaftstätigkeiten. Darum stimmten 75 % der Teilnehmer für die Einführung des Gesetzes. Außerdem verlangte die Mehrheit eine zivilrechtliche Haftung für bestimmte Sorgfaltspflichtverletzungen.[72]
Dieser gesellschaftliche Veränderungsprozess nimmt zwei Schlüsselpositionen ein. Einerseits wären die bisherigen politischen und regulatorischen Maßnahmen ohne gesellschaftliche Akzeptanz illusorisch. Andererseits stellt die Zivilgesellschaft mit zunehmenden Forderungen nach weiteren Sozial- und Umweltstandards und der Schaffung von Generationengerechtigkeit einen wesentlichen Treiber der nachhaltigen Entwicklung dar.[73]
Im Rahmen des nachfolgenden Kapitels werden Meilensteine auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene, die Einfluss auf die heutige Bevölkerung in Form von Politik, Unternehmensführung und private Lebensstile haben, dargestellt. Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Maßnahmen wird lediglich ein Überblick der richtungsweisenden Initiativen, die den Immobiliensektor tangieren, gegeben.
Die globalen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung basieren auf völkerrechtlich verbindlichen Verträgen und auf dem sog. soft law. Erstere bedürfen eines langfristigen Prozesses, bis sie nach der Ratifizierung in nationales Recht der Vertragsstaaten umgesetzt werden. Aufgrund des prioritären Stellenwerts wurden in diesem Zusammenhang auch einige politische Empfehlungen, Absichtserklärungen und Leitlinien veröffentlicht. Diese sind dem soft law zugehörig und haben daher keinen rechtsverbindlichen Charakter. Allerdings haben sich zahlreiche Länder für die Einhaltung dieser Übereinkünfte selbstverpflichtet.[74]
In Form der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung wurden 17 Nachhaltigkeitsziele kreiert, um die transformative Vision zu verwirklichen. Die Vision der Resolution ist die Welt von Armut, Hunger, Krankheit und Not zu befreien. Die Erklärung wurde im September 2015 auf dem UNO-Gipfel in New York veröffentlicht und fixiert die Ziele und Prioritäten bis zum Jahr 2030. Diese berücksichtigen eine ausgewogene Entwicklung ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte. Die einzelnen SDG haben eigene Unterziele, die mit konkreten Indikatoren gemessen werden können.[75]
Abbildung 5: Sustainable Development Goals
Quelle: United Nations, The 17 Goals, 2022, o. S.
Die SDG gelten sowohl für Industrie- als auch Schwellen- und Entwicklungsländer und werden in Form von nationalen Aktionsplänen und Initiativen umgesetzt. Dabei handelt es sich um keinen völkerrechtlichen Vertrag, wobei ihnen durch die hohe Akzeptanz zunehmend eine normative Bedeutung zukommt.[76] Per definitionem richten sich diese Ziele an die Regierungen der Länder, doch finden sie regelmäßig Einzug in die Unternehmensstrategie. Für einige Unternehmen bilden die SDG die Ausgangsbasis und bieten den Interpretationsrahmen für die individuelle Umsetzung im jeweiligen Unternehmen.[77]
Eine additionale maßgebende Initiative stellt das Kyoto-Protokoll[78] dar, auf dem das Pariser Klimaschutzabkommen basiert. Ersteres wurde für die Zeit von 2005 bis 2020 geschlossen und hat v. a. die Reduktion von Treibhausgasemissionen in Industrieländern zum Gegenstand.[79] Das Übereinkommen von Paris regelt die Zeit nach dem Kyoto-Protokoll. Es berücksichtigt außerdem die aus der zunehmenden Leistungsfähigkeit von Entwicklungsländern resultierenden steigenden Emissionen. Das primäre Ziel ist die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter 2,0 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Idealerweise wird sogar ein maximaler Anstieg von 1,5 °C angestrebt.[80] Die Klimarahmenkonvention wurde mittlerweile von fast allen 197 Vertragsstaaten unterzeichnet und ratifiziert.[81] Das Übereinkommen war auch Gegenstand in den darauffolgenden UN-Klimakonferenzen und wurde dort in Form von detaillierten Regeln, Verfahren und Leitlinien weiter konkretisiert.[82]
Eine weitere nennenswerte Vereinbarung stellt der UN Global Compact dar. Es handelt sich hierbei um einen freiwilligen Pakt zwischen Unternehmen, Organisationen und der UNO. Das Regelungswerk enthält zehn Prinzipien, die sich auf die Einhaltung der folgenden vier Themenbereiche beziehen:[83]
- Menschenrechte
- Faire Arbeitsbedingungen
- Umweltschutz
- Korruptionsbekämpfung
Der Global Compact fokussiert sich auf zwei komplementäre Ziele. Einerseits die Integration der zehn Prinzipien des Global Compacts in der Unternehmenspraxis. Andererseits die Unterstützung weiterer übergeordneter Ziele der Vereinten Nationen wie z. B. die SDG. Über 21.000 Unternehmen und Organisationen sind dem Global Compact bereits beigetreten und damit gehört er weltweit zu den bekanntesten Initiativen zur Förderung verantwortungsvoller Unternehmenspraktiken.[84]
Die EU nimmt für sich selbst eine Vorreiterstellung hinsichtlich der ESG-Transformation ein.[85] Neben der Annahme der bekannten internationalen Maßnahmen, wie die Agenda 2030 und des Pariser Klimaschutzabkommens, wurden auf EU-Ebene in den vergangenen Jahren zahlreiche eigene Regelungen im Zusammenhang mit der nachhaltigen Entwicklung auf den Weg gebracht. Dafür stehen der EU als supranationale Organisation verschiedene Optionen zur Verfügung. Mittels Verordnungen ist es möglich, unmittelbare Rechtswirkung für die Mitgliedsstaaten und aller natürlichen und juristischen Personen zu schaffen. Zudem gibt es weitere Rechtsakte, die noch eine Umwandlung in nationales Recht voraussetzen. Weiterhin wurden individuelle Initiativen der einzelnen Länder implementiert, was teilweise als Wildwuchs an Nachhaltigkeitsregularien wahrgenommen wird. Allerdings kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Ende dieser Entwicklung absehbar erscheint, sondern vielmehr mit weiteren Neuerungen zu rechnen ist. Im Weiteren werden daher nur die drei bedeutendsten Regelungen dargestellt.[86]
Eine wesentliche Grundlage schafft der von der Europäischen Kommission im Jahr 2018 veröffentlichte Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums. Dieser dient als erster Schritt zur Erfüllung der internationalen Maßnahmen. Die Ziele des Aktionsplans können wie folgt dargestellt werden:[87]
- Umlenkung von Kapitalströmen auf nachhaltige Investitionen
- Bewältigung finanzieller Risiken aus ökologischen und sozialen Problemen
- Stärkung von Transparenz und Dauerhaftigkeit in der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit
Für die Umsetzung dieses Plans wurden von der Europäischen Kommission konkrete Aktionspunkte und wichtige regulatorische Vorschläge präsentiert.[88] Die legislative Umsetzung erfolgt schrittweise über mehrere Jahre.[89] Mit diesem Plan wurde das Thema Sustainable Finance erstmals auf die politische Agenda der Europäischen Kommission gesetzt. Im Jahr 2021 erfolgte von der EU-Kommission eine erneute Strategie zum nachhaltigen Finanzwesen.
Der Europäische Grüne Deal stellt das Leitbild der EU bis zum Jahr 2050 dar. Im Dezember 2019 lancierte die Europäische Kommission ihre umfassende Wachstumsstrategie für eine klimaneutrale und ressourcenschonende Wirtschaft. In Form des Europäischen Grünen Deals verfolgt die EU das vorrangige Ziel, Europa bis zum Jahr 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent auf der Welt zu machen. Ferner stellt es die konzeptuelle Grundlage für zwei weitere Schritte dar. Zum einen plant die EU bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und zum anderen 3 Mrd. zusätzliche Bäume bis 2030 in der EU zu pflanzen.[90] Zur Erreichung dieser Ziele werden insbesondere Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz, Umweltschutz, Energie und Verkehr anvisiert. Jedoch werden alle Wirtschaftszweige aufgerufen, einen aktiven Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderung zu leisten.[91]
In einer Pressemitteilung vom Juli 2021 hat die Europäische Kommission eine Neuausrichtung der Wirtschaft und Gesellschaft zur Erreichung der Klimaziele vorgeschlagen. In Form eines umfassenden Pakets an zusammenhängenden Vorschlägen wurden konkrete Maßnahmen dargelegt.[92] Einen eminenten Teil davon betrifft das Energie- und Baugewerbe. So ist geplant, bis zum Jahr 2030 bis zu 35 Mio. Gebäudesanierungen bzw. -renovierungen durchzuführen. Weiterhin sollen die Energieträger der Gebäude überprüft werden. Es wird ein Richtwert von 49 % an erneuerbaren Energien angepeilt. Diese Maßnahmen sollen 160.000 neue Arbeitsplätze im Bausektor ermöglichen.[93] Um diesen Übergang zu unterstützen, beabsichtigt die EU, sowohl monetäre als auch technische Hilfe zu bieten. Insgesamt geht es um die Mobilisierung von 100 Mrd. Euro jährlich im Zeitraum von 2021 bis 2027. Das Investitionsvolumen des Europäischen Grünen Deals soll in den nächsten zehn Jahren summa summarum über 1 Bio. Euro betragen.[94] Auf die Sanierung von Gebäuden entfällt dabei etwa 72,2 Mio. Euro.[95]
Die Europäische Kommission hat in Form einer Zeitleiste die zur Erfüllung des EU-Aktionsplans zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum als auch des Grünen Deals die bereits vorgenommen Maßnahmen aufgeführt.[96] Insbesondere drei neue Regelwerke nehmen bei der Nachhaltigkeit einen besonderen Stellenwert ein.[97] Dabei handelt es sich um die Verordnung (EU) 2020/852 (EU-Taxonomie-Verordnung), Verordnung (EU) 2019/2088 (EU-Offenlegungsverordnung) und Verordnung (EU) 2019/2089 (EU-Benchmark-Verordnung). Mit diesen Regularien möchte der EU-Gesetzgeber vorhandene Informationsasymmetrien verhindern, damit sich Anleger bei ihren Investitionen informieren können. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmen verpflichtet, nun auch nachhaltigkeitsbezogene Informationen zu berichten.[98] Auf die vorliegende Arbeit hat das erstgenannte Regelungswerk den größten Einfluss und wird daher kurz thematisiert.
Die EU-Taxonomie-Verordnung führt ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten ein. Dadurch lässt sich erkennen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit als ökologisch nachhaltig gilt und dementsprechend auch eine etwaige Investition in das Unternehmen.[99] Das Klassifizierungssystem beschreibt im Art. 3 EU-Taxonomie-Verordnung vier Kriterien, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit eine Wirtschaftstätigkeit als ökologisch nachhaltig eingestuft wird. Damit verfolgt der Rechtsakt, dass Unternehmen einen positiven Beitrag zu mindestens einem der sechs Umweltziele[100] leisten. Die Verordnung definiert verschiedene Wirtschaftssektoren, die einen hohen Einfluss auf den Klimaschutz haben. Dazu hat die EU-Kommission in einem sog. Call for Feedback auch den Gebäudebereich gezählt. Für diesen Sektor stehen insbesondere zwei Umweltziele im Fokus. Einerseits die Kreislaufwirtschaft und andererseits die Biodiversität. Im Schriftstück der EU-Kommission werden unter Ziffer 5 zahlreiche Aktivitäten zur Erfüllung der beiden vorgenannten Umweltziele dargestellt. Die Zielvorgaben umfassen eine Kombination aus quantitativen als auch qualitativen, praxisorientierten Kriterien.[101]
Die Offenlegungspflicht der EU-Taxonomie-Verordnung beginnt ab dem 01. Januar 2023 für den Berichtszeitraum 2022. Bislang bezieht sich diese ausschließlich auf die ökologische Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten. Eine Ergänzung um eine Sozialtaxonomie ist bereits in Planung und soll somit auch eine Messung sozialer Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten gewährleisten.[102]
Im nachfolgenden Teil wird ein Überblick über den nationalen Rahmen im Zusammenhang mit der geplanten ESG-Transformation gegeben. Zunächst wird dafür die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie betrachtet, die als politisches Leitbild dienen soll, um das Zielbild einer nachhaltigen Entwicklung zu erreichen. Im Anschluss wird der Trend im Hinblick auf die aktuelle Klimapolitik und die regulatorische Ausrichtung thematisiert. Das Kapitel endet mit einem vertieften Einblick in die Immobilienwirtschaft und welche Orientierungshilfen und Branchenstandards im Sinne der Nachhaltigkeit existieren.
Das erste Umweltschutzprogramm wurde in Deutschland bereits im Jahre 1971, u. a. zur Vorbereitung auf die seinerzeit stattgefundene Weltumweltkonferenz in Stockholm, entworfen. Dieses orientierte sich an den Erfahrungen anderer Länder zu jener Zeit.[103] Die Agenda 21 führte dazu, dass der Umweltschutz zur zentralen Staatsaufgabe wurde und damit Einzug in das Grundgesetz fand.[104] Mit der Betitelung „Perspektiven für Deutschland“ wurde im Jahr 2002 erstmals eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Die Strategie wird kontinuierlich fortgeschrieben. In regelmäßigen Abständen werden sowohl Fortschrittsberichte der Bundesregierung als auch Indikatorenberichte seitens des Statistischen Bundesamts erstellt. Damit wird überprüft, wie sich die Kernbereiche nachhaltiger Politik weiterentwickeln.[105]
Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie baut auf der Agenda 2030 auf und orientiert sich demnach an den SDG. Es werden darin weiterhin politische Prioritäten gesetzt und beispielhafte Maßnahmen zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele aufgeführt. Letztmalig wurde sie unter Einbeziehung von verschiedenen Interessensgruppen im März 2021 assimiliert.[106]
Die Struktur der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie umfasst verschiedene Elemente, um einen möglichst großen Erfolg zu erzielen. Das Fundament besteht dabei aus sechs Nachhaltigkeitsprinzipien.[107] Im Grunde geht es hier um ein übergreifendes verantwortliches Verhalten, um so einen Mehrwert für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft zu generieren. Aus diesen Prinzipien werden zahlreiche Steuerungsinstrumente und Ziele abgeleitet. Im Fokus stehen Transformationsbereiche, wie Energiewende und Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft, nachhaltiges Bauen und soziale Gerechtigkeit, da diese den größten Impact auf die Zielerreichung haben. Gleichzeitig können jedoch auch Zielkonflikte auftreten, die die bisherigen Fortschritte beeinträchtigen.[108] Für die Umsetzung der Strategie sind alle Bundesministerien gleichermaßen verantwortlich.[109] Vor diesem Hintergrund ist bei jedem Gesetzgebungsverfahren eine Nachhaltigkeitsprüfung zu veranlassen.[110] Ein weiteres Element stellt das Monitoring zum Stand der Nachhaltigkeitsindikatoren dar.[111] Durch eine regelmäßige Überprüfung und Modifizierung wird die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie an neue Veränderungen angepasst. Im Ergebnis handelt es sich bei der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie um ein staatliches Nachhaltigkeitsmanagementsystem, welches auf verschiedenen Elementen basiert.[112]
Ein wesentlicher Meilenstein in der Klimapolitik der Bundesregierung wurde durch die verkündete „Energiewende“ im Jahr 2011 eingeleitet. Aufgrund der Nuklearkatastrophe in Fukushima wurde ein sukzessiver Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 und ein gleichzeitiger Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2050 beschlossen.[113] Im Jahr 2016 folgte sodann, als Konsequenz auf die Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens, die Veröffentlichung des „Klimaschutzplans 2050“. Darin wurden bestimmte Sektorenziele zur Emissionseinsparung bis zum Jahr 2050 festgelegt, um die CO2-Ziele erfüllen zu können. Ein bedeutender Teil dieses Plans ist der Gebäudesektor. Das übergeordnete Ziel ist dabei, den Primärenergiebedarf um 80 % gegenüber dem Jahr 2008 einzusparen.[114] Dafür hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zwei Publikationen im Hinblick auf die Energieeffizienz im Gebäudebestand veröffentlicht. Es wurde eine umfangreiche Energieeffizienzstrategie für Gebäude in Deutschland vorgelegt.[115] Zudem wurde der Sanierungsbedarf im Gebäudebestand untersucht. Die Regierung sieht großes Potenzial in der Modernisierung von Gebäuden.[116] Im Jahr 2019 komplementierte die Bundesregierung den „Klimaschutzplan 2050“ um das „Klimaschutzprogramm 2030“.[117] Es wurden darin verschiedene Maßnahmen definiert, um das langfristige Ziel umzusetzen. Für den Gebäudesektor wurden mehrere Instrumente ausgewählt:[118]
- Stärkere Förderung (bspw. in Form einer steuerlichen Förderung bei energetischen Sanierungen oder eine KfW-Förderung bei der Errichtung effizienter Gebäude)
- Information und Beratung
- Nutzung der Vorbildfunktion bei Bundesgebäuden
- CO2-Bepreisung
- Weiterentwicklung von energetischen Standards
- Förderung von Innovationen
Im selben Jahr wurde das Bundes-Klimaschutzgesetz überarbeitet, damit es die europäischen und nationalen Vorgaben widerspiegelt. Daraus resultierte im Juni 2020 eine langfristige Renovierungsstrategie der Gebäude. Nach Aussage der Bundesregierung können durch fachgerechte Sanierung und moderne Gebäudetechnik signifikante Fortschritte beim Klimaschutz und der Gesamteffizienz erzielt werden. Als indikativer Meilenstein für das Jahr 2030 wurde festgelegt, dass der Gebäudesektor nur noch 70 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid emittieren darf.[119] Allerdings wurde vom Bundesverfassungsgericht erklärt, dass das Klimaschutzgesetz mit Art. 2 Abs. 1 S. 1 GG unvereinbar ist. Demnach obliegt dem Staat ebenso eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung gegenüber jüngeren Generationen.[120] Im Rahmen des geänderten Klimaschutzgesetzes fehlte eine Fortschreibung der Mindestziele für den Zeitraum ab dem Jahr 2031.[121] Dies löste eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes im Jahr 2021 aus. Die novellierte Fassung änderte den Zeitpunkt der Treibhausgasneutralität für Deutschland auf das Jahr 2045. Damit einhergehend wurden auch die Ziele bis 2030 verschärft. Es wurde eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes bis 2030 um 65 % festgelegt.[122] Dies hat auch Auswirkungen auf den Gebäudesektor. So wurde zum Beispiel als neues Ziel festgeschrieben, dass jährlich lediglich 67 Mio. Tonnen CO2-Equivalente aufgrund der Verbrennung von Brennstoffen ausgestoßen werden dürfen. Begleitend zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes wurde vom Gesetzgeber ein Acht-Milliarden-Sofortprogramm initiiert. Damit sollen die Dekarbonisierung der Industrie, grüne Wasserstoffprojekte, energetische Gebäudesanierung, klimafreundliche Mobilität sowie nachhaltige Wald- und Landwirtschaft unterstützt werden.[123]
Auch im Rahmen des verabschiedeten Koalitionsvertrags zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP nehmen die Bereiche Klimaschutz sowie Wohnen und Bauen einen substanziellen Stellenwert ein. Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit im Immobiliensektor sieht die aktuelle Bundesregierung verschiedene Anknüpfungspunkte. Insbesondere werden folgende Schwerpunkte thematisiert:
- Digitalisierung (z. B. Gebäudedatenmodellierung[124], digitaler Gebäuderessourcenpass[125])
- Inklusion im Sinne von Barrierefreiheit bei öffentlichen Gebäuden[126]
- Klimaschutz bei Gebäuden (Förderung des Baus effizienter Gebäude[127])
- Lebenszyklusbetrachtung[128]
- CO2-Bepreisung[129]
- Systematische Sanierungsmaßnahmen[130]
- Förderprogramme für serielles Bauen[131]
Der legislative Trend orientiert sich am aktuellen transitorischen Politikgeschehen. Mit konsekutiven Entscheidungen wird versucht, sowohl die politischen als auch gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die international vereinbarten Ziele zu erfüllen. Aufgrund regelmäßig komplexer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge ist eine weitere Entwicklung in diese Richtung antizipiert. Insbesondere auch die festgeschriebene kontinuierliche Überprüfung der Zielerreichung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie könnte dazu führen, dass mit weiteren Novellierungen zu rechnen ist. Gleichzeitig ist allerdings auch zu erkennen, dass die Regularien teilweise noch wenig miteinander harmonisiert sind. Ein Beispiel der gesetzgeberischen Entwicklung stellt das LkSG dar. Mit diesem Gesetz soll die Einhaltung sozialer Mindeststandards und umweltbezogener Pflichten in globalen Lieferketten sichergestellt werden. Dieses ist am 01.01.2023 in Kraft getreten.[132] Auch für den Immobiliensektor spielt das Gesetz eine wesentliche Rolle, da es verschiedene Bereiche der Wertschöpfungskette betreffen kann.[133] Außerdem wurde auf europäischer Ebene an einer harmonisierenden Regelung gearbeitet. Die EU-Kommission hat im Jahr 2022 bereits einen ersten Entwurf der Richtlinie veröffentlicht.[134] Darin ist erkennbar, dass die Regelungen über das deutsche LkSG hinausgehen.[135]
Neben den politischen und legislativen Entwicklungen wurden auch zahlreiche Initiativen von Organisationen, Interessensverbänden und staatlichen Einrichtungen im Hinblick auf die praxistaugliche Etablierung des Themas Nachhaltigkeit gestartet. Hierfür wurden Orientierungshilfen und Branchenstandards erarbeitet. Damit sollen regulatorische Vorgaben konkretisiert und Unklarheiten beseitigt werden. Zusätzlich geht es aber auch um die Antizipation zukünftiger Entwicklungen, um so maßgeblichen Einfluss auf die Politik und Regulatorik zu nehmen.[136] Für die Immobilienwirtschaft gibt es insbesondere zwei Initiativen. Zum einen ist der Nachhaltigkeitsleitfaden des Zentralen Immobilien Ausschusses e. V. (ZIA) zu erwähnen. Bereits im Jahr 2011 wurde erstmalig vom ZIA in enger Kooperation mit dem Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft e. V. (ICG) ein Leitfaden im Zusammenhang mit den Themen Nachhaltigkeit und Compliance herausgegeben. Zwischenzeitlich existiert bereits die fünfte überarbeitete Version des Leitfadens, die im Jahr 2021 veröffentlicht wurde. Das Dokument bietet Handlungsempfehlungen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung in der Immobilienwirtschaft. Dabei basiert der Leitfaden auf dem Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit und thematisiert die ESG-Kriterien.[137] Außerdem orientiert sich der Leitfaden an der DIN EN ISO 26000[138] und zeigt die gesellschaftliche Verantwortung eines Unternehmens auf. Anhand eines Verhaltenskodex und verschiedenen Arbeitsschritten bietet der Leitfaden eine Hilfestellung zur praktischen Implementierung eines nachhaltigen Lieferantenmanagements. Es wird damit das Ziel verfolgt, Nachhaltigkeit im Sinne aller drei Dimensionen in der gesamten Wertschöpfungskette herzustellen.[139]
Zum anderen befasst sich das ICG besonders mit den Aspekten „Soziales“ sowie „Governance“ und hat diesbezüglich bereits diverse Publikationen veröffentlicht.[140] Das ICG verfolgt das Ziel, Grundsätze und Standards einer werteorientierten, nachhaltigen Unternehmensführung in der Immobilienwirtschaft zu etablieren. Zudem fördert es die soziale und gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen in der Branche und unterstützt Transparenz durch Auditierungen und Zertifizierungen.[141] Im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung wurden verschiedene Kodizes und Leitlinien im Zusammenhang mit Ethik und Wertemanagement entwickelt. Ebenso wurden Verfahrungsordnungen geschaffen, um die Durchführung von Auditierungen und Compliance-Zertifizierungen zu ermöglichen.[142] Ferner wurde in Zusammenarbeit mit dem ZIA ein Praxisleitfaden für soziales und gesellschaftlich verantwortungsvolles Handeln kreiert. Damit soll das soziale und gesellschaftliche Engagement seitens der Unternehmen grundsätzlich gesteigert und strategischer ausgerichtet werden.[143] Schließlich hat sich das ICG auch mit der Thematik des „Social Impact Investings“ beschäftigt. Dafür hat es im Februar 2021 ein Praxisleitfaden entworfen. Es werden darin die Grundzüge und die Systematik des Social Impact Investings dargestellt. Bei einer wirkungsorientierten Investition handelt es sich um eine innovative Form der Kapitalanlage. In Form von marktwirtschaftlichen Instrumenten sollen Immobilieninvestitionen einen hohen ökologischen Standard und unisono einen sozialen und gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Das Augenmerk liegt neben einer gewissen Renditeerwartung auf der nicht-finanziellen Wirkung der Investitionen. Innerhalb des Leitfadens werden unter Zugrundelegung der SDG verschiedene Ansätze zur Überprüfung und Messbarkeit der Investmentfolgen offengelegt. Das ICG möchte mit seinem Input für die Berücksichtigung nachhaltiger Kriterien sensibilisieren sowie eine Steigerung solcher Projekte innerhalb Deutschlands vorantreiben.[144]
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