Diplomarbeit, 2010
151 Seiten, Note: 1,0
Ich möchte hier die Gelegenheit nutzten, jenen Menschen zu danken, ohne deren Beistand diese Arbeit nicht hätte zustande kommen können.
Als erstes möchte ich Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Markus Aufleger und Herrn Dipl.-Ing. Mathias Goltz des Arbeitsbereiches Wasserbau für die Betreuung, die Durchsicht der Arbeit und die gute Zusammenarbeit recht herzlich danken.
Ein ausdrücklicher Dank gilt meinem unmittelbaren Betreuer Herrn Dipl.-Ing. Stefan Thonhauser, Mitarbeiter der TIROLER WASSERKRAFT AG. Als unmittelbarer Ansprech-partner konnte ich mich bei Problemen stets an ihn wenden und mit ihm Lösungen ausarbeiten.
Danken möchte ich auch der TIROLER WASSERKRAFT AG für die finanzielle Unterstüt-zung und der Bereitstellung von Datenmaterial, sowie für die Anstellung als Ferialar-beiter in den Sommern 2007 und 2008.
Ebenfalls ein ganz besonderer Dank gilt Herrn Dr. Roland Fäh, Leiter der Abteilung für Angewandte Numerik der VAW1 der ETH ZÜRICH für die Bereitstellung der von ihm entwickelten speziellen Software 2dMb und für die Einweisung in die Bedienung. Außerdem gab er während der Arbeit bei Problemen mit dem Programm hilfreiche Ratschläge. Auch Herrn Prof. Dr. Ing. Robert Boes, Leiter der VAW und ehemaliger Mitarbeiter der TIROLER WASSERKRAFT AG gilt ein herzlicher Dank, da er die Zusam-menarbeit mit der ETH ZÜRICH und Dr. Roland Fäh in die Wege geleitet hat.
Ein großes Dankeschön gebührt meinen Studien- und Heimkollegen, die mich die gesamte Studienzeit über begleitet haben und auch für Spaß und manchen Scherz zu haben waren.
Der allergrößte Dank aber gebührt meinen Eltern für deren finanzielle und menschli-che Unterstützung während der gesamten Schul- und Studienzeit. Ohne ihre Hilfe wäre dieses Studium nicht möglich gewesen, da ich von keiner anderen Seite finan-zielle Beihilfe erhielt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Seit dem Zeitalter der frühen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens werden Stauanlagen errichtetet. Durch Fehler in Planung, Bau oder Betrieb sowie unerwarte-te extreme Hochwässer kam es in der Geschichte immer wieder zum Versagen von Talsperren mit teils verheerenden Folgen. Da allerdings heute vor allem in Europa höchste Sicherheitsstandards eingehalten werden, ist das Versagen einer Talsperre äußerst unwahrscheinlich geworden. Andererseits werden aufgrund der Tatsache, dass ein Versagen niemals absolut ausgeschlossen werden kann, Untersuchungen der Auswirkungen eines Dammbruches behördlich gefordert. Maßgebliche Grundla-ge dieser Untersuchungen ist die Bestimmung einer Ausflussganglinie infolge eines Dammbruches.
Das Ziel dieser Diplomarbeit ist, die Ausflussganglinie des Dammbruches für den Staudamm des geplanten Speicherkraftwerks Kühtai zu bestimmen, die dann für die Flutwellensimulation verwendet werden kann.
Während bei Staumauern von einem plötzlichen Versagen ausgegangen werden kann, versagen Dämme langsamer. Diese Art des Dammversagens wird auch prog-ressiver Dammerosionsbruch genannt. Es gibt bisher bereits ein- und mehrdimen-sionale Berechnungsmodelle, mit denen der progressive Erosionsbruch simuliert werden kann.
In dieser Arbeit wird das Flachwasser-Fluidmechanik-Programm 2dMb der ETH ZÜ-RICH verwendet, mit dem eine veränderliche Sohle simuliert werden kann. In der Dip-lomarbeit wird das Programm zuerst an bereits durchgeführten Modellversuchen ka-libriert und dann an einem Großfeldversuch validiert, wobei sich erstaunlich gute Übereinstimmungen der Ergebnisse mit den Versuchsdaten ergeben. Dies zeigt, dass das Modell für Dammbruchprognosen verwendet werden kann.
Mit den gefundenen Einstellungen wird dann der Dammbruch für den Staudamm des geplanten Speicherkraftwerks Kühtai berechnet und eine Parameterstudie erstellt. Es wurde deutlich, dass es zwar eine gewisse Unsicherheit und Unschärfe im Ergebnis gibt, letzteres aber doch recht gut eingegrenzt werden kann. Abschließend wird das Ergebnis mit anderen Berechnungsmethoden verglichen.
Es wurde ersichtlich, dass das Programm u.a. hinsichtlich Netzgenerierung noch wei-ter entwickelt werden könnte. Weitere großmaßstäbliche Dammbruchversuche wären eine hilfreiche Grundlage dazu.
Dams to store water have been built since the ancient civilization of Mesopotamia and Egypt. Numerous failures of dams have occurred – some with disastrous impacts. Dams failed because of serious errors in design, construction or operation as well as unexpected, extreme floods. Due to highest safety standards, which are implemented in Europe today, dam failures have become extremely improbable. Nevertheless a failure of the dam can never be excluded. There is always a certain risk potential. Therefore the European authorities request the investigation of the impact of dam failures. Basis of the impact analysis is the outflow hydrograph as a consequence of the dam failure.
The aim of this diploma thesis is to determinate the outflow hydrograph of the dam failure for the planed storage “Speicher Kühtai”. This outflow hydrograph can be used for the simulation of the flood wave.
Whereas concrete and masonry dams fail abruptly, embankment dams fail more moderately. This kind of dam failure is also called progressive erosion dam breach. There are one- and more-dimensional breaching-models, which can be used for the simulation of dam breach.
In this work, the flat-water-fluid-dynamics-program 2dMb of the SWISS FEDERAL INSTITUTE OF TECHNOLOGY ZÜRICH is used. With this program a moveable river bed can be simulated. The program is calibrated on experiments and validated on large scale field tests. Very good correlation between simulation results and test data has been obtained. It shows that the model can be used for the forecast of dam breach
The model is used for the dam breach simulation of the planned storage power plant “Speicherkraftwerk Kühtai”, using the found settings. Also a parameter-study is included. Some uncertainties remain, however the results can be delimitated quite well. Finally the results of the numerical simulation were compared with those of other modeling-methods.
The work with the program has shown, that the program could be further developed.
Sin dalle prime civiltà, come quelle della Mesopotamia e dell'Egitto, vengono costruiti degli impianti per il contenimento dell'acqua. A causa di gravi errori di progettazione, di costruzione e di conduzione degli impianti o di ondate d'acqua molto alte, sono avvenuti parecchi crolli di dighe che hanno causato gravi devastazioni. In Europa oggigiorno il crollo di una diga è molto improbabile, perché vengono richiesti altissimi requisiti di sicurezza. Tuttavia esiste sempre un certo potenziale di rischio. Una rottu-ra non è mai assolutamente esclusa. Pertanto le autorità competenti richiedono che vengano effettuate delle indagini su dei crolli simulati di una diga. La base di queste indagini è la determinazione dell' idrografo di deflusso, che risulta dal crollo.
Il crollo di dighe in calcestruzzo avviene all' improvviso. Dighe in terra invece subi-scono un crollo molto più lento. Si tratta del cosiddetto crollo ad erosione progressi-va. Per il calcolo di questo processo esistono già modelli di calcolo a una o più di-mensioni.
L'obiettivo di questa tesi è la determinazione dell' idrografo di deflusso in caso di crol-lo della diga 'Kühtai'. Questo impianto idroelettrico è ancora in fase di progettazione. L'idrografo determinato può essere utilizzato per la simulazione dell' ondata.
In questa ipotesi viene utilizzato il programma fluido-dinamico 2- dimensionale 2dMb, sviluppato dalla ETH ZÜRICH. Questo software permette la simulazione di un fondo variabile. All'inizio questo modello viene calibrato con un esperimento di laboratorio, validato poi con una prova in campo. Le corrispondenze sono risultati eccellenti; ciò dimostra che il programma è adatto per la prognosi del crollo di una diga.
In base ai dati ricavati viene calcolato il processo di crollo della diga 'Kühtai'. Viene pure eseguita un'analisi di variazione dei diversi parametri. Risulta che delle impreci-sioni sono inevitabili, comunque è possibile determinare l'esito abbastanza bene. Alla fine il risultato viene messo a confronto con altri metodi di calcolo.
Durante l'applicazione dell'ipotesi è emerso, che il programma suddetto è ancora su-scettibile di miglioramenti.
Danksagung
Kurzfassung
Abstract
Riassunto
1 Einleitung
1.1 Motivation
1.2 Sicherheitsbetrachtung von Stauanlagen
1.2.1 Ansicht einer Sicherheitsgesellschaft
1.2.2 Ansicht einer Risikogesellschaft (Risikomanagement)
1.2.3 Sicherheitsbetrachtung in Österreich
1.3 Gliederung der Diplomarbeit
2 Historische Versagensereignisse
2.1 Allgemein
2.2 Bruch des Sadd-el-Kafara Dammes (Ägypten)
2.3 Bruch des Oros-Dammes (Brasilien)
2.4 Bruch des Teton-Dammes (Idaho, USA)
2.5 Bruch des Ringdammes Taum Sauk (Missouri, USA)
3 Versagensursachen
3.1 Allgemein
3.2 Häufigkeit der Versagensursachen
3.2.1 Überströmen
3.2.2 Durchströmen und Dichtungsprobleme
3.2.3 Grundbruch und andere strukturelle Probleme
3.2.4 Sabotage
3.3 Versagensformen aus technischer Sicht
3.3.1 Geotechnisches Versagen
3.3.2 Geohydraulisches Versagen
3.3.3 Hydraulisches Versagen (progressiver Erosionsbruch)
3.3.4 Erosionsprozesse
3.3.5 Breschenentwicklung im Längsschnitt nach Sametz
4 Ansätze für die Berechnung des Erosionsbruches
4.1 Allgemein
4.2 Empirische Lösung
4.3 Analytische Lösung
4.3.1 Plötzlicher Dammbruch nach Ritter
4.3.2 Analytische Lösung nach Broich
4.4 Parametermodelle
4.5 Numerische Modelle
4.5.1 Allgemein
4.5.2 Programm 2dMb der VAW der ETH ZÜRICH
5 Kalibrierung des Programms 2dMb durch die Versuche von Sametz
5.1 Aufgabenstellung
5.2 Versuche von Sametz an der TU GRAZ
5.2.1 Versuchsaufbau der Versuchsreihe
5.2.2 Versuchsergebnisse
5.3 Berechnungen mit 2dMb
5.3.1 Modellierung von Versuchsgerinne und Damm
5.3.2 Voruntersuchungen
5.3.3 Dammzonierung und Simulation der Dichtung
5.4 Kalibrierung des Modells 2dMb
5.4.1 Vorgangsweise der Kalibrierung
5.4.2 Simulation mit Transportformel nach Meyer-Peter-Müller
5.4.3 Simulation mit Transportformel nach Meyer-Peter-Müller modifiziert nach Hunziker
5.4.4 Simulation mit Transportformel der VAW (ETH ZÜRICH)
5.4.5 Zusammenfassende Beurteilung der Kalibrierungsberechnungen
6 Validierung des Programms 2dMb mit Großversuchen in Norwegen
6.1 Allgemein
6.2 Versuche am Røssvatn-Damm
6.2.1 Allgemein
6.2.2 Versuchsaufbau und -gelände
6.3 Berechnung mit 2dMb
6.3.1 Speicherraum und Damm
6.3.2 Netzgeometrie
6.3.3 Hydraulische Randbedingungen
6.3.4 Zweigeteilte Modellierung des Dammquerschnittes
6.4 Beurteilung der Ergebnisse der Validierung
7 Dammbruchsimulation Projekt Speicherkraftwerk Kühtai
7.1 Allgemein
7.2 Projektbeschreibung
7.2.1 Der Ausbau der Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz
7.2.2 Speicher Kühtai
7.2.3 Staudamm Kühtai
7.3 Problemstellung
7.4 Berechnungen mit 2dMb
7.4.1 Berechnungsparameter und Eingangsdaten
7.4.2 Netzstudie
7.4.3 Parameterstudie
7.4.4 Dammbruchprognose Kühtai mit dem feinen Rechennetz
7.5 Beurteilung der Berechnungsergebnisse der numerischen Simulation
8 Vergleich der Ergebnisse aus anderen Berechnungsmodellen
8.1 Vergleich mit der Analytischen Lösung nach Broich
8.2 Vergleich mit der Lösung aus dem Parametermodell von Sametz
9 Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
A1 Übersicht einiger Berechnungsmethoden
A2 Beispiel der Inputfiles für eine Simulation mit 2dMb
A3 MATLAB® – Routinen
A4 Vergrößerte Darstellungen wichtiger Berechnungsergebnisse
Verpflichtungserklärung
Seit über 5000 Jahren sind Stauanlagen Teil der wasserbaulichen Infrastruktur und dienen der Nutzung des Wassers zu verschiedenen Zwecken. Dabei werden beach-tliche Mengen an potentieller Energie aufgestaut. In der Regel befindet sich das Speichervolumen oberhalb von besiedelten Gebieten und stellt damit prinzipiell ein Risikopotenzial für Mensch, Wirtschaft und Umwelt dar. Durch das Versagen des Absperrbauwerkes entsteht eine Flutwelle, die sich von ihrer hydraulischen Charak-teristik stark von einer Hochwasserwelle in Folge von Starkniederschlägen unter-scheidet. Die Dammbruchwelle bewirkt durch ihre Höhe und Energie eine weitaus dramatischere Verwüstung. Zudem ist durch ihre Geschwindigkeit eine Evakuierung der besiedelten Gebiete weitaus schwieriger. Die Prognose der Dammbruchwelle ermöglicht die Erstellung von Gefahrenkarten und Überflutungsplänen, welche die Grundlage für eine effiziente Rettung im Notfall darstellen (Rettemeier, 2001) (Liem, 2001).
Bei der zur Zeit weltweit geführten Diskussion um die Sicherheitsbetrachtung von Stauanlagen geht es weniger um technisches Verständnis, sondern eher um philo-sophische Betrachtung.
In der herkömmlichen Sicherheitsauffassung wird davon ausgegangen, dass es kein Versagensrisiko gibt. Es wird alles Denkbare unternommen, um die Anlage so sicher wie möglich zu machen. In den Alpenländen gelten Talsperren prinzipiell als „sicher“. Die Auslegung dieser Sicherheitseinrichtungen stellt seit den frühen Anfängen des Talsperrenbaus das zentrale Problem dar. Die Abschätzung des Bemessungshoch-wassers erfolgt durch statistische Datenreihen, die aber in sehr großen Bereichen schwanken. Durch den Klimawandel können Hochwasserereignisse zudem noch ex-tremer und unberechenbarer werden. Durch die Prognosen sollte eine möglichst ho-he Sicherheit erreicht werden. Diese Sicherheitsphilosophien sind je nach Land sehr verschieden. In den Alpenländern kann nach derzeitigem Stand der Technik ein Talsperrenbruch praktisch ausgeschlossen werden. Die Talsperrensicherheit wird durch Behörde und Betreiber gewährleistet. Das Restrisiko wird in dieser Betrach-tungsweise einfach vernachlässigt (Rettemeier, 2001).
Die Philosophie der Risikogesellschaft berücksichtigt, dass man die komplexen Kombinationen von Zufallsvariablen weder vorhersehen, noch ganz vermeiden kann und es somit niemals absolute Sicherheit geben kann. Dies bezeugt eine Vielzahl an historischen Versagensereignissen. Wir können aber mit dem Risiko verantwor-tungsbewusst umgehen. Das Risikomanagement kommt aus anderen Bereichen wie Atomkraftwerken. Das Risiko ist das Produkt aus Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe (Rettemeier, 2001). Das Schadenspotenzial, das eine große Stauan-lage birgt und die Tatsache, dass ihr Versagen zwar äußerst unwahrscheinlich, prin-zipiell aber nicht unmöglich ist, geben genügend Anlass dazu, sich dennoch ein-dringlicher mit dem Bruchszenario auseinanderzusetzen. In der Risikoanalyse wird das bestehende Risiko aus den möglichen Versagensarten bzw. deren Folgen sowie deren Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt. Im darauf folgenden Risk Assessment wird das Risiko hinsichtlich der Akzeptanz überprüft und wenn nötig weiter reduziert. Im Risikomanagement wird mit dem verbleibenden Restrisiko umgegangen (Rettemeier, 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Flussdiagramm des Risikomanagements (Rettemeier, 2001)
Die Bewertung des möglichen Schadens erfolgt durch eine Flutwellensimulation, die mithilfe der Dammbruchsimulation erstellt werden kann.
In Österreich unterliegen sowohl Errichtung als auch Betrieb und Überwachung der Talsperren hohen technischen Standards. Statistische Unsicherheiten werden durch den erforderlichen Nachweis des so genannten Sicherheitshochwassers (das ent-spricht in etwa dem früher als RHHQ - Rechnerisch höchstes Hochwasser - bezeich-netem Wert) berücksichtigt, und damit wird ein sehr hoher Sicherheitsstandard er-reicht. Ein Dammversagen infolge Überströmens der Dammkrone wird durch die Di-mensionierung der Betriebseinrichtungen wie Hochwasserentlastungsanlage und Grundablass verhindert.
In Österreich obliegt die Überprüfung von Neuplanung und bestehenden Anlagen der Österreichischen Staubeckenkommission. Laut Staubeckenkommission muss ein 5.000-jähriger Hochwasserabfluss ohne Beeinträchtigung der Dammsicherheit allein über die Hochwasserentlastungsanlage abgeführt werden können, d.h. bei geschlos-senem Triebwasserweg und Grundablass. Für die Freibordberechnung werden zu-dem noch Windstau und Wellenauflauf berücksichtigt. Ebenso werden Masseneistö-ße wie Lawinen und Hangrutschungen in Betracht gezogen. Die daraus resultierende Welle darf die Dammkrone nicht überschreiten. Außerdem wird die Standsicherheit von Dämmen auf den Erdbebenfall bemessen. Installationen zur Betriebsüberwa-chung ermöglichen es, Veränderungen im Dammkörper rechtzeitig zu erkennen. Da-zu zählen unter anderem Inklinometer, Extensiometer, Theodolit-Messungen, Pegel zur Sickerlinienbestimmung, Sickerwassermessstellen und diverse Alarmeinrichtun-gen. Durch den ständig vorhandenen Objektschutz kann die Wahrscheinlichkeit von Sabotage stark eingegrenzt werden, da aufwändige Bohrarbeiten und beträchtliche Mengen an Sprengstoff nötig wären, um an einem vollgefüllten Speicher mutwillig die progressive Erosion auszulösen. Aufgrund dieser Sicherheitsstandards kann ein Versagen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden und ist eigentlich nur durch theoretisch mögliche groß angelegte Sabotageakte denkbar.
In Österreich wird im Rahmen des behördlichen Bewilligungsverfahrens für große Staubecken die Erstellung eines Flutwellenalarmplanes gefordert.
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit dem Bruchprozess von Staudämmen. Staumauern und Flussdeiche werden dabei außer acht gelassen. Auch die Ausbrei-tung der Flutwelle wird nicht näher betrachtet.
In Kapitel 2 werden einige Schadensfälle beschrieben.
In Kapitel 3 werden die Versagensursachen angeführt und in Kapitel 3.3 die Versa-gensformen und die physikalischen Vorgänge des progressiven Dammerosionsbru-ches genauer betrachtet.
In Kapitel 4 werden die verschiedenen Ansätze zur Modellierung des Dammbruch-prozesses vorgestellt, darunter das numerische Programm 2dMb, das in der Diplom-arbeit verwendet wird.
In Kapitel 5 werden mit dem Programm 2dMb Dammbruchversuche nachgerechnet und durch Einstellen der Parameter des Modells wird das Programm kalibriert.
In Kapitel 6 wird das Modell validiert, in dem es für die Nachrechnung eines Groß-feldversuches angewendet wird.
In Kapitel 7 wird mit dem nun kalibrierten Modell die Dammbruchprognose für das geplante Speicherkraftwerk Kühtai durchgeführt. Verbleibende Unsicherheiten wer-den in einer Parameterstudie untersucht.
Abschließend werden in Kapitel 8 die Ergebnisse mit jenen einfacher Berechnungs-methoden verglichen.
Um zu zeigen, dass das Versagen von Staudämmen und Saumauern sehr wohl möglich ist, wird nun eine Statistik der Versagensfälle angeführt. Die Daten berufen sich auf eine Auswertung von Sametz (1981). (Bei der Auflistung fehlen sämtliche Versagensfälle in China.) Die prozentuelle Aufteilung belegt klar, dass der Bruch von Erddämmen am häufigsten auftritt (Abbildung 2). Dies liegt jedoch an der hohen An-zahl an Erddämmen. Aus Abbildung 3 geht hervor, dass Felsbrockendämme und Pfeilerstaumauern am gefährdetsten sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Prozentualer Anteil der Brüche je Talsperrentyp, bezogen auf die Anzahl der Gesamtbrüche (Zeitraum 1802 – 1979) (Sametz, 1981)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Prozentualer Anteil der Brüche, bezogen auf den Bestand der jeweiligen Typen
(Sametz, 1981)
Aus Abbildung 4 geht deutlich hervor, dass mit dem technischen Fortschritt des Talsperrenbaues und der umfangreicher werdenden Überwachung die Versagens-wahrscheinlichkeit im Laufe des letzten Jahrhunderts stark zurückgegangen ist. Au-ßerdem ist ersichtlich, dass sich in den USA deutlich mehr Talsperrenbruchkatastro-phen ereigneten als in Europa, was den höheren Sicherheitsanforderungen der Stauhaltungen in Europa zuzuschreiben ist.
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Abbildung 4: Versagenswahrscheinlichkeit für Talsperren über 15 m Höhe in den USA und Westeuropa (nach Schnitter 1993) (Singh, 1996)
Rund 15 % der Dammbrüche ereigneten sich schon während der Bauzeit und 50 % innerhalb der ersten 2 Jahre. Demnach wird das Bruchrisiko mit zunehmender Be-triebszeit kleiner.
Im Folgenden werden einige konkrete Versagensfälle beschrieben. Es sollte dabei aber angemerkt sein, dass die Sicherheitseinrichtungen beim Bau und Betrieb der hier angeführten Anlagen nicht mit denen in der Alpenregion vergleichbar sind.
Die Talsperre wurde ca. 2600 v.Chr. im Wadi Garawi errichtet und sollte dem Hoch-wasserschutz dienen. Es handelte sich hierbei um einen Steinschüttdamm mit Geröll, Kies und Schutt im Inneren und außen liegenden treppenförmigen Steinen an den Flanken. Der Damm versagte noch im Bauzustand infolge eines Hochwassers, das fünf Mal größer war als erwartet. Der Damm hatte beim Versagen eine Kronenlänge von 113 m und eine Höhe von 14 m erreicht und staute ein Volumen von 465.000 m3. Die Endbresche hatte eine Breite von 46 m (Wikipedia, 2009).
Beim Bruch des Sadd-el-Kafara Dammes handelt es sich um den frühesten aufge-zeichneten Dammbruch der Geschichte. Dass Dämme bereits während der Bauzeit versagten, hat sich jedoch noch häufiger wiederholt, da die Baustellenumleitungen
oftmals unterdimensioniert waren und in den Jahren der Bauzeit meist nicht so extreme Abflüsse erwartet wurden. Hinzu kommen der noch geringere Retentionsraum und das Risiko von Terminplanabweichungen, wie im nachfolgenden Beispiel.
Der Bau des Oros-Dammes begann 1958. Um problematische Gründungsbereiche zu umgehen, wurde seine Achse kreisförmig ausgeführt. Der Damm konnte bis zum Eintreten der Regenzeit im März 1960 nicht die planmäßige Höhe erreichen. Als hef-tige Regenfälle einsetzten, wurde eine Notschüttung von 5 m Höhe aufgetragen. Damit hatte der Damm eine Höhe von 54 m Höhe erreicht und staute ein Volumen von 700 Mio. m3. Eine Überströmhöhe von lediglich 35-80 cm löste die progressive Erosion aus. Der Spitzenausfluss betrug ca. 9.000-9.600 m3/s, die Endbreschenbrei-te ca. 200 m (Broich, 1997).
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass bereits relativ geringe Überströmhöhen ausrei-chen, um das Versagen eines Dammes einzuleiten.
Das Versagen des Teton-Dammes war eines der größten Dammbruchereignisse in der Geschichte. Zudem ist der Verlauf des Versagens gut dokumentiert. Der zonierte Erdschüttdamm wurde im November 1975 fertiggestellt. Er hatte eine Höhe von 93 m und seine Speicherkapazität betrug 308 Mio. m3. Der zerklüftete Untergrund wurde mit einem Injektionsschleier abgedichtet. Trotzdem kam es zu starker Durchsicke-rung und Bildung von Quellen an der luftseitigen Flanke und am Fuß. Diese Wasser-austritte wurden aber nicht weiter ernst genommen. Gegen 10 Uhr des 5. Juni 1976 kam es zur Durchströmung (Piping) im oberen Dammbereich (Abbildung 5 a). Die Erosiosröhre weitete sich anfangs nur langsam auf. Gegen 12 Uhr stürzte das Ge-wölbe oberhalb der Röhre ein, was zu einer Initialbresche führte (Abbildung 5 c). Et-wa 12 min darauf wurde der Spitzenabfluss von 66.000 m3/s erreicht (Abbildung 5 e) und nach weiteren 5 Stunden war der gesamte Speicherinhalt ausgeflossen. Die Endbresche war 46 m breit und 79 m tief. Als Versagensursache wurden sowohl geologische als auch planungstechnische Faktoren nachgewiesen. Dieses Beispiel zeigt, dass der eigentliche Bruch extrem schnell fortschreiten kann, sobald im Damm eine Initialbresche entstanden ist (Broich, 1997).
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Abbildung 5: Fotodokumentation über das Versagen des Teton-Dammes (Sylvester, 2003)
Das Pumpspeicherwerk Taum Sauk wurde 1963 fertiggestellt. Dabei handelte es sich um einen Ringdamm, der auf einem Berggipfel geschüttet und an der Wasser-seite mit einer Oberflächendichtung aus Beton und Kunststoffbahnen versehen war (Abbildung 6). Das Speichervolumen betrug ca. 5,5 Mio. m3, der Höhenunterschied zum unteren Reservoir ca. 250 m.
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Abbildung 6: Der Speicher Taum Sauk vor dem Versagen (Sylvester, 2003)
Am 14. Dezember 2005 kam es zum Versagen des Ringdammes. Bereits am vorhe-rigen Tag wurden aufgrund von Windwellen leichte Überströmungen des randvollen Speichers beobachtet, worauf der Speicherspiegel vorerst leicht abgesenkt wurde. Aufgrund eines Fehlers in der automatischen Messeinrichtung wurde der Speicher dann aber bis über das zulässige Stauziel aufgefüllt, wodurch es zum Überströmen der Krone und dadurch zum Erosionsbruch kam (Abbildung 7). Die Dammbruchwelle floss durch bewaldetes Gebiet und wurde dann zum größten Teil vom darunterlie-genden Speicher aufgefangen. Aufgrund der abgeschiedenen Lage verursachte der Dammbruch keine größeren Schäden. Dieses Beispiel zeigt, dass selbst bei aufwän-digen technischen Einrichtungen derartige Zwischenfälle nicht ausgeschlossen sind. Allerdings sollte bemerkt werden, dass der Speicher nicht von Personal vor Ort be-aufsichtigt wurde und allein der automatischen Regeleinrichtung überlassen wurde.
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Abbildung 7: Der Ringdamm des Speichers Taum Sauk nach dem Versagen
(Sylvester, 2003)
Staumauern versagen prinzipiell anders als Dämme. Während Staumauern bei Überbeanspruchung meist plötzlich brechen und das gesamte Wasservolumen frei-geben, versagen Dämme langsamer. Ebenso sind die Ursachen des Versagens von Dämmen und Mauern unterschiedlich. Mauern sind anfällig gegen tektonische Ver-schiebungen der Flanken (Versagen der Malpasset-Bogenstaumauer) und unerwar-tete Untergrundsetzungen aber resistent gegen Überströmung der Krone. Dämme dagegen gleichen solche Verschiebungen problemlos aus, sind aber bei Durch- und Überströmung äußerst verwundbar.
Im Folgenden werden die wichtigsten Versagensursachen für Dämme angeführt. Dabei wird zuerst jeweils die Häufigkeit der Ursachen beschrieben, anschließend werden die Versagensformen aus technischer Sicht erläutert.
Überströmen ist mit 43 % die häufigste Versagensursache (Abbildung 8). Dämme werden in der Regel so hoch gebaut, dass es auch in Ausnahmesituationen nicht zu einem Überströmen des Dammes kommt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 8: Prozentualer Anteil der Versagensursachen (Zeitraum 1802 – 1979)
(Sametz, 1981)
Folgende Ursachen können zum Überströmen der Krone führen:
- Unterbemessung der Hochwasserentlastungsanlage aufgrund von Daten-mangel, Planungsfehlern oder zu hoher Risikobereitschaft.
- Außergewöhnliche Hochwasser während der Bauzeit bzw. unterdimensionier-te Baustellenumleitung.
- Ausfall der Entlastungsorgane durch Verschüttung oder Verklausung des HWE-Einlaufbauwerkes z.B. durch Muren oder Lawinen oder Einsturz der Stollen.
- Schwallwellen infolge von Murgängen, Lawinen oder Erdbeben.
- Falsches Management wie z. B: zu hoher Aufstau zu Beginn der Hochwasser-saison (da in Österreich das Bemessungshochwasser auf einen auf Stauziel gefüllten Speicher angesetzt wird, würde dies lediglich den Hochwasserschutz der Anlage reduzieren).
- Irrtümlicher Pumpbetrieb (siehe 2.5).
Durchströmen (Piping) ist mit 40 % die zweithäufigste Versagensursache. Folgende Fälle bzw. Ursachen von Durchströmen können auftreten:
- Übermäßiges Durchströmen des Dammkörpers aufgrund von unzureichender bzw. inhomogener Verdichtung oder Nichteinhalten der Filterkriterien.
- Durchströmen der Gründung aufgrund von unzureichender Untergrundabdich-tung oder zu schlechten Untergrundes.
- Durchströmen entlang von Tunnels.
Der Grundbruch als Versagensursache ist nach Sametz (1981) mit 12 % vertreten. Aber auch andere strukturelle Probleme wie Instabilitäten des Dammkörpers und Mängel in der Ausführung von Tunnels und betonierten Gerinnen für die Hochwas-serentlastung können Versagensursachen von Dämmen sein.
Neben den natürlichen Versagensursachen sollte auch das Dammversagen infolge Sabotage (Terrorakte, kriegerische Einwirkungen) angeführt werden. Mit der Sabotage eines vollgefüllten Speichers oberstrom eines stark besiedelten Gebietes können mit relativ wenig Aufwand sehr große Schäden angerichtet werden. Während des Zweiten Weltkrieges wurden daher Stauanlagen (Möhne- und Edertalsperre, Dnjep-rostroj-Sperre) durch speziell entwickelte Waffen (Springbomben) zerstört und damit
Katastrophen ausgelöst Seit dem 11. September 2001 gewan n das Problem des Terrorismus immer meh an Relevanz.
Unter Geotechnischem Versagen versteht man, dass den auf d n Damm einwirken-den Lasten nicht genü gend Widerstand entgegengesetzt we rden kann und der Damm durch Gleiten versagt (siehe 3.2.3). Dabei gleitet entweder der gesamte Dammkörper auf dem U ntergrund ab (Abbildung 9 a) oder es bilden sich Gleitkreise aus (Abbildung 9 b, c). as Teilversagen kann zur Bildung der I nitialbresche führen. Ursachen dafür können unerwartete Verformung des Damme , Fehlstellen in der Dichtung oder dem Sch üttmaterial, mangelnder Dichtungsschir und Versagen des Untergrundes sein. Das Risiko eines geotechnischen Versagen kann durch ein an-gemessenes Erkundung sprogramm, korrekte geotechnische Be rechnungen und die richtige Ausführung auf in Minimum reduziert werden (Armbruster-Veneti, 1999).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Geotec hnisches Versagen von Dämmen (Armbruster-Veneti, 1999)
Bei Schüttdämmen ist e ine gewisse Durchsickerung unvermeid bar. Durch den Ein-bau von filterstabilen S hichten zwischen Dichtungskern und S tützkörper stellt sich eine stabile Sickerlinie e in. Geringe Materialbewegungen führen dabei zu einer Ver-legung bzw. Verklebung (Kolmatierung) der Poren, wodurch die Durchlässigkeit wei-
ter abnimmt. Aufgrund von ungleichmäßiger Verdichtung und nicht eingehaltenen Filterkriterien kann sich der Transport verstärken und sich auf bevorzugte Sickerwe-gen konzentrieren. Dabei kann das bewegte Material entweder komplett abtranspor-tiert oder in andere Bereiche umgelagert werden. Dadurch kann es in weiterer Folge zu Hohlräumen (Pipes) kommen, die sich aufweiten und dann zum kompletten Dammversagen führen. Der Prozess wird auch als Piping bezeichnet (siehe 3.2.2). Das Dammmaterial oberhalb der Erosionsröhre sackt schließlich ab, wodurch an der Krone eine Initialbresche entsteht. In weiterer Folge entspricht der Versagensverlauf dem Hydraulischen Versagen. Der hydraulische Grundbruch infolge zu hoher Durch-lässigkeit im Dammuntergrund gehört ebenfalls in den Bereich von geohydrauli-schem Versagen (2.4 Bruch des Teton-Dammes (Idaho, USA)).
Darunter versteht man das Versagen infolge Überströmens der Krone (siehe 3.2.1). Während die Kronenüberströmung für Betonmauern kein großes Problem darstellt, bedeutet dies für einen Damm meist den Anfang des Versagens. Das Dammversa-gen in Folge von Erosion durch Wellen oder Strömung auf der Luftseite oder durch Regenabfluss auf der Luftseite zählt ebenfalls zu hydraulischem Versagen, hat aber lediglich für Erddämme oder Deiche Relevanz und kann für Steinschüttdämme aus-geschlossen werden.
Ab einer kritischen Überströmhöhe reicht die Schleppkrafft des Wassers aus, um Bo-denteile aus Ihrem Verbund zu lösen. Dadurch entsteht an einer Stelle eine Bresche, wodurch sich die Abflussgeschwindigkeit erhöht und die sogenannte progressive Erosion einsetzt. Ähnlich einer Kettenreaktion schreitet der Erosionsvorgang weiter fort, wodurch sich die Bresche horizontal und vertikal weiterentwickelt, bis die Talsoh-le nahezu erreicht ist. Der Großteil des Speicherinhaltes wird innerhalb kurzer Zeit freigegeben.
Weitere Ursachen zur Bildung von Initialbreschen können wie oben beschrieben teil-weises Abgleiten und „Piping“ sein.
In der Diplomarbeit wird im Weiteren der progressive Erosionsbruch behandelt, da er für Dämme statistisch am häufigsten eintritt.
- Bruchauslösephase (Breach initiation)
Am Anfang strömen geringe Mengen Wasser über die Dammkrone oder durch die Initialbresche, ähnlich einem Wehr. Falls die Abflusstiefe unter der kritischen Abfluss-tiefe liegt, kommt es zu keiner nennenswerten Erosion, der Damm versagt nicht. Wird der kritische Abfluss und damit die kritische Sohlschubspannung überschritten, be-ginnt der Materialtransport, der anfangs noch sehr langsam fortschreitet, bis die Erosion die wasserseitige Böschung erreicht hat. Da sich der Wasserspiegel im Reservoir durch das Ausfließen absenkt, kann in dieser Phase bei entsprechend geringem Speicherinhalt innerhalb der Überströmhöhe die Erosion noch zum Erliegen kommen (Høeg and Valstad, 2007).
- Breschenbildungsphase (Breach formation)
Hat die Erosion die Wasserseite erreicht, beginnt sich in Folge die „Überfallkante“ abzusenken und somit die Überfallhöhe zuzunehmen (Effekt der positiven Rückkopp-lung). Nun setzt die progressive oder fortschreitende Erosion ein, die den totalen Dammbruch zur Folge hat. Der Abfluss nimmt rapide zu, die Strömung wird extrem turbulent. Die Suspension weist in dieser Phase eine sehr hohe Konzentration auf, vergleichbar mit der eines Murganges.
Da im Weiteren der Abfluss immer stärker zunimmt, nimmt die Konzentration ab. Der Transport ist nun mit dem in Steilgerinnen vergleichbar, die Bresche entwickelt sich in vertikaler und horizontaler Richtung (Abbildung 10 a). Da der Wasserspiegel bei großen Speichern und Speichern mit hohem Speichervolumensschwerpunkt der Breschensohle nur langsam folgen kann, steigt die Überfallhöhe weiter an. In dieser Phase wird irgendwann der Spitzenabfluss erreicht. Man kann hier zwischen kleinen und großen Speicherinhalten unterscheiden.
Bei Speichern mit geringerem Speicherinhalt/Dammkubatur-Verhältnis sinkt der Wasserspiegel relativ rasch ab und folgt somit der Absenkung der Überfallkante. Da der Damm nach unten hin breiter wird, beginnt der Materialtransport irgendwann ab-zunehmen. Der Abfluss beginnt abzunehmen, bevor die Endbreschentiefe erreicht ist, diese liegt nach Broich (1997) auf ca. 80 % der Dammhöhe. Die Erosion kann bei sehr geringem relativen Speicherinhalt auch noch früher zum Erliegen kommen.
Bei großen Speicherinhalten jedoch sinkt der Speicherspiegel relativ langsam. Der Abfluss nimmt so lange zu, bis die Bresche die Talsohle und damit die Endtiefe er-reicht hat (Abbildung 10 b).
Neben dem Speichervolumen ist aber auch der Schwerpunkt des Speicherinhaltes, d.h. der Verlauf der Speicherinhaltslinie maßgebend. Liegt der Großteil des Spei-
cherinhaltes hoch, wird anfangs viel Volumen bei geringer Spiegelabsenkung zur Verfügung gestellt und die Bresche kann sich schneller eintiefen, wodurch die Ab-flussspitze höher ausfällt (Høeg and Valstad, 2007).
Nach Abschluss der Tiefenerosion weitet sich die Bresche nur noch in der Breite auf, bis die Erosion zum Stillstand kommt (Abbildung 10 c). Darauf folgt die Entleerungs-phase, in der die Abflusskurve „asymptotisch“ gegen Null geht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Breschenentwicklung beim Überströmen (Broich, 1997)
Die „Murgänge“ zu Beginn des Dammversagens führen zu einer raschen Eintiefung der Sohle. Dieser Prozess ist aber nicht maßgebend für den weiteren Verlauf, da sich schon bald Verhältnisse von Steilgerinnen mit kontinuierlicher Erosion einstellen. Dabei erfolgt der Transport des Bodenmaterials fast ausschließlich an der Sohle. Der Geschiebetrieb hängt dabei vom Korndurchmesser, aber auch von der Fließtiefe und Fließgeschwindigkeit ab. Letztere sind wiederum von der Rauheit der Sohle abhän-gig (Broich, 1997).
Da sich die Bresche neben der vertikalen auch in der horizontalen Richtung aufwei-tet, gibt es auch eine Seitenerosion. Der direkte strömungsinduzierte Abtransport von den schrägen Böschungen ist jedoch gering. Die Seitenerosion vollzieht sich haupt-sächlich durch Nachrutschen der Breschenböschungen. Ein Teil des Materials wird unmittelbar von der Strömung mitgerissen. Der restliche Teil verlegt die Bresche teil-weise und wird dann abtransportiert. Die Materialzugabe hat einen verzögernden Effekt auf die Sohlerosion, was auch in den Dammbruchexperimenten von Sametz (1981) beobachtet wurde. Das Nachrutschen erfolgt diskontinuierlich in dem Moment, in dem in den Böschungen instabile Verhältnisse erreicht werden. Während der Entleerungsphase wäre auch eine komplette Verlegung der Bresche denkbar (Broich, 1997).
Sametz (1981) beobachtete bei seinen Dammbruchversuchen, dass die Bresche-nentwicklung im Längsschnitt je nach Material und Dichtung stark variiert. Bei homo-genem, kohäsionslosem Material ohne Membrandichtung erfolgt die Erosion im Längsschnitt als Drehung der Sohle um einen Fußpunkt (Abbildung 11 a). Bei Däm-men mit Membrandichtung verläuft die Erosion zyklisch: Der luftseitige Bereich wird aberodiert, während der wasserseitige durch die Dichtung gestützt wird. Erst wenn die freigelegte Dichtung die Grenze der freien Standhöhe erreicht und bricht, erfolgt die Erosion des wasserseitigen Bereiches. Dies führt zu einer horizontalen Bre-schensohle wasserseitig der Dichtung (Abbildung 11 b, c).
Bei kohäsivem Dammmaterial wurde eine parallel zur Luftseite fortschreitende Erosion beobachtet (Abbildung 11 d).
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a) kohäsionslos ohne Dichtung
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b) kohäsionslos mit vertikaler Membrandichtung
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c) kohäsionslos mit schräger Membrandichtung
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d) kohäsiv ohne Dichtung
Abbildung 11: Breschenentwicklungen im Längsschnitt (Sametz, 1981)
Ziel der Modellierung des Dammbruchprozesses ist es, eine Abflussganglinie zu er-halten. Diese wird für die Simulation der Ausbreitung der Flutwelle benötigt oder dient als Eingangswert für die Dammbruchberechnung einer Unterstufenanlage.
Die Empirische Auswertung von gesammelten Daten ist der erste Versuch, den Aus-fluss zu ermitteln. Obwohl viele große Dammbrüche dokumentiert sind, sind brauch-bare Daten rar. Häufig werden über die Zerstörung durch die Flutwelle und die End-bresche berichtet. Messungen des Abflusses oder der Speicherspiegelabsenkung sind selten. Hinzu kommt die Vielseitigkeit der Dämme hinsichtlich Höhe, Speicher-volumen und innerem Aufbau sowie der Versagensursache. Als Zielvariablen sind deshalb nur der Spitzenabfluss Q und das erodierte Dammvolumen Verod sinnvoll. Diese zeigen im doppellogarithmischen Diagramm eine lineare Korrelation mit der Wasserspiegelabsenkung hw während des Dammbruches und dem gespeichertem Wasservolumen Vw vor dem Bruch.
Die erste Formel wurde von Froehlich (Broich, 1997) hergeleitet. Von Broich (1997) wurden Daten und Beobachtungen von verschiedenen Autoren2 sowie eigenes Material ausgewertet und die Korrelation zwischen hw, V w und Q optimiert. Daraus wurden folgende Formeln hergeleitet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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1 Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie; Eidgenössische Technische Hochschule Zürich
2 MacDonald/Langridge-Monopolis, Flachmeier, Vogel, Singh/Scarlatos, Froehlich, Lebreton, Lackner, USCOLD
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