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Examensarbeit, 2010
114 Seiten, Note: 1,5
1 Einleitung
2 Geschichte des Handballsports von der Antike bis zum Mittelalter
2.1 Geschichte des Handballsports in Deutschland
2.1.1 Geschichte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts
2.1.2 Geschichte von 1897 bis 1917
2.1.3 Nach dem Ersten Weltkrieg (Entwicklung des Hallenhandballs)
2.1.4 Während & nach dem Zweiten Weltkrieg
2.2 Geschichte des schottischen Handballsports
3 Verbandsstrukturen
3.1 Internationale Handballföderation (IHF)
3.2 Europäische Handballföderation (EHF)
3.3 Deutscher Handballbund (DHB)
3.3.1 Regionalverband (SHV) & Landesverband (HVW)
3.4 Britischer Handballverband (BHA)
3.5 Schottischer Handballverband (SHA)
4 Interviews mit schottischen Offiziellen
4.1 Qualitative Befragung – Leitfadeninterview als Experteninterview (Theorie)
4.2 Persönlicher Leitfaden – Entstehung & Theorie
4.3 Praktische Durchführung der Experteninterviews
5 Auswertung der Experteninterviews
5.1 Gesellschaft & Umwelt
5.2 Programmatische Vorgaben & Prioritätensetzung
5.3 Interesse & Partizipation
5.4 Organisationen & deren Aufgabenbereiche sowie Personalstruktur
5.5 Finanzquellen
5.6 Strukturen, Talentsuche, Ausbildung sowie finanzielle Unterstützung (Athleten, Trainer, Schiedsrichter & Offizielle)
5.7 Sportstätten, Trainingsort & -art sowie Wettkampfwesen
5.8 Aktuelle Trends
5.9 Interorganisationale Angleichung aus der Perspektive des Neo-Institutionalismus
5.10 Organisationstypisierung nach Mintzberg
6 Fazit & Ausblick
7 Literaturverzeichnis
8 Anhang
I. Teilnehmerliste
II. SHA National Squad Programme
III. Leitfaden für Experteninterview
IV. Erklärung
Abbildung 1: Mosaik einer römische Frau beim Spielen von Harpaston
Abbildung 2: Handball-WM 1938 in Berlin
Abbildung 3: Bernhard Kempa beim Feldhandballspielen
Abbildung 4: Lynn McCafferty (Nr. 7) beim Feiern
Abbildung 5: EHF-Ranking für die Saison 2010/2011
Abbildung 6: Handball Ligastruktur ab 2010
Abbildung 7: Regionalverbände und Oberligen in Deutschland
Abbildung 8: HVW-Gebiet
Abbildung 9: Organigramm HVW
Abbildung 10: Organigramm VALL des HVW
Abbildung 11: "Sporting Giant"-Handballer Stuart Campbell
Abbildung 12: Strukturbaum Nationalmannschaften SHA (Jugend)
Abbildung 13: Allan Stokes
Abbildung 14: Tabelle der Scottish Handball League 2009/10
Abbildung 15: Handballspezifische Karte Schottlands
Abbildung 16: Strukturbaum Untergruppen der SHA
Abbildung 17: "Soll"- Strukturbaum SHA
Abbildung 18: Strukturbaum SHA Schiedsrichter/Offizielle
Abbildung 19: Strukturbaum SHA Trainerausbildung
Abbildung 20: Basismodell nach Mintzberg
Deutschland, ein Wintermärchen. Nach dem sensationellen Abschneiden der männlichen Fußballnationalmannschaft im Jahre 2006, erzielte ein Jahr später auch die Herrennationalmannschaft im Handball einen Sensationserfolg. Millionen von Menschen feuerten das deutsche Team vor dem Fernseher, beim Public Viewing oder gar live in der Halle an und fieberten jede Sekunde des Spiels mit. Das Ende dieser Geschichte ist unlängst bekannt, Deutschland wurde Handballweltmeister 2007 und ein ganzes Land stand Kopf. Woher kommt nun aber diese Begeisterung für einen Sport wie Handball und wäre selbige auch in anderen Ländern denkbar?
Einem glücklichen Umstand verdanke ich es, dass ich einen genaueren Einblick in die schottische Struktur des Handballsportes erhalten durfte. Im Zuge meines freiwilligen Auslandsaufenthaltes für das Studium verbrachte ich drei Monate bei einer Gastfamilie in Schottland. Ich kam in der Nähe von Edinburgh unter und begleitete meine Gastmutter, Monika Wilkinson, auf Schritt und Tritt bei ihren Tätigkeiten, die sich u. A. auch sehr stark mit Handball auseinandersetzten. Dies traf sich sehr gut, da auch ich aktiver Handballspieler in Deutschland bin und mich der Sport fasziniert. Monika engagiert sich als gebürtige Deutsche sehr stark für den Handballsport, den sie zu ihrer Zeit in Deutschland kennen gelernt hatte, und versucht diese Sportart in Schottland, speziell in der Region West Lothian (welche das Zuständigkeitsgebiet ihrer Arbeit darstellt) zu entwickeln und somit auch zu verbreiten. Entwicklung hat der Handballsport auch dringend nötig, dachte ich mir, als ich zum ersten Mal Monika zu einem Handballtraining begleitete. Aufgefallen war mir zunächst die lange Anreise zur Halle, in der das Training stattfinden sollte. Beim Betreten der Sporthalle erwartete mich dann die nächste Überraschung: In so einer kleinen Halle soll man Handball spielen können? Es musste wohl gehen, da es laut Monika keine größeren und passenderen Hallen in der näheren Umgebung gibt. Das Training selbst verlief strukturiert wie ich es aus Deutschland gewohnt war. Trainiert wurde gemischt, Männer und Frauen jeglichen Alters, überwiegend jedoch Jugendliche und Kinder, nahmen am zweistündigen Training teil. Unsere Trainer hießen Allan Stokes und Fred Wallace (beide werden im späteren Verlauf meiner Arbeit noch näher beleuchtet) und sollten sich im Laufe meines Aufenthaltes noch als wichtige Entwicklungshelfer für den Handballsport herausstellen. Nach dem Training folgte ein weiteres Kuriosum: Alle Spieler/innen und Trainer mussten Monika etwas Geld für die Hallennutzung abgeben. Dies verwunderte mich, da ich dergleichen aus Deutschland nicht gewohnt war. Monika teilte mir jedoch mit, dass dies normal sei und sie überhaupt froh sein müsste eine Halle zur Verfügung gestellt zu bekommen. Neben dem Training, welches ich zum Teil auch selbst leitete, nahm ich an Versammlungen teil, die den Handballsport betrafen, half bei Handballturnieren und engagierte mich auch generell für den Handball in Schottland. Mir erging es wie dem deutschen Auswanderer Joachim Roesmann, der nach Schottland ausgewandert war und seither Entwicklungsarbeit für den Handballsport in Schottland leistete (vgl. die Artikel Teil I-III auf http://www.handball-world.com/o.red.c/news.php?auswahl=10885&GID=1). Ich bekam also Einblicke in die Strukturen, Organisationen und Gruppierungen, die mit Handball zu tun hatten.
In welchen Punkten unterscheidet sich nun aber die deutsche und schottische Handballorganisation, warum ist der Handball in Schottland relativ unbedeutend und wie könnte sich sein Ansehen und seine Popularität in den nächsten Jahren ändern? Auf diese und noch weitere Fragen versuche ich in meiner Arbeit nun einzugehen und sie anhand von Interviews mit schottischen Offiziellen des Handballsports zu beantworten.
Obwohl die Entstehungsgeschichte des Handballsports bis in die Antike zurückreicht, tritt die Sportart Fußball etwa 50 Jahre früher in Erscheinung als Handball. Warum dies so ist, wird wohl ein Rätsel bleiben (vgl. Reisner & Späth, 2007, S. 9f).
Fakt ist jedoch, dass bereits im 8. Jahrhundert v. Chr. ein Wurf- und Fangspiel mit dem Namen Urania gespielt wurde. Dieses dem Rugby ähnliche Spiel fand bereits in einem Werk des griechischen Philosophen Homer seine Erwähnung. Gespielt wurde es wie folgt: Ein Ball, der sich in Größe, Gewicht und Aussehen unterscheiden konnte, wurde in die Luft geworfen und musste von einem Mitspieler zurückgeworfen werden. „Der Gewinner hieß ‚König‘, der Verlierer ‚Esel‘ und trug den ersteren auf den Schultern“ (Nickol, http://alt.sg74.de/Faustball/Faustballgeschichte.pdf, S. 1 ). Ebenso in der Antike anzusiedeln ist das von dem römischen Arzt Claudius Galenus (130 bis 200 n. Chr.) überlieferte Ballspiel Harpaston (siehe Abbildung 1), welches bis in das 5. Jahrhundert n. Chr. Beliebtheit erlangte. Gemein mit dem heutigen Handball hatten diese Spielarten nur, dass „[…] handballähnliche Gegenstände mit den Händen gehalten und fortbewegt wurden“ (Trosse, 2001, S. 13).
Im Mittelalter vertrieben sich die Menschen ihre Zeit, indem sie mit Bällen spielten, „[…] die mit Glöckchen und Bändern verziert waren und mit den Händen gespielt wurden“ (Trosse, 2001, S. 13). Hierzu rühmt der Minnesänger Walter von der Vogelweide (1170 bis 1230) ein Fangballspiel, welches als weiterer Vorläufer des heute bekannten Handballspiels zählt und bei dem sich Frauen einen Ball auf der Straße zuwarfen. Aber nicht nur aus Deutschland wird von Vorformen des Handballs berichtet, sondern auch aus „[…] England, Frankreich, Dänemark, Grönland und Südtirol […]“ (Reisner & Späth, 2007, S. 10). Bezüglich der Geschichte des Handballspiels in Frankreich schreiben Reisner et al. von einem Humanisten und Schriftsteller mit Namen Rabelais (1494 bis 1533), der Menschen beschreibt, wie sie gerade Ball spielen und dazu ihre Handflächen benutzen. Weitere Zeugen der damaligen Frühformen des Handballspiels sind Fresken auf Schloss Runkelstein bei Bozen. Nach Reisner et al. sind auf diesen Fresken mehrere Gestalten zu erkennen, die einen Ball mit ihren Händen werfen (vgl. Reisner & Späth, 2007, S. 10). Diese Spiele hatten aber nur wenig gemein mit dem heutigen Handball und es dauerte bis zum 19. Jahrhundert ehe Spielvarianten auftraten, die dem modernen Handballspiel stärker ähnelten. Deutschland spielte bei dieser Entwicklung eine große Rolle. Wie sich der Handballsport jedoch in England, respektive in Schottland entwickelte, darauf gehe ich in einem späteren Kapitel genauer ein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Mosaik einer römische Frau beim Spielen von Harpaston (http://de.academic.ru/pictures/dewiki/86/Villa_Del_Casale_Bikini_modified.jpg (Stand: 14.01.2010))
Mitte des 19. Jahrhunderts bis hinein ins 20. Jahrhundert ist laut Reisner et al. (2007, S. 10) von Ballspielen die Rede, die als Ergänzung zu den damals gängigen Turnstunden galten und sich immer größerer Beliebtheit erfreuten. Zu diesen Vorformen zählten unter Anderem: Treibball, Raffball oder Grenzball.
Hierbei stand erstmals der Gedanke im Vordergrund, dass „[…] zwei Mannschaften im Wettkampf um den Ball konkurrierten“ (Trosse, 2001, S. 13).
Ziel beim Treibball war es, einen Ball mit Griffschlaufe vorbei an einer gegnerischen Mannschaft über deren Stirnseite des Feldes zu werfen. Diese Stirnlinie wurde damals schon als Torlinie bezeichnet. Jede Mannschaft bestand aus acht Spielern und das auch als Schleuderballspiel bekannte Treibballspiel wurde auf einem Feld von 100 m x 15 m ausgetragen.
Beim Raffballspiel versuchten zwei gegnerische Mannschaften sich gegenseitig einen Vollball von ca. 10 cm Durchmesser abzunehmen, um auf diese Art und Weise zu punkten (vgl. Trosse, 2001, S. 13).
Auch das Grenzballspiel wurde von zwei konkurrierenden Mannschaften gespielt. Austragungsort war eine etwa 60 m lange Spielfläche, auf der die zwei Parteien versuchten, durch Werfen und Stoßen einen Vollball über eine hinter dem Gegner befindliche Grenze der Spielfläche zu bringen. Eine Variante des Spieles war das Aufstellen eines durch zwei Stangen begrenzten Tores auf jeder Seite des Spielfeldes.
Aber es gab auch schon vereinzelt Ballspiele auf Körbe oder gegen Netze. Diese Spiele waren bekannt unter den Namen: Netzball, Korbball oder Turmball. So wurde zum Beispiel beim Korbball darauf Wert gelegt, den Ball öfter in den gegnerischen Korb zu werfen als die gegnerische Mannschaft das beim eigenen Korb schafft.
Über die eigentliche Geburtsstunde des Handballs gibt es unterschiedliche Auffassungen. So nennen Reisner et al. (2007, S. 10) das Jahr 1897 als „Geburtsjahr des Handballs“, während bei Trosse (2001, S. 13) die „Geburtsstunde des modernen Handballspiels“ erst auf den 29. Oktober 1917 datiert ist. Doch was genau geschah in diesem Zeitraum zwischen dem Jahre 1897 und 1917?
Beginnen wir im Jahre 1897 mit dem Studienrat Eduard Hagelauer, der in Wiesbaden ein Gegenstück zum Fußballspiel mit Namen Torball entwickelte. Allerdings fand dieses Ballspiel keinerlei Berücksichtigung beim Zentralausschuss für Volks- und Jugendspiele, welcher damals „Turnspiele modernisierte und popularisierte“ (Reisner & Späth, 2007, S. 11). Auch Trosse (2001, S. 13) berichtet von einem Handballspiel aus dem Jahre 1898. Dieses entstand jedoch in Dänemark und hieß Handbold (mit einem „a“). Gespielt wurde es auf einem 30 m x 45 m großen Spielfeld und mit einem Strafraum vor dem Tor, welcher von keinem der 22 Spieler (jede Mannschaft bestand aus elf Spielern) betreten werden durfte. Etwa zur selben Zeit betrat Hagelauers dänischer Kollege Holger Nielsen, ein Turnlehrer und Oberstleutnant aus Ordrup bei Kopenhagen, zum ersten Mal die Bildfläche. Er erstellte 1906 ein Regelwerk, nach dem es nur noch gestattet war, den Ball drei Sekunden lang zu halten. Nach Reisner et al. fiel auch zu dieser Zeit erstmals der Begriff Haandbold (mit doppeltem „a“) und sie beschreiben es als ein Kleinfeldspiel mit 22 Spielern auf einem Rasenplatz, bei dem der Ball nur drei Sekunden lang in den Händen gehalten und nicht mit ihm gelaufen werden durfte (vgl. Reisner et al., 2007, S.11). Es ist also anzunehmen, dass Trosse und Reisner et al. von ein und demselben Handballspiel sprechen. Parallel zu diesem Spiel erfand Marie Meyer, ihres Zeichens Turnlehrerin in Königsberg, im Jahre 1909 ein „für Mädchen und Frauen geeignetes Gegenstück zum Fußballspiel, in dem allerdings auf verkleinertem Feld (50 x 30 Meter) gespielt wurde“ (Reisner & Späth, 2007, S. 11). Inspiriert von den Ideen Hagelauers und Meyers befasste sich Max Heiser, seines Zeichens Frauen-Oberturnwart des Berliner Turner-Vereins, sechs Jahre später (1915) mit der Entwicklung einer Grundform des modernen Handballspiels mit Namen Torball für Mädchen und Frauen. Das Besondere an dieser neuen Variante des Torballs war für Heiser, dass den Spielerinnen ausdrücklich untersagt wurde, um den Ball zu kämpfen. Vielleicht wurde die Sportart auch deswegen in die Deutsche Turnerschaft (DT) aufgenommen.
Schlussendlich folgte der 29. Oktober 1917, ein Datum, das von großer Bedeutung für den Handballsport sein sollte. An diesem Tag versammelte sich der Frauenausschuss des Berliner Turnrats zu einer Sitzung, bei der Max Heiser seine Ideen und Vorschläge zur Änderung des bisherigen Torballspiels darlegte. Als einen weiteren Grund für Regeländerungen nennt Trosse (2001, S. 14) den damaligen Zeitgeist und er spricht von einem damals vorherrschenden Leitspruch: „Frauen raufen nicht, Frauen treten nicht!“. Um den Frauen (für die diese Art des Handballspiels als Ausgleich zum körperbetonten Männer-Fußballspiel konzipiert wurde) jegliche Art des Zweikampfes zu untersagen, wurden folgende Neuregelungen beschlossen und schriftlich niedergelegt:
- Das Laufen mit dem Ball war verboten.
- Der Ball durfte höchstens fünf Sekunden gehalten werden.
- Die Spielfeldgröße betrug 20 m x 40 m und wurde auf einem Fußballfeld gespielt, deshalb auch die offizielle Bezeichnung Großhandball (vgl. Reisner et al. 2007, S. 12).
- Der Ballumfang wurde auf 70-71 cm festgelegt.
- Die Tormaße waren auf 2,50 m x 2 m begrenzt.
Der Begriff Torball wurde von nun an durch den Begriff Handball ersetzt.
Nach dem Ersten Weltkrieg (1914-1918), welcher eine weitere Ausbreitung des Großhandballs verhinderte, entwickelte der Berliner Turnlehrer Carl Schelenz (1890-1956; zweifacher Deutscher Meister im Weitsprung 1916 und 1917; späterer Nationalmannschaftstrainer der Männer im Handball) kurze Zeit darauf das Handballspiel Heisers weiter und stellte im Jahre 1920 ein neues Regelwerk auf. Praktischerweise bediente sich Schelenz der damals gängigen Fußballregeln und übertrug diese auf das Handballspiel, welches nun auch für Männer und Jungen attraktiver gestaltet werden sollte (vgl. Trosse, 2001, S. 14):
- Die Dreischrittregel wurde eingeführt, d.h. der Ball musste nach spätestens drei Schritten abgespielt werden.
- Die Spielfeldgröße betrug 60 m x 110 m und es wurde weiterhin auf dem Fußballfeld gespielt.
- Die Ballgröße wurde reduziert auf 60 cm à kleiner und griffiger.
- Die Tormaße waren auf 2,44 m x 7,32 m begrenzt.
- Die Spieleranzahl betrug 11 Spieler pro Mannschaft.
- Zusätzlich gab es einen Torraum, der 11 m betrug (Wurfkreis).
- Außerdem war auf eine Abseitsregel zu achten.
Das neu entwickelte Spiel hatte also sehr große Parallelen zum Fußballspiel. Auch die physische Komponente der Zweikämpfe (so war Körperkontakt von nun an erwünscht) und das Werfen an sich traten in den Vordergrund (vgl. Reisner et al., 2007, S. 12). Zwar dominierte von diesem Zeitpunkt an das Feldhandballspiel für Männer, jedoch wurde das Kleinfeldhandballspiel für Frauen weiterhin betrieben (vgl. Trosse, 2001, S. 14).
Das von Schelenz entwickelte Handballspiel wurde immer beliebter und auch über die Berliner Stadtgrenzen hinaus bekannt, sogar im Ausland. Es bildeten sich immer mehr Mannschaften und so wurde schließlich im Jahre 1921 erstmals ein Deutscher Meister ermittelt. Diese erste Deutsche Meisterschaft gewann der Berliner Klub TSV 1860 Spandau. Reisner et al. (2007, S. 13) berichtet davon, dass während der Zeit zwischen 1922 und 1934 parallel zwei Deutsche Handballmeisterschaften von zwei verschiedenen Verbänden ausgerichtet wurden. Zum einen vom Deutschen Turnerbund und zum anderen von der Deutschen Sportbehörde, es gab also in diesem Zeitraum zwei Deutsche Meister pro Jahr. Erst 1934 beendeten die Nationalsozialisten diesen konfusen Kompetenzstreit und vereinheitlichten den Meisterschaftsspielbetrieb und das Regelwerk.
Zum ersten Länderspiel kam es am 13. September 1925, bei dem sich Deutschland und Österreich gegenüberstanden. In Halle an der Saale besiegten die österreichischen Männer die deutsche Mannschaft mit 6:3. Auch wenn Reisner et al. (2007, S. 13) fälschlicherweise von einem Sieg Deutschlands schreibt, war dies „eine von fünf Niederlagen in 125 Länderspielen gegen Österreich bis zum Jahre 1970“ (Trosse, 2001, S. 15).
Das erste Länderspiel der Frauen fand am 7. September 1930, also erst fünf Jahre später, in Prag statt. Hier wurde die deutsche Auswahl ebenfalls von der österreichischen Mannschaft mit 5:4 besiegt.
In Den Haag wurde laut Reisner et al. (2007, S. 13) 1926 auf dem Kongress der Internationalen Amateur Athletik Föderation eine Kommission ernannt, die für die Schaffung eines offiziellen Regelwerks für den internationalen Spielbetrieb zuständig war.
Zwei Jahre später, im Jahre 1928, wurde anlässlich der Olympischen Spiele in Amsterdam der Weltverband International Amateur Handball Federation (IAHF) gegründet, dem damals folgende elf Nationen angehörten: Deutschland, Österreich, Frankreich, Dänemark, Schweden, Finnland, Tschechoslowakei, Griechenland, Irland, Kanada und die USA.
1933 wurde das Feldhandballspiel folglich in das olympische Sommerprogramm aufgenommen und zum einzigen Mal wurde 1936 in Berlin ein Olympiasieger in dieser Disziplin gesucht. Dieser hieß Deutschland, das sich im Finale vor 100.000 Zuschauern (bis heute zählt dies als Zuschauerrekord bei Feld- und Hallenhandballspielen) gegen Österreich durchsetzte. Ein Grund für die Aufnahme des Feldhandballs in das olympische Programm war wohl das Drängen Adolf Hitlers, der sich der deutschen Stärke in dieser Disziplin bewusst war (von 124 Feldhandball-Länderspielen wurden 120 erfolgreich gestaltet) und somit dem IOC keine andere Wahl ließ.
Im Februar 1938 (also etwa zehn Jahre nach Gründung der IAHF) wurde von eben diesem Weltverband die erste Weltmeisterschaft ausgetragen. Erwähnenswert ist hierbei, dass aufgrund der winterlichen Wetterlage das damalige Vierer-Turnier in der neu erbauten Deutschlandhalle in Berlin (siehe Abbildung 2) ausgetragen werden musste (vgl. Reisner et al., 2007, S. 14). Dies war laut Reisner et al. (2007, S. 14f) nicht nur „die Geburtsstunde des Hallenhandballs [Hervorhebung des Verfassers]“, sondern Deutschland feierte nach Siegen gegen Dänemark, Österreich und Schweden auch noch die erste Weltmeisterschaft im Hallenhandball. Anzumerken gilt es aber, dass bereits drei Jahre vorher (1935) das erste Hallenhandball- Länderspiel in Dänemark ausgetragen wurde (dazu jedoch später mehr). Zurück ins Jahr 1938, als sich Deutschland fünf Monate nach der Hallenweltmeisterschaft auch den Weltmeistertitel beim folgenden Großfeldturnier durch einen Sieg gegen die Schweiz in Berlin sicherte. Die Jahre kurz vor dem Zweiten Weltkrieg zählten somit zu den Glanzzeiten des deutschen Handballs, genauer gesagt des deutschen Feldhandballs.
Wie bereits erwähnt, wurde in Kopenhagen bereits am 8. März 1935 das erste offizielle Hallenhandball-Länderspiel zwischen Dänemark und Schweden ausgetragen. Ausschlaggebend für diese Entwicklung (vom Feld in die Halle) waren primär die klimatischen Verhältnisse in den skandinavischen Ländern, die eine Bespielbarkeit eines Handballfeldes im Freien sehr stark einschränkten. Bereits das damalige Fußballspiel litt unter diesen Gegebenheiten und es mussten überdachte Spielfelder hierfür geschaffen werden (vgl. Trosse, 2001, S. 15). So verlagerte sich auch das Handballspiel immer mehr in Hallen, was jedoch eine Überbeanspruchung der Hallenspielfelder nach sich zog. Es gab schlichtweg zu wenig Felder und so mussten nach Trosse (2001, S. 15) „kleinere Hallen mit veränderten Spielbedingungen“ geschaffen werden. Diese Entwicklung war der Durchbruch zum modernen Hallenhandball, welcher unabhängig war von den Witterungsbedingungen und welcher durch seine neuen technisch-taktischen Voraussetzungen ein Spiel darstellte, das mit modifizierten Regeln bis heute praktiziert wird (vgl. Trosse, 2001, S.15). Doch was machte diese Sportart Hallenhandball so attraktiv und laut Trosse „zur ‚Königin‘ des Handballs“ (2001, S. 15)?
Die verbesserte Haftung der Spieler auf einem festen Boden, das Spielen mit einem trockenen und griffigeren Ball sowie der Ausschluss von Wind, Regen und Sonne machten eine enorme Entwicklung von Technik und Taktik in diesem Sport erst möglich. So wurde das Spiel wesentlich temporeicher, die Spielszenen trickreicher und es kam zu vielen neuen Überraschungseffekten im Spiel (vgl. Trosse, 2001, S.15f). Da diese neue Variation des Handballspielens erstmals in Skandinavien auftrat, haben Länder wie etwa Dänemark oder Schweden bis heute eine gewisse Vormachtstellung im Hallenhandball. Aber auch Deutschland konnte sich dem Wandel vom Feldhandball zum Hallenhandball nicht lange entziehen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Handball-WM 1938 in Berlin (http://www.bz-berlin.de/multimedia/archive/00048/deutschlandhalle2_48855d.jpg (Stand: 27.01.2010))
Trotz Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde laut Reisner et al. (2007, S. 15) weiterhin eine Deutsche Meisterschaft im Feldhandball ausgespielt, mit einer Ausnahme im Jahre 1945. Auch wurde bereits 1946 wieder ein Turnier veranstaltet, welches noch in der amerikanischen und englischen Besatzungszone stattfand. Jedoch wurde Deutschland international zunächst außen vor gelassen.
Noch im selben Jahr, genauer gesagt am 11. Juli 1946, wurde in Kopenhagen die International Handball Federation (IHF; siehe 3.1 ) gegründet. Bei dieser Gründung wurde festgelegt, dass der Handball auf dem Großfeld und in der Halle als gleichberechtigt anzusehen war und dass Deutschland kein Mitglied der IHF werden durfte. Dieser Umstand währte noch bis ins Jahr 1950.
Obwohl bereits wieder Handballturniere ausgetragen wurden, mussten die Struktur und die Organisation des Handballs in Deutschland auf Vordermann gebracht werden. So wundert es kaum, dass am 1. Oktober 1949 der Deutsche Handball Bund (DHB; siehe 3.3 ) gegründet wurde.
In der DDR war das Pendant hierzu eine Organisation unter der Schirmherrschaft des Deutschen Sportausschusses, welcher als Dachorganisation des Sports in der sowjetischen Besatzungszone galt. In meiner Arbeit möchte ich mich auf die Geschichte des Handballs in der Bundesrepublik reduzieren, da im Laufe der Zeit die Strukturen in der DDR in die Strukturen des DHBs eingegliedert wurden und eine ausführliche Schilderung der Geschichte des Handballs in der DDR den Rahmen meiner Arbeit sprengen würde. Festzuhalten gilt es jedoch, dass Handball auch in der sowjetischen Besatzungszone eine große Rolle spielte und die Handballspieler aus der DDR außerordentlich erfolgreich waren in ihrer Disziplin (vgl. Reisner & Späth, 2007, S. 23ff).
Ein Jahr nach Gründung des DHBs, dessen erster Präsident Willi Daume hieß, wurden bereits die ersten Deutschen Meisterschaften in der Halle ausgetragen. Hallenhandball wurde von nun an als gleichberechtigte Disziplin zum Feldhandball gesehen. Dennoch lag der Schwerpunkt des Spielbetriebs zunächst noch im Bereich Feldhandball (vgl. Trosse, 2001, S. 16). Um den Status Quo zu erhalten, wurde dem Feldhandball eine Regeländerung zuteil, die das so genannte „Betonsystem“ abschaffen und die Sportart schwungvoller machen sollte (vgl. Trosse, 2001, S. 16). So wurde das Spielfeld in drei Zonen aufgeteilt und in jedem Drittel durften sich jeweils nur sechs Spieler jeder Mannschaft befinden. Dies hatte zur Folge, dass nicht mehr alle Spieler einer Mannschaft ein nahezu unüberwindbares Abwehrbollwerk bilden konnten, was den Feldhandball zuvor sehr unansehnlich machte.
Deutschland blieb auch international weiterhin eine Macht in Sachen Feldhandball und Spieler wie Bernhard Kempa (bekannt durch den so genannten „Kempa-Trick“; siehe Abbildung 3) bereicherten diesen Sport. Aber diese laut Trosse (2001, S. 17) „permanente Überlegenheit“ (Deutschland gewann sechs von sieben Weltmeisterschaften), war mehr oder weniger auch ein Grund für den Rückgang der Zuschauerzahlen im In- und Ausland. Es gab in den 50er und 60er Jahren zwar noch Spiele vor vollbesetzten Fußballstadien, jedoch wurde das Spiel auf dem Rasen weltweit zunehmend uninteressanter und die Teilnehmerzahlen bei WM-Turnieren waren darüber hinaus rückläufig (vgl. Reisner & Späth, 2007, S. 15). Umgekehrt erfreute sich das Hallenhandball immer größer werdender Beliebtheit. Unterstützt wurde dieses Faktum durch den Bau von Sporthallen in den 60er Jahren, wodurch noch mehr Gelegenheiten zur Ausübung des Hallensports geboten waren. Trotz der weiterhin gängigen Gleichbehandlung des Handballs auf dem Feld und in der Halle, sollte der Hallenhandball seinen Siegeszug, auch bedingt durch weitere Regeländerungen, in die Wege leiten. Nach Reisner et al. (2007, S. 16) machten die Verringerung der Spielerzahl und weitere Anpassungen der Regeln an die Gegebenheiten einer Halle das Handballspiel noch „atheltischer, schneller und trickreicher“.
Der Rückgang und schlussendlich das beinahe Verschwinden des Feldhandballs wurde ausgerechnet durch Willi Daume eingeläutet. Der ehemalige Feldhandball-Nationalspieler sorgte mit einem Hallenhandball-Demonstrationsspiel dafür, dass diese Disziplin 1965 vom IOC in das Olympiaprogramm für die Spiele von 1972 in München aufgenommen wurde. Erster Olympiasieger im Hallenhandball wurde Jugoslawien um ihren Erfolgstrainer Vlado Stenzel, der aufgrund einer neuartigen Abwehrtaktik (3:2:1-Abwehrformation) seine Gegner verzweifeln ließ. Vier Jahre später durften auch die Frauen im Hallenhandball um olympisches Gold kämpfen. Stenzel führte 1978 Deutschland als Trainer zum ersten von zwei Weltmeistertiteln.
Die letzte Großfeld-Weltmeisterschaft wurde 1966 ausgetragen und von Deutschland gewonnen. National wurden zwar weiterhin parallel Meisterschaften in Feld und Halle bis in das Jahr 1975 ausgetragen, jedoch hatte von da an der Feldhandball keine Bedeutung mehr und es war meist der Hallenhandball gemeint, wenn von Handball die Rede war.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Bernhard Kempa beim Feldhandballspielen (http://www.dhb.de/typo3temp/b3b4b98d07.jpg (Stand: 27.01.2010))
Die Geschichte des schottischen, respektive britischen Handballsports ist wesentlich schneller erzählt als die des deutschen. Um einen umfassenden Einblick in die schottische Handballgeschichte zu bekommen, werde ich im Folgenden meine Ausführungen generalisieren und auf die britische Handballgeschichte ausweiten. Genaueres zu den Aufgaben und Strukturen der einzelnen Organisationen werde ich in den nächsten Kapiteln ergänzen.
Während der DHB, wie bereits erwähnt, im Jahre 1949 gegründet wurde, erblickte sein britisches Pendant erst 18 Jahre später das Licht der Welt. Gegründet wurde die BHA (= British Handball Association; siehe 3.4) in Liverpool von vier dort ansässigen Lehrern mit den Namen Phil Holden, Chris Powell, Jeff Rowland und Andy Smith (vgl. http://www.englandhandball.com/handball/index.cfm/info-point/history/). Wenig später bekamen sie Unterstützung durch den Sportgeschäftsinhaber Ken Watson, der das erste Hauptquartier für die Vereinigung bereitstellte. Finanziell unterstütze jeder der genannten Gründerväter den Verband mit sage und schreibe fünf Pfund, was damals einer nicht unbeträchtlichen Summe entsprach.
Bereits ein Jahr später, 1968, wurde die BHA auf einem Kongress der IHF in Amsterdam als Mitglied der “International Handball Federation“ akzeptiert. Ebenfalls zu erwähnen gilt es hier, dass die British Handball Association heute auch Mitglied der EHF ist.
Im darauffolgenden Jahr fand das erste internationale Spiel gegen Italien statt. Gespielt wurde im Edge Hill College in Ormskirk (England) und die Mannschaft von Großbritannien musste sich mit 12:30 geschlagen geben.
1972 bekommt der britische Handballverband die zum ersten Mal verliehene Hans Baumann Trophäe durch die IHF. Diese Auszeichnung honoriert die Zuwendung des Verbandes im Bereich Handballentwicklung und wird zu Ehren des gleichnamigen früheren Präsidenten der IHF alle zwei Jahre verliehen (siehe auch IHF Statuten auf http://ihf.info/upload/Manual/IHF_STATUTS_CHAP_21_GB.pdf).
Ebenfalls 1972 fanden die ersten nationalen britischen Meisterschaften im Handball statt und wurden von der Heriot Watt Universität aus Edinburgh (Schottland) gewonnen.
Auch zu erwähnen ist das erste offizielle Frauenspiel im Vereinigten Königreich, welches zwischen East Kilbride und Bell College in Hamilton stattfand.
Noch im selben Jahr, 1972, wurde die Scottish Handball Association (SHA; siehe 3.5 ) gegründet. Als Unterorganisation zur BHA ist der schottische Handballverband der Dachverband für Angelegenheiten, die nicht mit der IHF zusammenhängen. Des Weiteren ist die SHA nun auch Mitglied der EHF. Diese erkennt England und Schottland im Jahre 2004 als separate Mitgliedernationen an.
Als eine weitere Handballorganisation unter der königlichen Krone wurde 1985 die Commonwealth Handball Association (CHA) gegründet. Mitglieder dieses Verbandes sind unter Anderem Nigeria, Indien, Pakistan, Zypern, Sambia, Schottland und England.
Im Gründungsjahr der SHA nimmt die Handballnationalmannschaft Großbritanniens zum ersten Mal am Qualifikationsturnier zu den Olympischen Spielen teil, verliert jedoch gegen Luxemburg (12:37), Spanien (5:40), Schweiz (2:37), Italien (15:25) und gegen Belgien (1:31). Bis ins Jahr 1984 nimmt das britische Team an internationalen Wettbewerben teil und gewinnt dabei ein einziges Spiel, das WM-Qualifikationsspiel gegen die Färöer Inseln (21:19) in Italien in eben diesem besagten Jahr. Danach folgte eine Teilnahmeabstinenz des 1969 gegründeten Teams an offiziellen Wettbewerben bis ins Jahr 2007, seitdem man wieder Freundschaftsspiele bestritt und an internationalen Qualifikationsturnieren teilnimmt. Begründen kann man diese Rückkehr ins internationale Geschäft durch die Vergabe der olympischen Sommerspiele 2012 nach London im Jahre 2005, wodurch Großbritannien einen Startplatz als Ausrichternation für den Handballwettbewerb erlangte. Dieser Umstand gab der Entwicklung des Handballs in Großbritannien neuen Schwung, da der öffentliche Fokus neben anderen Sportarten auch immer mehr auf den Handballsport gerichtet wurde. Verschiedene Programme wurden ins Leben gerufen und erste Erfolge bezüglich der Entwicklung des britischen Handballsports wurden offensichtlich, wie zum Beispiel durch den historischen Sieg Großbritanniens beim Qualifikationsspiel für die Handballeuropameisterschaft der Männer gegen Bulgarien (33:32) in London im Jahre 2010. Trainer Dragan Djukic sagte nach dem glorreichen Erfolg:
Ich hoffe dieser Sieg wird für uns wie eine Art Opium – Du willst immer weitermachen. … Aber es war die ganze Mannschaft, die bis zum Ende an sich geglaubt hat und das ist entscheidend um gewinnen zu können. Wir haben keine Stars und werden in den nächsten zwei Jahren auch keine produzieren, aber unser Job ist es, ein Gewinner-Team zu schaffen, das Kampfgeist hat. (http://www.handball-world.com/news-index.php?LID=1&GID=1&auswahl=26375)
Aber auch die Frauen standen in nichts nach und erreichten 2009 zum ersten Mal überhaupt die Gruppenphase der Qualifikation zur Europameisterschaft 2010. Angeführt von der Schottin Lynn McCafferty, Kapitän der britischen Handballnationalmannschaft und meine einzige weibliche Interviewpartnerin, besiegten die Damen das finnische Team mit 17:14 (im Hinspiel) und 24:23 (im Rückspiel).
Diese Entwicklung des Handballs auf der Insel, auch bedingt durch die Vergabe der olympischen Spiele 2012 an London, wird im weiteren Verlauf ein Bestandteil meiner Arbeit sein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Lynn McCafferty (Nr. 7) beim Feiern (http://www.inthewinningzone.com/wz/imagegallery/Round%20Up/Handball/ROUND%20UP02-05-08-02-42-34.jpg (Stand: 05.06.2010))
Um einen Einblick zu bekommen, welche Verbände für welche Regionen zuständig sind und welche Verantwortungsbereiche die jeweiligen Organisationen haben, widme ich mich in diesem Kapitel nun den verschiedenen Handballverbänden auf der Welt, in Europa, in Deutschland, in Großbritannien und schließlich in Schottland. Dies dient zum einen dem Vergleich zwischen der deutschen und schottischen Handballstruktur, als auch dem Darstellen einer Hierarchie innerhalb der Organisationen im Handballsport. Beginnen möchte ich mit dem ältesten und weltumfassenden Handballverband, der IHF.
Gegründet wurde der Handballweltverband, wie bereits im Kapitel über Handballgeschichte erwähnt, nach dem Zweiten Weltkrieg im Jahre 1946 (vgl. http://www.ihf.info/TheIHF/Profile/tabid/74/Default.aspx). In Kopenhagen trafen sich damals Repräsentanten aus acht verschiedenen Ländern, dazu gehörten Dänemark, Finnland, Frankreich, die Niederlanden, Norwegen, Polen, Schweden und die Schweiz. Erster IHF-Präsident wurde der Schwede Gösta Björk, der gleichzeitig das Präsidentenamt des schwedischen Handballverbandes inne hatte. Wie man unschwer erkennen kann, beschränkte sich das Tätigkeitsfeld der IHF zunächst auf den europäischen Kontinent. So verwundert es auch nicht wirklich, dass der 1956 ausgetragene Pokal im Männerbereich European Cup hieß und unter der Schirmherrschaft der IHF stattfand. Sein Pendant für Frauen folgte fünf Jahre später.
Der Schweizer Hans Baumann, Nachfolger des ersten IHF-Präsidenten, förderte die Wiederaufnahme des Handballsports in das olympische Programm. Diese Förderung sollte sich 1972 in München als erfolgreich herausstellen, wo Hallenhandball der Männer eine olympische Disziplin darstellte. Vier Jahre später folgte der Olympiawettbewerb für Frauen. Amtierende Olympiasieger sind Frankreich bei den Männern und Norwegen bei den Frauen. Ein weiteres bemerkenswertes Ereignis während Baumanns Amtszeit war die Zunahme der IHF-Mitgliedernationen, die von 21 im Jahre 1950 auf 54 im Jahre 1972 anstieg. Die Beschränkung der IHF auf den europäischen Kontinent war mit der Teilnahme Japans an den Weltmeisterschaften 1967 endgültig gebrochen. Leider verstarb Baumann ein Jahr vor den Olympischen Spielen in München.
Dritter IHF-Präsident wurde ein weiterer Schwede mit Namen Paul Högberg, in dessen Amtszeit die Föderation ein enormes Wachstum zu verzeichnen hatte. Neben der Olympiateilnahme wurden nun auch die großen Turniere, die die IHF austrug, in vollkommen anderen Dimensionen durchgeführt. Neben den A-Weltmeisterschaften (aktuelle Weltmeister sind im Übrigen Frankreich bei den Männern und Russland bei den Frauen) gab es nun auch B- und C-Weltmeisterschaften, die als Qualifikationsturniere fungierten (von 1977-1992). Ebenfalls gab es seit 1977 auch Juniorenweltmeisterschaften und der erfolgreiche European Champions Clubs‘ Cup wurde ergänzt durch den Cup Winners‘ Cup sowie durch den IHF Cup (seit 1982, später wurde der europäische Pokalwettbewerb in EHF Cup umbenannt und in dessen Zuständigkeitsbereich übergeben). Im Zuge des 14. IHF-Kongresses in Nürnberg wurde auch die Struktur der IHF überarbeitet und die Delegierten entschieden sich dazu, dass ein Generalsekretariat in Basel (Schweiz) eingerichtet werden sollte. Des Weiteren wurden fünf Arbeitsgruppen gebildet und 1977 wurde die erste kontinentale Föderation in Amerika gegründet. Durch den politischen Disput der Großmächte USA und Russland wurde auch das Gefüge im Handballsport durcheinander gebracht. Die asiatischen Mannschaften Südkorea und China profitierten zum Beispiel davon, dass andere Mannschaften offizielle Wettbewerbe boykottierten. Dadurch konnten diese Länder Erfolge feiern bei internationalen Wettbewerben und Handball gewann dort an Beliebtheit. Aber auch in Afrika erfreute sich Handball immer größer werdender Anhängerzahlen und wurde Mannschaftssport Nummer zwei. Bedingt wurde dies durch die Erfolge Ägyptens, Algeriens und Tunesiens im Männerbereich und bei den Frauen durch Angola, Kongo und die Elfenbeinküste. Handball wurde immer mehr zum globalen Sport, auch begünstigt durch die ständig ansteigende Präsenz im Fernsehen.
1984 folgte der Österreicher und einstige Diplomat Erwin Lanc als IHF-Präsident. Er musste mit ansehen, wie der Ostblock niederging und die Supermacht Russland in mehrere autonome Republiken zersplitterte. Auch verzeichnete die IHF in dieser Zeit einen stetig wachsenden Grad an Professionalisierung im Bereich Handball und musste erkennen, dass immer mehr Kontinente nach mehr Unabhängigkeit strebten. So wurde 1991 die European Handball Federation (EHF; siehe 3.2 ) gegründet, die seither für die europäischen Pokalturniere zuständig ist und auf die ich im folgenden Kapitel genauer eingehen werde. Die IHF jedoch blieb verantwortlich für die Weltmeisterschaft der Klubmannschaften, welche 1997 in Österreich ins Leben gerufen wurde. Auch wurde in der Amtszeit von Herrn Lanc der Zyklus der Weltmeisterschaften auf zwei Jahre (seit 1993) anstelle von vier Jahren (bis 1990) geändert.
Heutiger IHF-Präsident ist seit dem Jahr 2000 Dr. Hassan Moustafa aus Ägypten, der als erster Nicht-Europäer die Fäden in der IHF zieht. Zu seinen Änderungen im Welthandball zählen die Festlegung auf jeweils 12 Teams bei Männern und Frauen während einem olympischen Turnier als auch die Einführung eines offiziellen Beachhandballturniers im Jahre 2004.
Handball erfreut sich laut der offiziellen IHF-Homepage (http://www.ihf.info/TheIHF/Profile/tabid/74/Default.aspx) immer noch zunehmendem Medieninteresse, speziell im Fernsehen. Dies spiegelt sich in wachsenden Werbeerlösen als auch in neu abgeschlossenen Fernsehverträgen wieder. Auch die IHF bekam dies zu spüren und überschritt 1988 erstmals die Mitgliederanzahl von 100 Nationen. Beim Kongress in Kairo im Jahre 2009 wurden sogar 167 Mitgliederföderationen gezählt und glaubt man den Zahlen auf der IHF-Homepage, so wird heute in 183 Ländern Handball gespielt und die Anzahl von Mannschaften beläuft sich auf schätzungsweise 800.000, was mehr als 19 Millionen Handballspielern entspricht.
Eine allumfassende Rangliste der IHF, die sowohl Männer, Frauen, als auch den Jugendbereich beinhaltet, führt Deutschland als führenden Handballverband auf, während Großbritannien (Schottland stellt kein Mitglied der IHF dar, sondern wird innerhalb der BHA geführt) noch nicht einmal zu den besten 68 Nationen gehört (vgl. http://www.ihf.info/TheGame/RankingTable/tabid/98/Default.aspx?month=7&year=2010&teamCatID=1). Hieraus lässt sich bereits schließen, dass internationale Erfolge im britischen, bzw. schottischen Handballsport kaum vorhanden sind.
Um die große Masse von Handballmannschaften besser organisieren zu können, hat die IHF mehrere Verbände unter sich stehen. Dazu gehören die Asian Handball Federation (AHF; zuständig für Asien), Confédération Africaine de Handball (CAHB; Afrika), Oceania Handball Federation (OHF; Ozeanien), Pan-American Team Handball Federation (PATHF; Nordamerika und Südamerika) und die European Handball Federation (EHF; Europa), welche ich aus Gründen der Relevanz für Schottland und Deutschland genauer betrachten möchte.
Seit ihrer Gründung am 17. November 1991 in Berlin hat die European Handball Federation (EHF) die Rolle als Botschafter und Dachorganisation des europäischen Handballs inne. Die anfangs 29 Nationen haben schnell Zuwachs bekommen und so repräsentiert die EHF heute 51 Handballverbände. Der Sitz der Föderation ist in Wien, Österreich und ihr momentaner Präsident ist Tor Lian aus Norwegen.
Zu den Mitgliedern der EHF gehört u.a. auch der Handballverband Großbritanniens. Interessant hierbei ist, dass neben dem Team GB (= Name der britischen Nationalmannschaften) zusätzlich auch England und Schottland jeweils eigene Nationalverbände haben, die an Europapokalwettbewerben teilnehmen und somit separat zur EHF gehören. Zu erahnen ist daher, dass dieser Umstand zu Spannungen zwischen den drei eigenständigen Vereinigungen führen könnte. Auf die englischsprachigen Handballverbände komme ich später noch zu sprechen.
Zum Zuständigkeitsbereich der EHF gehört neben der Ausrichtung der Europameisterschaften für Nationalmannschaften im Bereich Frauen und Herren (aktuelle Handballeuropameister sind Frankreich bei den Männern und Norwegen bei den Frauen) auch das Ausrichten mehrerer internationaler Wettbewerbe auf Vereinsebene mit insgesamt bis zu 250 teilnehmenden Clubs. Dazu gehören die EHF Champions League (CHL), der EHF-Pokal (EHF), der EHF Europapokal der Pokalsieger (engl.: Cup Winners‘ Cup = CWC), der EHF Challenge Cup (CHC) und die EHF Champions Trophy (=Vereinseuropameisterschaft). Letztere wird zwischen den drei Gewinnern der höchsten EHF-Wettbewerbe (CHL, CWC und EHF-Pokal) sowie dem Verein des Austragungsortes ausgespielt. Der Gewinner des EHF Challenge Cups nimmt nicht daran teil, da er sportlich unterlegen wäre. Grund hierfür sind die neuen Regularien, die es Vertretern starker Nationen wie Deutschland, Spanien oder Frankreich verbieten, am CHC teilzunehmen.
Ausschlaggebend für die Teilnahme an den genannten Vereinswettbewerben ist eine von der EHF ermittelte Rangliste (siehe Abbildung 5: EHF-Ranking für die Saison 2010/2011), die sich aus einer Dreijahreswertung der Pokalwettbewerbe ableiten lässt. Das Pendant hierzu wäre im Fußball die UEFA-Fünfjahreswertung. Berechnet werden zwei Punkte für einen Sieg, ein Punkt für ein Unentschieden und ein Bonuspunkt für jedes Team, das die erste Gruppenphase der CHL erreicht. Weitere Bonuspunkte gibt es für das Erreichen der Hauptrunde bzw. des Viertelfinales in der CHL sowie Halbfinale oder Finale in einem der vier Europapokalwettbewerbe. Punkte, die im Challenge Cup oder in Qualifikationsrunden erzielt werden, werden halbiert. Im Folgenden ist das komplette EHF-Ranking zu sehen, welches sich aus den Ergebnissen der Europapokalsaisons 2006/07, 2007/08 und 2008/09 ergibt (vgl. auch http:// www.handball-world.com/o.red.c/news.php?auswahl=24103&GID=1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: EHF-Ranking für die Saison 2010/2011 (http://www.thw-provinzial.de/thw/10020611.htm (Stand: 03.05.2010))
Demzufolge ist Schottland dazu befähigt, in der Saison 2010/2011 fünf Vereinsmannschaften an internationalen Wettbewerben teilnehmen zu lassen. Jedoch fehlen auf Vereinsebene, wie auch auf Ebene der Nationalmannschaft, die entsprechenden Erfolge des schottischen Handballsports. Dazu aber später mehr.
Weitere Leistungen der EHF ist das Durchführen der Youth Handball Convention, das Anbieten einer Vielzahl von Lehrgängen für Schiedsrichter, Trainer und Abgesandte sowie die Unterstützung entwicklungsschwacher Nationen im Bereich Handball durch das EHF Foster Project. Des Weiteren repräsentiert die EHF die europäische Handballfamilie auf der internationalen Bühne, dies beinhaltet Vereine, Spieler, Schiedsrichter, Delegierte und viele mehr.
Ziel der Europäischen Handballföderation ist es laut Homepage (vgl. http://www.eurohandball.com/ehf/about), die verfügbaren Ressourcen in die Entwicklung des Handballsports zu investieren mit der Zielvorgabe, die Produktplatzierung des Handballs im konkurrierenden Sportmarkt zu optimieren. Der wirtschaftliche Faktor scheint in den EHF-Statuten eine große Rolle zu spielen.
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