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Wissenschaftliche Studie, 2010
19 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Alliierte Planungen vor Kriegsende
2.1 Re-Education Konzept der Briten und Amerikaner
2.2 Französische Nachkriegsplanung
2.3 Sowjetische Nachkriegsplanung
3. Presseentwicklung in Deutschland unter alliierter Kontrolle
3.1 Die Anfänge der Besatzungspresse
3.2 Die Lizenzphase
3.2.1 Lizenzphase im amerikanischen Sektor
3.2.2 Lizenzphase im britischen Sektor
3.2.3 Lizenzphase im französischen Sektor
3.2.4 Lizenzphase im sowjetischen Sektor
4. Übergabe der Presse in deutsche Hände
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Die Zeitungskrise. Kaum eine Entwicklung wie sie derzeit im Gange ist, hat den deutschen Pressemarkt je vor eine größere Aufgabe gestellt. Die Auflagenzahlen der publizistischen Einheiten sinken von Jahr zu Jahr (vgl. Schröder, 2009). Dies wiederum hat einen Einbruch am Anzeigenmarkt zufolge. Das Internet als moderne Informationsquelle und neuer Werbeträger läuft der Zeitung den Rang ab (vgl. Assion, 2008). Die Zeitungen bzw. die Presselandschaft stehen vor einer grundlegenden Veränderung. Jahrzehnte lang hatte die Tageszeitung den Status des Erstinformationsmediums. In Zeiten des Online Journalismus hat sie diese Funktion verloren (vgl. Schrag, 2006: 19).
Die Presse ist nun ein Objekt der Veränderung geworden. Sie muss sich selbst neu erfinden. Noch vor knapp 65 Jahren, im Jahr 1945, war die Presse ebenso ein Objekt der Veränderung, wie das Mittel dafür. In einem besiegten Deutschland schufen die Besatzungsmächte ein komplett neues Pressesystem nach ihren Vorstellungen, das in seinen Grundstrukturen bis heute Bestand hat. Sie wollten damit die alten Pressetraditionen der Weimarer Republik und die Propagandapresse des dritten Reichs ablösen und gegen eine Presse nach ihren Vorstellungen austauschen. Außerdem sprachen sie dem Zeitungswesen eine große Funktion in der Umerziehung (Re-Education) und Demokratisierung der Deutschen zu.
Umso mehr stellt sich heute die Frage, nach welchen Prinzipien die Besatzungsmächte in ihrer Neustrukturierung des Pressewesens vorgingen und welche Ziele sie damit verfolgten. Mit genau diesen Fragen, den historischen Vorraussetzungen und den durchgeführten Maßnahmen der Besatzer beschäftigt sich die folgende Arbeit. Neben den Alliierten Vorplanungen, der Einführung eigener Printmedien durch die jeweiligen Besatzer, spielt auch die spätere Übergabe der Presse zurück in deutsche Hände eine Rolle. Einige der damals lizenzierten Blätter findet man auch heute noch in den Zeitungsständen.
Dabei gingen die Besatzungsmächte in ihren jeweiligen Zonen mit der Vergabe der Lizenzen höchst unterschiedlich vor. Eine Entwicklung, die nicht nur positiv gesehen wurde. So schreibt Dr. Heinz Peter Volkert: „Von heute - nach über vierzig Jahren - aus gesehen war die Lizenzierung wohl keine Patentlösung;“ [...] (Schölzel, 1986: o.S.). Auch muss man die Ausgangslage der Presse betrachten, um ihre Entwicklung in der Besatzungszeit nachvollziehen zu können. Mit der bereits angesprochenen Lizenzphase beginnt dann nach und nach eine langsame Übergabe der Presse zurück in deutsche Hände. Die vorliegende Arbeit versucht diese Entwicklung, vom totalen Pressestopp, der sog. „Stunde Null“ (vgl. Hurwitz, 1972), bis hin zu einem eigenständigen deutschen Pressewesen nachzuzeichnen.
Wichtigste Literatur im Hinblick auf das zu behandelnde Thema, findet sich in der Form von Monographien sowie Aufsätzen diverser Historiker wieder. Ein bedeutender Autor bezüglich der Mediengeschichte Deutschlands und insbesondere der Entwicklung des Mediensektors während der Besatzungszeit ist Jürgen Wilke. In zahlreichen Publikationen behandelt er die verschiedensten Aspekte der deutschen Pressegeschichte. Auch nicht unerwähnt bleiben sollten die Arbeiten von Kurt Koszyk und Harold Hurwitz, der sich ausgiebig mit der amerikanischen Pressepolitik zwischen 1945 und 1949 auseinandersetzt. Neben den Werken dieser Autoren, gibt es noch zahlreiche Veröffentlichungen, die dieses Thema behandeln, denn laut Jörg Requate kommt „den Medien bei der Untersuchung gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse eine Schlüsselfunktion zu“ (Requate, 1999). Und gerade „die strukturellen und personellen Eingriffe der Alliierten erlangten in keinem anderen Bereich so fundamentale Bedeutung für die spätere Entwicklung in der Bundesrepublik wie bei Presse und Rundfunk“ (Frei, 1989:370).
So zielten die Maßnahmen der Besatzungsmächte nicht nur auf eine Entnazifizierung der Beschäftigten, sowie einen Neuaufbau eines bi]s dato von Propaganda durchzogenen Presseapparates, sondern auch auf die Art der Berichterstattung. Herrschte in Deutschland vor der Übernahme der Alliierten noch die journalistische Berufsauffassung des „kritischen Beobachters“, so sollte später das Berufsbild des „objektiven Beobachters“, eines Neutralen, rein auf Fakten bezogenen Berichterstatters, installiert werden (Pöttker, 2005:7).
Ziel war es, eine Presse, die „[...] ihre Glaubwürdigkeit längst verloren hatte“ (Meier, 1997: 281), komplett abzuschaffen und ein neues System zu installieren (vgl. Koszyk, 1999: 31ff.). Auf diese Veränderungen zielten auch schon die Planungen der Alliierten vor Kriegsende ab. Trotz der teilweise übereinstimmenden Zielsetzung verfolgten die einzelnen Besatzungsmächte in ihren Zonen deren Umsetzung auf unterschiedliche Art und Weise (vgl. ebd.). Im Folgenden soll dieser Aspekt nun näher betrachtet werden.
Die ersten pressepolitischen Pläne der Briten und Amerikaner für die Besatzungszeit entstanden schon ab 1943 im sog. Supreme Headquaters Allied Expeditionary Forces (S.H.A.E.F.) unter General Dwight D. Eisenhower (vgl. ebd.).
Grundlage aller Überlegungen waren die auf den sog. Anti-Hitler Konferenzen (Casablanca 1945, Teheran 1943, Jalta 1945 und Potsdam 1945) getroffenen Übereinkünfte, wie man mit einem besiegten Deutschland umzugehen habe. Sie lassen sich unter den „drei großen D“ zusammenfassen: Demilitarisierung, Denazifizierung und Demokratisierung. In Hinblick auf die Pressepolitik sind gerade die beiden zuletzt genannten Begriffe als Schlüsselbegriffe für das alliierte Vorgehen anzusehen (vgl. Pürer 2007:103).
Als sowohl ausführendes als auch planendes Organ bildete sich innerhalb der S.H.A.E.F die sog. Psychological Warfare Division (PWD) heraus (vgl. Hurwitz 1972:24). Schon während des Krieges war die PWD Herausgeber von Propaganda für deutsche Soldaten und Zivilisten in den Kampfgebieten. In dem von Amerikanern und Engländern gemeinsam betriebenen Unternehmen wurden aber auch Pläne für eine Presseordnung in einem besetzten Deutschland ausgearbeitet (vgl. ebd.). Unter Einfluss der oben erwähnten Schlüsselbegriffe, der Denazifizierung und der Demokratisierung, war die Entwicklung einer freien Presse das zentrale Element der Planungen. So sollte mit ihrer Hilfe eine Abwendung von nationalsozialistischem Gedankengut hin zu einer demokratischen Grundeinstellung erreicht werden. Somit war die Presse, neben dem Parlamentarismus, als wichtiger Grundpfeiler auf dem Weg zu einer Demokratie in Deutschland, zur politischen Umerziehung (der sog. Re-Education) vorgesehen (Overesch, 1979:106).
Dabei zielten die Besatzer auf eine grundlegende Umstrukturierung der vorhandenen Medienlandschaft. Für die britischen Behörden war die deutsche Presse bis dato „strukturell so heruntergekommen, so gründlich nazistisch verseucht und so vollständig dem Propagandaministerium hörig, dass sie gänzlich ausradiert und von Grund auf neu geschaffen werden musste“ (von Hodenberg, 2006:103). Um die gewünschte Entwicklung sicher zu stellen, sollten vor allem Lokal- und Regionalzeitungen gefördert werden, um den Konzentrationstendenzen der NS-Zeit entgegenzuwirken. Mit der Einführung parteiunabhängiger Zeitungen wollte man außerdem undemokratische Absichten untergraben (vgl. Wilke, 2002:200 f.).
All diese Überlegungen bildeten die Grundlage für den von der PWD im Sommer 1944 entwickelten Plan, der einen Wiederaufbau des Mediensystems in drei Stufen vorsah (vgl. ebd.).
Die erste Stufe war ein totales Erscheinungsverbot für Druckerzeugnisse jeglicher Art. Die Auflösung sämtlicher bestehender Redaktionen, die Schließung aller Druckereien sowie Verlagshäuser und somit die Unterbindung aller bis dahin veröffentlichten Druckerzeugnisse (vgl. Pürer, 2007:104). Also jener radikale Einschnitt, der später mit dem Begriff „Stunde Null“ bezeichnet werden sollte. Dieser totale Blackout war bereits im sog. SHAEF Gesetz Nr. 191 vom 24. November 1944 verfasst.
Die zweite Stufe sah die Veröffentlichung von Nachrichtenmedien durch die Militärregierungen vor. Also eine Verbreitung eigener Presseerzeugnisse, wie Heeresgruppenblätter oder darauf folgend, die sog. Zonenzeitungen.
In einer dritten Phase sollte eine kontrollierte Übergabe der Presse zurück in deutsche Hände erfolgen. In der Praxis wurde dies möglich durch eine abgeänderte Fassung des Gesetzes Nr. 191 vom 12. Mai 1945. Die Veröffentlichung von Druckschriften war somit jenen Deutschen erlaubt, die eine Lizenz von der jeweiligen Besatzungsmacht erhielten (vgl. Wilke, 2002:201). Auch sollten diese neuen Zeitungen eine Zensur durch die jeweiligen Militärbehörden erfahren (vgl. Pürer, 2007:104). Schließlich legten gerade die Westalliierten großen Wert auf die Trennung von Meinung und Fakten in der Berichterstattung (vgl. Pöttker, 2005: 7).
Weniger konkrete Vorstellungen findet man, wenn man die französische Nachkriegsplanung betrachtet.
Die französische Militärregierung war weder an den Arbeiten der PWD beteiligt, noch hatten die Franzosen ausreichende Planungen für eine eigene Pressepolitik. Diese Planungslosigkeit, die sich auch noch auf anderen Ebenen zeigt, rührt von einer mangelhaften Vorbereitung auf die Tätigkeit als Besatzungsmacht (vgl. Führe, 2001:19). Dies scheint jedoch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass Frankreich erst während der Potsdamer Konferenz (17. Juli - 2. August 1945) den Status einer Siegermacht zugesprochen bekam und bis dahin die Notwendigkeit, gerade einer Planung des deutschen Pressewesens, nicht bestand (vgl. Schölzel, 1986:33f.).
Erst seit dem Fall des „Eisernen Vorhangs“ gibt es Zugriff auf Akten bezüglich der sowjetischen Nachkriegsplanungen. Entsprechend gering ist daher die Gewissheit über ihre tatsächlichen Ziele (vgl. Koszyk, 1999:32f.).
Den anfänglich durchgeführten Medienpluralismus kann man durchaus als strategischen Schachzug sehen, nämlich zunächst Rücksicht auf den Alliierten Kontrollrat zu nehmen, im Hinterkopf jedoch das langfristige Ziel, Deutschland zu teilen und das besetzte Gebiet in den Machtbereich Moskaus einzugliedern (vgl. ebd.). Angesichts dieser Strategie verwundert es nicht, dass es intensive Vorbereitungen bezüglich einer Pressepolitik für die sowjetische Besatzungszone gegeben hat. So rekrutierten die Sowjets erfahrene deutsche Kommunisten, darunter auch erfahrene Journalisten (vgl. Pross, 2000:136). Die Medien waren wieder mehr ein Mittel zum Zweck geworden anstatt Träger eines freien, demokratischen Mediensystems. So lagen die sowjetischen Ziele der neuen Presse in der Bekämpfung verbliebener faschistischer Strukturen und in der kommunistischen Umerziehung (vgl. Keiderling, 1993).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Besatzungszonen bis 1949
Quelle: Pürer, 2007:107
Im Sommer 1945 kehrten schließlich ca. 300 Funktionäre nach Deutschland zurück, um die Presse und den Aufbau der KPD in der sowjetischen Besatzungszone zu steuern. (vgl. Dussel, 2004:189).
Eine Kritik der Journalisten an der Politik unterlag ebenso einer Kontrolle der sowjetischen Militäradministration (SMAD) (vgl. Pross 2000:134), wie die spätere Vergabe von Lizenzen zur Zeitungsgründung.
Von 17. Juni bis 2. August 1945, also knapp einen Monat nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai, hielten die drei Hauptsiegermächte Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion die bereits erwähnte Potsdamer Konferenz ab.
Mit den Zielen der Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitarisierung und dem neu formulierten Ziel der Demontage (vgl. Overesch, 1979:52ff.), beschlossen die Delegierten Deutschland in vier Besatzungszonen (Abbildung 1) aufzuteilen (vgl. Benz, 2005:7ff.).
Somit wurde Frankreich als vierte Macht der Status einer Siegernation zugesprochen und damit auch ein gleichberechtigtes Mitglied im Alliierten Kontrollrat, dem die Regierungsgewalt in Deutschland unterlag. Eine eigenständige deutsche Regierung war bis auf weiteres nicht geplant.
Mit dem am 24. November 1944 von General Eisenhower erlassenen „Gesetz Nr. 191“ ergriffen die Alliierten, bereits knapp sechs Monate vor der Kapitulation, erste Maßnahmen auf dem Gebiet der Presse. Das Gesetz Nr. 191 beinhaltete ein sofortiges Verbot sämtlicher Veröffentlichungen in den besetzten Gebieten (vgl. Schölzel, 1986:21).
Eine „Stunde Nult', also einen Zeitpunkt ohne Publikationen, hat es zumindest das ganze Bundes-gebiet betreffend aber nicht gegeben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Aachener Nachrichten vom 8. Mai 1945
Quelle: Schrag, 2006:114
Ein solcher Blackout mag regional durchaus denkbar gewesen sein, jedoch nie von langer Dauer. Denn schon vor der Verkündung des Gesetzes Nr. 191 erschienen in Deutschland erste Zeitungen, wie z.B. die Front Post, die unter der Leitung von Hans Habe zunächst durch Flugzeuge abgeworfen wurde (vgl. Hurwitz, 1972:50f.). Zu Beginn waren diese Flugblätter nichts Weiteres als Kampfpropaganda, mit denen man die deutschen Soldaten demoralisieren wollte.
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