Diplomarbeit, 2009
87 Seiten, Note: 2,0
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkurzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Bestimmung des Theorierahmens zur Analyse der Interessenskonflikte
2.1 Krisensituation
2.2 Die Unternehmenspolitische Konfliktforschung
2.2.1 Die unternehmenspolitische Konfliktkonzeption nach Dlugos & Dorow
2.2.2 Die Austauschbeziehung als Konfliktgegenstand
2.2.1 Die Formalstruktur des rationalen Grundzielsetzungsprozesses als analytischer Bezugsrahmen
2.3 Theorie und Interessen der Anspruchsgruppen
2.3.1 Der Stakeholder Ansatz
2.3.2 Merkmale unternehmensrelevanter Anspruchsgruppen
2.3.3 Interessen der Anspruchsgruppen
2.4 Zwischenfazit
3 Die strategisch relevanten Anspruchsgruppen und Ubernahmekonzepte der Investoren im Falle des Traditionskonzerns Opel
3.1 Historischer und aktueller Hintergrund
3.2 Erfassung strategischer Alternativen des Automobilherstellers
3.2.1 Das Konsortium um den Zulieferer Magna
3.2.2 Der italienische Autokonzern Fiat
3.2.3 Der U.S.-Finanzinvestor RHJ International
3.2.4 Beijing Automotive Industry Corp. (BAIC)
3.2.5 Insolvenz als unternehmenspolitische Option
3.3 Identifikation relevanter Anspruchsgruppen im Fall Opel
3.3.1 Der Mutterkonzern General Motors
3.3.2 Die Bundesregierung und ihre Minister
3.3.3 Die deutsche Belegschaft
4 Die Unternehmenspolitische Konfliktanalyse
4.1 Vorgehensweise der Grundzielsetzungsanalyse im Rahmen des Ubernahmeprozesses
4.2 Ermittlung der optimalen Alternative unter Anwendung des Grundzielsetzungsprozesses
4.2.1 Der Mutterkonzern General Motors
4.2.2 Die Bundesregierung
4.2.3 Die deutsche Belegschaft
4.3 Das Interessenskonfliktfeld
5 Schlussbetrachtung und Ausblick auf weiteren Handlungsbedarf
Anhang
Literaturverzeichnis
Literaturverzeichnis fur die Analyse des Fallbeispiels
Abbildung 1: Kollidierender Grundzielsetzungs- und Zielsicherungsprozess (eigene Darstellung)
Abbildung 2: Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses (Eigene Darstellung in Anlehnung an Dlugos;1972)
Abbildung 3: Relevante Stakeholder im Fallbeispiel Opel (Anlehnung an Duss, 2003)
Abbildung 4: Konsequenz- und Wertmatrix (in Anlehnung an Dorow, 1978; 68)
Abbildung 5: Entscheidungsmatrix des Mutterkonzerns GM
Abbildung 6: Entscheidungsmatrix der Bundesrepublik Deutschland
Abbildung 7: Entscheidungsmatrix der Belegschaft
Abbildung 8: Konfliktbeziehungen der beteiligten Stakeholder im Fall Opel
Abbildung 9: Konfliktmatrix der Stakeholder GM und Belegschaft (in Anlehnung an Dorow, 1978; 174)
Tabelle 1: Kennzahlen aus den Konzepten der Investoren (eigene Darstellung)
Tabelle 2: Zielkriterienkatalog des Stakeholders GM
Tabelle 3: Zielkriterienkatalog des Stakeholders Bundesregierung
Tabelle 4: Zielkriterienkatalog des Stakeholders Belegschaft
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Ausgehend von den organisationstheoretischen Ursprungen fungiert die Unternehmung als ,,pluralistische Nutzengenerierungseinheit" ihrer internen und externen Anspruchsgruppen. Die Unternehmung muss eine Vielzahl von unterschiedlichen Interessen und Anspruchen bei der Konzeption einer Unternehmensstrategie berucksichtigen. Diese Anspruche und Ziele der einzelnen Interessensgruppen sind abhangig von der konjunkturellen und wirtschaftspolitischen Konstellation. Die aktuelle weltweite Wirtschaftskrise verdeutlicht diese Abhangigkeit. Befindet sich eine Unternehmung in einer existenzbedrohenden Situation, so ist es fur ein geeignetes Restrukturierungskonzept von essentieller Bedeutung unter der Vielzahl an Zielvorstellungen einen Konsens zu finden. So sehen Seeger/Ulmer (2001) und King (2002) die Aufgabe des Managements darin, die Unternehmensumwelt eingehend zu untersuchen, um die Auswirkungen der Krise auf die zugehorigen Stakeholder zu erkennen: ,,A crisis may affect not only the employess and other members internal to the organization, but also key public and stakeholders external to the organization" (King, 2002; 237). Demnach muss ein Konsens unter einer Vielzahl an Zielvorstellungen im Umfeld der Unternehmung gefunden werden, um das Uberleben der Unternehmung zu sichern.
Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit der Problematik der verschiedenen Interessensgruppen im Umfeld des in die Krise geratenen deutschen Traditionsunternehmen Adam Opel GmbH. Der Automobilhersteller ist durch die Schieflage seines Mutterkonzerns General Motors (GM) in den USA stark angeschlagen. Die Finanzmarktkrise in den USA, die Klimaschutzdebatte, der hohe Benzinpreis und die rucklaufigen Nachfragezahlen durch das veranderte Kauferverhalten, haben den Umsatzen des US-Automobilherstellers stark zugesetzt. Der Fall Opel geriet zunehmend in das Interesse der Offentlichkeit, da die Entscheidung uber die Zukunft der Tochter nicht mehr allein von dem Management getroffen werden kann, welches fur die Krise verantwortlich ist. Bei der Entscheidungsfindung stehen eine Vielzahl unterschiedlicher, untereinander konfliktarer Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen in Konfrontation zueinander. Diese multifokalen Anspruche der unternehmerischen Umwelt des Automobilherstellers sind Gegenstand vorliegender Arbeit.
Durch die Vielzahl untereinander konfligierender Interessen einer Unternehmung orientiert sich diese Arbeit wesentlich auf das Spannungsfeld okonomischer und sozialer Anspruchsgruppen, die an der Bewaltigung der Unternehmenskrise beteiligt sind. Demnach wird zu Beginn der Arbeit ein Rahmen zur Eingrenzung der relevanten Anspruchsgruppen geschaffen. Anschlieftend werden die Grundelemente zur Analyse der Interessen dieser Anspruchsgruppen aufgezeigt.
Im Anschluss des theoretischen Rahmens wird das Realbeispiel aus der Wirtschaft vorgestellt. Im Zuge der aktuellen Entwicklungen sollen die Losungsmoglichkeiten fur Opel i. S. der interessensorientierten Unternehmensfortfuhrung aufgezeigt werden. Die Erfassung der relevanten Anspruchsgruppen auf Grundlage der zuvor bestimmten Merkmale folgt darauf.
Ziel der Arbeit ist es anhand der unternehmenspolitischen Konflikttheorie die moglichen Konfliktkonstellationen des Automobilherstellers aufzuweisen. Hierfur werden genaue Zielvorstellungen der beteiligten Anspruchsgruppen anhand des Zielsetzungsprozesses entwickelt. Die Analyse der individuellen Grundzielsysteme der Anspruchsgruppen wird die speziellen Konfliktursachen und deren Ausformung zu interpersonalen Konflikten erfassen.
Um die Entstehung von Interessenskonflikten einer Organisation analysieren, formulieren und diese anschlieftend in der Realitat darstellen zu konnen, bedarf es im wirtschaftswissenschaftlichen Kontext einer interdisziplinaren Betrachtung. Der vorliegende Abschnitt stellt zunachst einmal die Begrifflichkeiten einer Unternehmenskrise dar. Anschlieftend wird das Stakeholder-Konzept und die betriebswirtschaftlich-politologische Zielsetzungskonzeption als theoretisch- konzeptioneller Bezugsrahmen in ihren wesentlichen Bestandteilen komprimiert dargestellt. Darauffolgend wird der Stakeholder-Ansatz vorgestellt, der zur Identifizierung der relevanten Anspruchsgruppen verwendet wird. Wahrend dieses Konzept darauf aufbaut das langfristige Oberleben der Unternehmung zu sichern, wird fur die Zielsetzungskonzeption ein unternehmungspolitischer Aspekt vorangestellt. Hierunter versteht man die Unternehmung als Zentrum interner und externer Austauschbeziehungen (Dorow, 1978, 1982).
Um die Entstehung von Interessenskonflikten aus einer Krisensituation ableiten zu konnen, muss zunachst ein Verstandnis des Krisenbegriffs geschaffen werden. Dem Begriff der Krise kommt im allgemeinen Gebrauch eine vielseitige, heterogene Verwendungen und Bedeutung zu. Folglich werden mit dem Begriff unterschiedliche Assoziationen hinsichtlich der individuell-privaten und wirtschaftlichen Bereiche verbunden. Sein Ursprung stammt jedoch aus dem altgriechischen Wort ,,krisis" und hat auf einen entscheidenden Punkt einer Handlung im antiken Drama hingewiesen. In diesem Sinne bildet nach Krystek (1987; 3) die Krise eine Entscheidungssituation, die den Wendepunkt oder Hohepunkt einer gefahrlichen Entwicklung darstellt.
Betrachtet man die inhaltliche betriebswirtschaftliche Bestimmung einer Krise auf institutionellen bzw. organisatorischen Bezugen, so spricht man in diesem Zusammenhang von einer „Unternehmenskrise". Clasen (1992; 75) versteht im betriebswirtschaftlichen Kontext hierunter eine ,,nachhaltige Storung des Systems Unternehmung, welche ohne geeignete Gegenmaftnahmen dessen Grundlage und Existenz bedroht". Staehle (1993; 2452ff) fugt hinzu, dass diese Storung meist unbeabsichtigt oder zumindest unerwartet auftrete und zu einer existenzbedrohenden Situation fur das gesamte System fuhre. Eine genaue und kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Begriffskonzeptionen bietet Hulsmann (2002; 11, 2005; 35ff). Dabei ist trotz ahnlicher Grundmuster keine Unternehmenskrise der anderen identisch. Aus den zahlreichen Definitionen lassen sich in Anlehnung an Krytsek (1987) und Muller (1982) konstituierende Merkmale ableiten; Existenzgefahrdung, Ambivalenz des Ausgangs, Prozesscharakter, Steuerungsproblematik und die Gefahrdung dominanter Ziele (Hulsmann, 2005; 39ff). Unter Beachtung der hier gesetzten Zielvorstellung soll auf das wesentliche Merkmal, der Gefahrdung dominanter Ziele, naher eingegangen werden.
Unternehmenskrisen fuhren zur Gefahrdung dominanter, d. h. uberlebensrelevanter Ziele, anhand derer eine Krise fur ein System uberhaupt als Existenzgefahrdung lokalisierbar gemacht werden kann (operationalisierter Referenzmaftstab) (Hulsmann, 2005; 41). Unter der Erreichung dominanter Ziele wird u.a. die Vermeidung von Insolvenztatbestanden verstanden (Buschmann, 2006). Durch den potentiellen Eintritt der Zahlungsunfahigkeit, der drohenden Zahlungsunfahigkeit und der Oberschuldung ist ein Unternehmen in seiner Existenz bedroht.
Weiterhin soll das Phasenmodell nach Muller (1986) herangezogen werden, welches die Unternehmenskrise in vier grobe Phasen unterteilt. Ausgangspunkt seiner Einordnung, und damit dem Verstandnis dieser Arbeit dienlich, ist ebenfalls die Bedrohung uberlebenswichtiger, dominanter Unternehmensziele. Resultierend daraus lassen sich die strategischen Krise, die Ergebnis- oder Erfolgskrise, die Liquiditatskrise und die Insolvenz deduzieren, wobei der Grad der Existenzbedrohung des Unternehmens hierbei uberproportional zunimmt. Unter der strategischen Krise versteht sich die Verschlechterung der eigenen Wettbewerbsposition, wodurch das Erfolgspotential der Unternehmung ernsthaft gefahrdet ist. Erste Abweichungen zwischen gewunschten Zielvorstellungen und tatsachlicher Entwicklung werden sichtbar. Bei der Erfolgskrise tritt die Verfehlung von Gewinn- und Rentabilitatszielen ein, folglich also eine wesentliche Unterschreitung von Formalzielen (Muller, 1986; 54).
In dieser Phase ist das Vertrauen der beteiligten Umweltgruppen bereits stark geschwacht. Werden weiterhin keine geeigneten Gegenmaftnahmen eingeleitet, so droht der Unternehmung die Liquiditatskrise. Diese beinhaltet die Zahlungsunfahigkeit oder Oberschuldung des Unternehmens und fuhrt i.d.R. zur letzten Phase, der Insolvenz. Diese Phase ist durch die Nichterfullung spezifischer Glaubigerziele gekennzeichnet und wird von Muller (1986; 56) explizit in das Phasenmodell eingegliedert, da hier unter bestimmten Bedingungen eine Moglichkeit zum Erhalt der bisherigen Ziel- und Zwecksetzung der Unternehmung besteht. Als Folge der existenzbedrohenden Zielunterschreitung werden ein zunehmender Zeit- und Handlungsdruck, begrenzte Ressourcen und ein eingeschrankter Handlungsspielraum betont (Muller, 1986; 55ff). Diese defizitare Ressourcenausstattung fuhrt zu einer Untererfullung der durch die Stakeholder gesetzten Zwecke eines Systems, womit dieses in deren Perspektive nicht mehr zur Funktionserfullung legitimiert ist. Erst wenn diese Moglichkeit von wesentlichen Teilen der am Unternehmen Interessierten nicht mehr gesehen wird, liegt eine Existenzbedrohung fur das Unternehmen im eigentlichen Sinne vor.
Befindet sich nun eine Organisation in eine Krise, so ist es Aufgabe des Krisenmanagements Maftnahmen zu treffen, die der Bewaltigung dienen, den Schaden an einer Unternehmung abzuwenden oder einzudammen, um den ublichen Geschaftsverlauf wiederherzustellen (Daniker, 1991; 15). In diesem Kontext verwenden viele Autoren den Begriff des ..Turnarounds". Sie verwenden den Begriff ,,als Synonym fur die notwendigen Maftnahmen, um eine Wendung im Unternehmen herbeizufuhren" (Buschmann, 2006; 24). Darunter zahlt auch die Aufgabe unter sehr hohem Zeitdruck zwischen einer Vielzahl von Umweltgruppen einen Konsens in Form eines Restrukturierungskonzepts zu erzielen, um schnellstmoglich wieder der Funktionserfullung einer Unternehmung gerecht zu werden. Pearson und Clair (1998; 61) beschreiben das Krisenmanagement daher als ..systematic attempt by organizational members with external stakeholders to avert crisis or to effectively manage those that do occur". Auf den Begriff Stakeholder wird in Abschnitt 2.3.1 naher eingegangen.
Aus diesen Oberlegungen heraus und den anschlieftenden Erklarungsansatzen der Konfliktforschung, wird die hohe Relevanz bzgl. der Eingliederung der Stakeholder in der Krisenuberwindung deutlich. Die Erwartung bzw. Interessen der Stakeholder zu kennen und zu berucksichtigen, kann sich in diesem Bereich als entscheidender Erfolgsfaktor herausbilden.
Um die Problematik der Interessenskonflikte einer Organisation bedienen zu konnen, bedarf es eines theoretischen Modells, welches zur Analyse von Forderungen und Leistungszusagen geeignet scheint. Als Ausgangspunkt hierfur dient die unternehmenspolitische Konfliktforschung, welche das komplexe Konfliktfeld der Unternehmung durch eine ,,systematische Differenzierung der Problembereiche der Konfliktentstehung und der Konflikthandhabung als Erklarungstatbestand erkenntnisfordernd aufbereitet" (Dorow, 1979; 367). Im Vorfeld sollen als Rahmen zur konflikttheoretischen Analyse die Basiselemente der Unternehmenspolitik als betriebswirtschaftlich-politologische Teildisziplin kurz angefuhrt werden.
Die Begriffskonzeptionen der Unternehmenspolitik werden in der Literatur sehr unterschiedlich interpretiert. Neben den Orientierungen von Mellerowicz (1976), Kuhn (1978) und Ulrich (1990) orientiert sich der Ansatz von Dorow (1978, 1982) an einer ausgepragten Orientierung zur Bewaltigung von Konfliktsituationen. Dieser konsensorientierte Ansatz beruht auf dem vernachlassigten machiavellistischen Verstandnis von Politik, in dem Konfliktentstehung, Konfliktbewaltigung und Macht Gegenstand des politischen Handelns sind.
Fur diese unternehmenspolitische Konzeption ist zunachst der Begriff ,,Politik" zu erlautern, welcher in zwei Definitionen kategorisiert wird. Politik wird in der Zielsetzungskonzeption i.S. des „politics"-Ansatzes als die grundlegende Sicherung von gefahrdeten Interessen durch Machteinsatz ausgelegt (Dorow; 1982: 21f). Dagegen liegt der Schwerpunkt des „policy"-Ansatzes auf dem Festlegen von Entscheidungsregeln und Grundzielen durch befugte Mitglieder eines sozialen Systems. Somit lassen sich aus diesen beiden Ansatzen unterschiedliche Konzeptionen fur die unternehmenspolitische Konfliktforschung herleiten. Der unternehmenspolitische Ansatz von Dlugos (1974, 1982, 1984) und Dorow (1978; 1982) befasst sich mit diesen Konzeptionen und entwickelt eine Forschungskonzeption bzgl. unternehmenspolitischer Konflikte. So ergeben sich aus entscheidungsorientierter Sicht als Problemgebiet unternehmenspolitischer Konflikte die Konfliktentstehung und die Konflikthandhabung, die jeweils einer Kausalanalyse zu unterziehen sind (Dorow, 1979; 368). Die entstandenen Konflikte lassen sich durch einen Grundzielsetzungsprozess und einem Sicherungszielsetzungsprozess erfassen, ,,wobei sich diese Zielsetzungsprozesse lediglich in ihrem Problemgehalt, nicht aber in ihrer logischen Struktur voneinander unterscheiden [...]" (Dorow, 1978; 65). In der Realitat sind diese beiden Phanomene nach Dorow (1982; 190) ,, [...] fast immer eng verkoppelt, da die Setzung von Grundzielen haufig von praventiven Maftnahmen der Konflikthandhabung bzw. der Zielsicherung begleitet wird [...]". Der hier verwendete unternehmenspolitische Konfliktansatz zentriert die Analyse ausschlieftlich auf dem Gesichtspunkt der Grundzielsetzung und der damit verbundenen Aktualisierung individueller Zielkriterien. Diese werden aufgrund der Krise in ihrer Realisation behindert oder gar blockiert und werden als Ausloser der Interessenskonflikte betrachtet.
Die Sicherung von Zielen in Konfliktsituationen stellt sich als ein einseitiger oder wechselseitiger Machtprozess zwischen den kollidierenden Aktoren dar und wird als Zielsicherungsprozess bezeichnet. Hierbei stellen die einzelnen Machtquellen der Aktoren die Grundlagen der Konflikthandhabungsmaftnahmen im Sicherungsprozess dar. Die Machtquellen der Aktoren stehen unterdessen in einem relationalen Verhaltnis zueinander. Diese asymmetrische Machtausstattung wird von Dorow (1978) als Machtgefalle beschrieben. Nach Weber (1956) ist Macht „jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance besteht". Der Machtbegriff wird im politisch- soziologischen Verstandnis fur die Abhangigkeits- oder Oberlegenheitsverhaltnisse verwendet. Folglich besitzen die Aktoren aufgrund der unterschiedlichen Machgrundlagen die Moglichkeit ohne Zustimmung oder trotz Widerstandes anderer Aktoren die eigenen Ziele durchzusetzen und zu verwirklichen. Insbesondere bei der Konflikthandhabung muss der Begriff naher differenziert werden. Hier soll nur kurz angemerkt werden, dass aufbauend auf den Erkenntnissen von French und Raven (1968) unterschiedliche Machtbasen identifiziert wurden. Diese werden im Ansatz von Dorow (1978) weiterhin in formale und personale Machtquellen unterteilt, um in der Phase der Determinierung legitime Mittel anwenden zu konnen[1].
Da „die Machtvariable als Schlusselelement konfliktarer multipersonaler Zielsetzungsprozesse [...] zur Handhabung interindividueller Konflikte in Zielsicherungsprozessen gesehen" wird (Dorow, 1978; 69), und vorliegende Untersuchung sich ausschlieftlich mit der Konfliktentstehung aufgrund unterschiedlicher Interessen in der Grundzielsetzung befasst, wird dieses Element vernachlassigt. Jedoch ist es wichtig anzumerken, dass auch und gerade in Krisensituationen die Handlungen der Akteure Konflikte hervorrufen konnen, da sie in einem sozialen Kontext eingebettet sind (Berkel, 1984; 77).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Kollidierender Grundzielsetzungs- und Zielsicherungsprozess (eigene Darstellung)
Zunachst muss fur die adaquate Identifizierung und Analyse der Entstehung von Interessenskonflikten ein Grundverstandnis des Konfliktbegriffes i.S. des verwendeten Theorierahmens geschaffen werden. Hinsichtlich der Vielzahl an begrifflichen Definitionen wird beispielhaft die Deutung von Kluge (1989; 369) herangezogen, die aus dem lateinischen Begriff „confligere" (zusammenschlagen, zusammenstoften) das Zusammentreffen unterschiedlicher Interessen begreift. Berkel (1984) erkennt dabei, dass die gegensatzlichen Inhalte in Zielen, Interessen, Erwartungen, Werte, Normen, Einstellungen und Handlungen liegen.
Unter dem theoretischen Hintergrund dieser Arbeit soll die oben angefuhrte Konzeption des austauschtheoretischen Modells der Unternehmung von Dorow (1982) hinzugefugt werden. Demnach erschopfen sich Austauschbeziehungen im Allgemeinen nicht im Zu- und Abfluss transferierbarer Guter, sondern sind daruber hinaus durch spezielle Interessen gekennzeichnet (Dlugos, 1981; 2). So entsteht ein unternehmenspolitisch relevanter Konflikt dann, ,,wenn die durch den Zielsetzungsprozess eines Aktors bzw. Aktorgruppen konkretisierten Leistungszusagen und Forderungen auf Leistungszusagen und Forderungen eines interdependenten Aktors bzw. Aktorgruppen treffen, deren Art, Hohe, und Umfang die beabsichtigte oder eingeleitete Zielrealisation storen oder unterbrechen." (Dorow, 1979; 368). 1st diese Interaktionsbeziehung zweier Parteien dann durch die wechselseitige Abstimmung kollidierender Forderungen und Leistungszusagen gekennzeichnet, handelt es sich nach Dorow (1978) um einen „Austauschkonflikt". In Austauschprozessen sind die Aktoren auf den kollidierenden Aktor angewiesen, da sie zur Realisierung ihrer eigenen Zielkriterien dessen Leistungszusagen benotigen.
Durch die zugrundeliegenden Erfullungserwartungen einer Austauschbeziehung hinsichtlich Forderung und Leistungszusagen, konnen zwei generelle Ursachen von Austauschkonflikten erkannt werden. Zum einen die nachteilige Realisation von Konsequenzerwartungen und zum anderen die nachteilige Veranderung angesetzter Konsequenzenwerte. Diese beiden Begriffe sind wesentliche Elemente des Grundzielsetzungsprozesses und Hauptursache fur die Entstehung von Interessenskonflikten. Der im Folgenden beschriebene Grundzielsetzungsprozess bietet in seiner Formalstruktur einen rationalen Analyserahmen, um konkurrierende Ziele und Interessen zu erforschen. Diese beiden Konfliktursachen konnen zwischen jedem Aktor-Paar vorkommen, die sich in einer Forderung-Leistungszusage-Beziehung wiederfinden. Die gegenseitigen Forderung und Leistungszusagen in dieser Beziehung sind wesentliches Interaktionsmerkmale dieser Konfliktart. Sind aufgrund der unterschiedlichen Interessen die Forderungen/Leistungszusagen des einen Aktors mit den Forderung/Leistungszusagen des anderen Aktors nicht ubereinstimmend, kann von einem interpersonalen Interessenskonflikt gesprochen werden. Nach Dorow (1978, 1979) handelt es sich um einen interpersonalen Konflikt, ,,sobald subjektiv wahrgenommene, bereits vorhandene oder noch erwartete kollidierende Zielsetzungen von Individuen oder Gruppen in ihrer Realisation entweder vollstandig oder nur teilweise ausgeschlossen werden". Demnach beruhen potentielle Interessenskonflikte auf zwei fundamentalen Ursachen. Zum einen konnen die Aktoren die Fakten und Konsequenzen unterschiedlich aufnehmen. Zum anderen kann es durch unterschiedliche Wertesysteme zu untereinander divergierenden Bewertungen dieser Konsequenzen und zu unterschiedlichen Praferenzen in der Rangordnung der Zielkriterien kommen. ,,Unter der Annahme dieser beiden zentralen Konfliktursachenkategorien wird ein Interessenskonflikt dann entstehen, wenn beide Austauschpartner der Verwirklichung ihrer Forderungen und Leistungszusagen eine andere Faktenlage zugrunde legen und/oder (selbst bei gleicher Faktensicht) die Fakten (Konsequenzen) unterschiedlich bewerten" (Dorow/Blazejewski/Auer-Rizzi, 2007; 137). Die Wahrnehmung des Interessenskonfliktes beruht dann auf der tatsachlichen oder erwarteten Nicht- bzw. Untererfullung eigener Forderungen bzw. uberhohten Inanspruchnahme von Leistungszusagen.
Die Identifizierung von Konfliktursachen im Zusammenhang der Austauschbeziehung ist daher elementar fur Entscheidungen bzgl. der Reaktionen auf die tatsachlichen oder zu erwartenden gefahrdeten Interessen der Stakeholder. Als kritische Anmerkung ist jedoch hinzuzufugen, dass sich diese einseitige Betrachtung der Konfliktentstehung ausschlieftlich auf Ursachen bezieht, die aus der wirtschaftlichen Zwecksetzung resultieren. Dabei ist die Funktionssicherung der Organisation das klar formulierte Ziel und die Konflikthandhabung dient durchweg der Sicherstellung betriebswirtschaftlicher Effizienz. Die unterschiedlichen Aspekte der Fachliteratur als Ursache von Konflikten wie bspw. psychologische, kulturelle oder institutionelle Merkmale werden hier ausgeblendet.
Unabhangig von der Krisensituation spezifizieren die Aktorgruppen ihre verfolgten Zwecke und Mittel in einem sogenannten Grundzielsetzungsprozess, bevor sie eine Entscheidung uber das Eingehen einer neuen, das Verlassen oder das Fortsetzen der bisherigen Austauschbeziehung treffen (Dorow, 2008). Im nachsten Abschnitt soll aufgrund des hier verwendeten Theorierahmens zur systematischen Analyse von Konflikten dieser Grundzielsetzungsprozess mit seinen einzelnen Elementen dargestellt werden.
Die Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses erlaubt eine reale, detaillierte Erfassung und Analyse der im Individualbereich angesiedelten Entstehungsursachen von Interessenskonflikten. ,,Zielsetzungsprozesse, die zu Zielen fuhren, deren Realisation durch tatsachliches oder erwartetes kollidierendes Verhalten anderer gefahrdet ist und daher abzusichern sind, werden als Grundzielsetzungsprozesse bezeichnet." (Dorow, 1978; 55). Anhand der subjektiv gewahlten Zielkriterien lassen sich empirisch prufbare Aussagen uber die Kausalitaten von Konflikten finden. Laut Dorow (1978; 65) stellt der Entwurf einer formalen Struktur keine empirische Beschreibung tatsachlichen Entscheidungsverhaltens von Individuen dar. Das Formalgerust kann aber in ,,seiner pragmatisch-realwissenschaftlichen Zielsetzung dazu dienen, Handelnde in ihrem Bemuhen um rationale Ablaufe ihrer Zielsetzungsprozesse zu unterstutzen, und kann fur die theoretisch-realwissenschaftliche Zielsetzung als Bezugspunkt oder Rahmen dienen, von dem aus reale Zielsetzungsprozesse erforscht und auch beurteilt werden konnen" (ebenda; 65).
Der konfliktauslosende Zielsetzungsprozess wir in diesem Modell als eine rationale Wahlhandlung figuriert, d.h. die Entscheidung wird in einem bewussten kognitiven Prozess getroffen. Bereits Berkel (1984; 72) verwies darauf, dass kognitive Konfliktmodelle durch ihre informationsaufnehmenden und -verarbeitenden Prozesse entscheidende Voraussetzungen fur die Entstehung und Losung von Konflikten sind. Diesbezuglich hilft der Grundzielsetzungsprozess als rationales Entscheidungsschema, da es formell einem strukturierten Ablaufmodell folgt. Fur die anschlieftende individuelle Analyse der Interessenskonflikte muss im Vorfeld die Vorgehensweise bei der Grundzielsetzung erlautert werden. Die Ablaufstruktur und die einzelnen Elemente des Prozesses sind Gegenstand des vorliegenden Abschnittes.
Die Struktur des Grundzielsetzungsprozesses gliedert sich in vier Stufen, die fur den Entscheidungsprozess von Relevanz sind. Diese im Folgenden zu bestimmenden Grundziele sind als komplexe, kognitive Prozesse anzusehen, die von einem begrenzten Handlungsspielraum determiniert werden konnen (Dorow, Butow; 2008). Grundziele stellen Forderungen und Leistungszusagen dar, die in ihrer Realisation von der Handlung des anderen Aktors abhangig sind. Diese Grundziele werden durch Zielkriterien in dem Grundzielsetzungsprozess verbalisiert.
Zunachst wird von einer motivierenden Situation ausgegangen (Dlugos, 1972; 26ff), die einen Aktor dazu veranlasst, ein generelles und unspezifisches Generalziel zu formulieren. Beispielhaft kann hier der Kauf eines neuen Automobils als Generalziel deklariert werden, wobei das Handlungsfeld, das Wertesystem und die Entscheidungskriterien fur den weiteren Verlauf von existenzieller Bedeutung fur den Entscheidungsprozess sind. Hier sieht sich der Aktor einer vorgefundenen Veranderung der Sachverhalte gegenuber, die als Ausgangsdaten bezeichnet werden konnen.
Das Generalziel lasst sich in eine materielle und formale Komponente unterteilen (Dorow, 1978). Die materielle Komponente umfasst dabei die Funktion des Ziels als Zweckaussage und die verwendeten Mittel als Mittelaussage. Die Zweckaussage wird von jedem einzelnen Aktor unterschiedlich definiert, da sie von der substanziellen Rationalitat abhangig ist und sich in der unspezifizierten Fragestellung widerspiegelt. Die Mittelaussage hingegen gestaltet sich konkreter, da sie schon eventuelle Realisationsmoglichkeiten betrachtet. Die formale Komponente des Generalziels setzt sich aus den Ziel- und Entscheidungskriterien zusammen. Diese sind entscheidende Faktoren, um die unterschiedlichen Anspruche an der Unternehmung handhabbar zu machen.
Die Zielkriterien dienen als Pruf- bzw. Beurteilungskriterien (Dorow, 2007; 234), da sie zum einen das Spezialziel des Aktors formulieren und zum anderen zu einer Beurteilung und demzufolge zu einer Differenzierung der moglichen Alternativen verhelfen. Neben der Festlegung der denkbaren Alternativen werden die Zielkriterien bestimmt, die zur Entscheidung herangezogen werden sollen. Sie verhelfen dem Aktor zur Erfassung der Konsequenzen der jeweiligen Alternative. Zusatzlich wird eine Praferenzordnung anhand einer Gewichtung der Kriterien vorgenommen, um ein entsprechendes Wertesystem zur Alternativenauswahl zu generieren. Das Entscheidungskriterium ist ein ausgezeichnetes einziges Zielkriterium zur Ermittlung der vorzuziehenden Alternative (Dorow, 1979).
Im dritten und entscheidenden konfliktauslosendem Schritt wird unter Anwendung des zuvor ermittelten Entscheidungskriteriums die optimale Alternative gewahlt. Hierfur wird zuvor eine faktisch basierte Konsequenzenerfassung vorgenommen, die anschlieftend einer subjektiven Konsequenzenbewertung unterliegt. Die Konsequenzenwerte werden dann zu einem Alternativenwert summiert und anhand des Entscheidungskriteriums wird die subjektiv empfundene optimale Alternative gewahlt, die das Spezialziel darstellt.
Die vierte und letzte Phase der Grundzielsetzung befasst sich mit der Jngangsetzung des Realisationsprozesses durch Vorgabe eines hinreichend determinierten Spezialziels" (Dorow, 1979; 66) und stellt durch einen permanenten Soll-Ist-Vergleich das Spezialziel anhand von neuen Daten sicher. Hier soll darauf hingewiesen werden, dass das zu realisierende Ziel nicht als objektiv rational betrachtet werden darf.
Neben den Konfliktursachen im Bereich kollidierender individueller Leistungszusagen und Forderungen, der als Austauschkonflikt definiert wurde, birgt der Zielkriterienkatalog, der komplexe und heterogene Interessen widerspiegelt, weitere Konfliktpotentiale. In den Formalstufen des Zielsetzungsprozesses kann es zu interpersonalen Interessenskonflikten als Ergebnis kognitiver Unterschiede kommen. Zunachst sind Konfliktursachen aufgrund der unterschiedlichen Gewichtung der Zielkriterien und Konsequenzen erkennbar. Zudem kann eine unterschiedlich faktische Konsequenzenerfassung ein Konflikt hervorrufen. Grundsatzlich lasst sich dieser Prozess unter Berucksichtigung wirtschaftlichen Handelns zu vier Problemkreisen zusammenfassen (Dlugos, 1972, 27ff):
1) Aufnahme einer als gewollt in Frage gestellten Veranderung vorgefundener Sachverhalte und Determinierung eines Generalziels
2) Erfassung der Alternativen und deren Konsequenzen
3) Bewertung der Konsequenzen und Ermittlung der vorzuziehenden Alternative
4) Vorgabe des zur Einleitung der Realisationsphase hinreichend determinierten Spezialziels, Ingangsetzung und Steuerung des Realisationsprozesses
Ausgehend von der theoretischen Bestimmung des Grundzielsetzungsprozesses in seiner Formalstruktur, konnen interpersonelle Interessenskonflikte laut Kruger (1972; 35ff) sachlich-intellektuelle, sozio-emotionelle und wertmaftig-kulturelle Dimensionen annehmen. Das Konfliktfeld interpersoneller Interessenskonflikte kann daher in der gesehen werden.
- unterschiedlichen Aktualisierung von Generalzielen,
- unterschiedlichen Aktualisierung von Alternativen,
- unterschiedlichen Aufnahme von Zielkriterien,
- unterschiedlichen Konsequenzenerfassung,
- unterschiedlichen Konsequenzenbewertung,
- und unterschiedlichen Anwendung von Entscheidungskriterien
Abbildung 2 gibt einen Oberblick uber die wesentlichen Elemente des Grundzielsetzungsprozesses.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Formalstruktur des Zielsetzungsprozesses (Eigene Darstellung in Anlehnung an Dlugos;1972)
Das Denkmodell der Systemtheorie offenbart bereits, dass die Unternehmung alltaglich mit einer Vielzahl von unterschiedlichen Beziehungen, Anspruchen und Interessen konfrontiert ist, die wesentlich an der Oberlebensfahigkeit des Systems beteiligt sind. Daher lasst sich bereits erahnen in welcher mannigfaltigen Konstellation von unterschiedlichen, durchaus kollidierenden Beziehungen und Anspruchen sich eine Organisation mit ihrer Umwelt befinden kann (Kruger, 1972; 77ff). Je komplexer und heterogener diese Anspruche und Interessen sind, desto schwieriger werden diese Spannungen zu losen sein. Es gibt fur ein Unternehmen verschiedene Moglichkeiten seine Umwelten zu betrachten. Eine davon betrachtet das Unternehmen in Form von Stakeholdern wie Kunden, Konkurrenten, Zulieferern, Management etc. sowie abstrakten Bezugsgruppen wie Gesellschaft oder Politik. Nicht alle diese Bezugsgruppen sind jedoch fur Unternehmen gleichermaften von Bedeutung. Dies wird insbesondere in Krisensituationen verstarkt deutlich. In solch einem Zustand der Unternehmung sind Stakeholder von essentieller Bedeutung bei der Oberwindung von Krisen. Betrachtet man den Stakeholder-Value-Ansatz als die harmonische Gestaltung der Beziehung zwischen den einzelnen Anspruchsgruppen, so kommt der Berucksichtigung der Stakeholder-Interessen gerade in Krisensituationen eine besondere Rolle zu (King, 2001, Pearson & Clair, 1998). Vor dem Hintergrund des starken Einflusses von Stakeholdern in der Unternehmenskrise verwundert es jedoch, dass es neben den Studien von Nothardt (2001), Pant (1986) und Ramanujam (1984) bisher nur wenige Erkenntnisse zum Einfluss der Stakeholder in der Unternehmenskrise vorliegen (Buschmann, 2006).
Fur eine Identifizierung dieser Stakeholder und deren Anspruche benotigt diese Arbeit im weiteren Verlauf eine Konzeption zur Bestimmung der Stakeholder. Diese Eingrenzung und die Erlauterung des Stakeholder-Konzeptes mit seinen Begrifflichkeiten sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnittes.
Durch den Ausdruck unzahliger Anspruche an die Unternehmung, muss fur eine unternehmenspolitische Konfliktanalyse eine Zuordnung und Identifikation von Interessen stattfinden. Zu diesem Zweck entsprang in den fruhen sechziger Jahren erstmalig der anglo-amerikanische Begriff ..Stakeholder", der im direkten Zusammenhang mit dem entwickelten Konzept des „Stakeholder-Ansatzes" steht. Laut der vorwiegend gebrauchlichen Definition von R.E. Freeman (1984), die ohne jeglichen okonomischen Bezug auskommt, sind Stakeholder: "any group or individual who can affect or is affected by the achievement of an organization's purpose".
Der Begriff Stakeholder fast insofern alle Gruppen zusammen, die Anspruche an das Unternehmen stellen (Freeman; 1984, Janisch; 1993). Der Anspruch den ein Stakeholder besitzt, besteht aus der Bereitstellung von Ressourcen. Diese Anspruche konnen gesetzlich, vertraglich oder faktisch fundiert sein. Wesentlich fur diesen Ansatz ist, dass die Beziehungen von reziproker Natur sind, wodurch diese Gruppen oder Einzelpersonen aktiven Einfluss auf Entscheidungen und Ziele im Unternehmen ausuben, im Gegenzug dafur Ressourcen zur Zielerreichung und Strategieverwirklichung zur Verfugung stellen. Bidlingmaier (1968; 74) deutete bereits an, dass i. S. des „decision-making" die Stakeholder als aktive Entscheidungstrager mit eigenen Zielen und Wunschen zu betrachten sind.
Hier knupft der Stakeholder-Value-Ansatz an. Das Konzept geht davon aus, dass durch die Kooperation unterschiedlichster Anspruchsgruppen bestimmte Unternehmensziele besser erreicht werden konnen und somit primar die Sicherung der dauerhaften Existenz des Unternehmens gewahrleistet wird. Als Stakeholder konnen folglich alle relevanten Gruppen oder Individuen verstanden werden, die durch ihren Beitrag (Arbeit, Kapital, Ressourcen, etc.) bedeutend fur die Generierung eines Unternehmenswertes sind. Je nach Unternehmenslage konnen weitere Gruppen hinzukommen oder entfallen. Es empfiehlt sich eine engere Einschrankung auf Stakeholder, die unmittelbar mit dem Fall des Unternehmens Opel verbunden sind. Durch die spezielle Situation des Automobilherstellers kommen gewisse Stakeholder hinzu, die nicht immer als „uberlebenskritisch" fur die Unternehmung eingestuft werden. Zu nennen ist hier bspw. der Staat, der je nach Abhangigkeit zum Oberleben der Unternehmung mit einbezogen werden sollte.
Eine systematische Identifizierung der Anspruchsgruppen ist daher wichtige Voraussetzung fur die Konzipierung einer anspruchsgruppen-orientierten Konfliktanalyse. Der vorliegende Abschnitt beschaftigt sich mit der Abgrenzung der Stakeholder, die vor allem in der Planung und Umsetzung der Losungskonzepte des Automobilherstellers eine entscheidende Rolle spielen.
Fur die Anwendung des Zielsetzungsprozesses im Abschnitt 4.2 mussen aus den Stakeholdern solche eingegrenzt werden, die in dem Prozess der Krisenbewaltigung des Automobilherstellers von Bedeutung sind. Da jedoch keine einheitliche Vorstellung uber die Abgrenzung dieser Anspruchsgruppen herrscht, soll ungeachtet der Fulle an Differenzierungskriterien fur den Zweck dieser Arbeit auf zwei wesentliche Charakteristiken zuruckgegriffen werden. Die Identifikation der Anspruchsgruppen nach Janisch (1993) und die unternehmenspolitische Austauschkonzeption von Dlugos und Dorow (1978, 1979, 1982).
Die von Janisch (1993) entworfene Kategorisierung der Umweltgruppen basiert auf den Oberlegungen von Achleitner (1985; 76). Diese Differenzierung nach Machtgrundlage und dem Willen zur Machtausubung eignet sich eminent zur Eingrenzung der relevanten Anspruchsgruppen, die bei der Oberwindung der Unternehmenskrise berucksichtigt werden sollten. Diese Vorgehensweise gliedert partizipativ- interaktionsorientierte Gruppen mit ein, also Stakeholder die eine aktive Teilnahme ausuben und infolgedessen Einfluss auf vorhandene Interaktionsbeziehungen besitzen. Entsprechend werden nur solche Stakeholder berucksichtigt, die Verfugungsmacht uber gewisse Ressourcen besitzen.
Anhand der Differenzierung kategorisieren sich drei Arten von Gruppen, die in einer Beziehung zum Unternehmen stehen:
1) Bezugsgruppen;
2) Interessengruppen ;
3) Strategische Anspruchsgruppen, bzw. Stakeholder;
Bei Bezugs- und Interessengruppen handelt es sich jeweils um Einheiten, die in einer direkten oder indirekten Beziehung zur Unternehmung stehen (Janisch, 1993; 126), jedoch uber wenig bis geringfugig Macht besitzen, um nennenswerten Einfluss nehmen zu konnen. Hingegen gehoren zu den strategischen Anspruchsgruppen bzw. Stakeholdern jene Gruppen, die eine ,,effektiv wirkende, erfolgreiche Macht besitzen und auch uber den Willen zur Machtausubung verfugen" (Janisch, 1993; 128). Dies schlieftt alle Umweltgruppen ein, die konkrete Erwartungen und Anspruche artikulieren und ruckwirkend von dem Verhalten und der Tatigkeit beeinflusst werden (Bartoszewski, 2006). Im Fall Opel werden nach diesen definitorischen Merkmalen die strategischen Anspruchsgruppen berucksichtigt.
Mit Hilfe der austauschtheoretischen Darstellung einer Unternehmung (Dorow, 1978) soll eine grundlegende Perspektive geschaffen werden, die es erlaubt die Beziehungen der Stakeholder zur Unternehmung in Austauschverhaltnisse zu interpretieren. Diese Austauschbeziehungen werden von Dlugos (1981) anhand der Grundfunktion der Unternehmung systematisiert, wobei die Trager dieser Grundfunktion durch spezifische Zwecke und Mittel definiert sind. Hieraus resultieren zwei Aktorgruppen, die als interne und externe Austauschbeziehungen beschrieben werden. Unternehmensinterne Aktoren erfullen die Grundfunktion der Unternehmung durch Bereitstellung von Arbeitsleistung und Kapitalnutzungsmoglichkeiten mit Haftungszusagen (Leistungszusagen), wahrend sie im Gegenzug als Aquivalent Nominalguter einfordern (Forderungen). Unternehmensexterne Austauschbeziehungen erfullen Grundfunktionen i.w.S. durch Bereitstellung von Produkten oder Kapitalnutzungsmoglichkeiten, der Deckung des eigenen Bedarfs an Produkten und der Erfullung gesellschaftlicher Aufgaben (Dlugos 1981). Die Unternehmung wird hier als Handlungseinheit betrachtet, die eine Austauschbeziehung zu einer anderen Handlungseinheit (Endverbraucher, Gemeinwesen, etc.) aufnimmt.
Aus Sicht dieser Zweck-Mittel-Beziehung gewinnt die Unternehmung einen gewissen Instrumentalcharakter, ,,da die Unternehmung als Instrument fur die Erfullung der Grundfunktionen dient und somit Nutzen fur die Anspruchsgruppen schafft" (Janisch, 1993; 308). Wesentlich fur diese Beziehung ist die Prazisierung der Zielvorstellung in Form von Forderungen und Leistungszusagen als Grundziel. Die Formulierung eines Grundziels an eine Unternehmung und die damit verbundene Verbalisierung von wirtschaftlichen Interaktionsprozessen, ist ein wesentliches Merkmal dieses Ansatzes. Dieser Ansatz, der auf die Ermittlung von unternehmenspolitischen Konfliktursachen der unternehmensinternen und -externen Aktoren ausgerichtet ist, kann fur die Identifizierung von Stakeholdern zur Analyse der Zielsetzungsprozesse nutzbar gemacht werden. Somit werden in der Untersuchung strategische Anspruchsgruppen berucksichtigt, welche ein Grundziel an die Unternehmung artikulieren.
Die bisherigen Charakteristiken zur Eingrenzung der Stakeholder reichen jedoch nicht aus. Ziel dieser Arbeit ist es, den beteiligten Stakeholdern im Fall Opel ein analytisches Instrumentarium zur systematischen Erkennung der kollidierenden Interessen zu bieten, um daraufhin anschlieftende Handhabungsmaftnahmen i.S. des Zielsicherungsprozesses zu generieren. Demnach mussen die Stakeholder berucksichtigt werden, die anschlieftend auch Determinierungsaktionen durchfuhren konnen. Die Konfliktanalyse wurde nur Sinn ergeben, wenn Stakeholder einbezogen werden, die im Rahmen der unternehmenspolitischen Konfliktkonzeption auch versuchen werden ihre Ziele durchzusetzen. Demnach mussen Stakeholder berucksichtigt werden, die beruhend auf ihren Machtbasen auch Konflikthandhabungsmaftnahmen durchfuhren konnen. Zwar unterlasst diese Analyse eine genaue Betrachtung der Konflikthandhabung, jedoch ist sie im Rahmen der kollidierenden Interessen von grundlegender Bedeutung. Aus ihr resultieren Reaktionen zur Handhabung wahrgenommener Konfliktsituationen. Werden Stakeholder berucksichtigt, deren gefahrdetes Grundziel nicht verteidigt werden kann, ware eine Analyse der Interessenskonflikte zwar hilfreich, jedoch kann die Gestaltung realer Konfliktverlaufe nicht handhabbar gemacht werden, die vor allem in existenzbedrohenden Situationen notwendig sind.
Vorliegender Abschnitt gibt einen generellen Oberblick uber Stakeholder und deren funktionsspezifische Zielkriterien, die unter dem unternehmenspolitischen Konzept zu konkreten Konfliktkonstellationen fuhren konnen.
Um fur die anschlieftende Analyse der Interessenskonflikte prufbare Aussagen zu generieren, werden Stakeholder berucksichtigt, die fur die erfolgreiche Krisenuberwindung der Unternehmung relevant sind. Als ,,relevante" Stakeholder werden nach Buschmann (2006) die Eigenkapitalgeber, die Fremdkapitalgeber, die Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden sowie der Staat berucksichtigt. Ausgehend von den aktuellen Gegebenheiten in der Debatte um die Obernahme von Opel, rucken die Stakeholder Mitarbeiter, Staat sowie Fremdkapitalgeber in den Fokus der Analyse. Eigenkapitalgebern, Lieferanten und Kunden als relevante Stakeholder kommt aufgrund ihrer geringen Machtausubung zur Zielsicherung nur eine minderwertigere Bedeutung zur Rettung Opels zu. Daher werden diese in der Zielkriterienanalyse (Abschnitt 4.2.) nicht weiter berucksichtigt und es bedarf keiner theoretischen Vertiefung derer Interessen. Die Stakeholder Mitarbeiter, Fremdkapitalgeber und Staat sind unmittelbar durch die mogliche Konflikthandhabung vom Obernahmeprozess betroffen. Eine genauere Identifikation findet im Abschnitt 3.2 statt und weiftt die relevanten Stakeholder im Fallbeispiel Opel auf. Abbildung 3 gibt einen Oberblick uber die relevanten Stakeholder, die aufgrund ihrer hohen Relevanz und dem moglichen existenzbedrohendem Einflusspotential in Fall Opel berucksichtigt werden mussen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Relevante Stakeholder im Fallbeispiel Opel (Anlehnung an Duss, 2003)
Zunachst werden den berucksichtigten Stakeholdern spezielle, funktionsspezifische Zielkriterien zugeordnet. Die Zielkriterien werden hier i. S. des unternehmenspolitischen Kontextes als Forderungen und Leistungszusagen interpretiert und erfasst. Die im Folgenden darzustellenden Zielkriterien der Stakeholder beruhen auf einer gewissen Plausibilitat der Forderung und Leistungszusagen und sind zum Teil durch theoretische Ansatze empirisch belegt (Dlugos 1981, 1984).
Mitarbeiter
Oblicherweise werden unter den Mitarbeitern heterogene Gruppen verstanden, die aufgrund ihrer hohen Interessenvielfalt mehrere institutionalisierte Interessensvertretungen besitzen. Auf betrieblicher Ebene werden Interessen durch einen Betriebsrat vertreten. Dem steht eine Gewerkschaft bzgl. tariflich festgelegter Leistungen zur Seite. In ihrer Gesamtheit konnen sie als betriebliche Interessenvertretung bezeichnet werden. Der Einfachheit halber werden unter den Interessen der Mitarbeiter somit die Interessen der betrieblichen Interessenvertretung zusammengefasst. Werden die Arbeitsleistungen der Mitarbeiter als Leistungszusage im austauschtheoretischen Verstandnis der Unternehmung interpretiert, so steht diesen eine Vielzahl spezifischer Forderungen gegenuber. Hierunter gehoren die Existenzsicherung, Erzielung von Einkommen und die Vermogensbildung, die als grundlegende materielle Forderungen der Mitarbeiter zu sehen sind (Duss, 2003). Zweitrangig kommen das Betriebsklima i. S. von sozialen Bedingungen, Mitbestimmung und Entfaltung am Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen hinzu. Fur eine analytische Erfassung der Ursachen hinsichtlich der Interessenskonflikte wird folgende Klassifikation vorgenommen (Dorow, 1978; 141);
- Hohe der Nettoeinnahmen
- Dauerhaftigkeit der Nettoeinnahmen
- Ausmaft und Art der Arbeitsbelastung
- Partizipation/Moglichkeit der Selbstverwirklichung
- Soziale Bedingungen am Arbeitsplatz
Staat
Da die Unternehmung mit dem Staat als offentlich rechtliches Gemeinwesen ebenfalls eine Austauschbeziehung pflegt, mussen auch diese Forderungen und Leitungszusagen identifiziert werden. Indem der Staat weitestgehend optimale Produktionsvoraussetzungen durch Infrastruktur, Gesetzgebungen und Forderungsmaftnahmen als Leistungszusagen schafft, kann er im Gegenzug Nominalguter zum Gemeinwohl in Form von Steuer und Abgaben einfordern. Zusatzlich ist er in seiner Funktion fur Wohlfahrt und die Sicherung staatlicher Ordnung sowie Stabilitat verantwortlich. Dabei stellen Legislative, Judikative und Exekutive die Rahmenbedingungen der Unternehmung. Zusatzlich sind Staat und Kommunen daran interessiert eine moglichst hohe Anzahl an Arbeitsplatzen zu schaffen. Folglich konnen die Interessen des Staates durch:
- Sicherung von Steuern und Abgaben
- Politische Interessen (Erhaltung der Arbeitsplatze)
- Verhinderung der Sozialkassenbelastung
festgehalten werden (Buschmann, 2006; 133). Die Erhaltung der Arbeitsplatze und die Belastung der Sozialkassen sind zusammenfassend als Beitrag zum Gemeinwohl zu verstehen.
Fremdkapitalgeber
Betrachtet man die Austauschbeziehung zwischen Fremdkapitalgeber und der Unternehmung, ,,so stehen sich Nominalguterforderungen (Zins und Tilgung) des Fremdkapitalgebers, verbunden mit den Leistungszusagen, Kapitalnutzungsmoglichkeiten bereitzustellen, einer Forderung des Kreditnehmers nach Kapitalnutzungsmoglichkeiten, verbunden mit einer Nominalguterzusage (Zahlungsbereitschaft fur Zinsen und Tilgungsrate), gegenuber" (Dorow, 2006; 10). Die Kapitalnutzungsmoglichkeiten sind im Gegensatz zu der Kapitaleinlage der Eigenkapitalgeber nicht mit Haftungszusagen verbunden. Die Fremdkapitaluberlassung
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[1] Zu den einzelnen Mitteln der Ziel- und Umfelddeterminierung siehe Dorow (1978)
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