Masterarbeit, 2023
99 Seiten, Note: 1,1
2.1 Treiber und Herausforderungen der modernen Arbeitswelt
2.3 Demografische Entwicklung und Wertewandel
2.3.1 Digitalisierung und digitale Transformation
2.4 Konzeptionelle Grundlagen zur Arbeitsverdichtung
2.4.2 Determinanten, Konsequenzen und Bewältigungsstrategien
2.4.3 Betriebliches Gesundheitsmanagement
2.5.1 Persönlichkeitsmerkmale und Führung
2.5.3 Selbstführung, Resilienz, Achtsamkeit
2.6 Führungstheoretische Grundlagen
2.6.1 Transaktionale und transformationale Führung
2.6.3 Gesundheitsorientierte Führung
3 Empirische Untersuchung: Studienanalyse und –vergleich
3.1 Methodische Vorgehensweise
3.2 Studie 1: DGB-Index Gute Arbeit 2022
3.2.1 Forschungsfrage und Forschungsmethodik
3.2.2 Darstellung und Analyse der Studienergebnisse
3.3 Studie 2: Rochus Mummert: HR-Leadership-Panel 2018
3.3.1 Forschungsfrage und Forschungsmethodik
3.3.2 Darstellung und Analyse der Studienergebnisse
3.4 Studie 3: IFBG: #whatsnext2022 - Gesund arbeiten in der hybriden Arbeitswelt
3.4.1 Forschungsfrage und Forschungsmethodik
3.4.2 Darstellung und Analyse der Studienergebnisse
3.5 Gegenüberstellung, Interpretation und Bewertung der Studienergebnisse
4 Erstellung eines Leadershipkonzepts für Führungskräfte in der VUCA-Arbeitswelt
4.1 Ausgangssituation
4.2 Zielsetzung des Leadershipkonzepts
4.3 Aufbau und Inhalte des Leadershipkonzepts
4.3.1 Konzeptbaustein 1: Ausgangssituation und Rahmenbedingungen
4.3.2 Konzeptbaustein 2: Führungskräfteentwicklung
4.3.3 Konzeptbaustein 3: Gestaltung von effektiver Führung
4.3.4 Konzeptbaustein 4: Umgang mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung
4.3.5 Konzeptbaustein 5: Betriebliches Gesundheitsmanagement
4.4 Zusammenfassung des Leadershipkonzepts
5 Schluss
5.1 Kritische Reflexion
5.2 Ausblick
5.3 Zusammenfassung und Fazit
Anhang
Anhangsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Abbildung 1: Die Bevölkerungspyramide der Bundesrepublik Deutschland (2021)
Abbildung 2: Das Haus des Betrieblichen Gesundheitsmanagements
Abbildung 3: Full Range of Leadership Model (komprimiert)
Abbildung 4: DGB-Index Gute Arbeit: Teilindizes und Kriterien der Arbeitsqualität
Abbildung 5: Die elf Kriterien der Arbeitsqualität 2022 (Indexpunkte)
Abbildung 6: Zusammensetzung des Managements nach Typ A und Typ B (2017/2025)
Abbildung 7: Aufbau und Inhalte der Konzeptbausteine
Abbildung 8: Leadershipkonzept für Führungskräfte in der modernen Arbeitswelt
Tabelle 1: Gegenüberstellung der Kompetenzprofile eines Managers und eines Leaders
Tabelle 2: Zusammenfassung der Studienergebnisse der IFBG #whatsnext2022
Tabelle 3: Hypothese 1 - Überprüfung anhand der Studienergebnisse
Tabelle 4: Hypothese 2 - Überprüfung anhand der Studienergebnisse
Tabelle 5: Hypothese 3 - Überprüfung anhand der Studienergebnisse
ArbSchG Arbeitsschutzgesetz
Aufl. Auflage
BGF Betriebliche Gesundheitsförderung
BGM Betriebliches Gesundheitsmanagement
bzw. beziehungsweise
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
et al. et alii (und andere)
f. folgende
ff. fortfolgende
GPB Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
HPT High Performance Teams
HR Human Resources
Hrsg. Herausgeber
IFBG Institut für Betriebliche Gesundheitsberatung
IKT Informations- und Kommunikationstechnologie
KI Künstliche Intelligenz
KMU Kleinere und mittlere Unternehmen
PDCA Plan-Do-Check-Act
S. Seite
TK Techniker Krankenkasse
Vgl. Vergleiche
VUCA Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity
Psychische Erkrankungen stellen in Deutschland eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung dar und bilden, laut Gesundheitsreport 2023 der Techniker Krankenkasse (TK), mit einem Durchschnittswert von 3,33 Arbeitsunfähigkeitstagen pro Person im Jahr 2022 die bedeutsamste Erkrankungsgruppe.[1] Im Vergleich zum Jahr 2000 lagen die Fehlzeiten im Bereich der psychischen Erkrankungen damit um 140 Prozent (%) höher. Die Ergebnisse der TK-Stressstudie »Entspann dich, Deutschland!« zeigen, dass der Grund für die steigende psychische Belastung in der voranschreitenden Digitalisierung und der daraus resultierenden Arbeitsintensivierung liegt.[2] Die zunehmende Arbeitsintensivierung führt bei den Betroffenen oftmals zu Überforderung sowie zu einem Ungleichgewicht zwischen den zur Verfügung stehenden Ressourcen und den arbeitsbezogenen Anforderungen.[3] Dieser subjektive Spannungszustand wird als Hauptursache von Stress aufgefasst.[4] Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet Stress als eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts.[5] Für die Wirtschaft bedeuten krankheitsbedingte Fehltage hohe Kosten aufgrund von Produktionsausfällen.[6] Im Jahr 2020 betrug der Verlust an Bruttowertschöpfung aufgrund von psychischen Erkrankungen 24,3 Milliarden Euro.[7]
Das zentrale Problem der aktuellen Arbeitswelt liegt in dem permanenten Wandel und der Schnelligkeit.[8] Der Fokus liegt zumeist auf Geschwindigkeit und Beschleunigung und weniger auf Steuerung und Kontrolle. Der zunehmende Druck flexibel und agil zu agieren kann überwältigend sein und birgt psychische Nebenwirkungen für die betroffenen Akteure.[9] Die zunehmende Globalisierung und Digitalisierung sowie die Gleichzeitigkeit globaler Krisen sorgen zudem für ein hohes Maß an Komplexität, einen steigenden Leistungsdruck sowie wachsende Ansprüche an die fachlichen und methodischen Kompetenzen der Mitarbeitenden.[10] Für die Unternehmen bedeutet der Wandel der Arbeitswelt umfangreiche Restrukturierungsprozesse, um die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Die zunehmende Anforderungsvielfalt belastet neben den Mitarbeitenden auch die Führungskräfte, denn ihre Verantwortung liegt in der Koordination der neuen Strukturen und Prozesse, in der Gestaltung der notwendigen Beziehungsarbeit sowie in der gemeinsamen Bewältigung von Konfliktsituationen.[11] Des Weiteren resultieren aus den zahlreichen Belastungsspitzen der Arbeitswelt neue Herausforderungen in Bezug auf die Arbeitsplatzgestaltung, denn diese kann je nach Gesundheitszustand und Wohlbefinden der Mitarbeitenden zu Empowerment oder Überlastung führen.[12] Für diese Schlüsselfunktion ist es entscheidend, dass Führungskräfte ihr Führungsverständnis regelmäßig hinterfragen und an die veränderten Ansprüche und die steigende Komplexität der Arbeitswelt anpassen.[13] Der HR-Report 2021 des Rekrutierungsunternehmens Hays belegt jedoch, dass 58% der befragten Führungskräften die Anpassungen an die neuen Gegebenheiten schwerfallen und die individuelle Weiterentwicklung nicht ausreichend ist, da viele Führungskräfte hierarchisch geprägte Unternehmensstrukturen gewohnt sind und Schwierigkeiten haben die Mitarbeitenden in die Entscheidungsfindung mit einzubeziehen und Selbstorganisation zuzulassen.[14] Des Weiteren zeigt auch der Umgang mit der COVID-19 Pandemie, dass vielen Führungskräften die notwendigen mentalen Strategien und Strukturen fehlen, um die eigenen Arbeitsbedingungen und die der Mitarbeitenden an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen.[15] Ein Studie von Garretsen et al. zum Thema Führungsverhalten in der COVID-19 Pandemie belegt sogar, dass sich das Führungsverhalten in Krisensituationen zu einer direktiven und autoritären Führung zurückwandelt, bei der der Vorgesetzte Entscheidungen ohne Rücksicht auf die Meinung der Mitarbeitenden trifft.[16]
Führungskräfte tragen die Verantwortung und Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeitenden und sind somit für den Erhalt und die Förderung der Gesundheit mitverantwortlich.[17] Oftmals wird das gesundheitsförderliche Handeln jedoch nicht als integrierte Führungsaufgabe angesehen und das Bewusstsein für den Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden ist nicht vorhanden.[18] Nichtsdestotrotz belegen die Krankenkassenreports und Studien zu dieser Thematik wie wichtig die Gestaltung von Führung und betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen ist, um psychischen Belastungen aufgrund von steigender Arbeitsintensivierung vorzubeugen.[19]
Das Hauptziel der Masterthesis liegt in der Entwicklung und Erstellung eines Leadershipkonzepts für Führungskräfte in der modernen Arbeitswelt. Das Konzept soll als vorstrukturiertes, aber dennoch dynamisches und flexibles Hilfsinstrument fungieren und insbesondere für HR-Verantwortliche, Führungskräfte und Unternehmensleitungen eine Hilfestellung im Bereich der Führungskräfteauswahl und -entwicklung darstellen. Dabei soll es auf organisationspsychologischen Grundlagen sowie Erkenntnissen aus ausgewählten empirischen Erhebungen zu aktuellen Themen, Herausforderungen und Trends der Arbeitswelt basieren. Des Weiteren soll es der Prävention von psychischen Belastungen und Erkrankungen der Arbeitnehmer durch die zunehmende Arbeitsverdichtung dienen und Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von zukünftigen Führungsrollen und Organisationsmaßnahmen aufzeigen. Ein wichtiger Anspruch an das Leadershipkonzept liegt dabei auf einem verständlichen Aufbau, der einen transparenten und komprimierten Überblick über die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt sowie die Erwartungen der Arbeitnehmer zulässt. Darüber hinaus soll das Konzept explizite Handlungsbausteine für die betreffenden Akteure und Unternehmensverantwortliche beinhalten. Nichtsdestotrotz ist es eine wichtige Anforderung an das Konzept, individuelle und flexible Anpassungen zuzulassen, sodass es für eine große Bandbreite an Unternehmen adaptiert werden kann.
› Hypothese 2: Je weiter und schneller der Wandel der Arbeitswelt voranschreitet, desto mehr steigt die Arbeitsverdichtung und desto vielfältiger und anspruchsvoller werden die Erwartungen an die Rolle der Führungskräfte.
› Hypothese 3: Das Führungsverhalten und die Unternehmenskultur haben Einfluss auf das gesundheitliche Wohlbefinden und die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Mitarbeitenden.
Das erste Teilziel der Thesis liegt in der Bestimmung und Konkretisierung der zugrundliegenden begrifflichen und theoretischen Grundlagen. Hierbei sollen im Wesentlichen die Begriffe »VUCA-Welt« und Arbeitsverdichtung definiert werden, um aufzuzeigen inwiefern sich die steigenden Belastungen der Arbeitswelt auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden sowie auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auswirken.
Als zweites Teilziel soll mithilfe von drei ausgewählten wissenschaftlichen Studien zu Themen der modernen Arbeitswelt eine Bestandsaufnahme der derzeitigen Entwicklungen, Herausforderungen und Erwartungen der Arbeitswelt erstellt werden und es sollen Zukunftstrends aufgezeigt werden. Dazu sollen sowohl die Perspektiven der Beschäftigten und Führungskräfte als auch die Perspektiven der Unternehmensleitungen berücksichtigt werden, um konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu können.
Das dritte Teilziel der Thesis umfasst die Einordnung und Überprüfung der aufgestellten Hypothesen sowie die Beantwortung der Forschungsfrage. Die Überprüfung der Hypothesen erfolgt auf Basis der Studienergebnisse. Dafür sollen die Ergebnisse der Studienanalyse zunächst zusammengefasst, gegenübergestellt und kritisch betrachtet werden. Aufbauend auf den Resultaten der drei Teilziele wird anschließend das Leadershipkonzept entwickelt.
Die Masterthesis ist untergliedert in einen theoretischen Grundlagenteil, einen empirischen Forschungs- und Analyseteil sowie einen konzeptionellen Teil. Der theoretische Grundlagenteil umfasst das zweite Kapitel und beinhaltet, aufgeteilt in vier Themenbereiche, die wichtigsten begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen, die sich aus der Problemstellung ergeben. Das erste Themenfeld fokussiert auf die wesentlichen Treiber und Herausforderungen der modernen Arbeitswelt. Der zweite Themenschwerpunkt befasst sich mit den konzeptionellen Grundlagen zum Thema Arbeitsverdichtung und den daraus resultierenden Konsequenzen für die Organisationen, Führungskräfte und Mitarbeitenden. Im Abschnitt 2.2.3 wird dabei insbesondere auf das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) und die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GPB), als betriebliche Bewältigungs- und Präventionsstrategie für die zunehmende Arbeitsverdichtung, eingegangen. Der dritte und vierte Themenbereich fokussiert auf die psychologischen und führungstheoretischen Grundlagen, die in der modernen Arbeitswelt und in Bezug auf die Forschungsfrage relevant sind. Im Wesentlichen werden in diesen beiden Abschnitten die notwendigen psychischen Ressourcen und Persönlichkeitsmerkmale von Führungskräften sowie ausgewählte Führungsansätze thematisiert.
Der empirische Forschungs- und Analyseteil im dritten Kapitel der Thesis umfasst die Betrachtung, Analyse und Gegenüberstellung von drei ausgewählten Studien zur modernen Arbeitswelt, zur zunehmenden Arbeitsverdichtung und zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement. In Abschnitt 3.1 wird zunächst die methodische Vorgehensweise zur Auswahl der Studien erläutert. In den darauffolgenden Abschnitten werden die Rahmenbedingungen der jeweiligen Studien, in Form von Forschungsfrage und zugrundeliegender Methodik, erläutert. Darauf aufbauend werden die jeweiligen Studienergebnisse dargestellt und analysiert. In Abschnitt 3.5 erfolgt anschließend die Gegenüberstellung und Interpretation der Ergebnisse sowie eine kritische Betrachtung. Hierbei werden die in Abschnitt 1.2 aufgestellten Hypothesen aufgegriffen, überprüft und bewertet. Auf Basis der theoretischen Erläuterungen in Kapitel zwei und der empirischen Analyse in Kapitel drei, wird im vierten Kapitel ein Leadershipkonzept für die Gestaltung von zukünftigen Führungsrollen und Organisationsmaßnahmen in der modernen Arbeitswelt entwickelt. In Abschnitt 4.1 und 4.2 werden dafür zunächst die Rahmenbedingungen und Ziele des Konzepts bestimmt. Anschließend werden in Abschnitt 4.3 fünf Konzeptbausteine definiert. Die Bausteine beinhalten jeweils ein Zielbild, potenzielle Herausforderungen, die betreffenden Akteure sowie Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis. In Abschnitt 4.4 werden die einzelnen Bausteine zu einem ganzheitlichen Leadershipkonzept zusammengefasst.
In Kapitel fünf erfolgt zunächst eine kritische Betrachtung und Reflexion der methodischen Vorgehensweise und der Ergebnisse der Thesis sowie ein Ausblick auf potenzielle zukünftige Entwicklungen und Trends. Das Kapitel 5.3 schließt die Masterthesis mit einer abschließenden Zusammenfassung der Erkenntnisse sowie einem Fazit.
Die moderne, schnelllebige und komplexe Arbeitswelt wird von globalisierten Märkten, zunehmender Digitalisierung und der Gleichzeitigkeit globaler Krisen, wie der COVID-19 Pandemie, der Inflation oder dem Krieg in der Ukraine, geprägt.[20] Das Akronym »VUCA« steht für Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity und beschreibt die heutige Arbeitswelt mit ihren zahlreichen Facetten.[21] Volatilität steht für die vielfältigen und sprunghaften Veränderungen in der Unternehmensumwelt innerhalb kürzester Zeit. Unsicherheit beschreibt die geringe Planbarkeit aufgrund zahlreicher unvorhersehbarer Ereignisse, die Prognosen für die Zukunft erschweren. Komplexität beschreibt die erhöhte Dichte an Akteuren und Interaktionen in der Arbeitswelt und die daraus resultierende steigende Anzahl an Wechselwirkungen und Möglichkeiten. Ambiguität steht für die Mehrdeutigkeit von Situationen und Informationen, wodurch es zu unterschiedlichen globalen, kulturellen und generationsbedingten Deutungsmöglichkeiten kommt.[22] Das VUCA-Konzept fasst die wesentlichen Herausforderungen der modernen Arbeitswelt zusammen und verdeutlicht, dass die Megatrends Digitalisierung, Generationen- und Wertewandel sowie New Work nicht von den Unternehmen vernachlässigt werden dürfen, da sie enorme Auswirkungen auf den Erfolg der Organisationen sowie deren Führungskräfte und Mitarbeitenden haben.[23] Das Bewusstsein und die Akzeptanz der Gegebenheiten der VUCA-Welt stellen für die Organisationen und Führungskräfte eine Herausforderung dar, ermöglichen jedoch zugleich Handlungsfähigkeit und Resilienz, beziehungsweise (bzw.) Krisenfestigkeit.[24]
Die Altersstruktur in Deutschland steigt kontinuierlich an, wodurch der Anteil der Bevölkerung im Erwerbsalter (bis 67 Jahren) stetig abnimmt.[25] Die Anzahl der Erwerbsfähigen lag im Jahr 2018 noch bei 51,8 Millionen. Nach Ausscheiden der Baby-Boomer-Jahrgänge[26] aus dem erwerbsfähigen Alter in den Jahren 2030-2035, wird sich der Anteil der Erwerbsbevölkerung auf 45,8 bis 47,4 Millionen reduzieren, was eine Abnahme von bis zu 12% bedeutet.[27] Die Entwicklung der Alters-struktur hat einen Fachkräftemangel am deutschen Arbeitsmarkt zur Folge, der laut Bertelsmann-Umfrage aus dem Jahr 2021 bereits bei zwei Drittel der befragten Unternehmen existiert.[28]
Die nachfolgende Abbildung eins zeigt die Bevölkerungspyramide der Bundesrepublik Deutschland des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2021 im Vergleich zum Jahr 1990 und verdeutlicht den demografischen Wandel.
Abbildung 1: Die Bevölkerungspyramide der Bundesrepublik Deutschland (2021)[29]
Der demographische Wandel ist ein wesentlicher Treiber der modernen Arbeitswelt, denn er sorgt unter anderem dafür, dass Unternehmen ihre Denkprozesse und Werte vermehrt auf ihre Mitarbeitenden ausrichten müssen.[30] Aufgrund des Generationenwechsels von X[31] auf Y[32]/Z[33] werden neue Vorstellungen in Bezug auf die Arbeitswelt hervorgerufen, welche die etablierten Arbeitsweisen der Generation X ablösen. Der demographische Wandel bedingt demnach einen Wertewandel, sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Unternehmen.[34] „Arbeit wird immer mehr von der Sinnfrage und dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung getrieben. Unabhängigkeit, Sinnhaftigkeit und Selbstbestimmung sind die neuen Antriebsfedern der jungen Generationen von Arbeitnehmern.“[35]
Die fortschreitende Digitalisierung und der zunehmende Einsatz digitaler Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) in den Unternehmen führt ebenfalls zu einer grundlegenden Transformation der Arbeitswelt.[36] Die digitale Transformation, die häufig auch als vierte industrielle Revolution oder Industrie 4.0 bezeichnet wird, ermöglicht eine vermehrte virtuelle Zusammenarbeit zwischen und innerhalb der Unternehmen, wodurch die Vernetzung und Globalisierung der Märkte weiter voranschreitet.[37] Hieraus ergeben sich zahlreiche Chancen, wie beispielsweise die Schaffung von effizienteren Produkten und Dienstleistungen zur Verbesserung des Kundennutzens, die Verkürzung von Innovationsprozessen sowie die Reduzierung von Markteinführungszeiten.[38] Für die Unternehmen bedeutet dies eine Neuausrichtung der Organisationsstrukturen, Prozesse und Geschäftsmodelle, da die Vielzahl an neuen, datenbasierten und intelligenten IKT eine zunehmende Automatisierung der betrieblichen Abläufe ermöglicht.[39] Für die Arbeitnehmer ist es wichtig, dass sie über einen hohen Qualifikationsstandard und digitale Kompetenzen verfügen, denn diese werden zukünftig das Bindeglied zwischen dem disruptiven Marktumfeld und den unternehmerischen Strategien sein.[40] Unter digitalen Kompetenzen wird die Gesamtheit an Wissen, Bewusstsein und Fähigkeiten verstanden, die erforderlich ist, um mithilfe von IKT zu kommunizieren, Informationen zu verwalten, Inhalte zu erstellen und zu teilen und Probleme zu lösen.[41]
Die zunehmende Digitalisierung führt bei vielen Arbeitnehmern, aufgrund der permanenten Erreichbarkeit, schnell zu einem erhöhten Termindruck sowie zu einer Informationsüberflutung.[42] Laut der Stressstudie »Entspann dich, Deutschland!« der Techniker Krankenkasse aus dem Jahr 2021 gilt die Digitalisierung als einer der größten Veränderungsfaktoren in Bezug auf das Stressempfinden, da sie den allgemeinen Stresspegel der Bevölkerung enorm beeinflusst und anhebt.[43]
Megatrends bauen sich über viele Jahre langsam auf und nehmen dann plötzlich, meist ausgelöst durch ein disruptives Ereignis, an Fahrt auf.[44] Die einflussreichsten Treiber, die den Wandel in Richtung des Megatrends New Work forcieren, sind die Digitalisierung, die Globalisierung, der Ausbruch der Corona Pandemie sowie der Generationen- und Wertewandel.[45] Der Begründer von New Work, Fritjof Bergmann, definiert in den 1970er Jahren den Begriff zunächst als humanistisches Arbeitskonzept, bei dem mittels disruptiver Technologien freie Ressourcen für die Arbeitswelt geschaffen werden sollen, um auslaugende Arbeit zu verringern und bewusstseinsfördernde und sinnstiftende Arbeit zu ermöglichen.[46]
Neben dem Wandel der Arbeitswelt umfasst das Konzept auch den Wandel der Gesellschaft und der Erwartungen, die Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen an die zukünftige Gestaltung von Arbeit haben.[47] In der heutigen Arbeitswelt beschreibt New Work ein neues Verständnis von Arbeit und beinhaltet neue Arbeitsformen, welche auf selbstorganisiertes und selbstbestimmtes Arbeiten, flexible Formen der Arbeitszeit und des Arbeitsortes, Sinnhaftigkeit der Arbeit sowie neue Arbeitsmodelle, wie beispielsweise Work-Life-Blending[48], Home-Office und Co-Working Spaces, fokussieren.[49] Eine aktuelle Definition des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation beschreibt New Work als „erwerbsorientierte Arbeit mit einer Arbeitsweise, die durch ein hohes Maß an Virtualisierung von Arbeitsmitteln, Vernetzung von Personen, Flexibilisierung von Arbeitsorten, -zeiten und -inhalten gekennzeichnet ist.“[50] Dieses neue Arbeitsverständnis erfordert veränderte Führungsstrukturen und einen Abbau von Unternehmenshierarchien, um die Selbstorganisation der Mitarbeitenden zu fördern.[51] Die Rolle der Führungskraft wandelt sich hin zu einem Coach, dessen Hauptaufgabe in der Unterstützung, Entwicklung und Mobilisierung der selbstorganisierten Teams liegt. Zudem geht es um die Schaffung von Freiräumen, zur optimalen Selbstverwirklichung und Individuation der Mitarbeitenden.[52] Neben der Vorteile birgt der Megatrend New Work, aufgrund der zunehmenden Entgrenzung von Arbeit, auch Herausfor-derungen für die Gestaltung betrieblicher Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen, die der Prävention gesundheitlicher und psychischer Belastungen der Beschäftigten dienen sollen.[53]
Die im vorherigen Abschnitt 2.1 beschriebenen Treiber der Arbeitswelt sorgen für eine zunehmende Beschleunigung und Komplexität in den Unternehmen, woraus eine steigende quantitative und qualitative Intensivierung von Arbeit bei den Beschäftigten resultiert.[54] Diese Veränderung wird als Arbeitsverdichtung bezeichnet. Die Arbeitsverdichtung, bzw. die Arbeitsintensität „wird durch das Verhältnis von Arbeitszeit, zu bewältigender Arbeitsmenge und geforderter Arbeitsqualität bestimmt. Wenn diese Faktoren in einem Missverhältnis stehen, z.B. weil die quantitativen Anforderungen in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu bewältigen sind, geraten die Beschäftigten unter Druck.“[55] Zu den qualitativen Anforderungen gehören die Komplexität, die Schwere sowie die Qualität der Arbeit.[56] Weitere Facetten von Arbeitsverdichtung liegen in der Vielzahl von wechselseitigen Abhängigkeiten (Interdependenzen) zu Arbeitskollegen, einer fehlenden Klarheit der eigenen Aufgaben sowie in einem hohen Maß an Unterbrechungen während der Tätigkeit. Auch die erweiterte Erreichbarkeit außerhalb der regulären Arbeitszeiten charakterisiert den Begriff der Arbeitsverdichtung. Inwiefern sich die zunehmende Arbeitsintensivierung auf die Unternehmen und deren Arbeitnehmer auswirkt ist abhängig von den betrieblichen Maßnahmen und Strategien im Umgang mit den neuen Anforderungen der Arbeitswelt. Darüber hinaus spielen auch die individuellen Ressourcen der Beschäftigten eine entscheidende Rolle. [57]
Die zunehmende Arbeitsverdichtung hat zahlreiche und vielfältige Ursachen. Neben der zunehmenden Beschleunigung und Komplexität spielen vor allem der Fachkräftemangel und der zunehmende Einsatz von moderner IKT und Künstlicher Intelligenz (KI) eine wesentliche Rolle. [58] Die modernen, algorithmischen und vernetzten Systeme sorgen für eine fremdbestimmte Arbeitsgestaltung und eine Erhöhung des Arbeitstempos.[59] Des Weiteren erhöht sich auch die Zahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Vorgänge, wodurch eine höhere Multitaskingfähigkeit bei den Beschäftigten gefordert ist. Die Benutzergestaltung der eingesetzten IKT stellt ebenfalls eine potenzielle Ursache für die zunehmende Arbeitsverdichtung dar, insbesondere dann, wenn es zu technischen Störungen und Unterbrechungen kommt oder die Systeme nicht intuitiv gestaltet sind. Dieser sogenannte »Techno-Stress« führt zu mentalen Belastungen und zeitlichen Verzögerungen in der Arbeitsausführung. Darüber hinaus erhöht sich mit zunehmendem Einsatz digitaler Arbeitsmittel auch der Schulungsbedarf der Mitarbeitenden. Neue Arbeitsmodelle im Kontext von New Work können zudem für eine Entgrenzung von Arbeit sorgen, woraus überlange Arbeitszeiten, eine ständige Erreichbarkeit sowie vermehrte Videokonferenzen ohne Pausen resultieren.[60]
Eine Studie im Auftrag der ver.di-Bundesverwaltung aus dem Jahr 2019 bestätigt: „Eine hohe Arbeitsintensität ist eine potenzielle psychische Belastung, die negativ auf die Gesundheit wirken kann.“[61] Die gesundheitlichen Konsequenzen reichen von Kopf- und Rückenschmerzen, hinzu Magenbeschwerden, Burnout und Depressionen.[62] Für die Unternehmen bedeutet dies zumeist hohe Kosten bedingt durch krankheitsbedingte Fehlzeiten, ein schlechtes Betriebsklima, eine hohe Fluktuationsquote sowie Abstriche bei der Qualität der Arbeit.[63] Die individuellen Bewältigungsstrategien der Beschäftigten im Umgang mit der steigenden Mehrfachbelastung, haben oftmals eine Tendenz zur Selbstgefährdung und Selbstausbeutung, da Erholungspausen häufig verkürzt oder ausgesetzt werden, trotz Krankheit gearbeitet wird oder unbezahlte Arbeit geleistet wird.[64] Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Bewusstsein der Führungskräfte für die Arbeitsintensivierung nicht vorhanden ist oder es keine oder unzureichende betriebliche Maßnahmen im Umgang mit den neuen Anforderungen gibt.[65] Eine betriebliche Bewältigungs- und Präventionsstrategie für den Umgang mit der zunehmenden Arbeitsverdichtung stellt das BGM und die damit einhergehende gesetzlich vorgeschriebene GPB sowie die Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) dar, die im nachfolgenden Abschnitt thematisiert werden.
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement umfasst die ganzheitliche Gesundheitsförderung in den Unternehmen und sorgt für den Erhalt und die Förderung der Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten.[66] Das BGM organisiert, koordiniert und evaluiert gesundheits-bezogene Maßnahmen und Strategien für das physische und psychische Wohlbefinden der Mitarbeitenden, welche sich zudem an den Unternehmenszielen orientieren und spezifische Zielwerte und Kennzahlen beinhalten. Das klassische BGM basiert auf den drei Säulen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Betriebliches Eingliederungsmanagement und BGF.[67] Die nachfolgende Abbildung zwei visualisiert das sogenannte »Haus des Betrieblichen Gesundheitsmanagements«.
Abbildung 2: Das Haus des Betrieblichen Gesundheitsmanagements[68]
Die erste Säule basiert auf dem Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und obliegt sowohl der Pflicht des Arbeitgebers als auch des Arbeitnehmers.[69] Das ArbSchG gilt für alle Unternehmen, unabhängig ihrer Größe oder ihrer Branchenzugehörigkeit und regelt die gesetzlichen Pflichten des Arbeitgebers zur Verbesserung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes der Beschäftigten.[70] Der § 5 ArbSchG umfasst die Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen und der auszuführenden Arbeitstätigkeit.[71] Der Paragraf beinhaltete zunächst lediglich die Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf die Gestaltung und Einrichtung des Arbeitsplatzes, den Umgang mit Maschinen, Geräten und Anlagen, physikalische, chemische und biologische Einwirkungen sowie auf die Gestaltung der Arbeitszeit und der Arbeitsabläufe.[72] Im September 2013 wurde der § 5 ArbSchG um den Absatz 3, Punkt 6 ergänzt, der zudem die psychischen Belastungen bei der Arbeit als expliziten Gefährdungsfaktor benennt. Zu den psychischen Belastungen gehören Faktoren, die von außen auf die Psyche der Beschäftigten einwirken, wie beispielsweise die zunehmende Arbeitsverdichtung, soziale Komponenten wie das Betriebsklima und der Führungsstil, sämtliche Arbeitsmittel sowie Art und Umfang der Arbeitstätigkeit. Eine fehlende Gefährdungsbeurteilung kann für die Unternehmen Bußgelder bis zu 50.000 Euro, Regressforderungen[73] der Sozialversicherungsträger und Berufsgenossenschaften sowie arbeitsrechtlich Nachteile zur Folge haben.[74] Die zweite Säule des BGM umfasst das Betriebliche Eingliederungsmanagement, welches nach sechswöchiger Abwesenheit des Arbeitnehmers greift und die Reintegration in das Arbeitsumfeld ermöglichen und unterstützen soll.[75] Die dritte Säule, die BGF, umfasst freiwillige und proaktive Maßnahme des Unternehmens, die sowohl verhaltens- als auch verhältnisorientiert fungieren. Die verhaltensorientierten Maßnahmen beziehen sich unmittelbar auf den einzelnen Menschen und beinhalten zumeist Angebote zur Steigerung der körperlichen Fitness. Die verhältnisorientierten Maßnahmen sind ganzheitlicher und zielen auf eine gesundheitsförderliche Arbeit und Unternehmenskultur ab und berücksichtigen dafür sämtliche Lebens- und Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten.[76]
Im Wesentlichen geht es beim BGM um eine möglichst eindeutige Identifizierung und Lokalisierung von Problemen bei den Beschäftigten sowie innerhalb der Teams und Abteilungen, denn nur auf diese Weise besteht die Möglichkeit präzise Lösungen anzubieten und anzuwenden.[77] Ein zielführendes BGM verknüpft alle drei Säulen miteinander und umfasst weitaus mehr als unverbundene Einzelaktionen, die lediglich auf das physische Wohlbefinden ausgerichtet sind, wie beispielsweise ergonomisches Büroequipment, Obstkörbe oder Impfaktionen. Es geht vielmehr um Empowerment, Workshops zur Gefährdungsbeurteilung, Arbeitsplatzbeobachtungen, Gesundheitszirkel und Gesundheitsbefragungen.[78]
In der Psychologie gibt es zahlreiche Theorien zur Erfassung und Beschreibung der menschlichen Persönlichkeitsstruktur.[79] Das weltweit bekannteste Verfahren stellt das Fünf-Faktoren-Modell, kurz die »Big Five«, dar. Das Modell wurde im Jahr 1999 im Rahmen einer 45-jährigen Längsschnittstudie entwickelt und beinhaltet fünf grundlegende Persönlichkeitseigenschaften, mit denen sich die menschliche Persönlichkeit in zahlreichen Kulturen auf einem hohen Abstraktionsniveau beschreiben lässt. Persönlichkeitseigenschaften gelten als relativ unveränderlich und universal gültig, was bedeutet, dass sich die menschliche Persönlichkeit im Laufe eines Lebens nur geringfügig verändert. Die Big Five sind bei jedem Menschen unterschiedlich ausbalanciert und weisen verschiedenartige Ausprägungen auf, reichen jedoch bei Weitem nicht aus, um die zahlreichen Facetten sowie die Komplexität und Tiefe der menschlichen Persönlichkeit vollständig zu beschreiben.[80] Zu den Big Five gehören folgende Faktoren:[81]
› Extraversion: Geselligkeit, Ungehemmtheit, Kontaktfreudigkeit, positive Grundstimmung und ein hohes Energielevel. Eine geringe Ausprägung führt zu Introversion.
› Verträglichkeit: Starkes zwischenmenschliches Harmoniebedürfnis und eine hohe altruistische Ausprägung. Eine hohe Verträglichkeit führt zu einer starken Beliebtheit.
› Gewissenhaftigkeit: Hohe Selbstdisziplin, Willenskraft und Leistungsbereitschaft. Eine geringe Ausprägung führt zu Unzuverlässigkeit und mangelnder Organisationsfähigkeit.
› Neurotizismus: Emotionale Labilität, starke Unsicherheit und Nervosität. Eine schwache Ausprägung von Neurotizismus führt zu emotionaler Stabilität und Ausgeglichenheit.
› Offenheit für Erfahrungen: Intellektuelle Neugier und Kreativität. Ständig auf der Suche nach Abwechslungen und offen für neue Handlungsweisen.
Führungsstile resultieren aus dem Zusammenspiel von Persönlichkeitseigenschaften und dem Verhalten von Führungskräften. Eine hohe Extraversion, Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität sowie eine hohe Verträglichkeit bilden eine wichtige Grundlage für eine erfolgreiche Führung. Vor allem Extraversion ist ein positiver Prädikator für die Entstehung von Führung und bewirkt, dass Führungskräfte auch als solche wahrgenommen werden.[82] In Abschnitt 2.4 werden ausgewählte Führungsstile, die in Bezug auf die Problemstellung der Thesis relevant sind, sowie die damit verbundenen Persönlichkeitseigenschaften näher betrachtet und erläutert.
Das Psychologische Kapital ist ein Führungskonzept, welches von dem amerikanischen Verhaltens- und Organisationsforscher Fred Luthans erstmals im Jahr 2004 veröffentlicht wurde.[83] Es bezieht sich auf die internen Ressourcen und die innere Stärke von Menschen und gilt somit insbesondere im Bereich Human Resources (HR) als wichtiges Führungs- und Motivationskonzept.[84] Gemäß der ursprünglichen Definition von Lufthans beschreibt das Konzept den positiven psychologischen Entwicklungszustand einer Person, der gekennzeichnet ist durch Selbstwirksamkeit, bzw. die innere Überzeugung anspruchsvolle Aufgaben erfolgreich zu bewältigen, Optimismus in Bezug auf den aktuellen und zukünftigen Erfolg, Hoffnung, bzw. Beharrlichkeit bei der Verfolgung angestrebter Ziele und Resilienz, bzw. Widerstandsfähigkeit in Bezug auf die Bewältigung und Überwindung von Problemen. Die Kernkomponenten des Psychologischen Kapitals sind demnach Selbstwirksamkeit, Hoffnung, Optimismus und Resilienz.[85] In einer Metaanalyse aus dem Jahr 2011, die insgesamt 51 Studien mit circa 13.000 Probanden umfasst, untersuchten Luthans und sein Team die generalisierbaren Effekte des Konzepts und kamen zu dem Schluss, dass die Arbeitszufriedenheit, das psychologische Wohlbefinden der Beschäftigten sowie das Leistungsniveau und die Leistungsbereitschaft in einem positiven Zusammenhang mit einem hohen Psychologischen Kapital stehen.[86] Kündigungsabsichten, Stresserleben und Zynismus sind hingegen umso niedriger, je höher die Werte des Psychologischen Kapitals sind.[87] Die optimale Gestaltung und Steuerung des Psychologischen Kapitals der Beschäftigten durch die Führungskräfte ermöglicht eine effektive und effiziente Erreichung der Unternehmensziele.[88]
Selbstführung, Resilienz und Achtsamkeit gewinnen im Organisationskontext zunehmend an Bedeutung und gelten als wichtige Eigenschaften und Fähigkeiten im Bereich der Führung.[89] Selbstführung basiert auf Selbstreflexion und bedeutet sich selbst realitätsangemessen wahrzunehmen und die eigenen Absichten, Verhaltensweisen und deren Wirkung zu verstehen.[90] Auf diese Weise verhilft die Selbstführung auch zu einer systematischen Fremdwahrnehmung und bildet die Basis für eine achtsame Mitarbeiterführung.[91] Achtsamkeit gilt als eine wissenschaftlich fundierte und gesundheitsfördernde Meditationsform, die zu einer kontrollierten und zielorientierten Entscheidungsfindung durch die Führungskraft führen kann.[92] In einer schnelllebigen Arbeitswelt, die durch einen permanenten Leistungsdruck geprägt ist, fördern Achtsamkeitstrainings die Fähigkeit bewusst innezuhalten und zu reflektieren. Dadurch kann die Konzentrationsfähigkeit, die Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie die Emotionsregulierung optimiert werden.[93] Resilienz beschreibt den Prozess belastende Extremsituationen und Krisen durchzustehen und aus ihnen zu lernen, ohne Schaden an der Seele zu nehmen.[94] Es charakterisiert demnach die Fähigkeit, bzw. die Ressourcen einer Person, trotz risikoreichen Situationen die normale Funktionsfähigkeit des Körpers aufrechtzuerhalten und sich schnell von traumatischen Ereignissen zu erholen. Im Organisationskontext bedeutet Resilienz die Übernahme von Verantwortung, ein stark optimistisches Verhalten sowie Stressresistenz.[95] Selbstführung, Achtsamkeit und Resilienz bedingen einander und ermöglichen die Reflexion des eigenen Verhaltens und des Verhaltens anderer.[96] In der VUCA-Arbeitswelt sind dies unabdingbare Voraussetzungen, um im Rahmen von Changemanagement und Veränderungsprozessen belastbare Beziehungen in den Unternehmen zu gestalten und unvermeidliche Konfliktsituationen zu bewältigen.[97]
Das Konzept der transaktionalen und transformationalen Führung nach Bernard M. Bass beschreibt zwei komplementäre Führungsstile.[98] Die transaktionale Führung basiert im Allgemeinen auf einem Austauschverhältnis und einer gemeinsamen Ziel- und Leistungsvereinbarung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden. Sie ermöglicht eine verlässliche Planung, da sie zu einer erwarteten Leistung führt. Die Motivation der Beschäftigten ist dabei primär extrinsisch geprägt, da die gezeigten Leistungen stets mit positiven oder negativen Konsequenzen bewertet werden und der Fokus somit auf die Selbstinteressen der Mitarbeitenden gelegt wird. Das Ziel der transformationalen Führung liegt in der Transformation der Werte, Ideale und Einstellungen der Mitarbeitenden hin zu einer langfristigen, übergeordneten und kollektiven Zielorientierung. Mithilfe von individuellen Führungsverhaltensweisen wird die Einsatzbereitschaft und das Selbstvertrauen der Beschäftigten gestärkt, was zu einer erhöhten intrinsischen Motivation führt. Daraus resultieren zusätzliche Anstrengungen und Leistungen, die weit über dem zu erwartenden Ausmaß liegen. Eine Kombination von transaktionaler und transformationaler Führung verursacht demnach einen Zusatzeffekt in Bezug auf die Führungseffektivität und Leistungsbereitschaft. Die beiden Führungsstile sind die wesentlichen Bestandteile des derzeit bekanntesten und umfassendsten Führungsstilkonzepts, dem Full Range of Leadership Model.[99] Die nachfolgende Abbildung drei veranschaulicht das Modell in komprimierter Form und zeigt, dass die transaktionale Führung die Grundlage für die weitergehende transformationale Führung bildet.
Abbildung 3: Full Range of Leadership Model (komprimiert)[100]
Empirische Studien belegen einen negativen Zusammenhang von transformationaler Führung und psychischer Erkrankungen, insbesondere Burnout und Depressionen.[101] Ein transformationaler Führungsstil wirkt sich demnach positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeitenden aus.
Agilität beschreibt die Fähigkeit frühzeitig und flexibel auf Veränderungen und externe Entwicklungen zu reagieren und gilt daher als wichtige Komponente für den anhaltenden wirtschaftlichen Erfolg in der VUCA-Welt.[102] Agilität funktioniert am besten in Unternehmen, bei denen Offenheit, Reflektivität und psychologische Sicherheit den kulturellen Rahmen bilden. Des Weiteren gehört auch eine gesunde Feedback- und Fehlerkultur dazu.[103] In der agilen Arbeitswelt fallen aufgrund der Digitalisierung zunehmend weniger repetitiv-stupide Aufgaben an, wodurch bei den Mitarbeitenden mehr Raum für Individualismus, Selbstverwirklichungsbestrebungen und Individuation[104] entsteht.[105] Auf diese Weise verschiebt sich der Fokus von ganzheitlichen Strukturen hin zum Subjekt und die Erwartungen an die Entscheidungsfähigkeit des Einzelnen nehmen zu. Dieser Wandel stellt die Unternehmen vor die Herausforderung bestehende hierarchische Führungsstrukturen sowie den kulturellen Rahmen zu überdenken. Anstelle einer top-down Führung, sollen sich agile Teams selbst organisieren, eigenverantwortlich führen und in enger Zusammenarbeit mit den Kunden Entscheidungen treffen. Agile Leadership bedeutet ein Umdenken auf Führungsebene und stellt eine neue Form der Mitarbeiterführung dar.[106] Die Aufgabe der agilen Leader liegt in der Unterstützung und Entwicklung der Mitarbeitenden sowie in der Mobilisierung der agilen Teams, wodurch sich die Rolle der Führungskräfte hinzu einem Coach und Berater entwickelt.[107] Agile Leader verfügen daher idealerweise über eine offene, verträgliche und gewissenhafte Persönlichkeit.[108] Durch die kontinuierliche Förderung und die Selbstorganisation, die Agile Leadership ermöglicht, können sich die agilen Teams zu High Performance Teams (HPT) entwickeln, bei denen die Teammitglieder als Einheit agieren, dieselben gemeinsamen Ziele verfolgen und dadurch über einen langen Zeitraum eine hohe Leistungsfähigkeit und überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen können.[109]
Die gesundheitsorientierte, bzw. gesunde oder salutogenetische Führung ist ein vielschichtiges Thema und befasst sich neben körperlichen Gesundheitsmaßnahmen insbesondere mit psychosozialen Belastungen und nachhaltiger Arbeitsfähigkeit.[110] Das Ziel der gesundheitsorientierten Führung, liegt in dem Erhalt und der Förderung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden. Die Führungskräfte können Einfluss auf die Arbeitsrahmenbedingungen ihrer Mitarbeitenden nehmen und diese gesundheitsförderlich gestalten, indem sie benötigte Ressourcen zur Verfügung stellen, Handlungsspielräume schaffen und Arbeitsunterbrechungen reduzieren. Auf die grundlegenden Unternehmensstrukturen, also die Wahl des Managementkonzepts und die Gestaltung von Arbeitsverträgen oder Arbeitszeitmodellen, können sie hingegen wenig Einfluss nehmen.[111] Daher muss die gesunde Führung auch in den kulturellen Unternehmenskontext integriert werden.[112]
Gesunde Führung basiert auf sozialer Unterstützung und Partizipation, Selbst- und Fremdwertschätzung sowie körperlichem und psychischem Wohlbefinden.[113] Des Weiteren bedarf es der gesundheitsförderlichen Selbstführung und Selbstreflexion der Führungskraft, denn nur, wer sich selbst gesund führt und einschätzen kann, der kann auch seine Mitarbeitenden gesund führen und wird als Vorbild wahrgenommen. Weitere wesentliche Bestandteile einer erfolgreichen gesunden Führung sind Transparenz, Klarheit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit. Gesunde Führung erfordert demnach eine starke Führungspersönlichkeit, um die Teammitglieder zu ermutigen achtsamer im Hinblick auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu agieren. Wichtige Einflussfaktoren für die Erhaltung und Herstellung von physischem und psychischem Wohlbefinden (Salutogenese) sind die inneren Antreiber und Glaubenssätze, der Umgang mit Stress, Bewegung, Ernährung, Achtsamkeit und Energie.[114] In der gesundheitsorientierten Führung führt Achtsamkeit dazu, dass die individuellen Ziele und Bedürfnisse der Mitarbeitenden in Einklang mit den Unternehmenszielen gebracht werden, woraus ein achtsames, leistungsorientiertes und sinnstiftendes Betriebsklima resultiert.[115] In Bezug auf den nachhaltigen Unternehmenserfolg eignet sich eine Kombination aus transformationaler und gesundheitsorientierter Führung, da sich auf diese Weise die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden besonders fördern lässt, wodurch sowohl die Arbeitszufriedenheit als auch die Leistungsbereitschaft gesteigert werden kann. Dieser Zusammenhang und die daraus resultierende Win-Win-Situation sind mehrfach empirisch nachgewiesen.[116]
Zur empirischen Überprüfung und Generalisierbarkeit der aufgestellten Hypothesen, erfolgt in diesem Abschnitt eine Analyse und Gegenüberstellung von drei wissenschaftlichen Studien zu Themen der modernen Arbeitswelt, New Work Aspekten, zur zunehmenden Arbeitsverdichtung und zum BGM. Zunächst werden dafür die jeweiligen Erhebungsdaten und Studienergebnisse dargestellt. Anschließend erfolgt in Abschnitt 3.5 die Interpretation der Ergebnisse sowie die Prüfung der Hypothesen. Das Ziel der Studienanalyse ist es, die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen, Trends und Herausforderungen der Arbeitswelt für die zuvor genannten Themenbereichen aufzuzeigen und empirisch zu belegen. Dazu sollen die Perspektiven und Erwartungen der Beschäftigten, Führungskräfte und Unternehmensleitungen ermittelt werden, um im Abschnitt vier konkrete Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von zukünftigen Führungsrollen und Organisationsmaßnahmen abzuleiten und ein Leadershipkonzept zu entwickeln.
Die nachfolgenden Studien wurden zunächst aufgrund ihres Forschungsinteresses und ihrer Aktualität ausgewählt. Das Kriterium der Aktualität ist insbesondere deshalb ausschlaggebend, da sich die Datengrundlage sowie die Relevanz der erhobenen Daten in der schnelllebigen VUCA-Welt permanent ändern kann und daher zu einer geringeren Aussagekraft führt. Ein weiteres Auswahlkriterium stellen die Studienverantwortlichen, also die Institute und Organisationen hinter den Erhebungen dar. Hier wurde der Fokus auf Erhebungen gelegt, bei denen die Studienverantwortlichen direkte Berührungspunkte sowie Best-Practice-Erfahrungen in den Bereichen BGM, Leadership, Arbeitsverdichtung und New Work haben. Die Auswahl fiel daher auf Unternehmens- und Personalberatungen sowie Institute, die ihre Datenerhebungen in Zusammenarbeit mit Krankenkassen und Gewerkschaften durchgeführt haben. Des Weiteren wurden Studien ausgewählt, die eine hohe Reichweite und somit repräsentative Stichproben in ihrer Erhebung erzielen konnten, um einerseits Abhängigkeiten und Zusammenhänge zu identifizieren und andererseits eine möglichst hohe Validität und Reliabilität in den Ergebnissen der Studienanalyse zu erzielen. Die Methodik des Studienvergleichs wurde gewählt, da die Menge und Bandbreite der zugrundeliegenden Daten im Rahmen einer eigens durchgeführten Befragung oder eines Experteninterviews den Umfang der Masterthesis deutlich überschritten hätte. Um die Objektivität der Ergebnisse des Studienvergleichs zu gewährleisten, wird in der nachfolgenden Analyse zudem mit Originalzitaten von Experten im Rahmen von Pressekonferenzen, Presseartikeln und Interviews zu den Studien sowie mit direkten Zitaten aus den Erhebungen gearbeitet.
Der Index Gute Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) ist ein wissenschaftlich fundiertes Instrument zur Messung der Arbeitsqualität aus der Sicht der Beschäftigten, basierend auf einer jährlichen Befragung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.[117] Der DGB-Index Gute Arbeit ist eine gemeinschaftliche Initiative des DGB und seiner acht Mitgliedsgewerkschaften, mit dem Ziel arbeits- und sozialpolitische Problemfelder der Arbeitswelt zu ermitteln, um daraus Strategien zur Verbesserung der Arbeitsqualität abzuleiten. Die Erhebung wurde erstmals im Jahr 2007 durchgeführt und seither wurden mehr als 70.000 Beschäftigte zu ihren Arbeitsbedingungen befragt.[118] Seit dem Jahr 2012 beinhaltet die Umfrage 42 standardisierte Einzelfragen, die jährlich um Zusatzfragen zu aktuellen Themen ergänzt werden.[119] Die Einzelfragen bilden die Grundlage für die Indexberechnung und werden themenbezogen in elf Kriterien der Arbeitsqualität sowie drei Teilindizes zusammengefasst.[120] Die nachfolgende Abbildung vier beinhaltet die drei Teilindizes »Ressourcen«, »Belastungen«, »Einkommen und Sicherheit« sowie deren Kriterien der Arbeitsqualität:
Abbildung 4: DGB-Index Gute Arbeit: Teilindizes und Kriterien der Arbeitsqualität[121]
Im letzten Schritt der Datenauswertung werden die drei Teilindizes über ein statistisches Verfahren zu einem Gesamtindex, der Auskunft über die durchschnittliche Arbeitsqualität der Beschäftigten in Deutschland gibt, umgerechnet und zusammengefasst.[122] Die Indexwerte liegen zwischen 0 und 100 Punkten, die in vier Qualitätsstufen eingeordnet werden:
› 0 bis 49 Punkte: Schlechte Arbeit (denkbar schlechteste Arbeitsqualität)
› 50 bis 64 Punkte: Unteres Mittelfeld
› 65 bis 79 Punkte: Oberes Mittelfeld
› 80 bis 100 Punkte: Gute Arbeit (optimale Arbeitsbedingungen)
Aufgrund der jährlichen Befragung und der standardisierten Konstruktion des DGB-Index Gute Arbeit ist die Vergleichbarkeit der Jahresindexwerte gewährleistet.[123] Im Rahmen der Repräsentativumfrage zum DGB-Index Gute Arbeit 2022 wurden im Befragungszeitraum Januar bis Juni 2022 6.689 abhängige Beschäftigte aus unterschiedlichen Branchen, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mindestens zehn Stunden, zu ihren aktuellen Arbeitsbedingungen befragt.[124] Die Stichprobe beinhaltet keine Auszubildenden, Selbstständige und Personen, die das gesetzliche Renteneintrittsalter von 65 Jahren überschritten haben. Die Datenerhebung basiert auf computergestützten, telefonischen Interviews und die Auswahl der Stichprobe erfolgte nach dem Zufallsprinzip, um die Repräsentativität der Umfrage zu gewährleisten. Des Weiteren werden bei der Auswertung der Befragung, zusätzlich zu den aktuellen Daten, die Mittelwerte aus den letzten vier Jahren berechnet, um auch in kleinen Teilgruppen der Stichprobe repräsentative Vergleichswerte zu erzielen. Neben der Standardberichterstattung, die auf den 42 Einzelfragen und den ergänzenden Zusatzfragen basiert, gibt es auch Sonderauswertungen zum jährlich wechselnden Schwerpunktthema.[125]
Das Schwerpunktthema und Forschungsinteresse des DGB-Index Gute Arbeit 2022 liegt in der digitalen Transformation der Arbeitswelt und den daraus resultierenden Veränderungen der Arbeit aus Sicht der Beschäftigten.[126] Des Weiteren fokussiert die Studie auf die Auswirkungen moderner Technologien auf die Beschäftigungsentwicklung sowie die Arbeitsplatzgestaltung.[127] Die 42 indexbildenden Standardfragen sowie die vier ergänzenden Fragen zu den Themen Arbeitsintensität, berufliche Perspektiven und Gesundheitsverhalten sind im Anhang eins enthalten.
Der Gesamtindexwert Gute Arbeit liegt im Jahr 2022 bei 65 von 100 Punkten und damit an der Grenze zwischen oberem und unterem Mittelfeld.[128] Der Indexwert hat sich seit dem Jahr 2012 von 61 auf 65 Punkte verbessert. Der Teilindex »Ressourcen« liegt im Jahr 2022 mit 71 Punkten im oberen Mittelfeld, der Teilindex »Belastungen« kommt auf 63 Punkte und der Teilindex »Einkommen und Sicherheit« erreicht 62 Punkte. Die höchsten Indexwerte werden in den Wirtschaftszweigen Information und Kommunikation, Ver- und Entsorgung sowie in der Öffentlichen Verwaltung mit jeweils 69 Punkten erzielt. Die niedrigsten Werte werden in der Gesundheitsbranche und im Gastgewerbe mit jeweils 62 Punkten erzielt. Des Weiteren zeigen die Auswertung der DGB-Umfrage, dass 15% der Beschäftigten in Deutschland Arbeitsbedingungen im Bereich Gute Arbeit haben, 40% befinden sich im oberen Mittelfeld, 30 % im unteren Mittelfeld und 15% sind von schlechten Arbeitsbedingungen betroffen.[129] Die nachfolgende Abbildung fünf zeigt die elf Kriterien der Arbeitsqualität mit den Indexpunkten für das Erhebungsjahr 2022.
Abbildung 5: Die elf Kriterien der Arbeitsqualität 2022 (Indexpunkte)[130]
Das Kriterium »Sinngehalt der Arbeit« schneidet mit 82 Indexpunkten am besten ab, gefolgt von »Beschäftigungs- und Zukunftssicherheit« mit 79 Punkten und »Arbeitszeitlänge« mit 76 Indexpunkten.[131] Die kritischste Bewertung erhält das Qualitätskriterium der »Arbeitsintensität« mit 50 Punkten und die Kriterien »Einkommen und Rente« sowie »betriebliche Sozialleistungen« mit jeweils 53 und 54 Indexpunkten.[132]
Neben den 42 standardisierten Einzelfragen zur Arbeitsqualität umfasst der Fragebogen des DGB-Index Gute Arbeit 2022 Zusatzfragen zum Schwerpunktthema Digitalisierung.[133] Laut Yasmin Fahimi, Vorsitzende des DGB, sind „die Ergebnisse der Befragung […] ein Alarmsignal. Digitalisierung soll Unterstützung und Erleichterung sein, statt Beschäftigte zu belasten, Stress zu erzeugen und so das Risiko für psychische Erkrankungen zu erhöhen. Die Potenziale der Digitalisierung werden viel zu wenig genutzt.“[134] Die Auswertung der Zusatzbefragung zeigt, dass sich 40% aller Beschäftigten durch die Digitalisierung der Arbeitswelt zunehmend belastet fühlen.[135] 51% geben an, dass die Belastung gleich geblieben ist und bei 9% findet eine Entlastung statt. Der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die digitale Arbeitsmittel verwenden, liegt bei 83%. Am weitesten verbreitet ist die digitale Kommunikation via Smartphone, E-Mail und sozialen Netzwerken, die von 80% der Befragten genutzt wird. Mehr als die Hälfte dieser »digitalen Beschäftigten« nutzen zudem Videokonferenzen, softwaregesteuerte Assistenzsysteme und internetbasierte Projektarbeiten. Im Durchschnitt verwenden die digitalen Beschäftigten im Jahr 2022 in ihrer Tätigkeit 4,3 digitale Arbeitsmittel. Daraus resultiert, dass 46% von ihnen angeben, dass die Anzahl der gleichzeitig zu bearbeitenden Vorgänge (Multitasking) steigt und es zu einer erhöhten Arbeitsverdichtung kommt. Des Weiteren bestätigen 48% der digitalisierten Beschäftigten, dass die zu bewältigende Arbeitsmenge wächst und 46% geben an, dass die Arbeitsmenge gleich bleibt. Lediglich 6% sagen, dass die zu bewältigende Arbeitsmenge geringer ausfällt.[136]
Des Weiteren zeigen die Ergebnisse der Zusatzbefragung, dass lediglich jeder vierte Beschäftigte einen wirksamen Einfluss darauf nehmen kann, wie der eigene Arbeitsplatz durch den Einsatz digitaler Arbeitsmittel verändert wird.[137] In Unternehmen, in denen ein Betriebsrat gewählt wurde, fällt diese Fremdbestimmung geringer aus und es gibt mehr betriebliche Regelungen zum gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten und zur Mitbestimmung. Darüber hinaus bewerten die Befragten den Veränderungsprozess, der aus der digitalen Transformation resultiert, positiver je größer die Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten sind.[138] Laut Yasmin Fahimi ist „die starke Beteiligung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern […] der Schlüssel, um die Arbeitswelt nachhaltig, gesund und transparent zu digitalisieren.“[139] Des Weiteren sind Betriebs- und Dienstvereinbarungen wichtige Maßnahmen, um beim Einsatz neuer Technologien gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten und die Arbeitsbelastung bei den Beschäftigten zu beschränken.[140]
Mit dem HR-Leadership-Panel 2018 untersucht die Münchener Personalberatung Rochus Mummert, in Kooperation mit Prof. Dr. Michael Martin und dem Markforschungsunternehmen dialog.com, zum sechsten Mal die Messbarkeit von Personalstrategien auf den Unternehmenserfolg.[141] Im Zeitraum November 2017 bis Januar 2018 wurden im Rahmen der Studie 180 Experten aus mittelständischen Unternehmen der unterschiedlichsten Branchen per Online-Fragebogen befragt.[142] Davon gehören 31% der befragten Organisationen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), mit einem Umsatz von bis zu 100 Millionen Euro und 69% zu den größeren Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 100 Millionen Euro.[143] Die Branchenzugehörigkeit der Stichprobe setzt sich wie folgt zusammen:
› 33% Dienstleistungssektor
› 24% Maschinenbaubranche und Robotik
› 11% Chemie- und Pharmabranche
› 10% Automobilindustrie
› 22% Sonstige (Einzelhandel, Nahrungs- und Genussmittelindustrie, Güterindustrie)[144]
Der Hintergrund des HR-Leadership-Panel 2018 ist „der dringend nötige Wandel, angesichts Digitalisierung und Industrie 4.0“[145] sowie die „fehlen[den] Führungskräfte, die nicht nur Manager, sondern echte Leader, sprich unternehmerisch denkende, charismatische, mutige Persönlichkeiten sind.“[146] Das Forschungsinteresse der Studie liegt in der Untersuchung der Erfolgsfaktoren wirksamer Führung im Zeitalter der Digitalisierung sowie in der Definition aktuell bestehender und zukünftig erwarteter Führungs- und Leistungskulturen in den Unternehmen.[147] Des Weiteren geht es darum, wie sich das Führungsverhalten in der dynamischen und komplexen VUCA-Welt ändern muss, um gleichzeitig die Attraktivität als Arbeitgeber aufrechtzuerhalten und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.[148] Die zentrale Forschungsfrage der Studie lautet daher: „Sind wirksam geführte Unternehmen die erfolgreicheren und zukunftsfähigeren?“[149] Eine Übersicht der wesentlichen Fragen, die im Rahmen der Datenerhebung an die Studienteilnehmer gestellt wurden, befindet sich im Anhang zwei der Thesis.
Im ersten Schritt der Datenerhebung wurden die teilnehmenden Unternehmen zunächst hinsichtlich des Wandlungsdrucks der VUCA-Umwelt befragt.[150] Zwei Drittel geben an, dass der Druck, der sowohl durch die Veränderungsintensität als auch durch das Veränderungstempo bestimmt wird, überdurchschnittlich hoch ist. Insbesondere die Volatilität und die zunehmende Komplexität werden als wesentliche Treiber für die notwendige Transformation der Unternehmen genannt. Je höher der Umweltdruck auf die Unternehmen, desto höher der Agilitätsveränderungsbedarf und die Notwendigkeit die bestehende Führungs- und Leistungskultur neu zu erfinden.[151]
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