Masterarbeit, 2022
191 Seiten, Note: 5.5 (Schweiz ~1,5)
Ernst Stückelberg war zu Lebzeiten einer der bekanntesten Schweizer Künstler. Seine Fresken an der Tellskapelle am Urner See begründeten seinen überregionalen Ruhm. Bereits die Vorgängerkapelle mit den Fresken Carl Leonz Pünteners war ein fester Stopp der europäischen Kulturelite auf der «Grand Tour», obwohl nur per Wasserweg erreichbar. Der zeitgleiche Aufstieg des Dampfschiffverkehrs, der Bau der Axenstrasse und die Eröffnung des Gotthard-Tunnels steigerten die Besucherzahlen der Tellskapelle enorm. Der Philhelvetismus förderte Schweizreisen für gebildete Europäer. Bis 1914 besuchten jährlich rund hunderttausend Menschen die Tellskapelle und bewunderten Stückelbergs Fresken.
Die Wandmalereien in Sisikon entsprachen den Erwartungen des Publikums, geprägt durch Schillers «Tell», der als eine Art Reiseführer zu den Schauplätzen der Tellsgeschichte diente. Da Schiller die Schweiz nie besuchte, basierte sein Bild auf historischen Quellen und der Landschaftsmalerei Johann Ludwig Aberlis, welche die idealisierte Auslandsvorstellung der Schweiz mitprägte. Auf Schillers Grundlage formte Stückelberg mit seinem Werk die öffentliche Wahrnehmung von Wilhelm Tell und seiner Legende, die bis heute prägend ist.
Durch die beinahe photographische Erfassung eines theatralischen Moments besitzen Stückelbergs Fresken eine dialogische Struktur. Seine optischen Ordnungsformen sind subtil verborgen, wodurch die malerische Lebendigkeit der Bilder entsteht. Diese klare Flächenordnung prägt Figuren, Dinge und Räume und lässt die Darstellung zu einem rhythmisch lebendigen Ganzen werden.
Stückelberg traf 1882 den Zeitgeist der Schweiz. Das Schweizer Nationalbewusstsein gewann in der Restaurations- und Regenerationszeit an Schubkraft und erreichte mit der Gründung des Bundesstaats 1848 und der ersten Bundesfeier 1891 seinen Höhepunkt. Die Tellskapelle Stückelbergs war ein wichtiger Identifikationspunkt für den jungen Staat. Bei nationalen Aufträgen musste sich Stückelberg Vorschriften beugen und seine Auftraggeber durch Anlehnung an die Tradition zufriedenstellen. So schuf er in der Tellskapelle Werke von kulturhistorischer und volkstümlicher Bedeutung.
Nach dem Ersten Weltkrieg verblasste Stückelbergs Ruhm allmählich. Obwohl die Tellskapelle unterhalten wird, besuchen sie heute nur noch wenige Gäste und eine kleine Tafel informiert über ihre Geschichte.
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