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Bachelorarbeit, 2009
60 Seiten, Note: 2,0
1. Einleitung
2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Braindrain / Braingain
2.2 Fachkräfte
2.3 Hochqualifizierte
3. Personalgewinnung
3.1 Ziele und Ablauf der Personalgewinnung
3.1.1 Ziele der Personalgewinnung
3.1.2 Ablauf der Personalgewinnung
3.2 Strategien der Personalgewinnung
3.3 Zielgruppen der Personalgewinnung
3.3.1 Interne Personalgewinnung
3.3.2 Externe Personalgewinnung
3.4 Besonderheiten der Personalgewinnung Hochqualifizierter
4. Aktuelle Personalsituation in Deutschland
4.1 Braindrain in Deutschland?
4.2 Personalsituation Hochqualifizierter in Deutschland
4.3 Branchenspezifische Situation
4.3.1 Ausländische Hochqualifizierte im Branchenvergleich
4.4 Spezifika von Hochqualifizierten und der Arbeitsmarkt Hochqualifizierter
4.4.1 Ausländische Hochqualifizierte
4.5 Politische Rahmenbedingungen, insbesondere Zuwanderungsrecht
5. Ursachen der heutigen Situation
5.1 Entwicklungstrends
5.2 Demografischer Wandel
5.3 Globalisierung
6. Praxisbeispiele
6.1 Commerzbank AG
6.2 Deutsche Post AG
6.3 Porsche AG
7. Handlungsrahmen und Herausforderungen der Personalgewinnung für deutsche Unternehmen
7.1 Übergeordneter Handlungsrahmen
7.1.1 Push- und Pullfaktoren
7.1.2 Zuwanderungsgesetz
7.1.3 Bildungssystem
7.2 Herausforderungen
8. Möglichkeiten des Handelns zur Gewinnung Hochqualifizierter
9. Zusammenfassung
10. Fazit
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Elektronische Quellen
Der demografische Wandel und die Globalisierung sind große Themen in Medienlandschaft und öffentlicher Diskussion: „Die Sozialsysteme stehen vor der Überforderung“ titelte jüngst DIE WELT und immer mehr junge Arbeitskräfte müssten immer mehr Rentner versorgen. Zudem gehe es durch einen Fachkräftemangel mit der deutschen Wirtschaft bergab, heißt es in einigen Darstellungen. Zusätzlich sorgen Meldungen für Aufsehen, die deutsche Wirtschaft leide unter der Abwanderung von Spitzenarbeitskräften und ‚schlauen Köpfen‘ ins Ausland. Dadurch entsteht konsequent der Eindruck, dass deutsche Unternehmen global nicht wettbewerbsfähig seien und deutsche Akademiker in Scharen ihr Herkunftsland verließen. Doch wie sieht die Situation für deutsche Unternehmen aus? Gibt es in Zukunft genügend geeignete Arbeitskräfte? Wie können diese für das eigene Unternehmen gewonnen werden?
Fakt ist, dass die Globalisierung die Welt enger zusammenrücken lässt und eine alternde Bevölkerung den Kampf um die besten Arbeitskräfte anheizt. Die um sich greifende Globalisierung zieht Veränderungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens nach sich, auch in der Wirtschaft. Der demografische Wandel macht sich in Form einer alternden Gesellschaft und niedrigen Geburtenraten bemerkbar. Insgesamt ist ein starker Trend zur Beschäftigungszunahme im Segment hochqualifizierter Arbeitskräfte vorhanden: Alleine zwischen 1991 und 2004 nahm die Erwerbstätigkeit Hochqualifizierter in Deutschland um 43% zu. Im selben Zeitraum sank die Beschäftigung von Arbeitskräften mit Berufsausbildung um 9% und von Arbeitskräften ohne Berufsausbildung gar um 20%. Der branchenübergreifende Strukturwandel hin zu einer wissensintensiveren Gesellschaft stärkt die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften mit Hochschulabschluss und macht sie zu einem noch „selteneren Gut“, als sie ohnehin schon sind. In 2006 konnten drei von zehn Unternehmen, die Hochqualifizierte beschäftigten, ihren Fachkräftebedarf nicht vollständig decken. Insgesamt konnten 165.000 Stellen für Hochqualifizierte nicht besetzt werden . Hinzu tritt Konkurrenz aus dem Ausland, die deutsche Spitzenkräfte zu schätzen weiß. Immerhin erhalten 40% der deutschen Hochqualifizierten während ihres ersten Aufenthalts im Ausland ein weitergehendes Stellenangebot .
Einige Länder, allen voran Kanada, reagieren auf derlei Entwicklungstendenzen auf politischer Ebene und betreiben eine gezielte Immigration besonders ausgebildeter oder talentierter Personen - die ‚Politik des Braingains‘. Deutsche und gesamteuropäische Bestrebungen in diese Richtung gab es zwar auch (z.B. Green-Card-Programm der Bundesregierung 1999 oder EU-Vorschlag zur Steuerung der Zuwanderung 2007), doch liefen diese bis dato ins Leere oder sind nicht realisiert worden .
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit konzentriert sich auf die Personalgewinnung von Hochqualifizierten auf dem globalen Arbeitsmarkt. In einem solch hart umkämpften Umfeld gewinnt ein effizientes und zielorientiertes Personalmanagement aus Unternehmenssicht an Bedeutung. Relevant sind in diesem Zusammenhang Herausforderungen bei der Gewinnung von Personal unter den sich ändernden Rahmenbedingungen. Auf dieser Grundlage soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten bestehen, um die ‚High-Potentials‘ im internationalen Wettbewerb zu gewinnen. Dabei soll identifiziert werden, wie eine möglichst hohe Konkurrenzfähigkeit im ‚War for Talents‘ erreicht werden kann. Nachgegangen werden muss der Frage, was im Rahmen des Personalmanagements auf Unternehmensebene geleistet werden kann und wo hierbei Grenzen durch Gesetze und volkswirtschaftliche Bedingungen gesetzt sind. Zum Ziel hat diese Arbeit, Instrumente und Maßnahmen zu identifizieren, die im Hinblick auf das dargestellte Umfeld zielführend sind. Bei dieser Betrachtung werden vorhandene Maßnahmen aus der Unternehmenspraxis hinzugezogen.
Der theoretische Hintergrund im nachfolgenden Abschnitt legt definitorische Grundlagen, in denen Begriffe von zentraler Bedeutung für diese Arbeit erläutert werden (Kapitel 2). Einige Begriffe, die von herausragender Bedeutung sind, werden in eigenen Teilabschnitten dargestellt. Hierunter fallen die Globalisierung, der demografische Wandel und weitere Entwicklungstrends. Diese werden in Abschnitt 5 ausführlich beschrieben.
Im dritten Abschnitt werden die Grundlagen der Personalgewinnung dargestellt (Kapitel 3). Dieser Abschnitt ist unterteilt in die Ziele und den Ablauf der Personalgewinnung (Kapitel 3.1), Strategien der Personalgewinnung (Kapitel 3.2), Zielgruppen der Personalgewinnung (Kapitel 3.3) sowie Besonderheiten bei der Personalgewinnung Hochqualifizierter (Kapitel 3.4).
Darauf aufbauend wird die Personalsituation von Hochqualifizierten in der Bundesrepublik Deutschland dargestellt (Kapitel 4). Leitfragen sind u.a.: Welche Eigenheiten bzw. Spezifika bringen Hochqualifizierte mit sich? Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen herrschen vor, wenn es um die Rekrutierung ausländischer Hochqualifizierter geht? Dazu wird zunächst der Abfluss von Hochqualifizierten (Braindrain-Hypothese), der Deutschland hartnäckig unterstellt wird, thematisiert (Kapitel 4.1). Des Weiteren wird die Personalsituation Deutschlands im Segment Hochqualifizierter betrachtet. Hierbei interessiert, inwieweit Deutschland von Zu- und Abwanderungsbewegungen Hochqualifizierter betroffen ist (Kapitel 4.2). Im dritten Teilabschnitt erfolgt die branchenspezifische Betrachtung (Kapitel 4.3). Darüber hinaus werden Besonderheiten von Hochqualifizierten als Arbeitnehmer und der Arbeitsmarkt Hochqualifizierter dargestellt (Kapitel 4.4). Im fünften Teilabschnitt werden politische Rahmenbedingungen, insbesondere das Zuwanderungsrecht, dargestellt und in den arbeitsmarktpolitischen Kontext eingebettet (Kapitel 4.5).
Kapitel 5 beschreibt die Ursachen, die maßgeblich zur beschriebenen Situation beitragen. Im Einzelnen sind dies Entwicklungstrends (Kapitel 5.1), der demografische Wandel (Kapitel 5.2) und die Globalisierung (Kapitel 5.3). Auf der theoretischen Grundlage fußend werden Eindrücke aus der Unternehmenspraxis präsentiert (Kapitel 6). Dazu werden die Maßnahmen dreier deutscher Unternehmungen dargestellt: Die Commerzbank AG (Kapitel 6.1), die Deutsche Post AG (Kapitel 6.2) und die Porsche AG (Kapitel 6.3). Im siebenten Abschnitt werden identifizierte Herausforderungen bei der Personalgewinnung Hochqualifizierter gesammelt skizziert (Kapitel 7). Vor diesem Hintergrund werden schließlich die Möglichkeiten des Handelns auf Personalmanagementebene dargestellt (Kapitel 8). Ziel ist es, die Möglichkeiten aufzuzeigen, die einem einzelnen Unternehmen zur Verfügung stehen, um Hochqualifizierte in einem global umkämpften Umfeld und unter den beschriebenen Rahmenbedingungen für sich zu gewinnen. Abschließend werden die wesentlichen Arbeitsergebnisse und Erkenntnisse zusammengefasst (Kapitel 9). In einem Fazit wird auf die Thematik zugespitzt dargestellt und entsprechende Schlüsse dieser Arbeit gezogen (Kapitel 10).
Methodisch stellt diese Bachelorarbeit eine literatur- und quellenbasierte Arbeit dar. Die Quellenlage ist umfangreich. Einige Aspekte können jedoch nicht in ausreichendem Maße mit empirischem Material untermauert werden. So ist insgesamt nur unzureichendes Quellenmaterial in Bezug auf das internationale Wanderungssaldo vorhanden. Weiterhin sind die Maßnahmen in der Unternehmenspraxis kleinerer und mittlerer Unternehmen schwer bis gar nicht zugänglich, während sie bei großen Unternehmen stark kommuniziert werden. Insgesamt gereichen die zugrunde liegenden Quellen jedoch dem Anspruch dieser Arbeit.
Unter Braindrain ist die Emigration Hochqualifizierter zu verstehen, also der Abfluss von Wissen und Kompetenz. Braingain beschreibt die gegenläufige Entwicklung und damit die Immigration Hochqualifizierter .
Der Begriff ‚Fachkraft‘ bezieht sich, anders als ‚Hochqualifikation‘, auf die ausgeübte Tätigkeit. Dazu hat die ‚International Labour Organization‘ (ILO) die International Standard Classification of Occupation, eine Klassifizierung von Berufen und Tätigkeiten, herausgegeben. Die aktuelle Version ISCO-08 sieht zehn Gruppen vor. Fachkräfte befinden sich in den Gruppen 1 (Legislators, Senior Officials and Managers), 2 (Professionals) und 3 (Technicians and Associate Professionals) . Unter Fachkraft sind somit nicht nur Hochschulabsolventen zu verstehen. Jedoch sind ca. 80% der Fachkräftestellen in der Wirtschaft für Akademiker1.
Die Dimension Hochqualifizierung zielt ab auf die Qualifikation bzw. Bildung einer Person. Dazu hat die ‚International Labour Organization‘ (ILO) eine Rangfolge von Qualifikationsstufen namens ISCED (International Standard Classification of Education) erstellt. Die Bandbreite reicht von ISCED 0 (Vorschule) bis ISCED 6 (Tertiärstufe II, fortgeschrittene Forschungsqualifikation). Personen die der Qualifikationsstufe ISCED 5 (Tertiärstufe I: deutlich fortgeschrittener Inhalt) oder ISCED 6 zugeordnet sind, gelten als hochqualifiziert. Die Qualifikationsstufe ISCED 5 wird weiterhin unterteilt in 5A (wissenschaftliche „high skill profession“) und 5B (praktisch/berufsorientiert)/. Als hochqualifiziert sind somit Personen mit einem tertiären Bildungsabschluss zu verstehen. Darunter fallen auch Techniker und Meister, die der Qualifikationsstufe 5B zugeordnet sind+. Überwiegend werden unter Hochqualifizierten jedoch Personen mit Hochschulabschluss subsumiert. So z.B. im IZA International Employer Survey (2000) . Egeln (2002) setzt ebenfalls Hochqualifizierte mit Akademikern gleich . Zudem sind Hochschulabschlüsse fast ausschließlich eine notwendige Voraussetzung, um eine hochqualifizierte Arbeitsstelle zu erhalten .
Da sich viele Aspekte auf den Personenkreis mit Hochschulabschluss beziehen, werden in dieser Arbeit Hochqualifizierte als Personen der Qualifikationsstufen 5A oder 6 verstanden, es sei denn es wird ausdrücklich anders erwähnt.
Unter Personalgewinnung fallen Aktivitäten, die der Versorgung von Unternehmen mit Führungskräften und Mitarbeitern in quantitativer und qualitativer Hinsicht dienen . In der Vergangenheit war im Rahmen der Personalgewinnung in der betrieblichen Praxis viel Improvisation zu beobachten, so Kolb (2008). Unter den früheren Rahmenbedingungen und der hohen externen Verfügbarkeit von Hochqualifizierten waren weitere konzeptionelle Überlegungen nicht erforderlich. Die hohe Erfolgsrelevanz der Personalgewinnung für den Unternehmenserfolg ist indes in Wissenschaft und Unternehmenspraxis quasi unumstritten. So werden unter dem Eindruck von Globalisierung und dem demografischen Wandel mit dem einhergehenden Fachkräftemangel längerfristige Konzeptionen und Maßnahmen benötigt . Zunächst werden Ziele und Ablauf der Personalgewinnung dargestellt (Kapitel 3.1), danach folgen die Strategien (Kapitel 3.2) und die Zielgruppen der Personalgewinnung (Kapitel 3.3). Abschließend werden einige Besonderheiten bei der Gewinnung von Hochqualifizierten beschrieben (Kapitel 3.4).
Das übergeordnete Ziel von Personalgewinnung besteht in der Anpassung des Personalbestandes an den Personalbedarf. Dabei kann Personalgewinnung aus quantitativer oder qualitativer Perspektive betrachtet werden. Aus quantitativer Sicht besteht das Ziel der Personalgewinnung in der Bereitstellung von Arbeitskräften. Aus qualitativer Perspektive bezieht sich Personalgewinnung hingegen auf die fachlichen und sozialen Qualifikationen potenzieller Mitarbeiter .
Neben dem zentralen Ziel der Anpassung des Personalbestandes, bestehen weitere untergeordnete Ziele, die potenzial- bzw. imagebezogen sind: Der Aufbau und die Förderung der Reputation, die Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber (‚Employer Branding‘), die Steigerung der Arbeitszufriedenheit und Mitarbeiterbindung, die Einbringung neuer Erkenntnisse und Impulse in das Unternehmen, sowie der Aufbau strategischer Wettbewerbsvorteile .
Der Prozess der Personalgewinnung gestaltet sich idealtypisch in fünf Phasen: Das Heranziehen der Anforderungsprofile, die Analyse des Arbeitsmarktes, die Kommunikation mit potenziellen Mitarbeitern, die Auswahl der Bewerber und die Entscheidung.
In der ersten Phase werden vorliegende Anforderungsprofile auf Grundlage der Personalbedarfsplanung gesichtet. Bei der Analyse des Arbeitsmarktes interessiert, wie viele Hochqualifizierte auf dem relevanten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Darunter fallen auch jene, die derzeit in anderen Unternehmen beschäftigt sind. Je nach Anforderungsprofil, gesuchter Qualifikation und Branche variieren die verfügbaren Arbeitskräfte. Des Weiteren interessiert die Mobilität der potenziellen Mitarbeiter. Mobilität meint die Bereitschaft zu einem Umzug im Rahmen eines Arbeitgeberwechsels. Weiterhin wird das Gehaltsniveau auf dem entsprechenden Arbeitsmarkt betrachtet und es wird analysiert, welches Instrument der Kommunikation die gesuchte Zielgruppe am geeignetsten ist. Es gibt Unterschiede in der Rekrutierungspraxis in Bezug auf das gewählte Instrument der Kommunikation (siehe Kapitel 4.4). Berücksichtigung finden müssen außerdem relevante rechtliche Rahmenbedingungen. Hier geht es einerseits um Modalitäten hinsichtlich der Ausschreibung von Stellen. Andererseits sind Gesetze vor allem in Bezug auf ausländische Hochqualifizierte von Bedeutung (siehe Kapitel 4.5)1.
In der Phase der Kommunikation mit potenziellen Mitarbeitern werden zum einen die Kommunikationsziele festgelegt. Dabei geht es im Kern um die inhaltliche Botschaft, die vermittelt werden soll. Zum anderen wird die Zielgruppe der Kommunikation ausgewählt. In Frage kommen beispielsweise interne oder externe Zielgruppen, Einzelpersonen oder Personengruppen. Werden Personengruppen angesprochen, so sollten diese weitestgehend homogen sein (z.B. Ingenieure mit Berufserfahrung). Abhängig von der Zielgruppe entscheidet sich, wie hoch der Formalisierungsgrad der Kommunikation ist. Bei externen Ausschreibungen ist dieser in der Regel höher/.
Für die Auswahl der Bewerber gibt es in der Unternehmenspraxis viele verschiedene Instrumente. Es lassen sich dabei vier gängige Instrumente unterscheiden. Bei eigenschaftsorientierten Personalauswahlinstrumenten stehen kognitive Fähigkeiten (z.B. Gedächtnisleistung) und persönliche Merkmale (z.B. Selbstvertrauen) im Mittelpunkt. Durch Biografisch orientierte Instrumente der Personalauswahl wird versucht, anhand von biografischen Informationen (formale Bewerbungsunterlagen, biografische Fragebögen), Rückschlüsse auf zukünftiges Verhaltenspotenzial zu ziehen. Zudem gibt es simulationsorientierte Instrumente der Personalauswahl. Diese versetzen Bewerber in Rollenspielen oder Computersimulationen in möglichst realitätsnahe Situationen. Assessment-Center schließlich sind in der Praxis in Verbindung mit eignungsdiagnostischen Instrumenten weit verbreitet. Darin werden biografisch- und simulationsorientierte Instrumente kombiniert+.
Langfristige Ziele nehmen Einfluss auf die Personalgewinnungsstrategie, die ein Unternehmen verfolgt. Die Personalgewinnungsstrategie steht an übergeordneter Stelle. Aus ihr werden Maßnahmen abgeleitet, die ihr dienlich sind. Zwei Faktoren sind für die Personalgewinnungsstrategie von Bedeutung. Zum einen ist sie abhängig von der Position eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt. Zum anderen wird sie bestimmt von der externen Verfügbarkeit entsprechend qualifizierter Arbeitskräfte .
Die Position auf dem Arbeitsmarkt spiegelt wider, wie attraktiv ein Unternehmen für Arbeitnehmer ist. Sie wird durch folgende Merkmale bestimmt:
Ein guter Zugang zu interessanten Arbeitsmarktsegmenten wie Luxusgütern, kann die Position eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Interessante Arbeitsmarktsegmente stärken bzw. weniger interessante schwächen die Attraktivität der Unternehmen. Ebenso fördern attraktive Tätigkeitsbereiche im Unternehmen naturgemäß die Attraktivität als Arbeitgeber .
Je bekannter ein Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt, desto leichter fällt ihm grundsätzlich die Personalgewinnung. Zudem ist entscheidend, ob die Reputation des Unternehmens als Arbeitgeber positiv oder negativ ausfällt. Diese spiegelt sich in Arbeitgeberrankings wie dem Universum TOP 100 Arbeitgeber-Ranking wider. Die Bedeutung des Unternehmensimages für die Rekrutierung Hochqualifizierter ist dabei nicht zu unterschätzen. So betreiben einige Unternehmen gar ‚Employer Branding‘, also den gezielten Aufbau und die Festigung einer guten Arbeitgebermarke .
Weiterhin haben Unternehmen umfassende Möglichkeiten im Rahmen der Vergütung. Doch sind dem Setzen immer höherer materieller Anreize wirtschaftliche Grenzen gesetzt, sodass andere Aspekte im Personalgewinnungsverhalten von Unternehmen an Bedeutung gewinnen .
Die Position eines Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt ist insbesondere von der Unternehmensgröße und der Art der Leistungserstellung abhängig. So haben kleinere Unternehmen grundsätzlich eine schwächere Position als größere. Egeln (2002) folgt dieser Auffassung: „Die Knappheit trifft Unternehmen unterschiedlicher Größenklassen in differierender Art und Weise. Für nahezu alle Branchen gilt: Je kleiner die Unternehmen desto stärker bekommen sie den Fachkräftemangel zu spüren.“ . Dazu passt, dass sich im Ranking 2009 ausschließlich große Unternehmen befinden. Automobilhersteller (1. Porsche, 3. BMW, 4. Audi, 9. Daimler) liegen vor den Vertretern aus der Bankenbranche (11. Deutsche Bank, 57. Commerzbank, 63. Sparkassen-Finanzgruppe, 67. KfW Bankengruppe) . Vermutlich ist dies der Art der Leistungserstellung geschuldet.
Die externe Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte drückt aus, inwieweit hinreichend qualifizierte oder auch qualifizierbare Führungs- und Fachkräfte auf dem jeweiligen externen Arbeitsmarkt vorhanden sind. Im Rahmen eines Fachkräftemangels leidet die externe Verfügbarkeit Hochqualifizierter .
Aus den Faktoren Position auf dem Arbeitsmarkt und externe Verfügbarkeit von Arbeitskräften lassen sich vier grundlegende Personalgewinnungsstrategien identifizieren (siehe Abb. 1):
Die Flexible Gewinnungsstrategie wird von Unternehmen verfolgt, deren Position auf dem Arbeitsmarkt stark ist und die bei einer geringen externen Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte rekrutieren. Das bedeutet, dass Arbeitskräfte mit den gesuchten Qualifikationen kaum oder gar nicht extern verfügbar sind. Der Fokus der Strategie liegt darauf, die Qualifikationen an den verfügbaren Arbeitsmarkt anzupassen. Eine flexible Personalgewinnungsstrategie verfolgen Unternehmen, die sehr spezielle und komplexe Leistungen erstellen (z.B. Spezialmaschinen). Als Beispiel ist ThyssenKrupp zu nennen, die eine gestandene und renommierte Unternehmung sind und daher eine starke Position auf dem Arbeitsmarkt innehaben. Die Erstellung solcher Produkte bzw. Leistungen erfordert jedoch Mitarbeiter mit spezifischem Know-how. Dieses muss beispielsweise durch Qualifizierungsmaßnahmen vermittelt werden. Die Chance besteht darin, dass die Mitarbeiter unternehmensindividuell qualifiziert werden1.
Unternehmen mit einer starken Position auf dem Arbeitsmarkt bei einer hohen externen Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, verfolgen eine integrierte Gewinnungsstrategie. Der Fokus der Strategie liegt darauf, das Know-how des Unternehmens zu steigern. Die integrierte Personalgewinnungsstrategie wird gewählt, wenn die Position des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls gefestigt ist und nachgefragtes Personal mit entsprechenden Qualifikationen extern verfügbar ist. Neu gewonnene Mitarbeiter werden als wesentliche Innovationsträger verstanden, die ihr Wissen und ihre Qualifikationen in das Unternehmen einbringen sollen. Diese Strategie ist z.B. in der IT-Branche häufig zu finden/.
Der Mindestversorgungsstrategie betätigen sich eher Unternehmen, die eine schwache
Position auf dem Arbeitsmarkt innehaben und qualifizierte Arbeitskräfte nur in geringem Maße verfügbar sind. Im Fokus der Strategie stehen Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation. Diese Strategie betreiben vor allem Unternehmen aus der Maschinenbau- und der Bauindustriebranche, die wenig komplexe Produkte (z.B. Schrauben) herstellen+.
Die Status quo-orientierte Gewinnungsstrategie verfolgen Unternehmen, die eine schwache Position auf dem Arbeitsmarkt haben, während die externe Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte hoch ist. Der Fokus der Strategie liegt darin, das Qualifikationsniveau zu erhalten und das Unternehmenswissen zu sichern. Die Status quoorientierte Personalgewinnungsstrategie ist eher an traditionellen Arbeitsmarktsegmenten ausgerichtet. Ziel dieser Strategie ist die Rekrutierung von Arbeitskräften, die vergleichbare Fähigkeiten, Erfahrungswerte und soziale Hintergründe aufweisen wie bereits beschäftigte Arbeitskräfte. Ein häufig zu beobachtendes Phänomen ist dabei, dass Angehörige von Beschäftigten im Personalgewinnungsprozess bevorzugt werden. Vorzufinden ist die Strategie v.a. in der Automobil- und der chemischen Industrie .
Nach Stock-Homburg (2008) bietet es sich an, unter bestimmten Voraussetzungen verschiedene Personalgewinnungsstrategien innerhalb eines Unternehmens zu verfolgen. Dies sei dann gegeben, wenn sich Geschäftseinheiten in einem Unternehmen im Hinblick auf Art und Grad benötigter Qualifikationen unterscheiden .
Grundsätzlich kann die Personalgewinnung sowohl auf interne, als auch auf externe Zielgruppen ausgelegt sein. Dabei gibt es Vor- und Nachteile bei beiden Gruppen. Oftmals sind die Vorteile einer Zielgruppe gleichzeitig Nachteile der anderen. Einige Stellen scheinen besonders geeignet für die interne Personalgewinnung. Dies ist bei Stellen der Fall, die ausgeprägte Kenntnisse des Unternehmens (z.B. Technologien) bzw. des Umfeldes (z.B. Marktkenntnisse oder Kundenstrukturen) erfordern. Weiterhin bietet sich die interne Personalgewinnung an, wenn eine große Vertrauensbasis zwischen Unternehmen und Beschäftigten notwendig ist (z.B. bei strategischen Plänen) . Da der Aufbau von Vertrauen Zeit benötigt, ist eine solche Vertrauensbasis bei extern gewonnenen Arbeitskräften in der Regel nicht vorhanden .
Interne Personalgewinnung beschreibt die Besetzung von Stellen durch bereits im Unternehmen beschäftigte Arbeitskräfte. Eine interne Rekrutierung wird im Kreise der Beschäftigten nicht ausschließlich positiv aufgefasst. Oftmals gehen Vorbehalte seitens des zu Befördernden mit dem Positionswechsel einher. Dabei ist zwischen rational motivierten Vorbehalten und emotional motivierten Vorbehalten zu differenzieren. Rational motivierte Vorbehalte stellen ab auf eine Unsicherheit und Kosten-Nutzen-Überlegungen in Bezug auf einen internen Stellenwechsel auf Seiten der Arbeitskraft. Dazu gehören die fehlende Einsicht, welcher Nutzen mit einem Stellenwechsel verbunden ist oder Zweifel ob die eigene Qualifikation für die neue Position ausreichend ist. Emotional motivierte Vorbehalte sind Ergebnis von gefühlsbedingten Empfindungen und dem Streben nach Stabilität im sozialen Umfeld. Zudem spielt hier die Unsicherheit von Beschäftigten, ob sie sich in einem neuen Umfeld wohl fühlen und die Angst vor Ansehenseinbußen bei Kollegen hinein .
Als Chance der internen Personalgewinnung erweist sich, dass bereits im Unternehmen vorhandenes, insbesondere unternehmensspezifisches, Know-how gesichert und ausgebaut werden kann. Weitere Vorteile der internen Personalgewinnung bestehen in der Reduktion des Risikos einer Fehlbesetzung. Vorherige Kenntnisse mit internen Beschäftigten im Allgemeinen und Erfahrungen mit dem jeweiligen Mitarbeiter im Speziellen minimieren etwaige Unwägbarkeiten. Zudem ist der Verwaltungsaufwand bei einer internen Rekrutierung geringer und Einarbeitungskosten werden partiell oder komplett eingespart. Des Weiteren zieht interne Rekrutierung eine schnellere Sozialisierung hinsichtlich einer speziellen Unternehmenskultur nach sich. Darüber hinaus wird die Motivation bereits Beschäftigter dadurch erhöht, dass berufliche Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb des Unternehmens aufgezeigt und sichtbar verwirklicht werden. Weiterhin ist die interne Personalgewinnung vorzuziehen, wenn die Einarbeitungszeit mit enormem Zeit- oder Kostenaufwand verbunden ist .
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