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Examensarbeit, 2010
157 Seiten
Hinführung
Eine Sturzflut an Informationen
A. Medientheorie und Medienentwicklung
»Der Pegel steigt«
1. Zur Theorie der Medien
1.1 Grundlegendes zur Medien- und Kommunikationstheorie
1.2 Spezielle Medientheorien
2. Zur Entwicklung der Medien
2.1 Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit und sprachbasierte Medien
2.2 Modernisierung und Digitalisierung der Medien
2.3 Die Zukunft der Medien: Mediengesellschaft 2.0
B. Mediensozialisation Vom »Sturz ins ,mediale'Nass« bis zum »Treiben in der Flut«
1. Mediensozialisationsforschung
1.1 Theoretische Grundlagen der Mediensozialisation
1.2 Mediennutzung und empirische Befunde
2. Neue Medien in Familie und Peergroup
2.1 Neue Medien und Familie
2.2 Neue Medien und Peergroup
3. Neue Medien in der Freizeit
3.1 Neues Freizeitverhalten durch neue Medien
3.2 Der Fernseher - Leitmedium der Kindheit und Jugend
3.3 Videospiele - PC und Konsole als virtuelle Spielplätze
3.4 Internet und Handy - Kommunikation für jeden und überall
4. Neue Medien und Sprache
4.1 Grundlagen der computervermittelten Kommunikation
4.2 Netzkommunikation und Netzsprache
4.3 Verfall der Sprache durch computervermittelte Kommunikation?
C. Medienpädagogik »Das rettende Ufer?«
1. Medienpädagogische Ansätze, Aufgaben und Ziele
1.1 Medienpädagogische Entwicklung und Ansätze
1.2 Aufgaben und Ziele der schulischen Medienpädagogik
2. Die Integration der Medienpädagogik in den Unterricht
2.1 Konzeptionen und Rahmenbedingungen
2.2 Mediendidaktik - Lehren und Lernen mit neuen Medien
Ausblick
Untergehen in der Sturzflut der Medien - Eine »Katastrophe«, die verhindert werden kann
Literaturangaben
Eine Sturzflut an Informationen
„Was als ein Strom nützlicher Informationen begann, hat sich inzwischen in eine Sturzflut verwandelt."
Neil Postman hätte es nicht besser treffen können, als er diese Aussage über die immense Entwicklung der Medien vor über mehr als 20 Jahren tätigte. Denn - so in die Jahre gekommen das Zitat auch sein mag - besticht es trotz alle dem durch Voraussicht und Aktualität. Auch wenn Neil Postman, amerikanischer Medienwissenschaftler und Medienkritiker der ersten Stunde, zu seiner Zeit vor allem auf das Medium Fernsehen anspielte, muss man sich heute eingestehen, dass die zitierte Sturzflut an Informationen mittlerweile aus weit mehr als nur dem Fernsehen besteht.
Internet, Computer, MP3, iPhone, eBook und HDTV sind Schlagworte, die seit geraumer Zeit aus dem Vokabular der modernen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken sind. Der Volksmund würde von sogenannten Massenmedien sprechen. Ein Begriff, der sich eingebürgert hat und nahezu alle Medien beschreibt, die heutzutage das Leben der Menschen beeinflussen. Außerdem ein Begriff, der mit seiner Doppeldeutigkeit Neil Postmans Aussage in einem gewissen Maße unterstützt: Massenmedien einerseits als Medien für die Massen, andererseits als Medien en masse. Betrachtet man diese Tatsache genauer, so stellt sich heraus, dass es sich hierbei um zwei ganz verschiedene Seiten einer Medaille handelt. Die breite Masse sieht die Entwicklung der Medien wohl als Fortschritt und somit als positive Entwicklung der Gesellschaft. Dem kann man insofern zustimmen, als dass das Leben mit neuen Medien in der Tat leichter für die Menschen geworden ist. Globale Vernetzung und die schier unendliche Verfügbarkeit an Informationen rund um die Uhr sorgen für einen gewissen Komfort im Alltag. Gespräche werden nun unkompliziert im Chat oder über Voice-over-IP geführt, Wochenendausflüge werden schnell mit dem Online-Routenplaner organisiert, Kochrezepte werden vom virtuellen Chefkoch nach Bewertungen der Nutzer sortiert und danach ausgewählt und auch das Lernen fällt heute leichter mit Wikipedia & Co. Das traditionelle Gespräch, der Straßenatlas, Omas Kochbuch und der Brockhaus in Buchform haben heutzutage augenscheinlich ausgedient. Ob diese Entwicklung im Sinne der Menschen und der zukünftigen Gesellschaft ist, bleibt zunächst dahingestellt. Es sei nämlich dazu gesagt, dass die Stimmen der Kritiker der neuen Medien und deren Warnungen vor den Auswirkungen auf die Gesellschaft mindestens genauso laut sind, wie die der Medienmacher. Die andere Seite der Medaille muss demnach aus medienkritischer Perspektive gesehen werden.
Denn der heutige Mediennutzer ist der Informationsflut beinahe schutzlos ausgeliefert. Viel zu selten werden Medien hinterfragt. Es wird sich meist darauf beschränkt, Medien und ihr Potenzial zu nutzen. Dabei wird die problematische Seite der neuen Medien unterschätzt, ja gar ignoriert. „Medien prägen (heimlich) nicht nur die gesamte Kultur und das soziale Milieu einer Gesellschaft, sondern der Mensch selbst ist nicht denkbar ohne Medien [...]" (Kloock 1997: 100). Den Medien wird eine besondere Macht zugeschrieben. Medien beeinflussen den Menschen. Sie haben die Fähigkeit Menschen zu manipulieren, zu erziehen, Identitäten und Meinungen zu bilden und letztendlich zu sozialisieren (vgl. Süss et al. 2010: 18). Dabei seien nur wenige Beispiele, wie Werbung, Fernsehbeiträge, Internetseiten, Handyvideos oder Computerspiele genannt, die zeigen, wie uns die Medien im Alltag erreichen können. Mittlerweile ist die Ausbreitung der neuen Medien unkontrollierbar geworden. Die Übersicht hat man längst verloren. Während schon der Großteil der Erwachsenen Probleme hat, mediale Zusammenhänge zu begreifen und Gefahren der Medien zu erkennen, wirken neue Medien auf Kinder und Jugendliche umso stärker. Denn „das ausgehende 20. Jahrhundert war dadurch geprägt, dass sich die Medien zu einer mächtigen Sozialisationsinstanz, neben den traditionellen Erziehungsinstitutionen wie Elternhaus, Gleichaltrigengruppen und Schule, entwickelt haben" (Treumann et al. 2007: 28). Nicht umsonst werden Medien auch als die »heimlichen Erzieher« der Heranwachsenden bezeichnet. Das Aufwachsen hat sich also in der modernen Gesellschaft zunehmend verändert. Kinder lernen schon von klein auf mit Medien zu leben, sie zu akzeptieren und mit ihnen zu interagieren. Da Heranwachsende - im Gegensatz zu Erwachsenen - noch weniger festgelegt und damit offener für Vorbilder sind, stellen sich Medien als eine der wichtigsten Konstanten in jungen Jahren heraus. Der wechselseitige Prozess, den ein Kind durchläuft während es unter dem ständigen Einfluss der Medien aufwächst, wird in der heutigen Forschung Mediensozialisation genannt. Man versteht darunter den Erwerb der nötigen Kompetenzen, die ein Kind benötigt, um vollwertiges Mitglied der Gesellschaft - um genauer zu sein - der Mediengesellschaft zu werden. Um dieser gerecht zu werden, erlebt ein Heranwachsender zwangsläufig einen ganz anderen Alltag, als es noch dessen Eltern taten (vgl. Süss 2004: 25ff.).
Viele Lebensbereiche des Kindes sind dabei betroffen. Sei es Familie, Freunde, Freizeit, Kommunikation oder Schule. In allen sozialen Bereichen werden Kinder mit neuen Medien konfrontiert und vor höchst anspruchsvolle Aufgaben gestellt. Diese medialen Herausforderungen haben großen Einfluss auf die Entwicklung eines Kindes und können das Erwachsenwerden durchaus verändern. Doch wie sehen diese Veränderungen aus? Inwiefern unterscheidet sich das Aufwachsen mit neuen Medien zum früheren Aufwachsen ohne den neuen medialen Einfluss? Gibt es Hoffnung, die Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen und die Einflüsse der Medien durch Eltern und Erwachsene zu kontrollieren? Oder verschwindet die Kindheit allmählich, so wie es auch Neil Postman postulierte, indem er in seinem Buch »Das Verschwinden der Kindheit« davor warnte, dass den Eltern und Erziehern durch neue Medientechnologien die Erziehungskompetenz und die kontrollierte Wissensvermittlung entzogen würde (vgl. Postman 2006: 86).
In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden diese Fragen zu beantworten. Dabei wird zunächst auf die heutige Entwicklung von neuen Medien eingegangen, indem theoretische und geschichtliche Aspekte der Medien aufgezeigt werden. Die Begriffe Mediensozialisation und Mediennutzung werden dann genauer analysiert und zwei aktuelle empirische Mediennutzungsstudien angesprochen, um schließlich drei große Aspekte der Mediensozialisation und dem Aufwachsen in der Mediengesellschaft zu beleuchten. Diese wären erstens der Alltag rund um Familie und Peergroup, zweitens das Mediennutzungsverhalten in der Freizeit und drittens die Folgen der Mediatisierung für Sprache und Kommunikation. Im letzten großen Abschnitt soll dieser Wandel der Kindheit und Jugend vor dem Hintergrund der Medienpädagogik und deren Aufgaben für die schulische Medienerziehung diskutiert werden. Das Ziel der vorliegen]den Arbeit soll daher sein, mediale Auswirkungen auf die Kindheit und Jugend in wichtigen Bereichen ihres Alltags zu untersuchen, um letztendlich die Frage zu klären, wie erziehenden Instanzen, wie Schule und Lehrer den medialen Einfluss auf ihre Schüler kompensieren können, welche Probleme dabei auftreten und welche Voraussetzungen herrschen müssen, um erfolgreiche Medienarbeit mit Heranwachsenden stattfinden zu lassen.
Der Begriff »Medien« ist mittlerweile ein weit ausgedehnter Begriff. Im Alltag ist er allgegenwärtig und wird für viele verschiedene Objekte verwendet. Sei es für elektronische Geräte (wie Fernseher, Computer oder Telefon), drucktechnisch produzierte Informationsträger (wie Zeitung, Buch oder Plakate) oder auch neuzeitliche Speichermedien (wie CD, DVD oder USB-Stick). Der Medienbegriff etabliert sich also zunehmend als Schlüsselbegriff der heutigen Gesellschaft. So universal und allgegenwärtig allerdings dieser auch sein mag, so heftig diskutiert wird auch seine Unschärfe. Tatsächlich ist es nämlich so, dass sich die Wissenschaft keineswegs einig darüber ist, was denn genau unter einem Medium zu verstehen ist. Es existieren viele gegensätzliche und konkurrierende Ansätze der Begriffsbestimmungen, die sich als ein recht unüberschaubares Gewirr an Medientheorien entpuppen. Eine einheitliche Theorie gibt es nicht, „Medientheorien gibt es gegenwärtig nur im Plural" (Lagaay/Lauer 2004: 8). Hinzu kommt erschwerend, dass deswegen nicht nur Laien, sondern auch wissenschaftliche Autoren das Wort »Medien« auf ganz unterschiedliche Weise verwenden. Wie oben schon beschrieben, versteht die breite Masse unter Medien etwas Modernes, oft auch verbunden mit elektronischen und technischen Objekten. Der Begriff des Mediums ist allerdings viel älter, als sich manch einer vorstellen könnte. Schon im 17. Jahrhundert wird der ursprünglich lateinische Begriff medium im Deutschen verwendet. Er hatte zahlreiche Bedeutungen, wie die »Mitte« bzw. »Milieu« (im Sinne von räumlicher Mitte), »Mittler« (im Sinne von Übermittler) oder auch »Mittel« (im Sinne von einem Werkzeug/Hilfsmittel) (vgl. Lagaay/Lauer 2004: 10f.). Doch was bedeuten diese Definitionen für das heutige Medienverständnis? Um diese Frage zu klären, muss man den Blick auf gängige Medientheorien richten. Die beinahe unzählbaren Ansätze müssen dafür zunächst gefiltert werden, damit man sich ein Bild für die heutige Situation machen kann. Daher wird im Folgenden auf ausgewählte Medientheorien eingegangen, die sich im Besonderen dazu eignen, das heutige Verständnis von Medien im Zusammenhang mit Kommunikation zu definieren. Nach einer groben Einordnung und Differenzierung verschiedener Medienbegriffe und grundlegenden Erklärungen zur Kommunikations- und Zeichentheorie, soll das Augenmerk dann auf einige explizite Medientheorien gerichtet werden, die sich besonders gut eignen, um das heutige Verständnis von Medien im Alltag zu skizzieren. Abschließend zu diesem Kapitel soll außerdem der Medienbegriff speziell für den schulischen Kontext im Mittelpunkt stehen.
Wie weiter oben schon erwähnt, lassen sich die unzähligen Medientheorien nicht als ein einheitliches Konstrukt oder gar als die eine gültige Medientheorie erfassen. Vielmehr existieren viele verschiedene wissenschaftliche Strömungen, die sich mit dem Begriff des Mediums auseinandersetzen. Um diese zu ordnen und somit den Überblick über die theoretischen Aspekte der Medien nicht zu verlieren, sollen an dieser Stelle zunächst grundlegende Ideen der Kommunikations- und Zeichentheorie, sowie eine allgemeine Klassifizierung der Medien erfolgen, bevor einige spezielle Medientheorien ausführlicher behandelt werden.
Möchte man den Begriff der Medien stark verallgemeinern, so könnte man ein Medium als Vermittlungsinstanz eines Kommunikationsprozesses beschreiben. Man könnte also sagen, dass Kommunikation auf ein Medium als Mittler angewiesen ist. Kommunikation ist wiederrum angewiesen auf Zeichengebrauch eines Senders. Daraus wird gefolgert, dass die Theorie der Kommunikation und der Zeichen eng mit der Bestimmung des Begriffs der Medien zusammenhängen und deren Erläuterung daher einer Auseinandersetzung mit der Medientheorie vorangehen muss. Mit den ersten technischen Erfindungen zur Kommunikation, wie zum Beispiel dem Funk, wurde auch darüber nachgedacht, was Kommunikation aus theoretischer Perspektive genau sei. Dies führte zu einem einfachen Kommunikationsmodell, auf dem jede weitere kommunikationstheoretische Überlegung aufbaute. Dieses Modell besteht aus einem Sender, einem Empfänger, einer Botschaft und einem Kanal. Letzterem ist die Rolle des Mediums, des Vermittlers, zugetragen (vgl. Böhn/Seidler 2008: 2).
Eine Erweiterung erfuhr das Modell 1960 mit dem Linguisten Roman Jakobson. Er fügte dem Modell zwei weitere Elemente zu und schaffte es somit die Kommunikation zwischen zwei Menschen auf kommunikationstheoretischer Ebene sehr genau zu beschreiben. Zunächst fügte er den Begriff »Kontext« hinzu. Hiermit werden die Rahmenbedingungen einer Kommunikation beschrieben. Diese haben objektiv betrachtet viele Interpretationsmöglichkeiten, je nach dem in welchem Kontext eine Aussage getätigt wird. Ein Beispiel hierfür wäre die gemeinsame deiktische Basis, die Kommunikationspartner nur haben können, wenn sie räumlich nicht getrennt sind. Der zweite neue Begriff ist der des »Kodes«. Der Kode bezeichnet das gemeinsame Zeichensystem, das den Kommunikationspartnern zugrunde liegen muss, damit Kommunikation erfolgreich sein kann. Dies kann eine gemeinsame Sprache oder auch gemeinsames Expertenwissen sein (vgl. Nöth 2000: 105).
Kommunikation findet mittels Zeichen statt. Daher haben Zeichen und deren Wissenschaft - die sogenannte Semiotik - auch einen großen Anteil an der theoretischen Erarbeitung des Medienbegriffs. Eines der bekanntesten Zeichenmodelle stammt von dem schweizerischen Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure. Er beschäftigte sich insbesondere mit dem Zeichencharakter der Sprache. Dabei arbeitete Saussure vor allem mit der Struktur sprachlicher Zeichen und begründete die sprachwissenschaftliche Richtung des »Strukturalismus« (vgl. Busch/Stenschke 2007: 21). De Saussure bezeichnet die Sprache als eine Art System aus Zeichen, das immer einer gewissen Struktur und bestimmten Regeln unterliegt (vgl. Mesch 2003: 3). Zudem war er der Meinung, dass das Sprachsystem das wichtigste aller Systeme der Menschen sei und nannte die Sprache daher auch fait social, eine soziale Sache, die das soziale Leben der Menschen regelt und immer regeln wird (vgl. Köller 1977: 19). Da Sprache für de Saussure aber auch ein sehr abstrakter Begriff ist, der unterschiedliche Bedeutungen einnehmen kann, unterscheidet er zwischen verschiedenen Eigenschaften von Sprache. Bedingt durch die strukturalistische Untersuchung der Sprache, führte de Saussure sogenannte Begriffspaare ein, die Grundeigenschaften von Sprache beschreiben sollen. Zu nennen wäre hierbei vor allem das Paar signifiant und signifie.
Beide Ausdrücke beschreiben ein Zeichen mit zweierlei Seiten, nämlich mit dem Ausdruck und der Vorstellung, die durch den Ausdruck ausgelöst wird. Es besteht also eine Verbindung zwischen einem gesprochenen Wort (Lautbild) und der Vorstellung des gemeinten Gegenstands. De Saussure veranschaulicht den ganzen Vorgang, indem er die Verbindung zwischen dem Bezeichnenden (signifiant) und dem Bezeichneten (signifie) mit der Vorder- und Rückseite eines Blattes Papier vergleicht, die untrennbar zusammenhängen. Ein akustisches Signal (signifiant) löst demnach also immer einen gewissen Reiz auf einen Hörer aus. Dieser Reiz wird verarbeitet und aktiviert dann ein signifie, d. h. einen gespeicherten Gedanken, der mit dem Signal direkt verbunden ist (vgl. Köller 1977: 22f.). Da diese zwei Aspekte so eng miteinander verbunden sind, wird die Zeichentheorie von de Saussure auch »Bilateraler Zeichenbegriff« genannt.
Eine weitaus allgemeinere Zeichentheorie stelle Charles S. Peirce auf. Als amerikanischer Pragmatiker war er einer der Vorreiter der wissenschaftlichen Semiotik. Laut seiner Aussage bilden Zeichen die Basis für alle Wissenschaften, da ohne Zeichen keine Kommunikation und somit auch keine Wissenschaft möglich sei (vgl. Pointner 1990: 54).
Auf Grund dieser Annahme entwickelte Peirce eine Zeichentheorie, in der er »Zeichen« wie folgt definierte:
„A sign, or representamen, is something which stands to somebody for something in some respect or capacity. It addresses somebody, that is, creates in the mind of that person an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. That sign which it creates I call the interpretant of the first sign. The sign stands for something, its object. It stands for that object not in all respects, but in the reference to a sort of idea, which I have sometimes called the ground of representamen." (Peirce 1966, zit. nach Withalm 2010: 128)
Demnach steht ein Zeichen immer für eine spezielle Sache, eine Person oder einen Sachverhalt. Deutlich wird hier auch gemacht, dass ein Zeichen immer für einen Empfänger bestimmt ist. Die Aufgabe dieses Empfängers ist es, das Zeichen aufzunehmen und fortan das Zeichen kognitiv zu verarbeiten. Dabei bildet sich in Gedanken des Empfängers ein eigen entwickeltes Zeichen des tatsächlichen Zeichens. Dieses gedankliche Zeichen nennt Peirce »Interpretant«. Dieser »Interpretant« hat im Endeffekt eine bestimmte Bedeutung für den jeweiligen Empfänger und wird folglich auch nach dieser Bedeutung weiter verarbeitet.
Peirce entwickelte im Zuge seiner Zeichentheorie drei spezielle Zeichentypen. Als Erstes wäre hier der »Index« zu nennen. Der Index soll hier als ein Anzeichen für eine bestimmte Sache oder Sachverhalt stehen. Dieses Anzeichen wird normalerweise als eine Folge eines Geschehens dargestellt. Dies kann beispielsweise ein Symptom einer Krankheit sein. Der Arzt sieht das Symptom als Anzeichen (oder Index) einer bestimmten Krankheit. Durch einen Index kann also eine bestimmte Folge oder Annahme abgeleitet werden, die allerdings nicht direkt vom Zeichen dargestellt wird, sondern bestimmte kognitive Arbeit voraussetzt.
Neben dem Index wird als zweites das »Ikon« genannt. Ein Ikon ist ein Zeichen, dass sich dem bezeichneten Objekt in irgendeiner Hinsicht ähnelt. Es könnte als Abbild des Objekts bezeichnet werden. Beispiele hierfür können im alltäglichen Leben fast überall gefunden werden. So zum Beispiel, wenn man Verkehrsschilder, wie das für Wildwechsel, betrachtet. Dabei wird vor kreuzenden Wildtieren gewarnt, indem ein springender Hirsch, als Abbild eines kreuzenden Tieres, den entsprechenden Warnhinweis gibt.
Der dritte Zeichentyp ist das »Symbol«. Symbole sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich weder durch Folge- noch durch Ähnlichkeitsverhältnisse ausdrücken. Dabei sind vor allem die Zeichen gemeint, die in einem willkürlichen Verhältnis zum Bezeichneten stehen. Ein gutes Beispiel ist wieder bei den Verkehrszeichen zu finden. So ist beispielsweise die rote Farbe um ein Verkehrsschild ein Symbol für Gefahr. Nicht weil es einen besonderen Zusammenhang zwischen der Farbe Rot und dem Hinweis Gefahr gäbe, sondern weil sich die Farbe Rot als solch ein symbolischer Hinweis eingebürgert hat (vgl. Böhn/Seidler 2008: 9).
Nach diesem kurzen Exkurs zur Kommunikations- und Zeichentheorie wird also deutlich, dass Medienwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Semiotik nah beieinander liegen. Man kann sogar so weit gehen und behaupten, dass Medien ohne Kommunikation und Zeichen nicht existieren können. Denn erst Kommunikation und Sprache ermöglichen einen Informationsfluss zwischen Menschen. Beschäftigt man sich also mit dem Phänomen der Medien und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft, ist es unabdingbar grundlegende Überlegungen der Kommunikationsund Zeichentheorie zu kennen und zu verstehen.
Die Übersetzung des lateinischen Wortes medium als Mittel bzw. Vermittler beschreibt den weitesten Begriff des Mediums. Medien sind demnach Dinge, die zwischen zwei Instanzen vermitteln. Gleich zwei der bekanntesten Medientheoretiker übernahmen diese Grundidee und erweiterten sie zu einem universalen Medienbegriff. Auf der einen Seite ist es Marshall McLuhan, der mit seinen Ansätzen zur Ausweitung der menschlichen Möglichkeiten durch Werkzeuge einen weit verbreiteten Beitrag zur Medientheorie leistet. Auf der anderen Seite ist es Niklas Luhmann, der mit seiner Systemtheorie wiederrum auf eine ganz andere Weise den Medienbegriff universalisiert. Beide Theoretiker werden im Laufe des Kapitels noch näher zu betrachten sein.
Eine andere Richtung schlägt die Medientheorie ein, wenn man Medien - wie weiter oben schon erwähnt - durch Kommunikation zwischen Menschen definiert. Bei diesem elementaren und semiotischen Medienbegriff wird von Medien gesprochen, wenn sie im Zuge zwischenmenschlicher Interaktion auftreten. Dies setzt wiederrum voraus, dass die Kommunikation mithilfe entsprechender Zeichen verläuft. „Medien fungieren dabei als Kontakt zwischen Menschen, als Kanal, der für das Senden von Botschaften verwendet wird" (Böhn/Seidler 2008: 17). Kommunikation bedarf also notwendigerweise ein Mittel, durch das hindurch oder mithilfe dessen Kommunikation überhaupt erst stattfinden kann. Dabei lassen sich die Bedeutungen von Medien als Mittel der Kommunikation weiter aufschlüsseln. Zunächst sei das Medium das Mittel der Wahrnehmung. Medien stellen hier eine physikalische Materie dar, die als Grundlage der menschlichen Wahrnehmung dienen. Sie können also beispielsweise elektromagnetische Felder oder feste, flüssige und gasförmige Stoffe (z.B. Luft) sein. Diese beeinflussen die Wahrnehmung über das Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen und sprechen damit bestimmte Sinne der Wahrnehmung an. Medien können aber auch Mittel zur Verständigung sein, die die Grundlage für den Austausch von Bedeutungen zwischen zwei Kommunikationspartnern darstellen. Hier sind also Zeichen und Zeichenbedeutungen gemeint, die erst eine gemeinsame und verständliche Kommunikation zulassen. Mit Medien als Mittel zur Verbreitung sind schließlich solche Medien gemeint, die eine Kommunikation über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg zulassen. Dieses Verständnis von Medien lässt sich zumeist im Zusammenhang mit der Techniktheorie finden. Medien sind demnach technische Mittel, um Signalstrecken von Kommunikationen zu überbrücken. Dies können einzelne technische Artefakte (z.B. Papier) oder auch komplexere Geräte oder Systeme (z.B. PC und Internet) sein (vgl. Mock 2006: 189ff.).
Technisch gesehen gibt es aber noch mehrere Varianten, um Medien zu unterscheiden. Eine elegante Lösung lieferte Harry Pross, der vorschlug, Medien in primäre, sekundäre und tertiäre Medien einzuteilen. Primäre Medien sind demnach Medien, bei denen weder bei der Produktion, noch bei der Rezeption der Informationen ein bestimmtes technisches Hilfsmittel benötigt wird. Dies sei der Fall, wenn es um grundlegende menschliche Kommunikationsmitteln, wie Sprache, Gestik und Mimik geht. Bei sekundären Medien kommen hingegen nur auf der Produktionsseite technische Mittel zum Einsatz, bei der Rezeption jedoch nicht. Ein Beispiel hierfür wäre die Fotografie. Für die Herstellung der Bilder wird ein technisches Gerät verwendet, während für das Betrachten eines Bildes wiederum nur menschlich angeborene Sehkraft benötigt wird. Tertiäre Medien sind letztendlich jene Medien, bei denen bei der Produktion und Rezeption technische Hilfsmittel von Nöten sind, um den Informationsfluss zustande zu bringen, so wie es zum Beispiel beim Internet oder dem Fernsehen der Fall ist. Der Sender braucht hierbei eine Schaltzentrale, von der aus das Bild gesendet wird. Der Empfänger benötigt ein technisches Gerät, um die Informationen zu empfangen (vgl. Pross 1972: 128ff.). Eine weitere technische Differenzierung der Medien kann durch die technische Funktion des Mediums erreicht werden. Man unterscheidet demnach zwischen Speicher-, Übertragungs- und Kommunikationsmedien. Moderne Speichermedien sind z. B. USB-Sticks, CDs und DVDs oder Festplatten. Übertragungsmedien können Antennen, Sattelitenschüsseln oder Kabel sein, die für eine einseitige Übertragung sorgen. Eine zweiseitige Übertragung hingegen herrscht bei Kommunikationsmedien, die dafür sorgen, dass Informationen ausgetauscht werden können. Dies ist zum Beispiel beim Telefonieren oder beim Briefwechsel der Fall (vgl. Böhn/Seidler 2008:18f.). Einen Sonderfall stellt hierbei der Computer dar. Dieser könnte bedenkenlos in alle drei Kategorien eingeteilt werden und zeigt somit das Problem aller genannten Ansätze: eine klare Abgrenzung der medialen Kategorien ist bisher kaum möglich.
Um daher die eher allgemeine Differenzierung des Medienbegriffs etwas zu präzisieren, sollen nun einige Medientheorien expliziter geschildert werden.
Nach den Erläuterungen zur Kommunikations- und Zeichentheorie, sowie einer allgemeinen Klassifizierung der Medien, sollen nun einige spezielle Medientheorien angesprochen werden, die den Anspruch erheben, den Begriff der Medien auf ihre eigene Art und Weise expliziter zu definieren. Dabei seien vor allem bestimmte Techniktheorien der Medien, Marshall McLuhans Medium als Botschaft, Niklas Luhmans Systemtheorie, die ökologische Seite der Medien von Neil Postman und schließlich die pädagogische Medientheorie genannt.
Medien verändern die Wirklichkeit. Das trifft auf traditionelle und auf neue Medien zu. Doch wie schaffen Medien das? Eine mögliche Antwort wäre die Medien als Apparate zu betrachten. Man nehme an, Medien seien Objekte, die als Werkzeuge fungieren.
Kein Prozess der vernetzten Infrastruktur der Gesellschaft kann ohne materielle Grundlage stattfinden, die letztendlich aller Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen zu Grunde liegt. Medien sind also mit Technik im Sinne von Werkzeugen, Hardware oder Maschinen gleichzusetzen. Dies ist der Fall, sobald technischer Fortschritt die Infrastruktur der Kommunikation so verändert, dass neue, revolutionäre Effekte in der Gesellschaft auftreten. Bespiele dafür wären, die Erfindung der Schrift, Gutenbergs Technik der Buchdruckerei und auch die Erfindung der Fotografie und Digitalisierung (vgl. Hartmann 2010: 52f.). Der Begriff der Medien- und Technikrevolution beschreibt diese Entwicklung sehr genau. Technik und Medien dienen in dieser Vorstellung als Ausgleich aller Defizite, mit denen der Mensch leben muss. Mit Medien als Werkzeug bedient sich die Gesellschaft der Macht der Technik, um letztendlich der Idealisierung der Menschheit entgegen zu streben. Auf Basis der Techniktheorie leitete man nun weitere Theorien ab. Dazu zählen beispielsweise die Organprojektion oder die Prothesentheorie. Diese beschäftigen sich mit der Frage, inwiefern Werkzeuge und Medien Teil des menschlichen Organismus' zu sehen sind. Bekannt wurde vor allem Ernst Krapps Organprojektion. Informationsaustausch zwischen Menschen erfolgt immer mittels der Organe. Sei es der Sprechapparat, das Gehör oder auch durch Hände. 1877 ging Krapp von der Annahme aus, dass alle Werkzeuge, die der Mensch erfindet, Nachbildungen menschlicher Organe darstellen. Tatsächlich war es ja so, dass viele Innovationen der Technik durch Beobachtungen aus der Natur zustande kamen. So stellte Krapp den Vergleich zwischen Hammer und menschlicher Faust oder zwischen Fotoapparat und Auge her. Diese technischen Hilfsmittel seien also nichts anderes, als vom Mensch geschaffene, künstliche Organe. Vorbild für diese Theorie war die Darwin'sche Evolutionstheorie, die die anorganische Verbesserung als Erweiterung der organischen Fähigkeiten und somit als Vorteil für die Gattung sah (vgl. Hartmann 2010: 54).
Ähnliche Gedanken wurden auch von der Prothesentheorie entwickelt. Während im Laufe des 20. Jhd. die Techniktheorie teils heftig kritisiert wurde, musste man sich doch eingestehen, dass die Vorstellung der Medien als Instrumente der Wirklichkeitserzeugung ein recht passender Vergleich war. Selbst Sigmund Freud stellte fest, dass der Mensch einem »Prothesengott« glich, der sich durch technische Erfindungen seinen Weg durch die Welt bahnte. Allerdings fügte er kritisch hinzu, dass es sich dabei eben nur um Prothesen handele, die nicht mit dem menschlichen Organismus verwachsen sind und den Menschen auch Probleme bereiten könnten (vgl. Stockhammer 2005: 210ff.).
Die Ideen der Organprojektion und der Prothesentheorie wirkten durch ihre Plausibilität in der Folge noch lange unter Medientheoretikern fort und beeinflussen größtenteils auch die nun folgenden Medientheorien.
Einer der Medientheoretiker, der sich gründlich mit Medien, Botschaften und Technik beschäftigte, war Marshall McLuhan. Die rasante technische Entwicklung der heutigen Informationsgesellschaft belebte seine Theorien und Ideen und macht ihn heute aktueller denn je.
Mit seinen Hauptwerken »The Gutenberg Galaxy« und »Understanding Media« erregte er in den USA der sechziger Jahren große Aufmerksamkeit. Seine Ideen waren revolutionär, als auch provokant zugleich. Trotz damaliger Kritik, werden seine Ansätze heute respektiert und sind für jeden Medientheoretiker unverzichtbar. McLuhans Vorstellung von Mensch und Medium ist denkbar einfach: Menschen sind für ihn organische Einheiten. Sie sind durch Wahrnehmungsfähigkeit und Sinn geprägt. Medien sind größtenteils Erweiterungen dieser Sinne.
McLuhan ging davon aus, dass die Gesellschaft mit den neuen elektronischen Medien auch ein neues Denken erwerben müsse. So postuliert er in »Understanding Media« gleich zu Beginn mit seiner berühmtesten Aussage „Das Medium ist die Botschaft" ein Umdenken bezüglich der Medien und deren Auswirkungen auf die Menschen. Die Botschaft jeden Mediums oder jeder Technik sei laut McLuhan die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt (vgl. Spahr 1997: 48). Technik verändert also die Dimensionen von Raum und Zeit und somit die Schemata, in denen die Welt wahrgenommen wird. Der eigentliche Inhalt eines Mediums ist demnach medientheoretisch nicht relevant. Nur die tatsächliche Funktion des Mediums ist ausschlaggebend. Überträgt man diesen Gedanken beispielsweise auf eine Glühbirne, ist es also nicht wichtig, was die Glühbirne beleuchtet, sondern dass sie etwas beleuchten kann und somit die Lebenswirklichkeit des Menschen verändert.
Zu diesen einleitenden Ideen McLuhans gesellt sich ein sehr weiter Medienbegriff. Für McLuhan fällt jede Technologie, mit der der Mensch mit seiner Umwelt in Beziehung tritt, unter den Begriff »Medium«. Dazu zählen Kommunikationsmedien, wie Radio, Fernsehen oder Buch, aber auch Kleidung, Transportmittel oder Maschinen. Letztere Beispiele deuten eine weitere Grundidee McLuhans an. Denn Objekte, wie Autos, Züge, Waffen, Uhren oder Geld sind für ihn ebenfalls Medien. Sie seien für ihn die Ausweitungen der Menschen. »The Extensions of Man« - so auch der Untertitel seines Bestsellers »Understanding Media« - sind ähnlich wie bei der Organoder Prothesentheorie Erweiterungen des menschlichen Körpers in Form von Medien. So sind Transportmittel die Ausweitungen der Füße, Kleidungsstücke die Ausweitungen der Haut und Maschinen die Ausweitung des Tastsinns (vgl. Krotz 2008: 257). Unterschieden werden diese Medien in der Art, wie sie wahrgenommen werden. So gibt es für McLuhan »heiße« und »kalte« Medien. Heiße Medien erweitern beim Menschen nur einen Sinn, aber dies sehr detailreich mit vielen Informationen und Daten. Kalte Medien hingegen sind eher unspezifisch und liefern weniger Informationen. Beispiele für heiße Medien wären der Fernseher, das Radio oder das Buch. Diese liefern sehr viele Informationen für den Anwender, die aber eher passiv aufgenommen werden. Kalte Medien dagegen verlangen durch ihre Detailarmut höhere Beteiligung der Menschen. So zum Beispiel bei der Sprache oder beim Telefon. Hier liegt es am Anwender, der entscheidet, ob ein Informationsfluss zustande kommt (vgl. Spahr 1997: 53f.).
Mit diesen Eigenschaften der Medien liefert McLuhan einen sehr weiten Medienbegriff. Die Ausweitung des menschlichen Körpers umfasst Technik sehr allgemein. Medium kann also nahezu alles sein. Daraus folgend, erhebt McLuhans Auffassung einen universalistischen Anspruch für die Medientheorie. Vor allem die Kommunikationswissenschaft kritisiert diese Ansicht stark. Denn für sie gilt: das Medium nimmt immer eine spezielle Rolle in einem Kommunikationsprozess ein. Es kann als Signal, Botschaft oder Kanal vorkommen. Und so erscheint auch die Aussage »Das Medium ist die Botschaft« als kommunikationstheoretisch sehr vage und vieldeutig.
Neben dem sehr weiten Medienbegriff liefert McLuhans Theorie aber auch noch weitere Erkenntnisse für das Verstehen der Beziehung zwischen Mensch und Medium. So teilte er in seinem Werk »The Gutenberg-Galaxy« die Geschichte in vier Epochen ein: die orale Stammeskultur, die literale Manuskript-Kultur, die Gutenberg- Galaxis und das elektronische Zeitalter. Für den Übergang von einer Epoche zur nächsten macht McLuhan das Auftreten eines bestimmten Mediums verantwortlich. Nämlich erstens das Schriftaufkommen, zweitens der Buchdruck und drittens die elektronischen Medien. Letztere läuteten bis dato das aktuelle Zeitalter an. Dieses neue Zeitalter beschreibt McLuhan durchaus positiv. Vorherseherisch kündigt er quasi ein Computerzeitalter an, in dem der Mensch aufblühen und seine Fähigkeiten ausbauen wird. Die neue Welt entwickele sich durch elektronische Vernetzung zum »Globalen Dorf« (vgl. Spahr 1997: 71).
Gleichzeitig merkt McLuhan schon damals an, dass sich vor allem die Sozialisation im neuen Zeitalter wandeln und dies direkte Auswirkungen auf Bildung und Erziehung haben wird (vgl. Krotz 2008: 260f.). Und das dürfte wohl auch der Grundgedanke sein, der die heutige Medienpädagogik antreibt. Im Zusammenhang mit McLuhans Theorie und auch der Techniktheorien erscheint es in der Bildung sinnvoll, neue Medien zumindest in einer Denkrichtung im Sinne von Werkzeugen zu sehen. Demnach wäre es eine Möglichkeit, Schülern und Schülerinnen den Umgang mit Medien als Hilfsmittel zu vermitteln. Computer, Internet & Co. sind nur einige Beispiele, die es dem Schüler ermöglichen, den Horizont des Lernens und Verstehens zu erweitern. Dazu braucht es allerdings Unterricht und Anleitung, was von ausgebildeten Medienpädagogen übernommen werden kann. Möchte man McLuhans Medienbegriff also auf die Medienpädagogik ummünzen, so könnte man neue Medien durchaus auch als Ausweitungen des Lernens verstehen.
Ein weiterer Medientheoretiker, dessen Thesen weltweit Beachtung fanden, war der deutsche Sozialwissenschaftler Niklas Luhmann. Auch er definierte, wie McLuhan, einen sehr weiten Medienbegriff, der viel Interpretationsspielraum zulässt. Allerdings erarbeitete Luhmann seine Theorie der Medien über die Sozialwissenschaften. Denn seine größte Leistung für die Wissenschaft war die Weiterentwicklung der Systemtheorie. Um die Verbindung dieser Theorie mit den Medien zu verstehen, muss man sich zunächst den grundlegenden Zusammenhang zwischen Gesellschaft, Kommunikation und Medien vor Augen führen.
Luhmann versteht unter Gesellschaft ein System, das sich eindeutig von seiner Umwelt abgrenzt. Die Gesellschaft erhält genau aus dieser Abgrenzung ihre Bestimmtheit. Die Hauptaufgabe eines jeden Systems ist es, die Komplexität seiner Umwelt zu reduzieren. Dies geschieht durch Auswahl alternativer Möglichkeiten, also Selektion. Da für ein System, zum Beispiel der Gesellschaft, nur begrenzte Auswahlmöglichkeiten gegeben sind, wird eben dieses System durch seine Selektion bestimmt (vgl. Meder 2008: 37f.). Doch wie lässt sich aus dieser Annahme der Medienbegriff definieren?
Luhmann gibt die Antwort zunächst mit der Unterscheidung zwischen Medium und Form. Er beschreibt dabei das Medium als einen Sinn. Sinn meint in diesem Zusammenhang einen Vollzug, der vom Prinzip der Reduktion der Komplexität der Umwelt beherrscht wird. „Im Schema des Sinnes nun scheiden sich Medium und Form" (Meder 2008: 39). Anlehnend an die Unterscheidung zwischen Medium und Ding von Fritz Heider, wird ein Medium als eine lose Menge gekoppelter Elemente bezeichnet, die sich wiederrum zu einer strikt gekoppelten, anschlussfähigen Form verbinden kann. Ein klassisches Beispiel wäre ein Fußabdruck im Sand. Dabei bilden die lose gekoppelten Sandkörner das »Medium« und werden schließlich erst durch den Gesamteindruck - dem eigentlichen Fußabdruck - zu einer strikt gekoppelten »Form«. Form und Medium teilen sich dieselben Elemente und unterscheiden sich also erst im Hinblick auf das Arrangement der Elemente (vgl. Khurana 2004: 99f.). Um den Luhmannschen Medienbegriff weiter zu definieren, muss man auch näher auf die sozialen Systeme und Kommunikation eingehen. Denn diese stehen in seiner Arbeit deutlich im Vordergrund. Als größtes soziales System wird dabei die Gesellschaft anerkannt. Die Gesellschaft lebt von der Kommunikation, da die Kommunikation als spezifische Operation sozialer Systeme dient. Für Luhmann bedeutet Kommunikation das Zusammenspiel von Mitteilung, Information und Verstehen. Ein Kommunikationspartner nimmt in diesem Zusammenhang drei verschiedene Selektionen vor: Er wählt eine Information aus, entscheidet dann über die Art und Weise der Mitteilung (Sprache, Gestik, etc.), der Empfänger versteht dann diese Information, indem er ihr eine Bedeutung zuschreibt.
Wichtig dabei ist, dass der Erfolg der Kommunikation gesichert sein muss. Ein Sender muss also immer davon ausgehen können, dass seine Mitteilung auch beim Empfänger ankommt. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass die Mitteilung falsch interpretiert wird. Auf Grund dieser Tatsache, beschreibt Luhmann Kommunikation auch als unwahrscheinlich. Wahrscheinlich werden Kommunikationen erst, wenn Medien ins Spiel kommen. Dies können neben Massenmedien auch sogenannte symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien, wie Geld, Macht, Wahrheit und Werte sein (vgl. Sutter 2008: 163).
Wichtig für die Medienpädagogik wird diese Denkweise, wenn man das Verhältnis zwischen Massenmedien und Empfänger analysiert. Massenmedien nutzen bestimmte Inhalte, um bestimmte Gruppen von Rezipienten zu erreichen. Seien es Nachrichten, Werbung oder Unterhaltung. Der Erfolg der Kommunikation wird also durch konkrete Selektion der Abnehmer gewährleistet. So werden letztendlich die Verständlichkeit der Medienangebote und die Aufnahmebereitschaft der Empfänger gesichert und das Fundament einer sozialisierenden Medienerfahrung aufgebaut. Das Lernziel, welches sich daraus für die Medienpädagogik ergibt, ist klar: kritisches Nachdenken über den Gebrauch und über die Manipulationsfähigkeit neuer Medien.
McLuhan hatte es schon angedeutet: Die Gesellschaft befindet sich mitten in einer Phase medialen Aufbruchs. Sie hat die »Gutenberg-Galaxis« hinter sich gelassen und sieht sich nun einem digitalisierten, technologischen Zeitalter gegenüber stehen. Wie auch bei vergangenen medialen Umbrüchen in der Geschichte, haben neue Medien heute zu massiven Veränderungen der gesellschaftlichen Kommunikationskultur geführt (vgl. Ganguin 2008: 136). .
Neue Medien erschaffen also auch immer eine ganz neue Umwelt. Und im Gegensatz zu Marshall McLuhan sieht der schon erwähnte Medientheoretiker Neil Postman diese Tatsache weitaus kritischer. In seiner Medienökologie folgt er zwar weitgehend den Überlegungen von McLuhan, spitzt diese aber in der Hinsicht zu, als dass er neue, elektronische Medien als »Verschmutzung der Landschaft« sieht (vgl. Kloock 1997: 99).
Ökologie deshalb, weil sich Neil Postman vor allem für die Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in Abhängigkeit der Medien interessiert. Postman geht sogar so weit zu behaupten, neue Medien hätten längst die Vorherrschaft über unsere Lebenswirklichkeit erlangt und die Welt erlebe man nun zumeist nur noch über die Medien. Scheint dieser Gedanke zunächst sehr radikal, so muss man sich doch eingestehen, dass diese Annahme das heutige Aufwachsens in der Gesellschaft ist ziemlich genau beschreibt.
Denn für Postman sind Medien Behälter, Vehikel oder Werkzeuge, die Inhalte auf eine bestimmte Art übersetzen und so das alltägliche Leben gestalten können. Das Problem, das sich dabei für die heutige Situation ergibt, ist die vorbehaltlose Akzeptanz neuer Medien. Die Vorherrschaft der neuen Technologien bezeichnet Postman demnach als »Technopol« (vgl. Kloock 1997: 120).
Dieses »Technopol« erhebt den Anspruch, Macht auf Menschen auszuüben und sie heimlich zu erziehen. Diese Annahme ist vor allem dann zentral, wenn man die Medienrevolution von heute vor dem Hintergrund der Mediensozialisation sieht. Denn es sind im speziellen die Heranwachsenden, die durch neue Medien gezielt beeinflusst werden. Denn „das Kind macht im ökologischen Zentrum nicht nur erste emotionale und soziale Kontakte, so wie Sprechen und Spielen, sondern erlernt auch den Umgang mit Medien" (Ganguin 2008: 138). Kindern und Jugendlichen sind dabei die Präsenz und die Manipulationsfähigkeit der Medien kaum bewusst. Dabei hat der Fluss der neuen Medien sie schon längst erfasst und lässt sie umhertreiben in den Gewässern medialer Angeboten und Möglichkeiten. Ihre Lebenswirklichkeit verändert sich, meist ohne dass sie etwas davon merken würden. Dabei fügen neue Technologien weder etwas zur Lebenswelt hinzu, noch entfernen sie etwas. Sie verändern sie einfach und sind somit ökologisch (vgl. Postman 1992: 26).
Die bisher erwähnten Medientheorien zeigen, dass es unterschiedlichste Ansätze und Denkweisen bezüglich des Medienbegriffs gibt. Man könnte an dieser Stelle das Spiel sicherlich weiter treiben und noch zahlreiche medienphilosophische, medienkritische und medientechnische Theorien erläutern. Allerdings ist das zentrale Ziel dieser Arbeit die Mediensozialisation und dessen Folgen für die Medienpädagogik. Daher soll zum Abschluss des medientheoretischen Abschnitts der Medienbegriff vor dem Hintergrund des pädagogischen Verständnisses der Medien beleuchtet werden. Dabei soll auch auf die Frage eingegangen werden, was denn nun unter neuen Medien für die Schule zu verstehen ist und wie diese zu traditionellen Medien abgegrenzt werden können.
Heutzutage wird viel über neue Medien und Schule geschrieben und gesprochen. Medien sind allerdings nicht erst seit der Umbruchsphase der Modernisierung und Digitalisierung ein Thema in der Schule. Tatsächlich ist es so, dass Medien schon seit Langem das Verhältnis zwischen Lehrer und Lerner prägen. Schon 1804 behauptet Herbart, dass die ästhetische Darstellung der Welt das Hauptgeschäft der Erziehung sei (vgl. Meyer 2008: 73). Diese ästhetische Darstellung funktioniert zum Großteil mithilfe der Medien, wie Bücher, Tafel, Filme oder Computerprogramme. Geht man in der Geschichte noch weiter zurück, so sieht man einen möglichen Ursprung des modernen, pädagogischen Mediums in der Schulbildung bei Comenius: er entwarf 1658 das erste bebilderte Lehrbuch und trug damit zu einer gänzlich neuen Form des Unterrichts bei (vgl. Busse 2002: 13). Medientheoretisch drängt sich dabei natürlich die Frage auf, ob nicht der Lehrer oder auch die Sprache selbst im Unterricht schon Medien darstellen. Denn Lehrer können - betrachtet man einen der weit gefassten Definitionen des Mediums als »Mittler« - Vermittler von Wissen sein. Auf einer noch tieferen Ebene wäre es dann die Sprache, die Wissen weitergibt und so ebenfalls als Medium im Sinne eines Trägers bezeichnet werden kann. Blendet man diese Definitionsfrage erst einmal aus, so muss man doch generalisierend behaupten, dass Pädagogik und Bildung schon immer Medien brauchten, um Erziehungs- oder Lerninhalte zu vermitteln.
Denn ganz nach dem Motto »Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte« sind Medien im Unterricht dem Unterrichtsprinzip der Veranschaulichung verpflichtet. In Anlehnung an Herbart und Comenius sind es sowohl traditionelle als auch neue Medien, die man heute unterrichtstechnisch als Veranschaulichungsmittel nutzt. Comenius selbst postuliert: „Alles soll wo immer möglich den Sinnen vorgeführt werden, was sichtbar dem Gesicht, was hörbar dem Gehör, was riechbar dem Geruch, was schmeckbar dem Geschmack, was fühlbar dem Tastsinn, und wenn etwas durch verschiedene Sinne aufgenommen werden kann, soll es den verschiedenen gleich vorgesetzt werden" (Comenius: Didactia Magna, zit. nach Wiater 2005: 43). Ein bestimmter Sachverhalt oder Gegenstand wird durch ein mediales Arrangement sinnlich wahrnehmbar gemacht. Veranschaulichung ist zwar nicht gleichzusetzen mit Medieneinsatz in der Schule, allerdings könnte man Medien in diesem Zusammenhang als Katalysator für den Prozess der Wahrnehmung der Schüler betrachten. Denn Medieneinsatz fördert Motivation und Aufmerksamkeit und sorgt schon allein deshalb für eine schärfere Sinneswahrnehmung. Und diese Erkenntnis traf Comenius schon früh. Demnach wäre also ein pädagogisches Medium alles, was Wissensinhalte so vermittelt, dass Lernende motivations- und lernpsychologisch gesehen den Sachverhalt begreifen, indem möglichst viele Sinne angesprochen werden.
Betrachtet man diese Annahme heute genauer, muss man tatsächlich feststellen, dass neue Medien genau das leisten können. Audio, Video, Computer und Internet können allesamt als Medium für den Unterricht herhalten und bieten weitaus mehr Möglichkeiten, die Sinne der Lernenden zu aktivieren. Dabei sind es vor allem die neuen Umgangsformen, die neue Medien von traditionellen Medien im Unterricht unterscheiden. Bauer (1997) definiert traditionelle Schulmedien unter dem Gesichtspunkt der Trägereigenschaft und der Funktionalität. So seien Tafel, Heft, Schaubilder, Folien, Kassetten und Filme eher den traditionellen Medien zuzuordnen. Sie besitzen unterschiedliche Träger, wie Papier, Kunststoff oder Filmbänder und sind nur analog zu bedienen (vgl. Bauer 1997: 379).
Anders verhält es sich mit den neuen Medien: ihre Inhalte sind in einem digitalem Code gespeichert, sie können in Netzwerken übertragen werden, ihr Einsatz ist räumlich und zeitlich nicht beschränkt und vor allem sind sie interaktiv nutzbar. Schüler können also interaktiv mit neuen Medien arbeiten, Unterrichtsgegenstände multimedial aufbereiten und digitalisierte Inhalte senden und empfangen. Heutzutage ist das pädagogische Medium also neu zu definieren. Arbeiten mit Medien heißt mittlerweile auch Arbeiten mit Multimedia. Dass diese Entwicklung die Einrichtung Schule, sowie Lehrer und Schüler vor eine gewaltige Herausforderung stellt, wird im Laufe dieser Arbeit noch ersichtlich werden.
Dass der Fluss an nützlichen Informationen sich in eine Sturzflut verwandelt hat, ist mittlerweile offensichtlich. Medien bestimmen unser Leben und unseren Alltag. Doch wie kam es dazu, dass Medien so eine zentrale und wichtige Rolle in der Gesellschaft einnehmen konnten und wie wird sich dieser Zustand in Zukunft entwickeln? Um dies zu beantworten, muss man die Entwicklung der Medien vor dem Hintergrund der Mediengeschichte betrachten. Diese Aufgabe erscheint zunächst recht kompliziert, da man den historischen Ursprung der Medien in Bezug der theoretischen Definition von Medien betrachten müsste. So wäre die Geschichte der Medien weitaus länger, wenn man die Sprache als Medium akzeptieren würde, als wenn man sich beispielsweise nur auf die technische Seite der Medien beschränkt.
Um diesen Hürden auszuweichen, wird sich im folgenden Abriss der Medienentwicklung auf Inhalte beschränkt, die für das eigentliche Thema der Arbeit relevant sind und in drei Blöcken dargestellt. Der erste Block beschäftigt sich dabei mit dem Unterschied zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, sowie den sprachbasierten Medien, ihre Entwicklung bis ins 20. Jahrhundert und ihren Einfluss auf die modernen Medien. Um letztere soll es vorwiegend im zweiten Block gehen. Dabei wird sich auf moderne und digitale Medien beschränkt, die heute für Medienpädagogik und Unterricht besonders wichtig sind. Zum Schluss sollen dann eine Analyse der heutigen Verhältnisse der Mediengesellschaft und ein Ausblick in die mediale Zukunft das Kapitel abrunden.
Kommunikation braucht Medien und Medien sind auf kommunikative Prozesse im sozialen Kontext angewiesen. Diese Tatsache wurde hier medientheoretisch schon belegt. Dass Menschen überhaupt kommunizieren können, erscheint heute selbstverständlich. Unser Alltag ist bestimmt durch Sprache und Literalität. Dabei vergessen wir manchmal, dass die Menschen während des Großteils der Geschichte ausschließlich mündlich kommuniziert haben. Auch heute noch existieren Bevölkerungen, die ganz ohne Schrift auskommen und sich ausschließlich mündlich verständigen. Mündlichkeit ist also eine fundamentale Voraussetzung für das heutige Mediendasein.
Voraussetzung für mündliche Kommunikation ist zunächst das Vorhandensein eines Senders und Empfängers, die sich zeitlich und räumlich gesehen auf gleicher Höhe befinden. Dabei ist die räumliche Ausdehnung allerdings auf Grund der Reichweite der menschlichen Stimme begrenzt. Bevor es moderne Speichermedien - wie Audiorekorder - gab, musste der Mensch das Gehörte ausschließlich im Gedächtnis speichern. Das Gesprochene Wort vergeht mit dem Sprechen und kann auch nur in genau diesem Moment gehört werden (vgl. Böhn/Seidler 2008: 28). Eine weitere Besonderheit ergibt sich für das Verständnis von Sprache im Gegensatz zur Schrift, wenn man den deiktischen Wirkungsraum eines Gesprächs betrachtet. Nur bei einem Gespräch, das auch in derselben räumlichen Situation stattfindet, können exakte deiktische Hinweise, wie »hier«, »dort« oder »Schau, da!« gegeben werden. Ein hohes Maß an Verständlichkeit und die Möglichkeit jederzeit nachzufragen sind die Folge (vgl. Bühler 1999: 102f.). Ein weiterer Vorteil der mündlichen Kommunikation ist das Mitwirken des emotionalen Ausdrucks und parasprachlicher Zeichen. Durch Mimik, Gestik und rhetorische Mittel werden Gefühle und Einstellungen des Sprechers körperlich und sprachlich sichtbar gemacht (vgl. Böhn/Seidler 2008: 28f.). Mündliche Gespräche haben demnach durchaus ihre Vorteile, vor allem wenn man die zwischenmenschliche Nähe eines Gesprächs schätzt. Letztendlich war es aber die fehlende Archivierbarkeit der gesprochenen Sprache, die dafür sorgte, dass sich das Schrifttum mit der Keilschrift seit dem 4. Jahrtausend v. Chr. weiterentwickelte und sich spätestens ab dem Mittelalter als anerkannte Kommunikationsmöglichkeit durchsetzte.
Im Gegensatz zur mündlichen Kommunikation ist man mit Schrift in der Lage, Informationen über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg zu übertragen. Der größte Vorteil dabei ist die Archivierbarkeit der Botschaften. Informationen werden mit dem Aufleben der Schriftkultur nicht mehr nur übertragen, sondern in großen Mengen gespeichert. Die geringe Aufnahmekapazität des menschlichen Gehirns wäre für solch eine Flut an Informationen, wie es sie heute gibt, auch gar nicht gerüstet. Deshalb übernehmen diese Aufgabe mittlerweile Bücher, Bibliotheken oder auch das Internet.
Allerdings verlieren im Zuge dessen auch die schon genannten positiven Nebeneffekte der oralen Kommunikation ihre Wirkung. Parasprachliche Zeichen, Mimik, Gestik und ein gemeinsamer deiktischer Raum fehlen im Normalfall bei der Schriftkommunikation. Nichtsdestotrotz hatte die geschichtliche Entwicklung der Schrift großen Einfluss auf die Gesellschaft und ihrer Kommunikationsfähigkeiten und somit letztendlich auch auf die Entwicklung der Medien.
Begonnen hatte wohl alles mit einfachen Zeichen und Symbolen, so wie es beispielsweise die Kultur der Sumerer ca. 4000 v. Chr. vorgaben (vgl. Dürscheid 2006: 106f.). Ungefähr zeitgleich mit den ersten Schriften auf Papyrusrollen der Ägypter, wurden von den Sumerern Rechnungen auf Tontafeln geschrieben. Zu beachten ist dabei: „Die Schrift entstand als ein Medium der Datenkontrolle und nicht etwa der Kommunikation" (Assmann 1998: 55). Die Intention dieser alten Völker war es also noch längst nicht irgendeine Art Kommunikation mit der Schrift zu betreiben. Vielmehr diente die Schrift als eine Art Instrument der Wissensspeicherung. Die eigentliche Schrift der Sumerer war zudem noch nicht wirklich sehr weit ausgeprägt und wurde zweckmäßig genutzt (z.B. Buchhaltung). Im weiteren Verlauf der Schriftgeschichte kam es dann zu einem langwierigen Prozess, bei dem zeichentheoretisch die Weichen für eine ikonische Schrift gestellt werden, die im 5. Jhd. v. Chr. von den Griechen erfunden wurde und als Vorbild unserer heutigen Alphabetschrift diente (vgl. Böhn/Seidler 2008: 33).
Das Mittelalter war wiederrum geprägt vom Untergang der antiken Schriftkultur und einer vorübergehenden oral organisierten Gesellschaft. Der mittelalterliche Bürger konnte im Normalfall weder lesen noch schreiben. Die Kunst des Schreibens war zumeist dem gebildeten Klerus vorbehalten. Diese Situation änderte sich erst ab dem 12. Jahrhundert, als mit einem gewaltigen Bildungsschub und den ersten Gründungen von Universitäten, das Schriftaufkommen deutlich zunahm. Grund hierfür war schlicht und einfach das gestiegene Bedürfnis an schriftlicher Fixierung: Die amtliche Verrechtlichung und Fortschritte in der Bildung trieben die Verschriftlichung voran. Hinzu kam, dass inzwischen auch immer mehr volkssprachliche Texte verfasst wurden, um auch der breiteren Bevölkerung Zugang zu Büchern und Schriften zu gewähren (vgl. Wilke 2008: 10f.).
Im ausgehenden Mittelalter kam es also zu einem gewaltigen Aufschwung der Schriftlichkeit, der letztendlich zur Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert führte. Erst die Erfindung der Druckerpresse, die im Wesentlichen auf Gutenbergs Ideen zurückzuführen ist, ermöglichte einen gewissen Standard in der Vervielfältigung von Schriftgut in der beginnenden Neuzeit (vgl. Schanze 2001: 398f.). Ab diesem Zeitpunkt empfiehlt es sich rückblickend von der eigentlichen Entwicklung der Massenmedien zu sprechen. Denn schließlich waren es die neuen technischen Mittel, die für eine massenhafte Produktion von Flugblättern, Büchern und Schriften verantwortlich waren.
Das Buch setzte sich schließlich seit dem Mittelalter als Präsentationsform von Informationen durch. Die Entwicklung des Buches, die vor allem durch Reformation und dem Wandel zu einer Kommunikationsgesellschaft vorangetrieben wurde, entfaltete seine volle Wirkung jedoch erst im 18. Jahrhundert. Durch massenhafte und vereinfachte Buchproduktion, erschwinglichere Buchpreise und Anstieg der Nachfrage, erlebte der Buchhandel in jener Zeit seinen wohl größten Aufschwung. Um 1800 waren es schon ca. 5000 Buchneuerscheinungen pro Jahr (vgl. Wittmann 1999: 121f.). Aber auch das steigende Bildungsbedürfnis der Bevölkerung machte das Buch zum Leitmedium der damaligen Zeit. 1717 wurde in Preußen die Schulpflicht eingeführt. Dies führte dazu, dass Bücher immer beliebter wurden. So konnte um 1800 schon mehr als die Hälfte der Deutschen lesen (vgl. Böhn/Seidler 2008: 53). Diese Entwicklung führte schließlich dazu, dass Bücher nun nicht mehr nur für Wissenschaft, Kirche und Studium hergestellt wurden. Vielmehr begann eine regelrechte Leserevolution, die sich dadurch ausdrückte, dass immer neue Textsorten, wie der Roman, die Biographie, sowie Zeitungen und Zeitschriften Anklang in der Bevölkerung fanden. Das Buch war also lange Zeit Dominanzmedium der Gesellschaft. Ohne Bücher wäre eine moderne Gesellschaft gar nicht denkbar. Und auch Bildung wäre heute ohne Bücher nicht vorstellbar. Auch wenn das Medium Buch heute in der Gesellschaft augenscheinlich nicht mehr denselben Stellenwert wie früher einnimmt, so wird Wissen in der Schule immer noch größtenteils mittels Literatur und Bücher vermittelt.
Verlässt man nun die »Gutenberg-Galaxis« (um es wieder mit den Worten McLuhans auszudrücken) und taucht man ein in das neue, digitalisierte Zeitalter der Gegenwart, so muss man Mündlichkeit und Schriftlichkeit heutzutage in einem ganz neuen Verhältnis sehen. Durch die Vielzahl an neuen Medien wird uns quasi die schriftliche oder mündliche Form der Kommunikation vorgegeben. Die technischen Errungenschaften der letzten Jahre spiegeln das Verhältnis von Schrift und Sprache in einer ganz neuen, modernen Art und Weise wieder. Ein gutes Beispiel bietet hierfür die Kommunikation via Internet. Online-Kommunikation findet immer noch vorwiegend schriftlich statt. Allerdings erinnern schriftliche Beiträge, wie E-Mails oder Chat-Gespräche doch eher an einen lockeren, mündlichen Informationsaustausch von Angesicht zu Angesicht. Der Umgangston ähnelt dem der Mündlichkeit, während das tatsächliche Gespräch medial gesehen der Schriftlichkeit verpflichtet ist.
Es kommt hierbei also zur Vermischung von Merkmalen der Schriftlichkeit und der Mündlichkeit, was wiederrum typisch für die Kommunikation mit neuen Medien ist. Um diese Erscheinung expliziter zu untersuchen wird in einem der späteren Kapitel noch genauer auf das Thema computer- und netzbasierte Kommunikation vor dem Hintergrund der Sprache eingegangen werden.
Betrachtet man die Entwicklung Schriftlichkeit in heutiger Zeit, so muss man feststellen, dass schriftliche Medien, wie Bücher in klassischer Form zwar nicht mehr die Bedeutung in der Gesellschaft haben, wie noch in der Umbruchszeit des 17./18. Jahrhunderts. Allerdings ist es immer noch das Medium, mit dem Bildung und Ausbildung ermöglicht wird. Man kann nicht davon ausgehen, dass mit dem Aufkommen der neuen Medien, wie dem Internet, das Medium Buch von der Bildfläche verschwindet wird. Denn letztendlich werden klassische Medien in unserer Gesellschaft nicht verdrängt, sondern in den Kanon der digitalisierten Medien eingegliedert. Bücher erscheinen uns mittlerweile als eBooks auf dem Computer oder auf mobilen eBook-Readern. Zudem gibt es heute wohl kaum eine Zeitschrift oder Zeitung mehr, die nicht einen eigenen Auftritt im Internet hat. Klassische Schriftmedien bleiben der Gesellschaft - wenn auch in moderner, digitalisierter Form - also erhalten.
Mit der Mündlichkeit und Schriftlichkeit existieren physikalisch-technisch gesehen zwei Mediensysteme, die auf zwei unterschiedliche Sinnesmodalitäten basieren: Einerseits die akustisch-auditive, andererseits die optisch-visuelle Sinneswahrnehmung. Die technische Entwicklung bis heute ist nach Hiebel et al. gekennzeichnet durch eine Optimierung sämtlicher medialer Leistungen, die da wären: Aufnahme, Speicherung, Übertragung, Vervielfältigung und Reproduktion, Wiedergabe und Ver- bzw. Bearbeitung von Daten (vgl. Hiebel et al. 1998: 17). Im Anschluss an den Buchdruck können dabei vier Systeme genannt werden, die die medial-technische Entwicklung vorantrieben. Die akustischen Medien, die optischen Medien, die Übertragungsmedien und der Computer. Im Folgenden soll die Mediengeschichte einzelner Beispiele dieser Mediensysteme herausgegriffen, die heute besonderen Einfluss auf Heranwachsende und deren Alltag haben. Da wäre zunächst die Entwicklung von Audiomedien, wie Radio, CD und MP3 zu nennen. Schon 1877 war es möglich mithilfe eines Phonographen akustische Ereignisse aufzunehmen und wiederzugeben. Schnell folgten diesem Gerät erst die Schelllack- und später die Vinylschallplatte, bis letztendlich in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts das Radio entstand, mit dem es möglich war Nachrichten und Unterhaltungsmusik über Rundfunkwellen zu verbreiten (vgl. Münch 2010: 252). Mit dem nationalsozialistischen Regime und deren Propaganda über den sog. »Volksempfänger« breitete sich das Medium Radio immer weiter aus und schon seit den 1950er Jahren entwickelten sich viele verschiedene Sender, die mit unterschiedlichsten Spartenprogrammen eine möglichst große Hörerschaft erreichen wollten. So entwickelte sich schließlich ab den 70er Jahren das Radioprogramm, wie wir es heute kennen. Mit dem »Formatradio« werden heute noch mit der Grundeinheit von einer Stunde Musik- und Unterhaltungssendungen ausgestrahlt, die nur von Nachrichten- und Verkehrsmeldungen unterbrochen werden (vgl. Böhn/Seidler 2008: 123f.).
Mit dem Erfolg des Radios und der Verbreitung von Musik, kam natürlich auch der Gedanke auf, Musik und Sendungen auf längere Sicht zu speichern. Waren es früher noch Kassetten, die dazu dienten Radioprogramme und Musiktitel aufzunehmen, wurden im Zuge der Digitalisierung der Medien Kassetten nahezu vollständig von moderneren Speichermedien abgelöst. Mittlerweile ist da Sammeln von Musik auf Tonträgern, wie CDs, Festplatten oder MP3-Playern gang und gäbe. Vor allem Kinder und Jugendliche nutzen diese neue, multimediale Art, um Musik oder auch Hörspiele zu speichern und anzuhören. Dabei erfüllt dieses Vorgehen mehrere Funktionen zu gleich: zum einen erfüllt Musikhören den Zweck der Unterhaltung, zum anderen aber auch das multimediale Arbeit mit Musikstücken. Da Audiodaten mittlerweile von Gerät zu Gerät portabel überspielt werden können, ist es möglich Musik selbst zu erstellen, zu schneiden und zu verändern. Audiomedien sind durch ihre digitalisierte und moderne Art also allgegenwärtig und sprechen vor allen Dingen die Jugend von heute an.
Ähnlich verhält es sich mit dem Medium Fernsehen. Früh im 20. Jahrhundert wurden schon bewegte Bilder über Kabel über mehrere Kilometer hinweg übertragen. Der erste richtige deutsche Fernsehsender strahlte aber erst ab 1934 aus. Damals musste die Bevölkerung allerdings noch zu öffentlichen Fernsehstellen, um das Programm zu sehen. Ein eigenes Fernsehgerät zu Hause war technisch und finanziell noch nicht realisierbar. Ähnlich wie beim Rundfunk entwickelte sich die Popularität des Fernsehens rasend schnell. Mit Großereignissen, wie den olympischen Spielen oder der Fußballweltmeisterschaft wurden die Menschen vor den Fernseher gelockt und spätestens seit der Einführung der Farbfernsehtechnik 1966 wurde der Fernseher zum Leitmedium der Gesellschaft. Waren es 1964 knapp über die Hälfte der Deutschen, so besitzt heutzutage im Grunde genommen jeder Haushalt mindestens einen Fernseher (vgl. Böhn/Seidler 2008: 129). Dabei ist heute das Angebot der Fernsehkanäle und Sendung unzählbar. Durch Digitalisierung des Fernsehprogramms wurde eine neue Stufe der Übertragungstechnik erreicht. Hunderte von Sendern sind mit digitalen Geräten zu empfangen, die wiederrum ganz verschiedene Sendungen an ein ganz verschiedenes Publikum richten. Das Fernsehen nimmt deshalb bei Heranwachsenden einen enorm großen Stellenwert ein. Das Thema Fernsehen im Zuge der Untersuchung von Mediensozialisation ist also unabdingbar. Schließlich soll nun noch ein kurzer Blick auf die modernsten Medien geworfen werden: Computer, Internet und Multimedia.
Die Idee einer universellen Rechenmaschine hatte die Menschheit schon früh: Leibniz entwarf schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts das binäre Zahlensystem, das später zur Grundlage jeden Rechners sein sollte (vgl. Kammer 2001: 521). Im 20. Jahrhundert wurden so allerhand Rechenmaschinen gebaut, die auf diesen Binärcode aufbauten. Ein gutes Beispiel wäre hier der Z1 von Konrad Zuse, der allerdings noch elektromechanisch arbeitete. Es dauerte noch bis ca. 1980, bis eine Rechenmaschine in Form des Personal Computers auch für die breite Masse anwendbar wurde. Man konzentrierte sich nun auf eine sinnvolle Darstellung und auf Anwenderfreundlichkeit der Systeme. So entwickelte man in der Folge Betriebssystem und Eingabegeräte, mit denen der Computer leicht bedient werden konnte. Erst mit diesen Funktionen entwickelte sich der PC als Medium der breiten Masse (vgl Böhn/Seidler 2008: 145). Der Computer diente damals wie auch heute noch als universelles Arbeits- und Unterhaltungsgerät. Zum einen sind Computer heutzutage nicht mehr aus der Wirtschaft wegzudenken. Sie fungieren als Schnittschnelle zwischen Mensch und Daten und sind daher das am meisten verbreitete Arbeitsgerät in der Berufswelt. Zum anderen besitzt mittlerweile fast jeder Haushalt einen Computer. Dieser wird nicht nur zum Arbeiten genutzt, sondern auch als Spiel- und Unterhaltungsgerät. Denn der Markt der Unterhaltungselektronik wächst immer weiter an. Spiele werden dabei vor allem für Jugendliche und Kinder produziert, die heutzutage nur allzu gern auf das breite Spieleangebot zurückgreifen. Das Medium des PCs ist also auch ein Medium der Kindheit und Jugend von heute und wird im weiteren Verlauf noch näher zu erläutern sein.
Der Computer im Sinne von Arbeitsgerät ist zunächst ein Medium im Sinne eines Werkzeugs. Mit der Einführung des Internets wandelte sich diese mediale Funktion hin zu einem Gerät des Informationsaustausches und der Kommunikation. Möglich wurde dies mit der Erfindung des World Wide Web 1990 der CERN-Organisation in Genf. Mit dem Internet erweiterten sich die Nutzungsmöglichkeiten des Computers erheblich: So ist es nun möglich eigene Homepages zu gestalten und zu veröffentlichen, Mitteilungen per E-Mail oder Chat zu versenden oder Mitglied einer sogenannten Online-Community zu werden. Die neusten Entwicklungen des Internets werden dabei unter dem Sammelbegriff des Web 2.0 zusammengefasst. Während das Web 1.0 noch eher einem Pool an Informationen glich, zeichnet sich die neue Generation des Internets durch Interaktivität aus. Die Macher der Plattformen, wie Facebook, Youtube oder auch Online-Enzyklopädien wie Wikipedia können sich in jüngster Zeit über immer mehr Nutzer freuen.
Der Erfolg des Internets liegt wohl nicht zuletzt an dem breiten Nutzungsangebot. Es bietet Unterhaltung, Information, Kommunikation und zudem Medienintegration. Denn Medien, wie Bücher, Zeitungen, Musik und auch Film und Fernsehen werden in das Medium Internet integriert. Um Bücher oder Zeitungen zu lesen, Musik zu hören oder Filme anzuschauen benötigt man mittlerweile nur noch einen Computer und eine Internetverbindung. Dieses Medienangebot erscheint unschlagbar, vor allem für Kinder und Jugendliche. Womöglich resultieren daraus auch jüngste Ergebnisse der Mediennutzungsforschung von 2008. Denn laut diesen Ergebnissen stehen in deutschen Jugendzimmern erstmals mehr Computer als Fernsehgeräte. (vgl. Tillmann 2010: 263).
Die Entwicklung der neuen elektronischen Medien verläuft wohl schneller, als manch einer sich dies vor der Erfindung des Fernsehens, Computer oder Internets hätte vorstellen können. Symptomatisch für diesen Entwicklungsprozess sind Erfindungen und Neuheiten im Bereich der elektronischen Medien, die kaum noch zu überblicken sind. So wurden beispielsweise zur Fußball Weltmeisterschaft 2010 mit den neusten Trends des LCD-Fernsehens inklusive 3D-Technik geworben, wobei bei einem Großteil der Bevölkerung noch nicht einmal das HD-Fernsehen Einzug ins Wohnzimmer erhalten hat. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Entwicklung des Internets ab: Web 2.0, Social Communities, Internet-TV und eBooks sind nur einige Begriffe, die bezeichnend für die rasante Entwicklung der virtuellen Medienangebote sind. „Die Omnipräsenz von Medienangeboten wird durch diese parallel verlaufenden Entwicklung verstärkt" (Jäckel 2008: 309). Dabei kann man vor allem auf vier Ebenen Bezug nehmen: auf räumlicher Ebene sind es die Verfügbarkeit und Präsenz von Medienangeboten. Medieninhalte werden sich immer weiter ausbreiten und für immer mehr Menschen zugänglich gemacht werden. Dies impliziert zudem eine größere zeitliche Flexibilität. Denn auf zeitlicher Ebene ist die Flexibilität immer verbunden mit der Angebotsbreite und der Möglichkeit von Speicherung und Abruf. Durch die Ausweitungen von Plattformen und durch die Verbreitung von Medien wird auf inhaltlicher Ebene das Themenspektrum ebenso umfassender. Berichtserstattungen nehmen zu, der Mediennutzer wird zum täglichen Ziel von Informationsverbreitung. Ein Beispiel hierfür wäre die Entwicklung des Internets im Bereich der Push-Technik. Durch diese wird der Rezipient freiwillig oder unfreiwillig mit Informationen aus dem weltweiten Netz regelrecht beschossen. Dies geschieht durch aktive Informationslieferung vom Anbieter zum Mediennutzer. Und auch auf sozialer Ebene werden in Zukunft die neuen Medien den Alltag beherrschen. Ein klarer Trend geht nämlich dahin, zwischenmenschliche Kommunikation immer mehr auf das Internet zu verschieben. Über Chats, Instant Messenger oder Social Networks werden soziale Gemeinschaften gebildet, die sich in Zukunft wohl noch weiter entwickeln und ausdifferenzieren werden. Die Frage bleibt dabei natürlich offen, ob diese Entwicklung nicht zur Isolation und Vereinsamung einzelner Individuen führen kann.
Eine These, die bei der Diskussion um die Zukunft der Medien immer wieder im Raum steht, ist die der Verdrängung der klassischen Medien. Es heißt, neue Medien würden in naher Zukunft klassische Medien, wie Zeitungen oder Bücher, ablösen. Tatsächlich ist es aber so, dass eine vollständige Verdrängung dieser Medien aktuell kaum bis gar nicht stattfindet (vgl. magazin-deutschland.de: Medien der Zukunft). Meist entstehen spezielle Mischformen, die sich durch Eingliederung der alten Medien in neue auszeichnen. Beispiele hierfür sind das eBook, das Internet-Radio oder auch Online-Zeitschriften. In den nächsten Jahrzehnten wird sich das Internet vielleicht zum »Omninet« entwickelt haben, allerdings bleiben die Ausgabegeräte nahezu bestehen. Es wird weiterhin Zeitungen, Bücher und klassische Radios geben, die sich eventuell im Design der Zeit anpassen, aber grundsätzlich die gleichen Funktionen wie in der Vergangenheit und heute erfüllen. Insgesamt zeichnet sich aber eine klare Tendenz zur Vernetzung und Konvergenz aller Medien ab, wobei alte (klassische) Medien wohl aber vorläufig nicht ganz verdrängt werden.
Durch den kurzen Abriss der Entwicklung der Medien, wird nun klar, welche Voraussetzungen für Heranwachsende in der heutigen Gesellschaft gegeben sind. Vor allem neue Medien beherrschen den Alltag und sind aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Abschließend zum vorangegangen Kapitel könnte man die Entwicklung der Medien noch einmal mit Neil Postmans Worten formulieren: Wir leben in einer Zeit, in der sich die neuen Medien rasanter entwickeln, als man es anfänglich für möglich gehalten hätte. Was als Strom an nützlichen Informationen begann, hat sich heute in eine reißende Flut an Informationen verwandelt. Und der Pegel steigt weiter an.
Für Kinder und Jugendliche, die in der heutigen Mediengesellschaft aufwachsen, sind diese Gegebenheiten ganz normal. Neue Medien sind verfügbar und können überall genutzt werden. Für Pädagogen und Erziehende ist diese Verfügbarkeit jedoch eine Herausforderung. Denn sie sind es, die die Auswirkungen dieser »veränderten Kindheit« auf irgendeine Art kompensieren müssen. Mediensozialisation ist deshalb mittlerweile ein heiß diskutiertes Thema in der Medienpädagogik. Man fragt sich, wie neue Medien das Heranwachsen verändern, welche Gefahren und Probleme dabei auftreten und was die Medienpädagogik dagegen tun kann. Im folgenden ersten Abschnitt des Hauptteils wird daher zunächst der Frage nachgegangen, was man unter Mediensozialisation versteht und unter welchen Bedingungen das Aufwachsen heute stattfindet. Daraufhin folgt ein Abschnitt zur Mediennutzungsforschung, um schließlich explizit auf Veränderungen der Kindheit vor dem speziellen Hintergrund der Familie und Peergroup, des Freizeitverhaltens und der Sprache einzugehen.
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