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Bachelorarbeit, 2011
43 Seiten, Note: 1,7
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Zielsetzung und Ablauf der Untersuchung
2 Die Unternehmensinsolvenz im deutschen Recht
2.1 Eröffnungsgründe
2.1.1 Zahlungsunfähigkeit
2.1.2 Drohende Zahlungsunfähigkeit
2.1.3 Überschuldung
2.2 Das Regelinsolvenzverfahren
2.2.1 Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
2.2.2 Sicherungsmaßnahmen im vorläufigen Insolvenzverfahren
2.2.3 Eröffnung des Insolvenzverfahrens
2.2.4 Die Gläubigergruppen
2.2.5 Der Berichts- und Prüfungstermin
2.2.6 Die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
2.3 Der Insolvenzplan
2.3.1 Aufstellung und Aufbau des Insolvenzplans
2.3.2 Prüfung und Bestätigung des Plans
2.4 Die Eigenverwaltung
2.5 Die Bedeutung der einzelnen Verfahrenswege
3 Die Unternehmensinsolvenz im britischen Recht
3.1 Die Insolvenztatbestände
3.2 Die Gläubiger
3.3 Die Liquidationsverfahren
3.3.1 Voluntary winding-up
3.3.2 Compulsory winding-up
3.4 Die Reorganisationsverfahren
3.4.1 Administration
3.4.2 Company Voluntary Arrangements
3.4.3 Scheme of Arrangement nach s. 895 Companies Act 2006
3.5 Die Bedeutung der einzelnen Insolvenzverfahren
4 Schlussbetrachtung und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der Rechtsquellen
Tabelle 1: Insolvenzanträge, Eigenverwaltung und Insolvenzpläne in Deutschland
Tabelle 2: Liquidationsverfahren und andere Verfahren in 32 England & Wales
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Vergabe von Krediten an Unternehmen ist, unabhängig von der Ausgestaltung der Kreditbeziehung, immer mit einem Ausfallrisiko verbunden. Die Aufgabe des Insolvenzrechts ist es deshalb Gläubigern eine gewisse Basissicherung für ihre Forderungen gegenüber Unternehmen zu bieten. Mit Hilfe eines Gesamtvollstreckungsverfahrens, an dem alle in Frage kommenden Gläubiger beteiligt werden, wird im Insolvenzfall versucht bestehende Ansprüche gegenüber dem Schuldner soweit wie möglich zu begleichen. Dazu regelt der Gesetzgeber Auslöser für die Unternehmensinsolvenz und die sich anschließenden Verfahren, durch die die Gläubiger ihre Ansprüche durchsetzen können.[1]
Ziel dieser Untersuchung ist es, einen Vergleich zwischen den Insolvenzrechtssystemen Deutschlands und Großbritanniens anzustellen. Dazu wird für beide Systeme untersucht, welche Umstände jeweils zur Auslösung der Unternehmensinsolvenz führen, wie das darauf folgende Insolvenzverfahren abläuft und welche Konsequenzen sich daraus schlussendlich für das betroffene Unternehmen ergeben (Sanierung oder Liquidierung). Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Möglichkeit der Einflussnahme des Schuldners, der Gläubiger, und des zuständigen Insolvenzgerichts auf den Verfahrensverlauf gelegt.
Die Darstellung der jeweiligen Insolvenzrechtssysteme erfolgt in getrennten Kapiteln. Das deutsche Insolvenzrecht wird in Kapitel 2 behandelt. Die Darstellung umfasst die Eröffnungsgründe (2.1), das Regelinsolvenzverfahren nebst alternativen Verfahrenswegen (2.2 - 2.4), sowie eine Einordnung aller Verfahrenswege in das deutsche Insolvenzgeschehen (2.5). In Kapitel 3 wird das britische Insolvenzrecht anhand einer vergleichbaren Gliederung vorgestellt. Einleitend wird auf die Insolvenztatbestände (3.1) und beteiligten Gläubigergruppen (3.2) eingegangen. Darauf folgen die Insolvenzverfahren, die in Liquidations- (3.3) und Reorganisationsverfahren (3.4) unterteilt werden. Das Kapitel schließt mit einer Einordnung der Verfahren in das englische Insolvenzgeschehen (3.5). Abschließend werden in Kapitel 4 die wichtigsten Ergebnisse der eingangs beschriebenen Untersuchung dargestellt. Darüber hinaus werden einige Fragestellungen aufgezeigt, die sich daraus ergeben.
Im deutschen Recht regelt die am 1.1.1999 in Kraft getretene Insolvenzordnung den Eintritt und Ablauf von Unternehmensinsolvenzen. Im Sinne des Gesetzes insolvenzfähig sind alle natürlichen[2] und juristischen Personen, sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 InsO). Im Insolvenzfall kommt ein Insolvenzverfahren zur Anwendung, das einer Gruppe von Gläubigern ermöglicht, ihre Forderungen gegenüber einem gemeinsamen Schuldner (dem Unternehmen) zwangsweise zu vollstrecken. Zu diesem Zweck wird das Schuldnervermögen verwertet und an die Gläubiger verteilt.[3]
Als gleichwertige Alternative zur Liquidierung des Unternehmens im Rahmen dieses Regelinsolvenzverfahrens besteht die Möglichkeit, über einen Insolvenzplans davon abweichende Vereinbarungen zu treffen, insbesondere (aber nicht ausschließlich) um den Fortbestand des insolventen Unternehmens zu ermöglichen (§ 1 InsO). Dabei ist es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, dass erhaltenswerte Unternehmen nach Möglichkeit saniert werden.[4] In jedem Fall sollen durch das Insolvenzverfahren die Gläubiger gleichmäßig befriedigt werden, weshalb das Vorgehen einzelner Gläubiger gegen den Schuldner nach Möglichkeit verhindert wird.[5]
Die Insolvenz eines Unternehmens bedeutet für dessen Gläubiger, dass diese nicht mehr mit der Erfüllung sämtlicher ihnen gegenüber bestehenden Verbindlichkeiten rechnen können.[6] Der Gesetzgeber konkretisiert diesen Zustand, indem er drei mögliche Auslöser für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens benennt: Die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) oder die Überschuldung (§ 19 InsO).[7] In der Praxis sind vor allem die Zahlungsunfähigkeit und die Zahlungsunfähigkeit in Verbindung mit Überschuldung Auslöser von Unternehmensinsolvenzen, während die drohende Zahlungsunfähigkeit kaum eine Rolle spielt.[8]
Nach § 17 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund vor, wenn es einem Schuldner nicht mehr möglich ist, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Dies ist in der Regel der Fall, wenn er seine Zahlungen eingestellt hat. Zahlungsfähigkeit bedeutet hier immer Geldliquidität. Die Möglichkeit Vermögensgegenstände zu veräußern oder Aktivvermögen zu beleihen, um die Liquidität zu verbessern, spielt bei der Bewertung der Zahlungsfähigkeit deshalb keine Rolle.[9] Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein Schuldner zahlungsunfähig, wenn er auf Grund mangelnder Zahlungsmittel voraussichtlich dauerhaft nicht dazu in der Lage sein wird, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im Wesentlichen zu berichtigen.[10] Von dieser tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit eines Unternehmens muss allerdings die bloße Zahlungsstockung abgegrenzt werden. Die Rechtsprechung unterscheidet an Hand des Zeitraums der benötigt wird, um die benötigten liquiden Mittel zu beschaffen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine kreditwürdige Person dazu innerhalb von drei Wochen in der Lage ist. Kann eine Liquiditätslücke also innerhalb von drei Wochen geschlossen werden, so ist nur von einer Zahlungsstockung auszugehen. Das Gleiche gilt, wenn die Summe der Verbindlichkeiten, die innerhalb von drei Wochen nicht erfüllt werden können, 10% der Gesamtverbindlichkeiten des Unternehmens nicht übersteigt. Beträgt die Liquiditätslücke jedoch mehr als 10% oder ist davon auszugehen, dass dies demnächst der Fall sein wird, so ist von Zahlungsunfähigkeit auszugehen.[11] In der Praxis wird auf Indizien, wie die Zahlungseinstellung oder Schließung des Betriebs, zurückgegriffen.[12]
Auch die nur drohende Zahlungsunfähigkeit ist gem. InsO Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren. Den Antrag auf Verfahrenseröffnung kann in diesem Fall aber nur der Schuldner, nicht aber seine Gläubiger, stellen (§ 18 Abs. 1 InsO). Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit wird ausgegangen, wenn es dem Schuldner aller Voraussicht nach nicht möglich sein wird, seine Verbindlichkeiten zum Erfüllungszeitpunkt zu begleichen (§ 18 Abs. 2 InsO). Voraussichtlich bedeutet, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit größer sein muss als die Wahrscheinlichkeit für deren Nichteintritt.[13] Es handelt sich hier jedoch um ein Wahlrecht, da die Geschäftsführung[14] eines betroffenen Unternehmens nicht dazu verpflichtet ist einen Insolvenzantrag zu stellen. Unterlässt sie es, so kann sie dafür auch nicht sanktioniert werden. Das alleinige Antragsrecht des Schuldners soll ihn bei der Sanierung unterstützen, bevor es zur Insolvenz durch Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung kommt. Er kann durch den Insolvenzantrag verhindern, dass seine Gläubiger Sicherungsrechte geltend machen oder Vermögenswerte durch Einzelzwangsvollstreckung zerschlagen werden. Da einzelnen Gläubigern ihre Partikularinteressen unter Umständen wichtiger sein könnten, als zur Rettung des Unternehmens beizutragen, steht ihnen kein Antragrecht zu.[15]
Der Tatbestand der Überschuldung ist für juristische Personen und Personengesellschaften, in denen keine natürliche Person als haftender Gesellschafter auftritt, Eröffnungsgrund für ein Insolvenzverfahren (§ 19 Abs. 1 & 3 InsO). Das Kriterium der Überschuldung stellt hier eine zusätzliche Absicherung der Gläubiger dar, weil ihre Ansprüche durch die Haftungsbeschränkung bei Unternehmen dieser Rechtsformen auf das Gesellschaftsvermögen besonders gefährdet sind.[16] Die Definition des Überschuldungstatbestandes im § 19 InsO wurde durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz verändert (Artikel 5 FMStG), um Unternehmen vor dem Hintergrund der allgemeinen Finanzkrise vor der Insolvenz durch bilanzielle Überschuldung zu schützen und gilt nur befristet bis Ende 2013.[17] Grundsätzlich gilt, dass sich der Tatbestand der Überschuldung aus zwei Teilen zusammensetzt: dem exekutorischen Element (rechnerische Überschuldung) und dem prognostischen Element (Lebensfähigkeit).[18] Da diesen Elementen, je nach Fassung des § 19 InsO, unterschiedliche Bedeutung zukommt, werden im Folgenden beide Fassungen vorgestellt.
Gemäß § 19 Abs. 2 InsO a.F. (gültig im Zeitraum bis Oktober 2008 und ab dem 1.1.2014) ist ein Unternehmen überschuldet, wenn es seine bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr durch sein Vermögen decken kann. Dabei ist das Vermögen unter der Annahme der Unternehmensfortführung zu bewerten, falls diese als überwiegend wahrscheinlich angesehen wird.[19] Nach herrschender Meinung sind die rechnerische Überschuldung und Fortführungsprognose bei Prüfung auf Überschuldung hier nicht gleich zu gewichten. So muss in einem ersten Schritt eine stichtagsbezogene Überschuldungsbilanz aufgestellt werden. Das Unternehmensvermögen wird hier mit Liquidationswerten und nicht auf Basis der Vorschriften des Handelsgesetzes (z. B. §§ 246ff., 252ff., 264ff. HGB) angesetzt und bewertet. Gleichwohl die Handelsbilanz nicht zur Prüfung herangezogen werden darf, so kann ihr Mengengerüst dennoch als Ausgangspunkt genutzt werden. Des Weiteren kann die bilanzielle Überschuldung auf Basis der Handelsbilanz als Anzeichen für eine insolvenzrechtliche Überschuldung gesehen werden.
Ergibt der Vergleich eine Deckung aller Verbindlichkeiten, so liegt keine Überschuldung vor. Ist das Unternehmen jedoch rechnerisch überschuldet, so muss anschließend eine Prognose zur Überlebensfähigkeit des Unternehmens mit einem Planungshorizont von ein bis zwei Jahren[20] angestellt werden, bevor die Überschuldung im rechtlichen Sinne festgestellt werden kann. Fällt die Prognose negativ aus, so ist das Unternehmen überschuldet. Wird die Überlebensfähigkeit hingegen bestätigt, so ist die Überschuldungsbilanz im Hinblick auf die Fortführungswerte (going-concern-Werte) des Vermögens zu korrigieren und erneut ein Vergleich zwischen Vermögen und Schulden anzustellen. Können die ausstehenden Verbindlichkeiten auch jetzt nicht gedeckt werden, so ist das Unternehmen auch im rechtlichen Sinn überschuldet und es muss ein Insolvenzantrag gestellt werden.[21]
Gemäß der aktuell gültigen Legaldefinition (gültig Zeitraum Oktober 2008 bis Ende 2013) ist ein Unternehmen überschuldet, wenn es seine bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr durch sein Vermögen decken kann. Ist die Fortführung des Unternehmens jedoch als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, so liegt keine Überschuldung vor (§ 19 Abs. 2 InsO). Hier werden das exekutorische und das prognostische Element als gleichwertig angesehen (modifizierter zweistufiger Überschuldungsbegriff), sodass bei einer positiven Fortführungsprognose grundsätzlich auf eine Gegenüberstellung von Vermögen und Verbindlichkeiten verzichtet werden kann. Sobald jedoch Anzeichen für eine Gefährdung der Lebensfähigkeit in der Zukunft vorliegen, muss ein Vergleich angestellt werden.[22]
Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss in jedem Fall schriftlich gestellt werden. Als Antragsberechtigte kommen sowohl der Schuldner, als auch seine Gläubiger in Frage. Eine Verfahrenseröffnung durch Gerichte oder Behörden ist nicht vorgesehen, da dies der bestehenden Wirtschafts- und Privatrechtsordnung zuwider liefe.[23]
Solange das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet wurde, kann der Antrag jederzeit zurückgezogen werden (§ 13 InsO). Nach Erlass eines Eröffnungsbeschlusses ist dies jedoch nicht mehr möglich, da das Antragsverfahren nun in ein Amtsverfahren übergegangen ist und das kollektive Interesse aller Gläubiger höher zu bewerteten ist, als das Interesse des einzelnen Antragstellers.[24] Stellt ein Gläubiger den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, so muss er sein rechtliches Interesse daran nachweisen und sowohl seine Forderungen als auch die Existenz eines Eröffnungsgrundes belegen (§ 14 Abs. 1). Der Gesetzgeber geht von einem bestehenden rechtlichen Interesse nur dann aus, wenn der Gläubiger im Falle der Verfahrenseröffnung auch tatsächlich an diesem beteiligt wäre. Auf diesem Weg soll eine missbräuchliche Antragsstellung verhindert werden.[25] Stellt der Schuldner den Antrag und handelt es sich dabei um eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so kann der Antrag von jedem Mitglied des Vertretungsorgans bzw. jedem persönlich haftenden Gesellschafter, sowie jedem Abwickler gestellt werden (§ 15 Abs. 1 InsO). Die Geschäftsführung ist dazu verpflichtet den Insolvenzantrag ohne schuldhaftes Zögern innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen (§ 15a Abs. 1 InsO).[26] Die Frist beginnt mit Eintritt des Insolvenztatbestands. Dabei ist jedoch nicht das Wissen um die Existenz der Tatbestände selbst, sondern die Kenntnis der Umstände die dazu geführt haben, entscheidend. Vor diesem Hintergrund muss die Geschäftsführung eines Unternehmens dessen Liquidität und Überschuldung regelmäßig prüfen, um ihren Haftungsverpflichtungen gerecht zu werden.[27]
Damit der Insolvenzantrag vom Insolvenzgericht angenommen wird, muss neben einem Insolvenzgrund weiterhin nachgewiesen werden, dass das Vermögen des Schuldners voraussichtlich ausreichen wird die Kosten des Verfahrens zu decken. Ist kein Vermögen in ausreichender Höhe vorhanden, so wird der Antrag abgelehnt, es sein denn ein Dritter schießt die entsprechende Summe vor (§ 26 Abs. 1 InsO). Die zukünftig anfallenden Kosten vor Beginn des Verfahrens exakt zu bestimmen, ist jedoch in der Regel nicht möglich.[28] Deshalb muss nach herrschender Meinung hier keine exakte Rechnung angestellt werden, sondern es genügt eine Schätzung.[29]
Im Zeitraum zwischen Antragsstellung und Verfahrenseröffnung muss das Vermögen des insolventen Unternehmens in besonderem Maße geschützt werden. Einerseits müssen einzelnen Gläubiger davon abgehalten werden schon im Vorfeld des Verfahrens Zugriff auf Vermögenswerte zu erlangen, andererseits gilt es zu verhindern, dass der Schuldner versucht, Teile seines Vermögens dem Zugriff des Insolvenzverfahrens zu entziehen. Auch die Bereitschaft der Geschäftsführung, das Unternehmen im Insolvenzfall verantwortlich weiterzuführen, kann mitunter bezweifelt werden. Deshalb obliegt es dem Insolvenzgericht geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Schuldnervermögens zu ergreifen.[30] So kann es einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, die Möglichkeiten des Schuldners, über sein Vermögen zu verfügen, einschränken oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner unterbinden (§ 21 InsO).
Um Wertverlusten durch Entwendung von Vermögensgegenständen oder Untätigkeit der Geschäftsführung zu begegnen, ist die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters zwingend notwendig.[31]
Bestätigt das Insolvenzgericht die zuvor beschriebenen Voraussetzungen für die Verfahrenseröffnung, so wird das Insolvenzverfahren eröffnet.[32] In einem Eröffnungsbeschluss bestellt das Gericht den Insolvenzverwalter (§ 21 Abs. 1 InsO). Darin werden die Gläubiger dazu aufgerufen, dem Verwalter ihre Forderungen innerhalb einer Frist[33] bekanntzugeben und ihn über bestehende Sicherungsrechte zu informieren. Die Schuldner des insolventen Unternehmens werden dazu aufgefordert, ihre Verbindlichkeiten nur noch durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter zu begleichen (§ 28 InsO). Darüber hinaus werden im Eröffnungsbeschluss Termine für zwei Gläubigerversammlungen festgelegt, auf denen der weitere Ablauf des Verfahrens beschlossen (Berichtstermin) und die Zulässigkeit der angemeldeten Forderungen geprüft wird (Prüfungstermin) (§ 29 InsO). In Folge der Verfahrenseröffnung wird dem Unternehmen das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über sein Vermögen entzogen und auf den Insolvenzverwalter übertragen (§ 80 Abs. 1 InsO). Zwangsvollstreckungen in das Unternehmensvermögen durch einzelne Gläubiger sind nun nicht mehr möglich (§ 89 Abs. 1 InsO), um die gleichmäßige Befriedigung aller Ansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens sicherzustellen.[34]
Das Vermögen bildet nun die Insolvenzmasse, aus der die Ansprüche der Gläubiger im weiteren Verfahrensablauf befriedigt werden. Die Insolvenzmasse umfasst sowohl das bei Verfahrenseröffnung vorhandene Vermögen des insolventen Unternehmens, als auch Vermögenswerte, die im weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens in dessen Besitz gelangen (§ 35 InsO). Der Schuldner ist zu diesem Zeitpunkt noch alleiniger Eigentümer seines Vermögens, ohne jedoch darüber verfügen zu können. Im Rahmen der folgenden Verwertung durch den Insolvenzverwalter wird er schrittweise enteignet.[35]
Das Insolvenzverfahren dient den Gläubigern dazu ihre Ansprüche gegenüber dem Unternehmen durchzusetzen. Bei der Vermögensverteilung kommen jedoch nicht allen Gläubigern die gleichen Rechte zu. Die Insolvenzordnung unterscheidet hinsichtlich ihrer Stellung innerhalb des Verfahrens zwischen
vier Gläubigergruppen: Den (einfachen) Insolvenzgläubigern, den nachrangigen Insolvenzgläubigern, den absonderungsberechtigten Insolvenzgläubigern, sowie den Massegläubigern. Über ihnen stehen die Aussonderungsberechtigten, denen Gegenstände gehören, die der Schuldner zwar in Besitz hat, jedoch über keinerlei Eigentumsrecht an ihnen verfügt. Ihre Ansprüche werden nicht durch die Verteilung im eigentlichen Insolvenzverfahren, sondern durch vorgelagerte Aussonderung befriedigt.[36]
Als eigentliche Insolvenzgläubiger gelten diejenigen, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung begründete Vermögensansprüche gegenüber dem Unternehmen inne hatten. Das Verfahren dient ihrer Befriedigung (§ 39 InsO). Wenn im Gesetz der Begriff Gläubiger genutzt wird, so ist stets diese Gruppe gemeint. Hinsichtlich der Beteiligung am Verwertungserlös des Vermögens stehen sie jedoch nur an dritter Stelle, da zuvor die Befriedigung der Absonderungsberechtigten und der Massegläubiger erfolgt.[37] Die Forderungen der Massegläubiger ergeben sich aus Verbindlichkeiten, die bei der Durchführung des Insolvenzverfahrens und durch das Handeln des Insolvenzverwalters entstanden sind[38] (§§ 53, 55 InsO). Zu den Absonderungsberechtigten zählen Gläubiger, die über Pfand- oder Sicherungsrechte an bestimmten Vermögensgegenständen verfügen. Damit haben sie das Recht vorrangig aus den Verwertungserlösen der gesicherten Gegenstände befriedigt zu werden. Die Herauslösung und Übernahme der Vermögensgegenstände aus der Insolvenzmasse steht ihnen jedoch nicht zu.[39] Die Ansprüche nachrangiger Gläubiger werden schließlich als letztes berücksichtigt. Hier handelt es sich in erster Linie um Zins- und Verfahrenskosten, die den Gläubigern im Verlauf des Insolvenzverfahrens entstanden sind (§ 39 InsO). In der Praxis spielen sie so gut wie keine Rolle, da es in der Regel zu keiner vollständigen Befriedigung der ihnen gegenüber bevorzugten Insolvenzgläubiger kommt.[40]
Im Berichtstermin unterrichtet der Insolvenzverwalter die Gläubiger über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und die Ursachen für die Insolvenz. Er muss den Gläubigern außerdem darlegen, ob die Möglichkeit besteht, die Gesellschaft ganz oder teilweise zu erhalten, wie die Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplans erfolgen könnte und wie sich diese Optionen jeweils auf die Befriedigung ihrer Forderungen auswirken würden. Die Gläubiger und der Schuldner haben dann die Möglichkeit zu dem Bericht Stellung zu nehmen (§ 156 InsO). Im Folgenden wird dann über den weiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens entschieden. Die Gläubiger beschließen, ob das insolvente Unternehmen stillgelegt oder fortgeführt werden soll und können den Insolvenzverwalter beauftragen einen Insolvenzplan aufzustellen, dessen Ziele sie festlegen (§ 157 InsO). Außerdem kann die Gläubigerversammlung darüber abstimmen, ob der (durch das Gericht) eingesetzte Insolvenzverwalter durch einen anderen Kandidaten ersetzt werden soll. Dem muss eine Mehrheit der Gläubiger zustimmen (§ 56 InsO). Grundsätzlich gilt für jede Abstimmung der Gläubigerversammlung, dass die Forderungen der für einen Antrag stimmenden Gläubiger mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Forderungen aller anwesenden Gläubiger ausmachen muss (§ 76 Abs. 2 InsO). Im Anschluss an den Berichtstermin ist es Aufgabe des Insolvenzverwalters das Unternehmensvermögen zu verwerten, es sei denn, die Gläubiger haben einen anders lautenden Beschluss gefasst (§ 159 InsO).
Bereits im Eröffnungsbeschluss wurden die Gläubiger durch das Gericht dazu aufgefordert, alle ihre Forderungen gegenüber dem insolventen Unternehmen beim Insolvenzverwalter anzumelden und zu begründen, der sie dann in eine Tabelle aufnimmt (§§ 28 Abs. 1, 174, 175 InsO). Dies ist Voraussetzung, um bei der Verteilung des Unternehmensvermögens berücksichtigt zu werden.[41] Forderungen, die nach Ablauf der festgelegten Frist angemeldet wurden, sind von der Verteilung jedoch nicht ausgeschlossen. Entstehen dadurch jedoch Kosten, beispielsweise durch zusätzliche Prüfungstermine, so sind diese von den säumigen Gläubigern zu tragen (§ 177 InsO).
Im Prüfungstermin werden die Forderungen dann hinsichtlich ihrer Berechtigung geprüft (§ 176 InsO). Schuldner und Gläubigern ist die Teilnahme freigestellt, während der Insolvenzverwalter anwesend sein muss.[42] Forderungen, gegen die niemand Einspruch erhebt, werden sodann in die Forderungstabelle eingetragen. Sie bilden damit die Grundlage der folgenden Vermögensverteilung.[43]
Dem Insolvenzverwalter ist es weitestgehend freigestellt wie er das Vermögen verwertet. Er kann Vermögenswerte, zu tendenziell niedrigeren Preisen, einzeln verkaufen oder das Unternehmen als Einheit veräußern. Ausstehende Forderungen können eingetrieben oder ebenso veräußert werden. Die beträchtlichen Freiheiten des Insolvenzverwalters sollen ihm eine optimale Verwertung des Vermögens ermöglichen.[44] Mit Zustimmung der Gläubiger kann der Insolvenzverwalter bereits vor Abschluss der Verwertung Abschlagsverteilungen vornehmen (§ 187 InsO). Nach Beendigung der Verwertung findet mit Zustimmung des Gerichts die Schlussverteilung statt. Hier verteilt der Insolvenzverwalter die vorhandenen liquiden Mittel auf Basis eines Verteilungsverzeichnisses, das die zuvor festgestellten Forderungen enthält, unter den Insolvenzgläubigern (§§ 188, 196 InsO). Zuvor müssen allerdings die Verfahrenskosten bezahlt und die Ansprüche der Massegläubiger und Absonderungsberechtigten beglichen worden sein. Die einfachen Insolvenzgläubiger können deshalb im Durchschnitt nur mit Auszahlung von 3 bis 5% des ihnen zustehenden Forderungswertes rechnen. Jeder einfache Insolvenzgläubiger erhält auf seine Ansprüche die Insolvenzquote, die sich aus seinem Anteil an den festgestellten Forderungen und der Insolvenzmasse ergibt.[45]
Mit Abschluss der Schlussverteilung hebt das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren auf (§ 200 InsO). Juristische Personen werden im Anschluss auf Grund von Vermögenslosigkeit gelöscht, während natürlichen Personen der Eintritt in ein Restschuldbefreiungsverfahren[46] offen steht.[47]
Ein Insolvenzplan kann nur vom Schuldner selbst oder dem zuständigen Insolvenzverwalter bei Gericht eingereicht werden. Dies kann bereits mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschehen (§ 218 Abs.1 InsO). Die Gläubiger können darauf nur insofern Einfluss nehmen, als das sie den Verwalter mit der Ausarbeitung eines Plans beauftragen können (§ 218 Abs.2 InsO). Bezüglich der Planstruktur schreibt der Gesetzgeber eine Gliederung in zwei Teile vor: den darstellenden und den gestaltenden Teil (§ 219 InsO).
Im darstellenden Teil sollen alle Grundlagen und Auswirkungen des Insolvenzplans beschrieben werden, die die Gläubiger und das Insolvenzgericht für die Beurteilung des Plans benötigen (§ 220 Abs. 2 InsO). Dazu zählen Informationen zu den Insolvenzursachen und der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, das konkrete Planziel, sowie das angestrebte Sanierungskonzept. All dies sollte sich auf betriebswirtschaftlicher Analyse stützen und um eine Vergleichsrechnung ergänzt werden, die die Vorteilhaftigkeit des Plankonzepts für die Gläubiger im Vergleich zur Unternehmensliquidierung im Regelverfahren belegt.[48]
Der gestaltende Teil regelt Änderungen der Rechtsstellung aller Beteiligten durch den Insolvenzplan (§ 221 InsO) und wie im Folgenden mit ihren Forderungen zu verfahren ist (§ 224 InsO). Als Beteiligte im Sinne des Gesetzes gelten hier die absonderungsberechtigten Gläubiger und die Insolvenzgläubiger, nicht aber die Gesellschafter des Schuldners. Ihnen bleibt es freigestellt, ob sie sich am Verfahren beteiligen oder nicht.[49] Mit der Befriedigung dieser Gläubiger tritt für den Schuldner, falls nichts anderes festgelegt wurde, die Restschuldbefreiung ein (§ 227 InsO). Die Forderungen nachrangiger Gläubiger gelten in diesem Fall als erlassen (§ 225 InsO). Zur Festlegung ihrer Rechte müssen die beteiligten Gläubiger in Gruppen eingeteilt werden. Dabei ist mindestens für die absonderungsberechtigten Gläubiger, die normalen- und die nachrangigen Insolvenzgläubiger (es sei denn, ihre Forderungen wurden erlassen) jeweils eine Gruppe zu bilden (§ 222 InsO). Innerhalb einer Gruppe werden für gewöhnlich alle Gläubiger gleich behandelt (§ 226 InsO).
Zielt der Insolvenzplan auf eine Sanierung des Unternehmens, so sind ihm Anlagen beizufügen, die die geplante Vermögens-, Ergebnis und Finanzlage der Gesellschaft für den Zeitraum der Sanierung beschreiben (§§ 229, 230 InsO). Wichtigste Adressaten sind die Gläubiger, da sie auf Basis der Plan-Vermögensübersicht, der Plan-GuV und der Plan-Liquiditätsrechnung entscheiden müssen, ob sie die im darstellenden Teil formulierten Konzepte und Ziele für umsetzbar halten oder nicht. Des Weiteren muss eine Erklärung des Schuldners beigefügt werden, in der er sich zur Unternehmensfortführung auf Basis des Insolvenzplans bereit erklärt.[50]
[...]
[1] Vgl. Rudolph (2006), S. 521.
[2] Ausschließlich kaufmännisch tätige natürliche Personen unterliegen der InsO.
[3] Vgl. Elsner (2008), S. 974-975.
[4] Vgl. Vennemann (2007), S. 76.
[5] Vgl. Beck (2010), S. 13.
[6] Vgl. Franke/Hax (2009), S.520.
[7] Vgl. Frege/Keller/ Riedel (2008), S. 157.
[8] Vgl. Paffenholz/Kranzusch (2007), S. 45.
[9] Vgl. Uhlenbruck/Gundlach (2010), S. 135.
[10] Vgl. Seagon (2009), S. 585.
[11] Vgl. BGH Urteil v. 24.05.2005 (IX ZR 123/04), abgedr. in NJW (2005), S. 3062.
[12] Vgl. Seagon (2009), S. 585.
[13] Vgl. Begr. RegE zu § 22, abgedr. in Uhlenbruck (1994), S. 318.
[14] Geschäftsführung wird hier als Oberbegriff für Geschäftsleitung, Vorstände, haftende Gesellschafter, Selbstständige und Freiberufler verwendet.
[15] Vgl. Sietz (2010), S. 228-229; Schmerbach (2009a), S. 265.
[16] Vgl. Seagon (2009), S. 585.
[17] Vgl. Uhlenbruck/Gundlach (2010), S. 143-144.
[18] Vgl. Sietz (2010), S. 235.
[19] Vgl. Frege/Keller/Riedel (2008), S. 169.
[20] Vgl. Beck/Möhlmann (2000), S. 13.
[21] Vgl. Sietz (2010), S. 234ff.; Uhlenbruck/Gundlach (2010), S. 145-146 und 151.
[22] Vgl. Sietz (2010), S. 235.
[23] Vgl. Begr. RegE zu § 13 InsO, abgedr. In Uhlenbruck (1994), S. 313.
[24] Vgl. Sietz (2010), S. 242.
[25] Vgl. Begr. RegE zu § 14 InsO, abgedr. in Uhlenbruck (1994), S. 313.
[26] Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit nur, wenn keine natürliche Person haftet.
[27] Vgl. Bormann/Dennert-Rüsken (2010), S. 49.
[28] Vgl. Schmerbach (2009b), S. 398.
[29] Vgl. Haarmeyer (2007) , S. 733.
[30] Vgl. Wellensiek (2003a), S. 480.
[31] Vgl. Wellensiek (2003b), S. 497.
[32] Vgl. Frege/Keller/Riedel (2008), S. 322.
[33] Die Frist kann zwischen 2 Wochen und 3 Monaten betragen.
[34] Vgl. Seagon (2009), S. 587.
[35] Vgl. Becker (2005), S. 128.
[36] Vgl. Schulz/Bert/Lessing (2009), S. 159; zur Absonderung Ringstmeier (2010), S. 509ff..
[37] Vgl. Vennemann (2007), S. 105.
[38] Vgl. für die einzelnen Masseverbindlichkeiten Schulz/Bert/Lessing (2009), S. 172.
[39] Vgl. Schulz (2010), S. 23.
[40] Vgl. Seagon (2009), S. 592.
[41] Vgl. Sietz (2010), S. 235.
[42] Vgl. Ringstmeier (2010), S. 427-428.
[43] Vgl. Foerste (2006), S. 202.
[44] Vgl. Foerste (2006), S. 209-210.
[45] Vgl. Schulz/Bert/Lessing (2009), S. 219.
[46] Zum Restschuldbefreiungsverfahren vgl. Vallender (2003), S. 866ff..
[47] Vgl. Schulz/Bert/Lessing (2009), S. 223.
[48] Vgl. Foerste (2006), S. 230.
[49] Vgl. Maus (2003), S. 778-779.
[50] Vgl. Seagon (2006), S. 611-612.