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Bachelorarbeit, 2009
44 Seiten, Note: 1,7
Vorwort
1 Einleitung
2 Hintergrund
2.1 Wohnen im Wandel
2.2 Wohnsituation im Alter
2.3 Wohnbedürfnisse im Alter
3 Wohnformen im Alter
3.1 Im eigenen Zuhause bleiben
3.1.1 Die Wohnraumanpassung
3.1.2 Mobile soziale Dienste
3.1.3 Betreutes Wohnen zu Hause
3.1.4 Ambulante Pflegedienste
3.1.5 Teilstationäre Betreuung - Tagespflege
3.2 Vorausschauende Wohnungswechsel im Alter
3.2.1 Betreutes Wohnen
3.2.2 Selbstorganisierte Wohn- und Hausgemeinschaften
3.2.3 Wohnstifte
3.3 „Rundum-Versorgung“ im neuen zu Hause
3.3.1 Betreute Wohn- und Hausgemeinschaften
3.3.2 Alten- und Pflegeheime
4 Kritische Darstellung der Wohnformen
5 Fazit
Literaturverzeichni
Tab. 1 Wohnformenälterer Menschen (65 Jahre undälter) in Deutschland
Tab. 2 Struktur der Altenhaushalte im Jahr 2000
Abb. 1 Außerhalb der Wohnung verbrachte Zeit nach Altersgruppen (Stunden: Minuten je Tag)
Tab. 3 Verteilung der Wohnberatungsstellen auf die Bundesländer, Stand 2003
Tab. 4 übersicht der Leistungen des Betreuten Wohnens zu Hause
Tab. 5 Zusammenfassende Darstellung der Wohnformen mit Schwerpunkt auf den Kritikpunkten
Die Idee, mich in meiner Bachelorarbeit mit der Thematik „Wohnformen im Alter“ aus- einanderzusetzen, entstand während meines zehnwöchigen Pflichtpraktikums bei der Arbei- terwohlfahrt Region Hannover, in der Abteilung der ambulanten Dienste. Dort erlebte ich oftmals eine weit verbreitete Unwissenheit, seitens derälteren Kunden,über ihre Möglich- keiten, Ansprüche und die bestehenden Angebote bezüglich des Wohnens im Alter. Viele der betagten Bürger wünschen sich ein selbstständiges Wohnen in den eigenen vier Wänden. Das „Wohnen im Alter“ ist in den Köpfen der meisten Menschen mit einem Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim verbunden. Doch dies ist ein weit verbreitetes Missverständnis in der Bevölkerung. Da es sich, meiner Meinung nach, beim selbstständigen Wohnen um einen zentralen Aspekt der Lebensqualität handelt, ist es wichtig, sich vor dem Hintergrund der heutigen Ausgangsbedingungen mit den zukünftigen Perspektiven des Wohnens zu beschäf- tigen. Ich arbeitete mich mithilfe von Literatur und praktischen Erfahrungen (im Rahmen meines Praktikums) in die Materie ein und fand ein umfangreiches, interessantes, aktuelles und zukunftsorientiertes Themengebiet vor, welches ich als geeignet empfand um meiner Bachelorarbeit ihren Titel zu verleihen.
Die Thematik „Wohnen im Alter“ ist aktuell und wird weitüber die Gerontologie hinaus diskutiert, da sie aufgrund des demographischen Wandels in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Doch inwiefern steht der demographische Wandel mit dem Bereich des Wohnens im Alter in einem Zusammenhang?
Die Bevölkerung in Deutschland altert. Langfristige demographische Trends, wie eine nied- rige Geburtenrate, eine steigende Lebenserwartung sowie ein sinkender Anteil von Kindern und Jugendlichen werden in den nächsten fünfzig Jahren zu einer Verschiebung der Gene- rationsverhältnisse führen. Laut der mittleren Variante der 11. koordinierten Bevölkerungs- vorausberechnung des statistischen Bundesamtes war im Jahre 2005 bereits jeder Fünfte in Deutschland 65 Jahre undälter [vgl. Statistisches Bundesamt (2007): 15]. Bis zum Jahr 2050 soll schon jeder Dritte dieser Alterskategorie zugeordnet werden können. Auch der Anteil der Hochbetagten an allen 65jährigen undälteren wird von ihren 25% im Jahre 2005 bis 2050 auf 40% deutlich ansteigen [ebd.]. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in den Veränderungen des sogenannten Altersquotienten1 wider, der sich bis zum Jahre 2050 von 32 auf 64 erhöhen wird. Dies bedeutet, dass im Jahr 2050 auf einhundert Menschen im Alter von 20 bis 65, etwa 64 Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren kommen werden. Die Tatsache, dass der Anteil der hochbetagten Menschen in Deutschland kontinuierlich steigen wird, lässt eine parallel steigende Pflegebedürftigkeit vermuten. Die Pflegestatistik des sta- tistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2008 untermauert diese Vermutung, denn der Anteil der Pflegebedürftigen2 wird von 2,13 Millionen Menschen im Jahr 2005 innerhalb der näch- sten 25 Jahre auf 3,36 Millionen Menschen ansteigen [vgl. Statistisches Bundesamt (2008): 2]. Während 68% der Pflegebedürftigen von Angehörigen zu Hause versorgt werden3, sind lediglich ein Drittel (32%) dieser in Heimen untergebracht [ebd.]. Doch die rückläufigen Kinderzahlen, die steigende Frauenerwerbsquote und die oftmals hohe berufliche Mobilität werden langfristig zu einer Reduzierung der zur Verfügung stehenden pflegenden Angehö- rigen führen [vgl. Weltzien (2004): 14]. Der Trend zur vermehrten Nutzung professioneller Pflege (Pflegeheim / ambulante Pflege) lässt sich mit einem Rückgang von 5% der Pfle- gegeldempfänger in der Pflegestatistik erkennen [vgl. Statistisches Bundesamt (2008): 2]. Zusammenfassend sind zwei parallel laufende Trends zu erkennen: während der Anteil der Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung von 2,6% im Jahr 2005 auf 4,4% im Jahr 2030 ansteigen wird, ist die Zahl der pflegenden Angehörigen rückläufig. Diese Diskrepanz wird zukünftig zu einem erhöhten Bedarf an betreuten Wohnmodellen führen [vgl. Voges (2008): 219]. Der Großteil derälteren zieht aber auch bei erhöhtem Betreuungs- und Versorgungs- bedarf vor, in den eigenen vier Wänden zu bleiben als in eine neue Wohnform zu wechseln [ebd.]. Laut Voges wird „normales Wohnen“4 mit zusätzlichen Versorgungsangeboten daher als wichtigste Wohnform im Alter betrachtet [vgl. Voges (2008): 213]. Die rasch wachsende Anzahl von neuen Angeboten und Initiativen zeugt von einem hohem Wachstumspotenzial und einer hohen Dynamik in diesem Bereich. Betrachtet man jedoch die Teilhabe der eigentlichen Betroffenen, dieälteren, zeigt sich, dass nur ein geringer Teil an dieser Entwicklung teilnimmt. Das quantitativ vorherrschende Wohnen im Alter findet in Deutschland in „normalen“ Wohnungen statt [ebd.]. Vor diesem Hintergrund lässt sich folgende Fragestellung der Arbeit zugrunde legen:
Wurden in der Entwicklung der Wohnformen die Wohnbedürfnisse des Alters ausreichend berücksichtigt?
Um eine Antwort auf die oben stehende Frage herauszuarbeiten wird diese Arbeit die neuen sowie bereits länger bestehenden Wohnformen hinterleuchten und auf ihre Bedürfnisgerech- tigkeit untersuchen. Aus dieser Aufgabenstellung leitet sich folgender Aufbau ab. Zunächst sollen Hintergrundinformationen zum Wohnwandel, der Wohnsituationälterer und Wohn- bedürfnisse im Alter eine Basis für das Verständnis der sich daran anschließenden Analyse schaffen. Die jeweiligen Kapitelüber die Wohnformen schließen neben der Analyse auf die Bedürfnisgerechtigkeit auch eine kritische Betrachtung der Wohnalternativen mit ein. Die wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit werden anschließend in tabellarischer Form mit Schwerpunkt auf die kritischen Gesichtspunkte zusammengefasst. In einem abschließenden Fazit werden Konsequenzen dargelegt, welche durch die Einsichten die in dieser Arbeit er- langt wurden, erstrebenswert sind.
Ziel dieses Kapitels ist es, einen Hintergrund für die spätere analytische Betrachtung der Wohnformen zu schaffen, in dem anfangs das Wohnen im Alter aus verschiedenen Perspekti- ven beleuchtet wird. Der zunächst beschriebene Wohnwandel hilft mit seiner geschichtlichen Vertiefung in die Thematik, das Verständnis für neue Wohnformen zu schärfen. Mithilfe sta- tistisch erfasster Daten rundum die aktuelle Wohnsituationälterer sollen anschließend die Art des Wohnens im Alter dargelegt werden und der Bedarf an neuen Wohnformen aufge- deckt werden. Abschließend wird die allgemeine Bedeutung des Wohnensälterer themati- siert, um verschiedene Wohnbedürfnisse aus den Ergebnissen zu ziehen und im Weiteren für die Analyse zu nutzen.
Das idyllische Bild, dass im 19. Jahrhundert die Betreuung und Versorgungälterer Men- schen in der Großfamilie stattgefunden hat, ist in vielen Köpfen verankert. Doch laut sozial- historischen Forschungen sind diese Wohngemeinschaften von Familiengenerationen nichtüblich gewesen, sondern nur zeitweise und eher begrenzt vorgekommen [vgl. Tews (2005), In: Wüstenrot-Stiftung: 15]. Das Wohnen in Institutionen, wie in einem Heim oderöffent- lichen Armenwesen, traf ebenfalls nur für eine Minderheit zu [ebd.]. Auch von Ende des 19. Jahrhunderts bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlebte die Mehrheit derälteren ih- ren Lebensabend allein oder mit Partner in einer „normalen“ Wohnung [ebd.]. Der Glaube, dass dieältere Generat]ion in Schutz und Geborgenheit der eigenen Familie alt geworden und gestorben ist, kann demnach eher den Mythen zugeschrieben werden, denn schon die gerin- ge Lebenserwartung5 begrenzte die Möglichkeiten eines dauerhaften Zusammenlebens mit der Familie [vgl. Rühm (2003): 8]. Weiterhin glich das als harmonisches Familienidyll be- schriebene Beisammensein eher einer „Zwangsgemeinschaft“ aufgrund von Traditionen und fehlenden Alternativen [vgl. Tews (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 15]. Mit dem An- stieg der Lebenserwartung in den folgenden Jahren und Generationen nahm die gemeinsame Zeit im Familienbund jedoch zu und führte tatsächlich zu einem vorübergehenden Phäno- men der Drei-Generationen-Familien, die auf bestimmte Zeit unter einem Dach lebten [vgl. Höpflinger (2002), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 15]. Dieser Zustand währte aber nicht lang, denn ein Zusammenleben auf engstem Raum barg mit zunehmendem Individualismus auch ein hohes Konfliktpotenzial in sich [vgl. Rühm (2003): 8]. Aber nicht nur die Jüngeren waren unzufrieden mit dieser neuen langwährigen Wohnsituation, sondern auch die Wohn- präferenzen derälteren veränderten sich durch die Ausdehnung der Lebensphase Alter [vgl. Weltzien (2004): 1]. Die medizinischen Fortschritte und die Erhöhung des Lebensstandards führten zu einem Anstieg der Lebenserwartung. Somit blieben die Menschen im Alter oft länger rege, körperlich gesund und vital [vgl. Rühm (2003): 8]. Der Wunsch, sich in seiner eigenen Wohnung zu verwirklichen und so lange wie möglich eine selbstständige Haushalts- und Lebensführung zu bewerkstelligen, trat vermehrt auf und hat bis heute nicht an seiner Gültigkeit verloren.
Heute legt zusätzlich das Pflegeversicherungsgesetz mit ihrer gesetzlich festgelegten gesund- heitspolitischen Prämisse „ambulant vor stationär“ die Priorität auf eine autonome Lebens- führung. Um dieser Prämisse gerecht zu werden ist eine gute und bedürfnisgerechte Woh- nung grundlegende Vorraussetzung. Jedoch haben eigene Interessen und Bedürfnisse derälteren bei ihrer Wohnungswahl lange keine bedeutende Rolle gespielt, sodass bedürfnisge- rechte Wohnungen in vielen Fällen nicht gegeben sind [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot- Stiftung: 54]. Die Barrierefreiheit in den Wohnungen soll Selbstbestimmung, Partizipation und Aktivitätsspielräume innerhalb der räumlich-sozialen Umwelt schaffen [vgl. Weltzien (2003): 3]. Bis vor wenigen Jahren war eine altersgerechte Ausstattung von Wohnungen und Wohnumfeld im „normalen“ Wohnungsbestand unbekannt und auch im Wohnungsbau war eine barrierearme und nutzungsneutrale Gestaltung eher die Ausnahme [vgl. Tews u.a. (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 11]. Die neuen Wohnformen sollten mehrere Bedarfslagen gleichzeitig abdecken, wie ein Angebot von Hilfen, Betreuung und Pflege sowie von Aktivitäten und Gemeinschaft [vgl. BMFSFJ (1998): 98].
In den 1990er Jahren begann der Aufschwung des Modells „Betreuten Wohnens“, welches barrierefreie Wohnungen und selbstständiges Leben propagierte [vgl. Statistisches Bundes- amt (2001): 249]. Doch nicht die Konzeption einer Kombination aus barrierefreien Wohnen und Dienstleistungen war neu und führte zur Dynamik dieses Modells, sondern die Entwick- lung hin zu einer gesellschaftlich akzeptierten sowie politisch unterstützten, beziehungswei- se geförderten Wohnform im Alter [vgl. Weltzien (2004): 8]. Der Nomenklatur der Altenhilfe des Deutschen Vereins füröffentliche und private Fürsorge wurden im Jahr 1992 fünf neue besondere Wohnformen beigefügt, von denen zwei eher zu den normalen Wohnformen ge- zählt werden müssen [vgl. BMFSFJ (1998): 98]. Der Altenwohnstift, das Betreute Wohnen und die Hospize ergänzen seither nun die „älteren“ Wohnformen Altenheim, Altenpflege- heim und die Altenwohnung. Die Wohngemeinschaft sowie die Wohnungshilfen / Wohnan- passung wurden aufgrund der Aktualität als neue Elemente des normalen Wohnens, ebenfalls als besondere Wohnformen definiert [ebd.]. Diese Erweiterung weist darauf hin, dass sich die Angebote der Altenhilfeeinrichtungen ausdehnen, sich aber auch außerhalb der Altenhilfe- einrichtungen Wohninitiativen entwickeln. Ebenso die Bundesländer reagierten auf die ak- tuelle Thematik und unterstützten Förderprogramme zum Bau betreuter Wohnanlagen. Auf Bundesebene wurde das Modellprojekt „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“ initiiert, welches nach dreijähriger Laufzeit im Jahre 2001 bereits auslief [vgl. BMFSFJ (2001): 43]. Wohnen im Alter war aufgrund des demographischen Wandels in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Diskussionen geraten. Trotz dieser quantitativen Zunahme an qualitativ guten Einrichtungen und politischer Propaganda für neue Wohnformen, lebt die Mehrheit der Menschen, wie seit- her, noch in ihren „normalen“ Wohnungen [vgl. Voges (2008): 212]. Aus diesem Sachverhalt heraus lässt sich die Frage formulieren, ob die Modifizierung der Altenhilfeeinrichtungen demnachüberhaupt sinnvoll erscheint?
Laut des Alters-Surveys aus dem Jahre 2000 werden zukünftige Seniorengenerationen den neuen Wohnformen aufgeschlossener gegenüber stehen als dieälteren [vgl. Kohli u.a. (2000): 137, In: Weltzien (2003): 15]. Eine Umfrage ergab, dassältere Haushalte (70-85jährige) bei Bedarf sofort in dieälteren Wohnformen, wie Alten- und Pflegeheim umziehen würden, wo- hingegen die jüngeren Haushalte (55-69jährige) einen Umzug in „normale“ Wohnungen oder einen Umbau der alten Wohnung präferieren [ebd.]. Das spricht für ein steigendes Interesse an neuen Wohnprojekten und einen sich vollziehenden gesellschaftlichen Einstellungswan- del gegenüber neuer Wohnalternativen. Demnach lässt sich vermuten, dass die Modifizierung der Altenhilfeeinrichtungen eine zukunftsblickende Maßnahme darstellt.
Im Allgemeinen kann vorweg genommen werden, dass viele der vonälteren bewohnten Wohnungen erhebliche Defizite aufweisen [vgl. Voges (2008): 220]. Daher wohnen viele Se- nioren in altersungerechten Wohnungen und drohen ihre Selbstständigkeit im eigenen Haus- halt zu verlieren. Nur eine altersgerechte Wohnausstattung kann mit dem Alter verbundene Probleme der Alltagsbewältigung kompensieren und somit eine eigenständige Lebensfüh- rung aufrechterhalten [ebd.].
Als Kennzeichen für das Wohnen im Alter gilt das Leben in der gleichen Wohnformüber viele Jahre, welches sich oftmals in der Art des ganz „normalen“ Wohnensäußert [vgl. Voges (2008): 213].
Tabelle 1: Wohnformenälterer Menschen (65 Jahre undälter) in Deutschland
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schader Stiftung (2006), URL: http://schader-stiftung.de/wohn_wandel/1004.php6
Im Jahre 2006 sind es laut der Schader Stiftung 93% der 65jährigen undälteren Menschen, die in ihrer normalen Wohnung ihre dritte Lebensphase verleben. Lediglich 4% sind in Hei- men untergebracht und nur 2% nutzen das Angebot des Betreuten Wohnens. Die Struktur der Heime zeigt zwar, dass mit steigendem Alter mehr Menschen einen Heimplatz bean- spruchen, jedoch auch im Alter von 90 Jahren undälter „nur“ 21% in einem Alten- und Pflegeheim leben [vgl. Voges (2008): 212]. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass immer noch fast vier Fünftel von allen 90jährigen undälteren in ihrem eigenen zu Hause wohnen. Die traditionellen Altenwohnungen7, die in den 1960er und 1970er Jahren das eigenständi- ge Wohnen mit flankierten Betreuungsleistungen als einzige Alternative zum Heim anboten, werden von 1% derälteren Menschen ab 65 Jahren in Anspruch genommen. Auch das in den Medien in den Vordergrund gerückte und viel propagierte Gemeinschaftliche Wohnen im Alter liegt laut Statistik nur bei einer geringen Nutzungsrate von 0,01%. Die ambulant betreuten Pflegewohngruppen werden ebenfalls lediglich mit dem geringen Prozentsatz von 0,01% frequentiert.
In Abschnitt 2.1 wurden bereits die sich verändernden Haushaltsstrukturen angesprochen, die an dieser Stelle nun als Rahmendaten das „normale“ Wohnen genauer beleuchten sollen.
Der Trend zeigt bereits seit dem 19. Jahrhundert einen stetig ansteigenden Anteil der Ein- bis Zweipersonenhaushalte, welcher eine wachsende Singularisierung impliziert [vgl. Stati- stisches Bundesamt (2002), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 52]. Im Jahre 1900 sind 21,8% der Haushalte in Deutschland als Ein- bis Zweipersonenhaushalte zu verzeichnen [ebd.]. Im Jahr 1950 lassen sich bereits 44,7%, also knapp die Hälfte, zu diesen zählen [ebd.]. Bis zum Jahre 2000 stieg der Anteil auf 69,4% und verliert heute aufgrund seines bereits so hoch angestiegenen Wertes von seiner Dynamik [ebd.]. Diese Entwicklung in Richtung einer stei- genden Zahl an Ein- und Zweipersonenhaushalten wird sich jedoch in den nächsten Jahren weiter fortsetzen [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 48].
Zu diesem starken Anstieg der kleineren Haushaltsgrößen in Deutschland tragenältere einen entscheidenden Anteil bei. Die nachfolgende Tabelle 2 zeigt die Struktur der Altenhaushalte im Jahr 2000 und verdeutlicht, dass 90% der 65jährigen undälteren entweder mit ihrem Partner allein wohnen oder einen Singlehaushalt führen.
Tabelle 2: Struktur der Altenhaushalte im Jahr 2000
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schader Stiftung (2006), URL: http://schader-stiftung.de/wohn_wandel/1004.php8
Die quantitativ vorherrschende Haushaltsform unter denälteren ist mit 53% jedoch der Zweipersonenhaushalt. Zudem zeigt die Tabelle 2 einen Anstieg der Singlehaushalte mit Be- ginn des achtzigsten Lebensjahres, welcher zum größten Teil auf Verlust des Lebenspartners zurückzuführen ist. Der Anteil der Frauen liegt, aufgrund ihrer höheren Lebenserwartung, mit 48% ganze 39 Prozentpunkteüber dem Wert der von Männern geführten Singlehaus- halte. Dies spricht dafür, dass die Problematik „Wohnen im Alter“ aufgrund der Geschlech- terproportionen zukünftig vermehrt ein Problem für den weiblichen Teil der Bevölkerung darstellen wird. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes wird die Anzahl der 60jährigen undälteren, die in einem Einpersonenhaushalt wohnen, von den 37% aus dem Jahre 2000 bis zum Jahre 2025 auf 45%9 weiter ansteigen [vgl. Statistisches Bundesamt, (2007a)]. Doch die vorherrschende Haushaltsform bleibt auch bis zum Jahre 2025, mit einem Prozentsatz von 57%, das Wohnen in Partnerhaushalten [ebd.].
Wie bereits erwähnt ist die Ausstattung einer Wohnung von Bedeutung. Eine Wohnung gilt als „modern ausgestattet“, wenn sie bereits minimale moderne Wohnstandards wie eine vor- handene Zentralheizung oder sanitäre Anlagen aufweisen kann [vgl. BMFSFJ (1998): 102]. Wohngüter, wie Ebenerdigkeit, Barrierefreiheit, Türsprechanlagen, Sicherheitsvorkehrungen in Bad und Dusche oder ein Balkon, lassen eine Wohnung als altersgerecht gelten und er- möglichen Annehmlichkeiten, die sich insbesondere in der Gesundheitszufriedenheit wider- spiegeln [vgl. Voges (2008): 220]. Vier Fünftel derüber 60jährigen leben in Wohnungen, die einem modernen Wohnstandard entsprechen [ebd.]. Trotz des bestehenden hohen Ni- veaus an Wohnversorgung in Deutschland existieren jedoch noch Wohnungen ohne selbst- verständliche Standards, wie eine wohnungseigene Dusche oder eine eigene Toilette [vgl. Voges (2008): 220]. Laut dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) sind ein Drittel aller Wohnungen in Deutschland mit erheblichen Defiziten in ihrer Sanitärsausstattung und Beheizbarkeit auf dem deutschen Wohnungsmarkt vorzufinden [vgl. DZA (1998): 66]. Diese schlechte Wohnungsversorgung lässt sich oftmals in Altbauten und vermehrt in Ostdeutsch- land wiederfinden [vgl. Voges (2008): 221]. In den neuen Bundesländern sind sieben Mal so viele Wohnungen mit schweren Mängeln aufzufinden wie in den alten Bundesländern [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 55]. Daher herrscht dort ein aktueller und akuter Modernisierungsbedarf der Wohnungen. Die Bewohnerstrukturen der von den Män- geln betroffenen Wohnungen weisen einen hohen Anteilälterer Alleinstehender auf [vgl. Sta- tistisches Bundesamt (2002), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 55]. Ein Fünftel derüber 60jäh- rigen lebte im Jahr 2002 ohne eigenes Badezimmer und eigene Toilette [vgl. Voges (2008): 221]. Ein ausschlaggebender Grund könnte dieüberdurchschnittlich lange Wohndauer derälteren in ihren alten Wohnformen sein. Ein Drittel der 70 bis 85jährigen leben, laut eige- nen Angaben, mehr als vierzig Jahre in ihren aktuellen Wohnung [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 55]. Daraus resultiert, dass Wohnräume mit den Bewohnern im Lebensverlauf altern und die Wohnstandards mit steigendem Alter stets veraltet sind [vgl. Voges (2008): 220]. Die Ausstattungssubstandards wie beispielsweise die fehlende Privat- sphäre durch ein Gemeinschaftsbad, werden von denälteren als vernachlässigbar eingestuft [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 55]. Als Grund für ihr „Verharren“ in diesen Wohnungen wird eine größere „Leidensbereitschaft“ angegeben, die aus den Ereig- nissen des Zweiten Weltkrieges resultiert [ebd.]. Gleichzeitig hat dasüber die Jahre hinweg entstandene Wohnumfeld, bestehend aus Freunden und Nachbarn, fürältere einen höheren Wert als der materielle Wohnkomfort [vgl. Tews u.a. (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 14].
[...]
1 Der Altersquotient bezieht dieältere Bevölkerung im Rentenalter als Gruppe potenzieller Empfänger von Leistungen der Rentenversicherung oder anderen Altensicherungssystemen auf die Bevölkerung im Erwerbsal- ter.
2 Pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes.
3 Die Zahl wird von der Statistik der Pflegegeldempfänger abgeleitet.
4 „normales Wohnen“ = Wohnen, welches dem vorhergehenden Wohnen aus der vorhergehenden Lebensphase entspricht [vgl. Krämer (2005), In: Wüstenrot-Stiftung (2005): 48]
5 z.B. im Jahr 1900: Jungen 46,4 Jahre und Mädchen 52,5 Jahre [vgl. Statistisches Bundesamt (2006a)]
6 Die Tabelle beruht auf einer Fortschreibung der Angaben im 2. Altenbericht der Bundesregierung, die sich auf unterschiedliche neuerer Datenquellen stützt: empirica-Datenbank zum Betreuten Wohnen, Angaben des Forums für gemeinschaftliches Wohnen, Erhebung des Kuratoriums Deutsche Altershilfe und der Bertelsmann Stiftung zu ambulant Betreuten Wohngruppen.
7 Traditionelle Altenwohnungen waren in den 70er Jahren, meist vom Staat geförderte Neubauten, die mit Zentralheizung und eigenem Bad, einen Wohnkomfort bot, wie es keine Selbstverständlichkeit war. Heute werden sie trotz ihres statistisch hohen Ausmaßes auf dem Markt, kaum als Wohnform im Alter diskutiert.
8 Aus eigenen Berechnungen der Schader-Stiftung auf der Grundlage des 3. Altenberichts der Bundesregierung, S. 219, 220
9 Laut den Trendberechnungen.