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Bachelorarbeit, 2010
42 Seiten, Note: 2
Einleitung
1. Physiologie Motorik
1.1 Das Motorische System
1.2 Die Entstehung einer Bewegung
1.3 Der motorische Kortex
1.3.1 Der primär-motorische Kortex
1.3.2 Der sekundär-motorische Kortex
1.3.3 Die Aktivität des Motorkortex im Elektroenzephalogramm
1.4 Kleinhirn und Basalganglien
1.5. Spiegelneurone
2. Neuronale Plastizität und motorisches Lernen
3. Anfänge des mentales Trainings
4. Hypothesen zu den Wirkungsmechanismen
4.1 Psychoneuromuskuläre Theorie („Bottom-Up-Mechanism“)
4.2 Zentrale Theorie („Top-Down-Mechanism“)
4.3 Weitere Hypothesen
4.3.1 Kognitive Hypothese
4.3.2 Programmierungshypothese
5. Neurophysiologische Ansätze des mentalen Muskeltrainings
5.1 Neuronale Einflüsse auf die Muskelkraft
6. Bewegungsvorstellungstraining („Motor Imagery Training“)
6.1 Definitionen
6.2 Arten des Vorstellungstrainings
6.2.1 Das mental-sprachliche Training
6.2.2 Mentales Training aus der Beobachterperspektive
6.2.3 Mentales Training aus der Innenperspektive
6.2.4 Wahl der Vorstellungsart
6.3 Voraussetzungen und Einflussfaktoren
6.4 Erfassung der Vorstellungsfähigkeit
7. Studien über die Effekte von mentalem Muskeltraining
7.1 Studie von Ranganathan, Siemionow, Liu, Sahgal und Yue (2004)
7.2 Studie von Reiser (2005)
7.3 Studie von Reiser, Büsch und Munzert (2007)
7.4 Studie von Shackell und Standing (2007)
7.5. Studie von Sidaway und Trzaska (2005)
7.6 Studie von Zijdewind, Toering, Bessem, Van der Laan und Diercks (2003)
8. Mentales Muskeltraining in der Praxis
8.1 IMC-Training
8.2 Instruktion
8.3 Trainingsplanung
9. Anwendungsbereiche
9.1 Mentales Muskeltraining in der Orthopädie und Traumatologie
9.2 Mentales Muskeltraining in der neurologischen Rehabilitation
10. Diskussion
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang A
Anhang B
Anhang C
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Man kennt vielleicht das Gefühl, dass beim Beobachten sportlicher Aktivitäten in der Realität oder auch auf dem Bildschirm die eigenen Muskeln anspannen oder diese Aktivitäten in Gedanken selber nachgeahmt werden. Genau auf diese Art und Weise kann mentales Training durchgeführt werden.
Mentales Training ist vor allem aus dem Bereich der Sportpsychologie bekannt. Dies betrifft die Vorstellung komplexer Bewegungsabläufe sowie die Vorstellung von einzelnen Muskelkontraktionen. Oft gibt es in der Physiotherapie-Praxis Situationen, in welchen physisches Training nicht möglich ist (zum Beispiel bei posttraumatischen Immobilisationen, Bewegungseinschränkungen nach Insult, etc.) und daher ein mentales Training eine Möglichkeit der Therapie darstellt. Dies war auch in einem meiner Praktika der Fall. Daher entstand das Interesse zu dieser Thematik und die Idee für diese Bakkalaureatsarbeit.
Diese Arbeit beschränkt sich auf das mentale Muskeltraining. Hierbei wird auf verschiedene Erklärungsmodelle zur Wirkungsweise dieser Therapiemethode eingegangen und neurophysiologische Vorgänge werden erklärt. Weiters wird der Frage nachgegangen, inwieweit es Erfahrungen mit dieser Technik in der Rehabilitation gibt bzw. in welchen Bereichen der Physiotherapie mit mentalem Muskeltraining gearbeitet werden kann.
In verschiedenen Studien und Artikeln (Lotze et al., 1999; Poro et al., 1996) wird auf die Beteiligung von motorischen Arealen des Gehirns während des mentalen Muskeltrainings hingewiesen. Die folgenden Kapitel geben daher einen Überblick über die wichtigsten beteiligten Strukturen und ihre Aufgaben.
Das motorische System besteht aus mehreren Elementen auf unterschiedlichen Ebenen, wobei eine Ebene jeweils unter der Kontrolle der nächst höheren steht. Die obersten Instanzen sind hierbei die motorischen Areale der Großhirnrinde. Diese Bereiche arbeiten eng mit den Basalganglien, dem Kleinhirn und dem Hirnstamm zusammen um Bewegungsprogramme auszuarbeiten. Auf spinalem Niveau finden Umschaltungen durchlaufender Nervenbahnen von und zur Muskulatur statt. Zusätzlich findet dort eine Regulierung der Bewegungen ohne Miteinbeziehung aller motorischen Systeme statt (Reflexe) (Huppelsberg & Walter, 2003).
Basis für eine Bewegung bzw. Muskelkontraktion ist ein Handlungsantrieb aus den subkortikalen Strukturen (z.B. limbisches System). Durch den limbischen und sensorischen Kortex werden daraufhin Informationen an den assoziativen Kortex projiziert, in welchem dann der Bewegungsentwurf entsteht. Anschließend werden vom Kleinhirn und den Basalganglien die Bewegungsprogramme abgerufen. Der Thalamus projiziert diese an den Motorkortex, wo die Bewegungsausführung gesteuert wird und alle notwendigen Impulse über das Rückenmark an die Muskulatur weitergeleitet werden. Über das Rückenmark erhält das Gehirn die notwendigen Informationen über die peripheren motorischen Aktivitäten (Huppelsberg & Walter, 2003).
Nach Huppelsberg und Walter (2003) sind die motorischen Anteile der Großhirnrinde wesentlich an der Willkürmotorik beteiligt. Von diesen Arealen werden in enger Zusammenarbeit mit den Basalganglien und dem Kleinhirn (in denen die eigentlichen Bewegungsprogramme zusammengestellt werden) Bewegungen bzw. die Bewegungsplanungen initiiert.
Der primär-motorische Kortex liegt im Bereich des Gyrus praecentralis (Area 4) und ist somatotop gegliedert. Das heißt jeder Stelle des Motorkortex können bestimmte Muskelgruppen zugeordnet werden. Die Muskelgebiete sind hierbei nach funktioneller Bedeutung und Feinmotorik repräsentiert und nicht entsprechend ihrer anatomischen Größenverteilung. Beispielsweise ist die Handmuskulatur im Verhältnis sehr stark repräsentiert, da diese einer starken Feinmotorik bedarf. Die Aufgabe des primär-motorischen Kortex ist die Umsetzung des Bewegungsprogrammes in Impulse für die Motoneurone des Rückenmarks (Huppelsberg & Walter, 2003).
Laut Mayer und Hermann (2010) entspricht die somatoptope Gliederung nicht einer für immer festgelegten und unveränderbaren Karte, sondern unterliegt einer ständigen kortikalen Reorganisation (siehe Kapitel 2). Den Autoren zufolge zeigen verschiedene Studien, dass der Nichtgebrauch einer Extremität eine reduzierte bzw. ausfallende Stimulation und somit auch eine Rückbildung von kortikalen Repräsentationen zur Folge hat. Die entsprechenden Kortexareale übernehmen folglich andere Aufgaben. Mulder und Hochstenbach (2001) weisen ebenfalls darauf hin, dass der Nichtgebrauch einer Extremität während einer Immobilisation aus verschiedenen Gründen (posttraumatisch, neurologisch, etc.) zu Veränderungen der zentralen motorischen Repräsentation führt.
Der sekundär-motorische Kortex wird unterteilt in den prämotorischen und den supplementär-motorischen Kortex, welche ebenfalls beide somatotop gegliedert sind und in enger Verbindung zum primären Motorkortex stehen. Die einzelnen Muskelgruppen sind somit in mehreren Arealen des Zentralnervensystems repräsentiert.
Der prämotorische Kortex nimmt an der Organisation vieler motorischer Funktionen (zum Beispiel Koordination der Körperhaltung und Orientierung zum Bewegungsziel hin) teil.
Der supplementär-motorische Kortex ist an der Planung und Durchführung komplexer motorischer Aufgaben involviert. Vor allem aber wird dieser Bereich bei der Ausarbeitung von motorischen Problemlösestrategien und feinmotorischen Leistungen gefordert (Huppelsberg & Walter, 2003).
Nach Huppelsberg und Walter (2003) kann über dem supplementär-motorischen Kortex und dem Vertex (Scheitel) in der Planungsphase einer Bewegung im EEG ein sogenanntes Bereitschaftspotential gemessen werden, welches in beiden Hirnhälften auftritt. Hier kann man eine neuronale Aktivität der Bewegungsplanung erkennen, welche circa 0,3 – 3 Sekunden vor der sichtbaren Bewegung beginnt. Dauer und Stärke des Signals sind vom Schwierigkeitsgrad der Bewegung abhängig. Das sogenannte Motorpotential kann circa 100 Millisekunden vor Bewegungsbeginn über dem primären Motorkortex abgeleitet werden. Dieses ist jedoch von dem vorhin erwähnten Bereitschaftpotential abzugrenzen, denn das Motorpotential tritt nur auf der kontralateralen Gehirnhälfte der Zielbewegung auf.
Das Kleinhirn übernimmt als höchste Kontrollinstanz die Verantwortung für Koordination und Präzision von Bewegungsabläufen. Die Basalganglien sorgen für die Feinabstimmung aller Bewegungsimpulse, welche in den höheren motorischen Zentren (assoziativer Kortex) entworfen werden. Basalganglien haben keinen unmittelbaren Zugriff auf Motoneurone – die Projektion erfolgt hauptsächlich auf den Kortex zurück (Mayer & Hermann, 2010).
Spiegelneurone wurden erstmals von Rizzolatti et al. (1996, zitiert nach Bauer 2006) im prämotorischen Kortex von Affen entdeckt. Diese Neurone zeigten nicht nur während dem Ausführen von bestimmten Handlungen Aktivität sondern ebenfalls bei der Beobachtung derselben Handlungen bei Artgenossen. Der Bewegungsablauf des Anderen wurde praktisch intern wiedergespiegelt.
Iacobini et al. (1999, zitiert nach Mayer & Hermann, 2010) zeigen, dass auch motorische Regionen des menschlichen Gehirns auf das Beobachten von Bewegung reagieren. Laut Bauer (2009) werden Spiegelneurone nicht nur aktiv, wenn man eine Bewegung bei einer anderen Person beobachtet, sondern auch, wenn man sich dieselbe Bewegung vorstellt.
Unter neuronaler Plastizität versteht man die Fähigkeit des menschlichen Gehirns, sich sowohl an neue Anforderungen der Umwelt als auch an interne Prozesse immer wieder anzupassen. Diese Fähigkeit ist eine weitere Voraussetzung für das motorische Lernen – zur Veränderung, Optimierung, Stabilisierung und Automatisierung von Handlungen und Bewegungen in wechselnden situativen Anforderungen (Mayer & Hermann, 2010).
Nach Mayer und Hermann (2010) wurde die neuronale Plastizität lange als Leistung bezeichnet, die hauptsächlich das kindliche Gehirn betrifft. Mittlerweile geht man davon aus, dass die Verformbarkeit neuronaler Verbindungen eine lebenslange Fähigkeit ist und Nervenzellnetzwerke kontinuierlichen Umwandlungsprozessen unterliegen.
Die Ergebnisse einer Studie von Muellbacher (2001) zeigen, dass der primär-motorische Kortex wesentlich beim motorischen Lernen beteiligt ist. Die spezifische Beteiligung dieses Bereiches am motorischen Lernen zeigt auch, dass dieser durch Lernprozesse rasch modifiziert und reorganisiert werden kann.
Es gibt schon lange Belege dafür, dass eine Bewegungsvorstellung bzw. die Vorstellung von Muskelkontraktionen motorische Prozesse abruft (Reiser, 2003).
Mulder, Ziljstra, Ziljstra und Hochstenbach (2004) weisen hierzu auf die anfänglichen Erkenntnisse von Jacobson (1932) hin. Dieser konnte mittels eines Elektromyogramms (EMG) Aktivitäten im Muskel während einer Bewegungsvorstellung nachweisen. Das Ausmaß dieser Aktivität war jedoch minimal im Vergleich zu dem einer tatsächlich und offensichtlich ausgeführten Bewegung.
Nach Mulder et al. (2004) beruhen Erklärungen über die Effekte des mentalen Trainings lediglich auf Hypothesen. In folgenden Kapiteln werden verschiedene Theorien erläutert, welche die Mechanismen möglicherweise erklären können, die für eine Verbesserung der motorischen Leistung nach einem mentalen Training sprechen.
Diese Theorie wird auch als „periphere Theorie“ bezeichnet und wird durch die Beobachtung begründet, dass während der Vorstellung einer bestimmten Bewegung dieselbe Muskulatur geringfügig aktiviert wird, ähnlich wie bei der tatsächlich ausgeführten Bewegung. Diese Aktivität ist jedoch so gering, dass keine offensichtliche Bewegung wahrgenommen werden kann (Driskell, Copper & Moran, 1994).
Ebenfalls wird bei dieser Theorie angenommen, dass bei der Vorstellung einer Bewegung bzw. Muskelkontraktion Impulse an die Zielmuskulatur erfolgen und dass dieselben motorischen Bahnen beteiligt sind, wie auch bei der Ausführung im Rahmen eines physischen Trainings (Page, Levine, Sisto & Johnston, 2001).
Die Aktivierung dieser verschiedenen peripheren motorischen Bahnen kann nach Driskell et al. (1994, zitiert nach Mackay 1981) für die Verbesserung der motorischen Leistungen verantwortlich sein, da hierbei motorische Programme im Motorkortex „gefestigt“ werden und in weiterer Folge auch die Leistungsfähigkeit der Motorneurone verbessert wird, welche im Endeffekt die Impulse für die motorische Ausführung geben.
Jeannerod (1995) behauptet, dass die Bewegungsvorstellung ein Teil der zentralen motorischen Repräsentation ist und mit einer Bewegungsabsicht bzw. -vorbereitung verknüpft werden kann.
Obwohl die motorische Vorbereitung auf ein bestimmtes Bewegungsziel einen komplett unbewussten Prozess darstellt, können die Bewegungsbilder hierfür bewusst erschaffen werden. Den Autoren zufolge kann angenommen werden, dass durch die Bewegungsvorstellung ähnliche zentrale Prozesse erfolgen, wie bei der tatsächlichen unbewussten Bewegungsplanung (Jeannerod, 1995).
Nach Reiser (2005) wird zur Erklärung der Kraftsteigerung bzw. der Entfaltung von motorischen Fähigkeiten im Rahmen des mentalen Trainings häufig auf zwei spezifische Hypothesen von Heuer (1985) hingewiesen:
Nach Heuer (1985) kann die Wirksamkeit eines mentalen Trainings dadurch erklärt werden, dass sich dieses auf die kognitiven Anteile einer Bewegungsaufgabe bezieht. Damit sind eine symbolische (sprachlich beschreibbare) und bildhaft-räumliche Repräsentation eines Bewegungsmusters gemeint. Die kognitiven Anteile einer bestimmten Bewegung können im Unterschied zur motorischen Repräsentation instruiert und gelernt werden, ohne die dementsprechende Bewegung tatsächlich auszuführen.
Heuer (1985) nimmt hierbei an, dass zentrale motorische Prozesse im Rahmen eines mentalen Muskeltrainings denen der tatsächlichen Bewegungsausführung ähnlich sind. Dieser Umstand soll laut dem Autor auch wesentlich für die Wirkung des mentalen Trainings verantwortlich sein und den nicht kognitiven „Rest“ begründen, welcher durch die kognitive Hypothese (Kapitel 4.3.1) nicht erklärt werden kann.
Verschiedene Studien beschäftigen sich mit den Fragen, ob es sich bei mentalem Training um eine unterschwellige Aktivität innerhalb des gesamten motorischen Systems handelt oder sich auf die Erregbarkeit kognitiver Areale im Sinne einer Bewegungsvorbereitung beschränkt (Mayer & Hermann, 2010).
Die Studie von Lotze et al. (1999) zeigte mittels funktioneller Magnetfeldresonanz (fMRI) eine signifikante Aktivität im supplementär-motorischen Kortex, im prämotorischen Kortex und primär-motorischen Kortex während einer tatsächlich ausgeführten Bewegung (EM – Executed Movement) und einer vorgestellten Bewegung (IM – Imagined Movement) des Handgelenkes. Eine Aktivierung des somatosensiblen Kortex konnte nur im Rahmen einer EM nachgewiesen werden. Lotze et al. (1999) unterstützen mit diesen Ergebnissen die Hypothese, dass sich die kortikalen Aktivitäten während einer EM und IM ähnlich sind. Im Kleinhirn war hinsichtlich der Aktivität bei EM und IM ein deutlicher Unterschied zu erkennen: Das fMRI zeigte während der IM im Gegensatz zur EM nur eine Aktivität des posterioren Kleinhirns. Von den Untersuchern wurde angenommen, dass dieser Bereich für die Inhibition einer tatsächlichen Bewegungsausführung im Rahmen einer IM verantwortlich ist.
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