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Bachelorarbeit, 2010
40 Seiten
Abstract
Einleitung
1. Robert Cialdinis Psychologie des Überzeugens
1.1 Sympathie
1.2 Reziprozität
1.3 Commitment und Konsistenz
1.4 Soziale Bewährtheit
1.5 Autorität
1.6 Knappheit
2. Giacomo Casanova
2.1 Sein Leben
2.2 Seine Memoiren
3. Analyse von 3 Episoden aus Casanovas Memoiren
3.1 Die Flucht aus den Bleikammern
3.1.1 Inhalt
3.1.2 Sympathie
3.1.3 Reziprozität
3.1.4 Commitment und Konsistenz
3.1.5 Soziale Bewährtheit
3.1.6 Autorität
3.1.7 Knappheit
3.1.8 Durch die Angst gelähmt
3.2 Helene und Hedwig
3.2.1 Inhalt
3.2.2 Analyse
3.3 Madame d’Urfé
3.3.1 Inhalt
3.3.2 Analyse
Zusammenfassung der Analyse
4. Diskussion
4.1 Casanova und Cialdini
4.2 Casanovas Anfälligkeit auf die Waffen der Einflussnahme
4.3 Was wir von Casanova lernen können
Literaturverzeichnis
Anhang
Das Codier-Schema
Weiterführende Literatur von Robert Cialdini
Sämtlichen Entscheidungen, die wir treffen, liegt Beeinflussung zugrunde. Es stellt sich daher die Frage, welche psychologischen Prinzipien für Beeinflussung verantwortlich zu machen sind, und inwiefern wir von diesem Wissen profitieren können. Daher wurden in dieser Arbeit sechs Einflussfaktoren des Psychologen Robert Cialdini dahingehend überprüft ob sie ihrem Anspruch auf Universalität und Vollständigkeit gerecht werden: Sympathie, Reziprozität, Commitment/Konsistenz, Soziale Bewährtheit, Autorität und Knappheit.
Für die Analyse wurden die Memoiren des italienischen Abenteurers Giacomo Casanova herangezogen, da er auf besonders vielfältige Art und Weise Einfluss auf seine Mitmenschen nahm und seine Aufzeichnungen historische Gültigkeit besitzen.
Das Ergebnis: Tatsächlich finden alle Faktoren bei der Zielverwirklichung von Casanova Anwendung, müssen allerdings teilweise noch ergänzt werden. So wird beispielsweise der Faktor «Sympathie» von Cialdini nicht ausreichend erläutert und in nur sechs verschiedene Komponenten aufgeteilt.
Es wird damit belegt, dass uns ein Bewusstsein über lediglich sechs Einflussfaktoren ermöglicht, einen Großteil der Beeinflussungsstrategien, die auf uns wirken, nachvollziehen zu können und zu enttarnen, sowie sie im Alltag selber anwenden zu können.
„Ich habe die Freiheit stets mehr geliebt als das Leben“ war das Lebensmotto des Abenteurers Giacomo Casanova, der heute nur noch für seine amourösen Abenteuer bekannt ist. Tatsächlich jedoch war sein Leben von etwas ganz anderem geprägt: seiner nie enden wollenden Abenteuerlust und seiner Rastlosigkeit. Nicht einmal in seiner Heimatstadt Venedig hielt es ihn lange, ständig war er auf Reisen durch Europa, stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Bemerkenswert war dabei, wie schnell er Anschluss zum Adel und zu wichtigen Staatsfunktionären fand obwohl er aus bescheidenen Verhältnissen stammte. Zudem gelang es ihm ständig aus Gefahrensituationen zu entkommen, wie seine Flucht aus den Bleikammern Venedigs eindrucksvoll belegt.
Offensichtlich war Casanova besonders geschickt im Umgang mit Menschen, insbesondere darin, sie zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Die folgende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern Casanova die Beeinflussungsstrategien anwandte, die der Psychologe Robert Cialdini in seinem Werk «Die Psychologie des Überzeugens» beschreibt, in welchem er die sechs «Waffen der Einflussnahme» erläutert. Diese «Waffen» sind psychologische Prinzipien, die sich Verkaufsstrategen zunutze machen um potenzielle Kunden zum Produktkauf anzuregen. Eines dieser Prinzipien beschreibt beispielsweise, dass der Mensch das Verlangen hat, sich konsistent zu verhalten, sprich zu seinen Entscheidungen zu stehen und sich and seinem vorherigen Verhalten zu orientieren. Dieses Prinzip machen sich Verkaufsprofis zunutze indem sie Produkte, wie beispielsweise ein Auto, kostenlos testen lassen und der Kunde dazugehörige Formulare ausfüllen muss. Durch diese intensive Beschäftigung mit dem Produkt steigt daraufhin die Bereitschaft es auch zu erwerben, begünstigt durch das Konsistenzprinzip.
Um herauszufinden, ob Casanova sich die von Cialdini beschriebenen Beeinflussungsprinzipien zunutze machte, werden einzelne Episoden aus dem Leben des Abenteurers analysiert. Grundlage hierfür sind Casanovas Memoiren «Geschichte meines Lebens», in welchen er sein Leben sehr detailreich beschreibt, insbesondere die Begegnungen mit den Menschen, die seinen Alltag geprägt haben.
Am Ende soll die Frage beantworten werden, ob die sechs Waffen der Einflussnahme nicht nur von den Werbestrategen der heutigen Zeit benutzt werden, sondern auch in Casanovas Abenteuern Einsatz gefunden haben. So soll auf der einen Seite untersucht werden, inwiefern diese Einflussfaktoren auch außerhalb von Verkaufssituationen ihre Wirkung entfalten können. Auf der anderen Seite soll herausgefunden werden, ob sechs Faktoren tatsächlich ausreichen, um sämtliche Beeinflussungsstrategien, die auf uns wirken, zusammenzufassen.
Robert B. Cialdini (geb. 1945) ist ein amerikanischer Psychologe, der sich besonders auf dem Gebiet der Beeinflussungsstrategien in Verkaufssituationen einen Namen gemacht hat. Derzeitig ist er Professor für Psychologie an der Arizona State University in den USA (Cialdini, 2010, S. 9). Bekannt wurde er mit seinen Werk »Influence« , das auf Deutsch den Titel «Die Psychologie des Überzeugens» trägt. Darin beschreibt Cialdini die grundlegenden Faktoren, mit welchen sich Menschen zu Handlungen jedweder Art überzeugen lassen. Diese Faktoren, die er «Waffen der Einflussnahme» nennt, ermittelte er, indem er sich in die Welt von Marketingfachleute n und Verkaufsstrategen begab, um dort sowohl inkognito als auch mit wissenschaftlichen Methoden herauszufinden, welche Prinzipien der Manipulation am stärksten wirken und am häufigsten zur Geltung kommen.
Auf Basis seiner mehrjährigen Recherche kam Cialdini zu folgendem Ergebnis :
„Zwar gibt es tausende unterschiedlicher Taktiken, die Überzeugungsstrategen einsetzen, um unsere Zustimmung zu gewinnen, sie lassen sich aber in ihrer Mehrheit einer von sechs Grundkategorien zuordnen. Jede dieser Kategorien beruht auf einem grundlegenden psychologischen Prinzip, das einen entscheidenden Einfluss auf menschliches Verhalten hat und damit die Wirksamkeit der Taktik ausmacht“ (Cialdini, 2010, S. 17).
Diese Taktiken machen sich zunutze, dass der Mensch Gewohnheiten entwickelt hat, die ihm dabei helfen, den Umgang mit dem Überfluss an Entscheidungen zu meistern, die es im Alltag zu treffen gilt. Cialdini benennt seine Waffen der Einflussnahme nach diesen Gewohnheiten.
Die sechs Waffen der Einflussnahme im Überblick:
- Sympathie
Menschen vertrauen denjenigen mehr, die sie sympathisch finden, selbst wenn diese ihnen nicht vertraut sind.
- Reziprozität (Gegenseitigkeit)
Wenn einem Menschen ein Gefallen getan wurde, strebt er danach „die Rechnung zu begleichen“ und einen Gefallen zu erwidern.
- Commitment und Konsistenz
Der Mensch orientiert sich an seinem vorherigen Handeln. Das bedeutet, dass er stets versucht, die Entscheidungen, die er trifft in Einklang mit vorherigen Entscheidungen zu bringen.
- Soziale Bewährtheit
Der Mensch orientiert sich in seinem Verhalten gerne an dem Verhalten anderer nach der Faustregel: „Wenn es die anderen tun, dann wird es schon richtig sein“.
- Autorität
Menschen vertrauen denjenigen mehr, die sie als autoritär betrachten.
- Knappheit
Menschen betrachten Dinge und Informationen als wertvoller, wenn sie nur beschränkten Zugang zu ihnen haben.
Im Folgenden werden diese Faktoren näher erläutert, so wie sie Cialdini in der 6. Auflage seines Werks «Die Psychologie des Überzeugens» beschreibt.
vgl. Cialdini, 2010, S. 216-260.
Wie sympathisch wir jemanden finden, hat einen großen Einfluss darauf, inwiefern sich unsere Entscheidungen von ihm beeinflussen lassen. So reicht es beispielsweise oft, uns zu einem Produktkauf zu überzeugen, nur weil das Produkt uns von einem Freund empfohlen wurde. Jedoch müssen wir mit jemand nicht eng vertraut sein, um ihn sympathisch zu finden. So ist ein Faktor, der sehr stark beeinflusst, wie sympathisch wir andere empfinden, die physische Attraktivität. Attraktive Menschen schätzen wir automatisch als intelligenter ein und leisten ihnen in Notsituation en eher Hilfe. Auffällig ist auch, dass attraktive Menschen tendenziell mehr Gehalt bekommen und vor Gericht mit geringeren Strafen zu rechnen haben.
Ein weiterer Faktor, der die Sympathiewahrnehmung beeinflusst, ist Ähnlichkeit. So zeigte es sich, dass Studenten, die um ein 10-Cent-Stück zum Telefonieren baten, die Münze mit größerer Wahrscheinlichkeit bekamen, wenn sie Studenten mit ähnlicher Kleidung darum baten.
Noch stärker lassen wir uns beeinflussen, wenn uns Komplimente gemacht werden. Selbst wenn uns bewusst ist, dass derjenige, der uns schmeichelt, unter Umständen kommerzielle Absichten damit verfolgt, reagieren wir dennoch positiv darauf.
Auch Vertrautheit un d Kooperationsbereitschaft lassen Menschen sympathischer erscheinen. Wenn wir jemanden häufiger sehen, mögen wir ihn auch automatisch mehr. Zudem ließ sich anhand eine s Experiments die Auswirkung von Kooperation unter Individuen demonstrieren. Wissenschaftler brachten in diesem Experiment Zeltgruppenmitglieder gegeneinander auf, indem sie diese in Gruppen aufteilten und rivalisierende Wettkämpfe austragen ließen. Die daraufhin aufkeimenden Feindschaften ließen sich einfach dadurch schlichten, indem die Gruppen dazu angehalten wurden, Problemstellungen im Kollektiv zu lösen. Diese Kooperationsaktivitäten allein lösten die Rivalität der Gruppen und führten sogar zu engen Freundschaften.
„Die bloße Assoziation mit schlechten oder guten Dingen hat einen Einfluss darauf, wie beliebt wir bei anderen sind“ (Ebd., S. 242).
Diese Erfahrung müssen TV-Meteorologen des öfteren machen. Sie werden häufig wüst beschimpft, weil sie mit dem Wetter in Verbindung gebracht werden, das sie ja lediglich vorhersagen und nicht verursachen. Dieses Phänomen nennt sich Assoziationsprinzip. Die Werbeindustrie macht es sich zunutze, indem sie beispielsweise Prominente für ihre Produkte werben lässt. Auch wenn kein direkter Zusammenhang zwischen dem Prominenten und dem Produkt besteht, übertragen sich die Eigenschaften, die dem Prominenten zugeschrieben werden, auf das Produkt. Noch stärker wird dieser Effekt bei Sportfans deutlich, die sich klar zu ihrem Team bekennen, wenn es erfolgreich ist, und sich sogar damit identifizieren. Ist das Team allerdings nicht erfolgreich, versuchen sie, eine Assoziation zu dem sportlichen Misserfolg zu vermeiden Aus „«Wir» haben gewonnen“ wird „«Die» haben verloren.“
Zusammenfassung:
„Menschen haben eine höhere Bereitschaft, sich von jemandem überzeugen zu lassen, den sie kennen und sympathisch finden.“ (Ebd., S. 258). Mehrere Faktoren haben in diesem Zusammenhang Einfluss auf den Grad der Sympathie:
- Attraktivität
- Ähnlichkeit
- Komplimente
- Vertrautheit
- Kooperationsbereitschaft
vgl. Cialdini, 2010, S. 43-89.
Die Reziprozitätsregel besagt, „...dass wir darum bemüht sein sollen, anderen zurückzugeben, was wir von ihnen bekommen haben“ (Ebd., S. 44). Anders gesagt: Wenn uns jemand einen Gefallen tut, fühlen wir uns automatisch verpflichtet, einen Gefallen zurückzugeben. Diese Regel ist kulturübergreifend, was Cialdini anhand von folgendem Beispiel erläutert: Im Jahr 1985 spendete die äthiopische Regierung 5000 US - Dollar , um Mexiko nach einem Erdbeben-Unglück zu unterstützen. Auf den ersten Blick war dies eine schwer erklärbare Handlung, da Äthiopien zu den ärmsten Ländern der Welt gehörte. Der Grund war aber ganz einfach die Tatsache, dass Mexiko Äthiopien während des 2. Weltkriegs unterstützt hatte. Somit hatte sich die äthiopische Regierung verpflichtet gefühlt, den Gefallen zurückzugeben, obwohl die eigene Lage dies eigentlich gar nicht erlaubte.
Interessant ist zudem, dass dieses Gefühl der Verpflichtung unabhängig davon ist, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. So konnten die Anhänger der Hare-Krishna-Sekte ihre Spendenein n ahmen sehr stark erhöhen, indem sie Passanten einfach im Vorhinein kleine Geschenke aufzwangen. Vor dem Entdecken dieser Taktik waren die Spendenaufrufe vor allem deshalb erfolglos gewesen, weil das Auftreten der Sektenmitglieder in der Öffentlichkeit als unsympathisch empfunden worden war.
Zudem beschränkt sich die Reziprozitätsregel nicht nur auf die direkt b etroffenen Geber und Nehmer. Auch Angehörige von jemandem, dem ein Gefallen getan wurde, sind von dem Gefühl betroffen, sich unbedingt revanchieren zu wollen, und sei es auch nur bei einem Angehörigen desjenigen, bei dem sie sich in der Schuld fühlen.
Inwiefern die Reziprozitätsregel auch über Umwege zum Ziel führen kann, erläutert Cialdini anhand eines Erlebnisses, das ihm selber widerfahren ist. So wurde er von einem jungen Pfadfinder gebeten , eine Eintrittskarte für 5 US - Dollar für eine Pfadfinder-Veranstaltung zu spenden. Nachdem Cialdini dieses Angebot abwies, bot der Junge ihm stattdessen zwei Schokoriegel für 2 US - Dollar an. Cialdini nahm das Angebot an, konnte sich aber hinterher zunächst diese Entscheidung nicht erklären, da er weder Schokoriegel mochte, noch das Bedürfnis hatte, die Pfadfinder zu unterstützen. Dieses Erlebnis ereignete jedoch sich vor seinen Forschung en auf dem Geb iet der Beeinflussungsstrategien. Mithilfe der Reziprozitätsregel lässt sich dieses Phänomen nun erklären. Durch das Abweichen auf ein anderes Angebot machte der Junge ein Zugeständnis, sprich er tat ihm einen Gefallen, was in Cialdini das Bedürfnis auslöste, ebenfalls ein Zugeständnis zu machen, in diesen Fall durch den Kauf eines eigentlich unerwünschten Produkts. Bemerkenswert dabei ist, dass der Junge (und damit der Nutznießer der Situation) durch das Zugeständnis den Manipulationsprozess als Erster in Gang gesetzt hatte und Cialdini daraufhin dem Gefühl etwas wieder gut machen zu müssen, nicht ausweichen konnte.
Dieses Prinzip nennt sich die «Tür-ins-Gesicht-Taktik» . Sie funktioniert, indem jemand um etwas gebeten wird, das zuviel verlangt ist, und das er ziemlich sicher abschlagen wird. Dann erst wird die eigentlich e Bitte vortragen, die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit erfüllt wird.
Diese Taktik funktioniert auch deswegen so gut, weil hierbei ein starker Kontrast entsteht. Wir vergleichen die beiden Bitten unbewusst miteinander und die zweite Bitte wirkt allein deswegen klein, weil wir sie mit der großen Bitte vergleichen.
Zusätzlich ist es so, dass wir einer Bitte, die uns mit Hilfe der Tür-ins-Gesicht-Taktik abgerungen wurde, eher ein weiteres Mal nachkommen, als wenn wir ohne Umschweife direkt danach gebeten wurden und eingewilligt haben. Dies liegt daran, dass wir uns für das Zustandekommen des Gefallens verantwortlicher fühlen, wenn er auf das Abschlagen einer größeren Bitte gefolgt ist. Dies es Gefühl der Verantwortlichkeit bindet uns so stark an die Einwilligung einer Bitte, dass wir geneigt sind, sie auch ein zweites Mal zu gewähren. Zudem kommt durch die Einwilligung eine kleinere Bitte anstelle einer größeren ein Gefühl der Zufriedenheit zustande, da man meint, auf der anderen Seite ein Zugeständnis bewirkt zu haben.
Zusammenfassung:
Die Reziprozitätsregel besagt, dass in jedem Menschen das Bedürfnis aufkommt, sich zu revanchieren, wenn ihm ein Gefallen getan wird. Diese Regel ist eine der am stärksten verbreiteten Normen der menschlichen Kultur, kann aber auch von Verkaufsprofis taktisch verwendet werden, zum Beispiel in Form der Tür-ins-Gesicht-Taktik . Hierbei wird um einen besonders großen Gefallen gebeten, in Erwartung, dass dieser zwar nicht bewilligt wird, ein zweiter, kleinerer Gefallen, dafür aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Anklang finden wird.
vgl. Cialdini, 2010, S. 92-154.
„Sobald wir eine Entscheidung treffen oder eine Position vertreten, entstehen intrapsychische und interpersonelle Kräfte, die uns dazu drängen, uns konsistent mit dieser Festlegung zu verhalten“ (Ebd., S. 92) Anders gesagt: in dem Moment, in dem wir eine Entscheidung treffen, orientieren wir uns in unserem zukünftigen Verhalten an dieser Entscheidung. Dies zeigt sich beispielsweise bei Menschen, die auf Pferde wetten. Sobald sie ihre Wette abgegeben haben, sind sie augenblicklich zuversichtlicher in Bezug auf die Erfolgsausichten des Pferdes als vor der Wettabgabe. Die Regel der Konsistenz besagt also, dass wir uns in unseren Entscheidungen an unserem früheren Verhalten orientieren und auch ein Ändern der Umstände, wie beispielsweise ein strauchelndes Pferd während des Rennens, uns nicht an der Richtigkeit unserer Entscheidung zweifeln lassen. Der Mensch neigt demnach dazu, konsistent zu handeln, was zum einen daran liegt, dass konsistentes Handeln in der Gesellschaft als positiv wahrgenommen wird. Vor allem aber dient konsistentes Handeln als ein roter Faden, der uns den Alltag erleichtert, da wir uns so nicht zu sehr mit der Informationsflut, die das Leben mit sich bringt, auseinander setzen müssen.
Allerdings benutzen wir konsistentes Handeln auch, um unangenehme Gedanken verdrängen zu können. So berichtet der Autor über eine Veranstaltung transzendentaler Meditation, bei der sein Kollege in einer Einführungsveranstaltung sämtliche Argumente der Meditationsleiter widerlegte. Überraschenderweise drängten die Teilnehmer der Veranstaltung daraufhin erst recht darauf, einen Meditationskurs zu buchen und zudem noch vor Ort bar dafür zu bezahlen. Die Erklärung: Die Teilnehmer hatten sich im Vorfeld von dem Meditationskurs Großes erhofft und waren mit der Erwartung dorthin gegangen auf jeden Fall den Kurs zu buchen. Nachdem die Effektivität allerdings sehr nachvollziehbar von Cialdinis Kollegen in Frage gestellt worden war, sahen sich die Teilnehmer bedroht, zu inkonsistentem Handeln bewegt zu werden, indem sie ohne eine Buchung nach Hause gegangen wären. Um also ihr Bedürfnis nach konsistentem Handeln zu befriedigen, buchten sie auf der Stelle , um nicht im Nachhinein abwägen zu müssen , ob die vorgetragenen Gegenargumente nicht tatsächlich ausdrücklich gegen einen Besuch des durchaus teuren Meditationskurses sprechen.
Verkaufsprofis machen sich das menschliche Bedürfnis nach konsistentem Handeln durch sogenannte »Commitment»-Praktiken zunutze. Sie bringen uns dazu, eine bestimmte Haltung einzunehmen, die uns dann im Nachhinein zu einer Handlung bewegt, die wir ohne diese verbal kommunizierte Haltung nicht getätigt hätten. Ein Beispiel hierfür ist die »Fuß-in-die-Tür-Taktik«. Wer einmal einer kleinen Bitte zugestimmt hat, stimmt daraufhin mit größerer Wahrscheinlichkeit einer größeren Bitte zu, vorausgesetzt es besteht ein Zusammenhang zwischen den Bitten. Dieser Zusammenhang erklärt, warum wir der zweiten Bitte unsere Einwilligung geben: sie abzuschlagen würde inkonsistentes Handeln bedeuten. Ausnutzen können die Verkaufsprofis diese Phänomen, indem sie einem Kunden erst etwas Günstiges verkaufen, nur um ihm danach ein teureres Produkt vorzuschlagen, was im Zusammenhang mit dem Erstkauf steht.
Commitment-Praktiken sind deswegen so effektiv, weil sie in uns ein Selbstbild schaffen, dem wir entsprechen wollen. Sagt man über uns beispielsweise, dass wir besonders großzügig seien, werden wir daraufhin mit größerer Wahrscheinlichkeit spenden. Diese Wahrscheinlichkeit wird noch größer, wenn wir diese Charaktereigenschaft selber äußern und noch einmal größer, wenn wir sie schriftlich fixieren. Am allergrößten ist sie jedoch , wenn wir sie nicht nur niederschreiben, sondern dies auch noch andere wissen lassen. Dadurch, dass die Öffentlichkeit von unserer Haltung bzw. unserem Commitment weiß, sehen wir uns besonders geneigt konsistent zu handeln.
Noch stärker stehen wir zu einer Haltung, wenn wir keine Kosten und Mühen gescheut haben um sie einzunehmen. Damit sind die brutalen Rituale zu erklären, die Anwärter auf die Mitgliedschaften in Studentenverbindungen auf sich nehmen. Sie durchgehen Schmerz und sonstige Qualen um Teil der Verbindungen werden zu dürfen. Durch diesen hohen Aufwand fühlen sich die neuen Mitglieder den Verbindungen nun besonders zugehörig und treten nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit wieder aus. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Anwärter eine innere Verantwortung für ihr Handeln übernehmen und sich sagen können: „Ich hab dies alles freiwillig auf mich genommen, nur um Mitglied werden zu können.“ Ineffektiver wäre es also, wenn die Rituale dem gemeinen Wohl zugute kämen, wenn sie zum Beispiel darin bestünden, harte körperliche Arbeit beim Errichten von Häuser für wohltätige Zwecke auf sich zu nehmen. Dies würde die Zugehörigkeit zu der Verbindung senken, weil der Anwärter sich denken könnte: „Ich habe das Ritual nicht wirklich nur zum Zwecke der Aufnahme auf mich genommen. Eigentlich steckt mein soziales Engagement dahinter.“
Dieses Prinzip der inneren Verantwortung macht sich auch bei der Kindeserziehung bemerkbar. Wenn ein Kleinkind unter Androhung einer Strafe auf etwas verzichtet , wirkt diese neu angenommene Haltung nur temporär. Sobald das Kind sich nicht mehr von der Strafe bedroht fühlt, nimmt es die Haltung wieder zurück. Wird die Drohung allerdings weggelassen, machen sich zwei Dinge bemerkbar. Wenn das Kind zum Verzicht deutlich aufgefordert wird, hält es sich auch ohne die Drohung daran. Vor allem aber behält es diese Haltung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch langfristig bei, ganz einfach weil es die Haltung nicht aufgrund einer Drohung angenommen hat und sich damit eher verantwortlich für den Sinneswandel fühlt.
Die wohl skrupelloseste Weise, den Konsistenz-Drang des Menschen auszunutzen, ist die «Low-Ball-Technik». Hierbei macht ein Verkäufer einem potentiellen Kunden ein Angebot, welches einen besonderen Vorteil hat, wie etwa ein unschlagbarer Preis. Dann bringt er den Kunden dazu, sich näher mit dem Produkt zu beschäftigen, indem er es ihn beispielsweise testen und Formulare dazu ausfüllen lässt. An diesem Punkt nimmt der Verkäufer den besonderen Vorteil wieder zurück, mit der Begründung, sich geirrt zu haben. Nach dem Konsistenzprinzip entscheidet sich der Kunde dann meist dennoch für das Produkt, weil er bereits eine positive Haltung dazu angenommen hat und diese jetzt nicht mehr zurücknehmen möchte.
Zusammenfassung:
Der Mensch neigt sehr stark dazu, sich in seinem Verhalten an seinem vorherigen Handeln zu orientieren und in Einklang dazu zu agieren. Er tut dies, weil konsistentes Verhalten in der Gesellschaft positiv bewertet wird und weil dieses Handeln auch den Umgang mit der Komplexität des Alltags erleichtert. Verkaufsprofis haben in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit von Commitments erkannt. Ein Commitment ist eine klare Bekennung zu einem bestimmten Standpunkt. Es verpflichtet dazu, sich in Zukunft getreu des Commitments zu verhalten und ist besonders dann effektiv, wenn das Commitment ungezwungen und öffentlich gemacht wurde und keine Kosten und Mühen gescheut wurden um diese Haltung einzunehmen.
vgl. Cialdini, 2010, S. 156-214.
„Das Prinzip der sozialen Bewährtheit besagt, dass sich Leute, um zu entscheiden, was sie in einer gegebenen Situation glauben oder tun sollen, anschauen, was andere Menschen in der Situation glauben oder tun“ (Ebd., S. 211).
Wie auch beim Konsistenzprinzip ist der Grund hierfür die Entscheidungserleichterung. Es wäre zuviel Aufwand, jede Entscheidung durch Abwägen von Argumenten zu treffen, zumal diese Argumente ja auch noch gefunden werde müssen. Stattdessen orientieren wir uns am Verhalten anderer weil wir denken: „Wenn andere so handeln, dann werden sie schon ihren guten Grund dafür haben.“
Auch dieses Prinzip kann ausgenutzt werden. So legen beispielsweise Barkeeper von sich aus Geld in die Trinkgeldschalen um vorzutäuschen, dass sich andere bereits dazu durchgerungen hätten, Trinkgeld zu geben. Auf der anderen Seite lässt sich das Prinzip aber auch nutzen um Menschen ihre Ängste zu nehmen. So werden sozial verängstigte Kinder viel spiel- und interaktionsfreudiger wenn sie andere Kinder dabei beobachten, wie sie sich aktiv Spielgefährten suchen.
Gleichzeitig funktioniert das Prinzip der sozialen Bewährtheit auch mit Dingen, die wir »nicht« tun, was sehr negative Folgen haben kann. Cialdini berichtet hierbei von einem Mordfall, bei dem 38 Menschen zusahen, aber keiner die Polizei rief. Die Begründung: Die Zeugen beobachteten, dass niemand anderes handelte und folgten so dem Prinzip der sozialen Bewährtheit, indem sie ebenfalls nicht handelten.
Der Grund, warum in diesem Fall auf das Prinzip der sozialen Bewährtheit zurückgegriffen wurde, liegt in der Unsicherheit der Beteiligten, wie in der Situation zu Handeln sei. Dies führte dazu, sich am Handeln anderer zu orientieren. Noch stärker kommt das Prinzip allerdings zur Geltung, wenn wir das Verhalten von Leuten beobachten, die uns ähnlich sind. Die erschreckende Effektivität des Prinzips zeigt sich in den Auswirkungen der Berichterstattung über Suizide. Generell steigt die Suizidrate in Reaktion auf das publik werden eines Suizids nicht nur substantiell, sondern betrifft vor allem Menschen, die dem Opfer ähnlich sind.
Werbestrategien machen sich das Prinzip der sozialen Bewährtheit beispielsweise bei der Produktion von Werbespots zunutze. Fernsehwerbung zeigt oft die sogenannten Durchschnittsmenschen dabei, wie sie das beworbene Produkt konsumieren. Somit können sich die Fernsehrezipienten gut mit den Spot-Protagonisten identifizieren, weil sie ähnlich aussehen wie sie und werden somit Opfer des Prinzips der sozialen Bewährtheit.
Zusammenfassung:
Menschen tendieren dazu, sich in ihrer Entscheidungsfindung am Verhalten anderer zu orientieren, insbesondere wenn sie sich unsicher fühlen und den anderen ähnlich sind. Dieses Prinzip lässt sich nutzen um Spenden zu sammeln oder Phobien zu heilen, birgt aber auch in Form von Medienberichtserstattungen die Gefahr, andere zu Untaten anzustiften.
vgl. Cialdini, 2010, S. 262-292.
Eine weite re Waffe der Einflussnahme, die von unserem Drang bestimmt wird, uns Entscheidungen im Alltag zu erleichtern, ist der Faktor Autorität. Wir neigen dazu, bedingungslos den Urteilen und Aufforderungen derer zu vertrauen, die wir als Autoritätspersonen betrachten. Was für erschreckende Ausmaße dies annehmen kann, zeigt ein Experiment von Milgram (Ebd., S. 264). Der Forscher simulierte ein Szenario, in dem die Versuchspersonen aufgefordert wurden, andere Teilnehmer mit Stromstößen zu bestrafen, wenn diese falsche Antworten zu vorher auswendig gelernten Begriffen gaben. Die Versuchspersonen wussten jedoch nicht, dass die «Opfer» nicht wirklich Stromstößen ausgesetzt wurden. Es waren Schauspieler, die dazu angehalten wurden, starke Schmerzen vorzugeben und welche die Versuchspersonen anflehten, weitere Stromstöße zu unterlassen. Erschreckenderweise gehorchten die Versuchspersonen jedoch nicht, sondern fuhren fort, die Stromstöße auszuteilen. Grund hierfür war, dass das Experiment in Beisein eines Forschers stattfand, der die Anordnung gab, den Versuch trotz der Schmerzensschreie und Gnadegesuche fortzusetzen.
Dieses Experiment belegt eindrucksvoll, wie sehr unsere eigenen Meinungen und Instinkte zurückgedrängt und ignoriert werden, wenn wir mit den Anordnungen eines Experten, sprich einer Autorität, konfrontiert werden. Besonders problematisch ist dies in Krankenhausbetrieben. Hier werden die Meinungen der Oberärzte viel zu selten angezweifelt, was oft zu falschen Medikationen mit schwerwiegenden Folgen führt.
Ein Grund für dieses Verhalten kann in den Wurzeln unserer Erziehung liegen. Von klein auf haben wir gelernt, dass es in unserem Sinne ist, auf Autoritäten zu hören, sei es im Elternhaus oder in der Schule. So wurden wir darauf konditioniert uns ins unseren Entscheidungen nach denen zu richten, die es in unseren Augen besser wissen müssen als wir. Dies erklärt, warum eine Pflegekraft in einem Krankenhaus ihr ganzes medizinisches Fachwissen außer Acht lässt und den Anweisungen eines höher gestellten Arztes zu folgen bereit ist, auch wenn sie weiß , dass diese Anweisungen das Leben eines Patienten bedrohen.
Es gibt mehrere Merkmale, die wir mit Autorität assoziieren. Zum einen sind Titel wie «Doktor» oder «Professor» starke Autoritätssymbole. Deren Urteilsvermögen wird automatisch höher als das eigene eingestuft. Zudem wurde in einer Studie nachgewiesen, dass die physische Größe eines Menschen höher geschätzt wird, wenn er mit einem Autoritätstitel versehen ist. Eine mögliche Erklärung hierfür: Physische Größe ist ein entscheidender Faktor in der Tierwelt um in der Hierarchie aufzusteigen und wird dementsprechend mit Macht bzw. Autorität assoziiert.
Ein weiteres Merkmal, dem wir überdurchschnittlich viel Respekt zollen, ist Kleidung. Den Aufforderungen gut gekleideter oder uniformierter Menschen folgen wir mit größerer Wahrscheinlichkeit als jenen , die diese Kleidungsmerkmale nicht aufweisen können.
In engem Zusammenhang dazu steht das Merkmal Luxus. Kleidung kann auch ein Indikator für Wohlstand sein, welcher wiederum als Autoritätsmerkmal empfunden wird.
In der Werbung kann sich das Autoritätsprinzip zunutze gemacht werden, indem Produkte von Menschen angepriesen werden, die uns autoritär erscheinen, wie zum Beispiel der fiktiven Dr. Best aus der Zahnbürstenwerbung.
Zusammenfassung:
Unsere Gesellschaft hat die Tendenz entwickelt, sich den Meinungen und Urteilen von Autoritäten zu beugen, selbst wenn diese offensichtlich ethisch nicht zu vertreten sind oder es sich um Irrtümer handelt. Autorität macht sich entweder durch Titel, Kleidung oder Luxusgüter bemerkbar.
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