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Forschungsarbeit, 2009
44 Seiten, Note: 1,3
1. Einleitung
2. Die Theorie als Ausgangspunkt der Untersuchung
2.1. Definition des Begriffs „Migrationshintergrund“ ; Und die abhängigen Variablen
2.2. Hintergrundfaktoren
2.2.1. Historisch
2.2.2. Ökonomisch
2.2.3. Strukturell
2.3. Finanzierung des Bildungssystems
2.3.1. Öffentliche Ausgaben für Bildung
2.3.2. Private Ausgaben für Bildung
2.4. Ausprägungen des Schulsystems
2.4.1. Erste Selektion der Schüler
2.4.2. Ganztagsschulen
3. Operationalisierung und Forschungsdesign
3.1. Die PISA – Studie 2006 und die abhängigen Variablen
3.2. Die unabhängigen Variablen im Einzelnen
3.2.1. Hintergrundfaktoren
3.2.2. Finanzierungsfaktoren
3.2.3. Schulsystemfaktoren
3.3. Forschungsdesign und Fallauswahl
4. Die vergleichende Analyse als Endpunkt der Untersuchung
4.1. Datenfunde und Datenprobleme
4.2. Univariate Analyse
4.3. Bivariate Analyse
4.4. Multivariate Analyse
5. Fazit
6. Anhang
6.1. Datenprotokoll
7. Literaturverzeichnis
8. Abstract / Zusammenfassung
Migration und die damit einhergehende Integration sind zwei der wichtigsten Politikfelder der westlichen Industrienationen. Die Wanderungsbewegungen von Südamerika über Mexiko in die USA oder auch die immer zahlreicher werdenden Versuche die Grenzen der Europäischen Union von Afrika aus zu überwinden, zeigen die Dringlichkeit dieser beiden Aufgabenbereiche für Politik und Gesellschaft.
Dass diese Themen im Blickfeld der aktuellen Tagespolitik durchaus eine zentrale Position einnehmen, zeigt zum Beispiel die Deutsche Islamkonferenz oder auch der Nationale Integrationsplan des Bundesministeriums des Inneren in Deutschland. Von zentraler Bedeutung für eine umfassende Integration, ist der Bereich der Bildung. Gleiche Bildungschancen für Migrantenkinder sind der Schlüssel für ihre Integration. Bildung ist in den modernen westlichen Industrie- und Wissensgesellschaften die Kernressource „[…] für die Teilnahme am ökonomischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben.“ (Geißler / Weber – Menges 2008: 14). Die Beherrschung der jeweiligen Landessprache für den Erfolg im Bildungssystem ist immanent und muss bei Kindern mit Migrationshintergrund gefördert werden um gleiche Chancen zu gewährleisten (BMI Online 2008).
Soll die Migrationspolitik eines Landes erfolgreich sein, müssen eine Vielzahl von Faktoren beachtet werden.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt hauptsächlich mit strukturellen Faktoren wie z.B.: Dem Einfluss des BIP auf den Bildungserfolg oder der Grad der Urbanisierung eines Landes.
Dabei steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung die Frage, welche Einflussfaktoren für die Differenz bei den Ergebnissen im Bereich „Lesekompetenz“ in der PISA-Studie 2006, von Schülern mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Schülern ohne Wanderungsgeschichte verantwortlich sind.
Somit begrenzt sich diese Arbeit räumlich auf die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und zeitlich auf die im Jahr 2006 erhobene Studie des Programme for International Student Assasment (PISA) der OECD. Im ersten Schritt werden die grundlegenden strukturellen Faktoren theoretisch erläutert. Dabei haben sich drei verschiedene Ebenen herausgestellt, die im Einzelnen beschrieben werden müssen. Um danach mittels messbaren Indikatoren die Forschungsfrage abzuleiten. Diese werden dann im letzten Schritt anhand von linearen Regressionsanalysen statistisch überprüft. Leider wurden keine Zusammenhänge gefunden, nur in einzelnen Fällen gab es Interessante Erkenntnisse. Diese reichen jedoch nicht für die absolute Beantwortung der Forschungsfrage. Trotzdem ist es sehr interessant, dass man nun anhand dieser „Nicht-Ergebnisse“ sehen kann, das die in der öffentlichen Diskussion vielfach betonten Punkte wie z.B.: Die Höhe der öffentlichen Bildungsfinanzierung keinen so großen Einfluss auf den Bildungserfolg hat, wie stets behauptet. Womit im Umkehrschluss die individuelle Bildungs- und Integrationspolitik der einzelnen Länder in den Fokus der Öffentlichkeit treten muss.
Das theoretische Fundament basiert bei jedem einzelnen Faktor auf jeweils unterschiedlicher bildungspolitischer, sozial- und wirtschaftswissenschaftlicher Fachliteratur (z.B.: Schmidt u.a. 2006, Birsl 2005, Esser 2001). Die Herkunft der Daten ist ebenfalls jeweils divergierend. Basieren die finanziellen Faktoren hauptsächlich auf Daten der OECD Studie Bildung auf einen Blick 2008 , die relativ vollständige Datensätze zulässt, so musste man bei einigen anderen Faktoren die Datensätze individuell zusammensetzen und konnte sich nicht auf eine vollständige empirische, theoretisch begründete Untersuchungen stützen, worunter die Aussagekraft des Untersuchungsmodells letztendlich leidet.
Trotzdem konnte vor allem mit Hilfe der zwei genannten OECD-Studien sowie den Stammdaten der OECD[1], ein valides und reliables Ergebnis erreicht werden, welches im Folgenden erklärt werden soll.
Der Versuch, ein so komplexes Thema wie den Einfluss bestimmter Faktoren auf die Differenz zwischen Kindern mit Migrationshintergrund und Kindern ohne Wanderungsgeschichte zu untersuchen, wirft ein grundlegendes Problem auf: Das Fehlen von adäquaten Studien zum Aufbau eines theoretischen Fundaments, welche möglichst viele Bereiche abdeckten. Daher sind die Variablen, die sog. unabhängigen Variablen, die als Grundlage für die folgende Analyse dienen, in drei Bereiche gegliedert. Im ersten Bereich werden die so genannten „Hintergrundfaktoren“ erläutert, diese umfassen die wichtigen Punkte: Bruttoinlandsprodukt, Urbanisierung und den jeweiligen Status eines jeden Landes als Einwanderungsland. Der zweite Bereich behandelt die Finanzierung des Bildungssystems und gliedert sich in öffentliche und private Bildungsfinanzierung. Abschließend werden im dritten Block die erste Selektion der Schüler sowie das Auftreten von Ganztagsschulen, als zwei schulsystemische Ausprägungen bearbeitet.
Vorerst wird jedoch der für diese Untersuchung wichtige Begriff „Migrationshintergrund“ fest definiert. Damit einhergehend die drei abhängigen Variablen beschrieben und erklärt.
Innerhalb der Forschung gibt es viele unterschiedliche Auffassungen, was unter einem „Migrationshintergrund“ zu verstehen ist. Die Definitionen divergieren sogar zwischen den einzelnen OECD – Mitgliedsstaaten, so ist in Australien oder in den USA eine Person mit Migrationshintergrund jemand der außerhalb des Landes geboren ist, also Menschen die persönlich eingewandert sind. Während in Deutschland und den meisten europäischen Staaten Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft gemeint sind (OECD 2005: 12), wobei sich in Deutschland die Definition teilweise nochmals innerhalb der Bundesländer unterscheidet[2]. So geht also mit dem Konzept der Migration, der geographische Aspekt der Wanderung bzw. der gesellschaftliche Aspekt der Staatsangehörigkeit voraus. Jedoch bindet der Begriff „Migrationshintergrund“ ebenfalls einen geschichtlichen Aspekt mit ein, was bedeutet das schon vormals Generationen einer Familie migriert sind.
Um klare Abgrenzungen vornehmen zu können verwendet diese Untersuchung die offizielle Definition der PISA-Studie 2003, welche ebenfalls in der PISA-Studie 2006 zur Anwendung kam. Es wird unteranderen in die folgenden drei Gruppen unterschieden:
- „Jugendliche ohne Migrationshintergrund . Beide Elternteile sind im Testland geboren.
- Jugendliche mit einem im Ausland geborenen Elternteil . Nur ein Elternteil der Jugendlichen ist im Ausland geboren, der andere Teil ist im Testland geboren.
- Erste Generation . Die Jugendlichen selbst sind im Testland geboren, beide Elternteile aber im Ausland.
- Zugewanderte Familien . Beide Elternteile und der bzw. die Jugendliche sind außerhalb des Testlandes geboren und aus einem anderen Land zugewandert.“ (Prenzel u.a. 2004: 256).
Somit ist jede Gruppe klar getrennt und definiert und kann auf jede der jeweils unterschiedlich zusammengesetzten Migrationsgruppen der Testländer angewendet werden.
Mit Hilfe dieser Definition werden auch die drei abhängigen Variablen, die als Basis der vergleichenden Analyse dienen, teilweise erklärt. Sie setzen sich jeweils zusammen aus der Differenz der erreichten Punktzahl im Bereich „Lesekompetenz“ der PISA – Studie 2006, zwischen Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und Jugendlichen deren Mutter oder deren Vater im Ausland geboren ist (AV 1, AV 2) oder Jugendlichen die eine persönliche Wanderungsgeschichte haben (AV 3). Die ersten beiden Variablen wurden deshalb getrennt, da die PISA – Daten einige Leistungsunterschiede zwischen Kindern deren Mutter oder deren Vater im Ausland geboren sind aufzeigen. Schüler mit einem eigenen Migrationshintergrund zeigen nochmals andere Leistungsmuster auf. Als Grund hierfür kann unteranderem die stark angestiegene Arbeitsmigration in die OECD – Staaten genannt werden, wobei hier besonders die Anwerbung von Fachkräften aus anderen Ländern prägend ist (OECD 2007: 24).
Wie in Kapitel 2.1. bereits beschrieben beinhaltet der Begriff „Migrationshintergrund“ einen historischen Aspekt, der enorm wichtig für diese Untersuchung ist. Ein weiterer historischer Aspekt, der in diese Untersuchung einfließt, ist die Tatsache, ob sich ein Land offiziell als „Einwanderungsland“ versteht und sich dazu mit Gesetzen bekennt.
Dieser Punkt ist nicht zu unterschätzen, was z.B. die Gastarbeiterpolitik der frühen Bundesrepublik oder auch die Anwerbepolitik anderer Industrienationen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeigt. Dort wurde mit der Prämisse gearbeitet, dass die angeworbenen Arbeitskräfte kurzfristig entstandene Lücken auf dem jeweiligen Arbeitsmarkt füllen sollten, um danach wieder in ihre Heimatländer zurückkehren (Birsl 2005: 298). Diese kurzfristige Planung lässt sich am besten an den nicht mehr zu übersehenden Misserfolgen innerhalb des Bildungssystems ablesen, da die nachfolgenden Generationen keine tiefgreifende Unterstützung erfahren hatten. Schon die ersten PISA Ergebnisse machten deutlich das diese Nichtintegration von Personen mit Migrationshintergrund eine Quittung dieser versäumten Politik war. Was bedeutet, dass eine kurzfristig angelegte Anwerbepolitik und eine nur rudimentär bzw. gar nicht vorhandene Migrationspolitik auf lange Sicht zu den schlechten Ergebnissen in der PISA-Studie führten (Birsl 2005: 251 – 252).
Die Zahl der Personen mit Migrationshintergrund steigt innerhalb der OECD – Staaten ständig an (OECD 2008b: 22). Dies führt zu der Annahme, dass wenn ein hoher Anteil der Bevölkerung einen Migrationshintergrund aufweist die Regierungen einen erhöhten Druck verspüren eine integrative Bildungs- und Migrationspolitik zu betreiben. Da es sich keine demokratisch gewählte Regierung leisten kann einen Teil der Bevölkerung ungleich zu behandeln. Um diesen Druck abzubauen haben die meisten Staaten der Europäischen Union schon seit längerer Zeit eine Art Einwanderungs- bzw. Zuwanderungsgesetzt, das die legale Migration in das jeweilige Land auf einer rechtlichen Grundlage regelt. Diese Gesetze können als offizielles Bekenntnis eines Landes zum eigenen Status als „Einwanderungsland“ gesehen werden. Wo hingegen Länder wie Australien, die USA, Kanada und Neuseeland als „typische Einwanderungsländer“ angesehen werden und sich auch selber so sehen (Currle / Wunderlich 2001: 71). So eröffnen sich mit der Hinwendung zu einer offenen Migrations- und Integrationspolitik für Personen mit Migrationshintergrund neue Chancen ein integrativer Teil der jeweiligen Gesellschaft ihres Wahllandes zu werden (Baringhorst u.a. 2006: 13).
Da es keine allgemeingültige Definition eines „Einwanderungslandes“ gibt, bezieht sich dieser Arbeit auf Ursula Birsl. Sie beschreibt, dass ein Land ein Einwanderungsland ist, wenn es eines der folgenden zwei charakteristischen Merkmalen besitzt: Entweder es warb nach 1945 verstärkt Arbeitskräfte an, wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland. Oder es ist durch seine koloniale Vergangenheit stark geprägt und unterhält enge Verbindungen zu seinen ehemaligen Kolonien, wodurch die Migration arbeitsmarktpolitisch erwünscht war, wie z.B. Großbritannien (Birsl 2005: 297). Hinzu kommen noch die schon erwähnten „typischen Einwanderungsländer“.
Ist der Status eines „Einwanderungslandes“, wie beschrieben, wichtig für eine neue im positiven Sinne gewandelte Bildungspolitik, so steckt die Wirtschaftskraft eines Landes den Rahmen ab, in dem eine solche Politik betrieben werden kann.
Der wirtschaftliche Wohlstand eines Landes ist einer der grundlegendsten Entscheidungsfaktoren für die Höhe der öffentlichen aber auch privaten Bildungsausgaben (Busemeyer 2006a: 288).
Vor allem die öffentlichen Ausgaben für Bildung steigen mit dem Wirtschaftswachstum eines Landes, da gleichzeitig die Steuereinnahmen steigen, was den Druck einen konsolidierten Haushalt zu gewährleisten mindert und wiederum die verfügbaren öffentlichen Mittel erhöht (Busemeyer 2006a: 289). Hier liegt die Annahme nahe das eine erhöhte Bildungsfinanzierung auch der Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund zu Gute kommt und so ein besseres Abschneiden bei der PISA – Studie ermöglicht. Gegen diese These steht allerdings ein Ergebnis aus der OECD – Studie Education at a Glance 20007. Hier wurde empirisch beleget das Länder wie Korea oder die Niederlande mit einer sehr niedrigen Ausgabenquote im Bereich Bildung, trotzdem zu der Gruppe gehörten die bei der PISA – Studie 2003 im Durchschnitt die besten Ergebnisse erzielten. Was soviel bedeutet das geringere Ausgaben für Bildung nicht zwangsläufig zu schlechten Ergebnissen führen müssen. Hier sollte jedoch beachtet werden, dass sie die Faktoren „Bildungsausgaben“ und „Bruttoinlandsprodukt“ sich in einem negativen Verhältnis zu einander bewegen (Busemeyer 2006a: 289). Steigt die Wirtschaftskraft so fällt die Bildungsausgabenquote automatisch, obwohl die absolute Höhe der Ausgaben gleich bleibt. Dadurch kann man, die der These widersprüchlichem Ergebnisse erklären.
In dieser Arbeit dient das Bruttoinlandsprodukt einzig als Indikator für die Bereitschaft eines Landes, einen großen Teil seines erwirtschafteten Kapitals, in die Ware Bildung (Wolf 2008: 18) und gleichzeitig auch in die schulische Förderung von Migranten zu investieren.
Ballungsräume und Großstädte bilden den Lebensraum von immer mehr Menschen auf dieser Erde. Im Jahr 2007 wurde die Rede vom neuen Menschen, dem „Homo urbanus“ (SZ-Online 2007) laut. Grund dafür war der Bericht der UN-HABITAT World Urban Forum der erklärte, dass zukünftig mehr Menschen in Großstädten oder deren nahem Einzugsgebiet leben, als auf dem Land (DGVN 2007).
In diesen Ballungszentren bilden sich zunehmend verschiedene ethnische Parallelgesellschaften, die sich von der Gesellschaft regelrecht abschotten (Esser 2001: 46). Dies bedeutet unter anderem, dass der Großteil der Schüler mit Migrationshintergrund zu Hause nicht die jeweilige Landessprache, sondern die Muttersprache der Eltern sprechen. Diese Tatsache wirkt sich auch stark auf die Leistungen in der Schule aus. Petra Stanat beschreibt, dass in Schulen in denen mehr als 20 % der Schüler nicht die jeweilige Landessprache sprechen, die Lesetests klar schlechter ausfallen, als in Schulen in denen der Anteil einzig 5% beträgt (Stanat 2003: 256). Dadurch kann man die These aufstellen, dass die Struktur von Großstädten und Ballungsräumen eine optimale integrative Bildungspolitik für Schüler mit Migrationshintergrund erschwert, bzw. unmöglich macht (Stanat u.a. 2003: 256). Im Umkehrschluss bedeutet das wiederum, dass die Chance für einen Migranten, erfolgreich einen Schulabschluss zu erreichen in ländlichen Gegenden weitaus höher anzusiedeln ist. Da es dort keine Möglichkeit gibt Parallelgesellschaften auszubilden und die Schüler deutlich mehr mit der jeweiligen Landessprache in Berührung kommen. Dies gilt es später zu prüfen.
Zu den staatlichen Bildungsausgaben zählen untere anderem Investitionen von Regierungen, Städten und Gemeinden für Dienstleistungen in schulische Einrichtungen aller drei Sektoren, Weiterbildungsmaßnahmen aber auch Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen, die Entlohnung der Lehrer und die Bereitstellung von Schulungsmaterial. Somit bildet diese Art der Bildungsfinanzierung den Grundstein für eine erfolgreiche Bildungspolitik.
In den OECD – Staaten finanzieren die Regierungen den größten Teil der Bildungsinvestitionen selbst, im Durchschnitt ist hier die Rede von 90% der gesamten Bildungsausgaben (Schmidt u.a. 2006: 12). Geht man nach dem Wagnerschen Gesetz (Schmidt 1998: 161), aufgestellt von dem Nationalökonom Adolph Wagner, so investiert ein Land umso mehr in Bildung oder andere öffentliche Güter je reicher es ist (Busemeyer 2006b: 396). Trotzdem entbrannte in den letzten Jahren ein „Kampf um knappe Mittel“ (Busemeyer 2006b: 394), also ein Konkurrenzdruck um die staatlichen Zuschüsse zwischen den verschiedenen Politikfeldern. In einigen Ländern zieht die Bildungspolitik dort leider den Kürzeren. Gewerkschaften sowie Sozialversicherungsinstitutionen verteidigen ihre Position enorm erfolgreich, aber auch die Sozialstaatskomponente vertreten durch Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner und andere Bedürftige ist sehr wirkungsmächtig in diesem Kampf, in dem der Bildungssektor immer weiter zurückstecken muss (Busemeyer 2006b: 400). Obwohl die Zahl der Mitglieder innerhalb des Bildungssektors sehr hoch ist, besteht jedoch kein Drohpotential (Busemeyer 2006b: 400), da der Entzug der Ressource Bildung sich erst langfristig auswirkt und keine unmittelbarer Wirkung zeigt wie z.B. die Streikaufrufe der Industriegewerkschaften die ganze Industriezweige lahmlegen können und so die Politik zum Handeln zwingen.
Dies ist eine erschreckende Erkenntnis, denn je weiter die öffentliche Finanzierung zurück geht desto weniger Möglichkeiten bleiben dem Lehrpersonal genauer auf die Bedürfnisse ihrer Schüler einzugehen, was auf kurz oder lang auch einen Rückgang der Integrationsförderung in den Schulen bedeutet. Ein Land, das gemessen an der Wirtschaftskraft erhöhte Ausgaben im Bildungsbereich tätigt, fördert rückwirkend auch die schulische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Eine bessere finanzielle Ausgangsbasis schafft mehr Anstellungsmöglichkeiten für speziell ausgebildete Lehrkräfte und einen erweiterten Anschaffungsspielraum für Schulmaterial. Manfred G. Schmidt nennt diese Art der Finanzierung „Zukunftsvorsorge“(Schmidt 2002: 3).
Ein weiterer, nicht zu vernachlässigender, Teil der Finanzierung ist neben der öffentlichen, die private Bildungsfinanzierung. Hier schreibt Schmidt, dass je höher der private Anteil an den Bildungsausgaben ist, desto weiter zieht sich der Staat von der Bildungsfinanzierung zurück (Schmidt 2002: 6).
Gegen diese These steht ein Befund der OECD Education at a Glance Studie aus dem Jahr 2008. Der besagt, dass bei Ländern mit den höchsten privaten Ausgaben im Bildungssektor gleichzeitig auch der höchste Anstieg in der öffentlichen Bildungsfinanzierung zu verzeichnen ist. Was daraufhin deutet, dass ein hoher privater Anteil nicht den öffentlichen Part ersetzen will, sondern eher ergänzend darauf einwirkt (OECD 2008a: 266).
Die OECD sieht in den privaten Bildungsausgaben die Kosten für Schul- und Studiengebühren und extra Investitionen wie z.B. Reisekosten für Klassenfahrten (OECD 2008a: 264). Gesonderte Ausgaben für Schulmaterial, Nachhilfeunterricht oder auch die Gebühren für eine Privatschule werden nicht mit einbezogen.
Die Bildung zum Teil über private Mittel zu finanzieren, ist den Mittel- und Oberschichten der Bevölkerung vorbehalten (Busemeyer 2006b: 401), den unteren Bevölkerungsschichten bleibt dieses Privileg größtenteils verwehrt. Betrachtet man die Daten des Mikrozensus[3] so zeigt sich, dass der Großteil aller Migrantengruppen in der niedrigsten Einkommensklasse[4] eingeordnet werden.
Vor diesem Hintergrund sind die finanziellen Ressourcen ein entscheidender Faktor für die weitere schulische Laufbahn der Kinder und Jugendlichen in diesen sozioökonomisch schwach gestellten Familien (Kirsten / Granato 2004: 128). Die Möglichkeit eine optimale Schulausbildung zu gewährleisten ist hier nicht geben. Stellt also eine starke staatliche Bildungsfinanzierung eine enorme Entlastung für Familien mit Migrationshintergrund dar, so sind die privaten Bildungsausgaben ein finanzieller Mehraufwand der in vielen Fällen nicht mehr zu bezahlen ist.
[...]
[1] http://stats.oecd.org/index.aspx?r=47353
[2] Das Land Nordrhein-Westfalen z.B. benutzt eine andere Definition als das Statistische Bundesamt. Vgl.: Ministerium Für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (2007), S. 4.
[3] Der Mikrozensus ist eine Erhebung des Statistischen Bundesamtes, die seit 1957 jährlich stattfindet. Sie umfasst 1% aller Haushalte in Deutschland.
[4] Die Untersuchung (Kirsten / Granato 2004: 137) die hier zugrunde liegt hat die Daten die durch den Mikrozensus erhoben und klassifiziert wurden zu den Gruppen ›keine Angabe‹, ›kein Einkommen‹, ›selbständige Landwirte‹, ›unter 2500 DM‹, ›2500 bis unter 4000 DM‹ und ›4000 DM und mehr‹ zusammengefasst.