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Forschungsarbeit, 2011
27 Seiten
1 Einleitung
2 Das Konzil
2.1 Der historische Rahmen
2.2 Der religiöse Hintergrund
2.3 Die Rolle des „Papstes
2.4 Konstantin, ein christlicher Pontifex maximus?
2.5 Der Verlauf des Konzils
3 Bewertung unf Folgen
4 Konstantin, Christ, Heide oder Ketzer?
5 Bibliographie (Auswahl)
5.1 Antike Quellen und Textausgaben
5.2 Kompendien und Nachschlagewerke
5.3 Literatur
Die „Wesensgleichheit“ (homoousios), zentraler Begriff der christlichen Theologie, der das Verhältnis Jesu zu Gottvater beschreibt, fiel nicht vom Himmel. Dreihundert Jahre lang haben die christlichen Gemeinden um die Frage gerungen, wie Jesus zu verstehen sei, dreihundert Jahren lang dominiert die Auffassung, dass Jesus ein Prophet, ein herausgehobener Übermensch, ein Geschaffener, aber nicht Gott sei.[1] Auf dem Konzil von Nicäa (325) sollte nun endlich Klarheit geschaffen werden.
Das Konzil wird von Kaiser Konstantin I. (reg. 306-337) geleitet. Ob dieser überhaupt christlich gewesen ist, und wenn ja in welcher Ausprägung, lassen wir zunächst offen. Getauft jedenfalls war der Herrscher zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Seine spätere „Taufe auf dem Sterbebett“ im Jahre 337 ist, abgesehen von der fragwürdigen Zuverlässigkeit der überlieferten Texte, ebenfalls kein Hinweis auf ausgeprägte Christlichkeit. Denn Konstantin wird, wenn überhaupt, arianisch, also häretisch getauft. Ein Umstand, der in den meisten Konstantin-Biographen verschwiegen wird.
Ein römischer Kaiser zweifelhafter Religiösität leitet also das erste ökumenische Konzil der Christen, bei dem die rätselhafte Formel von der Wesensgleichheit gefunden und dogmatisiert wird. Die Theologen meinen, Konstantin habe den Bischöfen freie Hand gelassen. Aber den Vorsitz zu führen und zu schweigen, das ist nicht Art der römischen Kaiser, die sich selbst „Herr und Gott“ nennen. Wenn ein Kaiser ein Konzil einberuft, dann hat er auch das Sagen. So hat es noch Ende des vierten Jahrhundert Kaiser Theodosius (reg. 379-395) gehalten, der mit rund sechzig Erlassen das trinitarische Christentum zur Staatskirche erhebt (Cunctos populos, 380 u.Z.). Von einer Konsultation mit den Bischöfen weiß die Überlieferung nichts zu berichten.
Was für ein Verdacht! Der ungetaufte Kaiser Konstantin, Häretiker oder Ketzer, setzt im Jahre 325 die umstrittene Gottesformel „Wesensgleichheit“ durch und sein Nachfolger Kaiser Theodosius bestätigt im Jahre 380 diese Formel, erweitert sie um den „Heiligen Geist“ und macht die trinitarische Konfession des Christentums zur Staatskirche!
Die folgende Studie geht dem Verdacht nach. Sie faßt die Ergebnisse einer vorbereitenden Detailstudie zusammen, die für das umfassende Werk „Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums. Die Legende vom ersten christlichen Kaiser“ benötigt wurde.[2] Dort findet der Leser auch die umfangreichen Quellen- und Literaturnachweise, die der Leser dieser Studie verkürzt in den Fußnoten wiederfindet.
Drei Monate nach der Schlacht an der Milvischen Brücke am 28. Oktober 312 („in diesem Zeichen siege“) trifft Kaiser Konstantin, trotz seines Sieges über den Nebenbuhler Maxentius immer noch lediglich Herrscher über den Westen des römischen Reiches, mit Licinius, dem Ost-Kaiser, in Mailand zusammen.[3] Das Zwei-Kaiser-Treffen geht als "Mailänder Vereinbarung" in die Geschichte ein. Folgt man den beiden zeitgenössischen Kirchenhistorikern Laktanz und Eusebius, dann steht das Kaisertreffen des Jahres 313 unter dem Leitthema "Christentum". Ein in umständlicher Kanzlei-Diktion verfaßtes Abkommen soll den Christen die Gleichberechtigung gegenüber den heidnischen Kulten bringen:
"Nachdem wir beide, Kaiser Konstantin und Kaiser Licinius, durch glückliche Fügung bei Mailand zusammenkamen, um [...] sowohl den Christen als auch allen Menschen freie Vollmacht zu gewähren [...] ihre Religion zu wählen [...] damit die himmlische Gottheit uns und allen [...] gnädig und gewogen bleiben kann".[4]
Der deutsche Althistoriker K.M. Girardet interpretiert in das angebliche Abkommen eigene Botschaften hinein: Der Brief fordere gerade zu den Schluß heraus, dass Konstantin „den Christengott als den einzigen Gott akzeptierte“ und seine Herrschaft „auf den Boden des christlichen Monotheismus [...] gestellt" habe.[5] Die in diesem Schreiben sehr allgemein gehaltene Beschreibung einer Gottheit repräsentiere, so Girardet, „nicht den Stand der [persönlichen] religiösen Entwicklung“ des Konstantins, die sich nach Meinung Girardets deutlich weiter in Richtung Christentum entwickelt habe, als den Überlieferungen zu entnehmen sei. Was zur Frage herausfordert, wie Girardet seinen Anspruch begründen will, die damalige religiöse Disposition des Kaisers besser beurteilen zu können als die Zeitgenossen.
Das „Mailänder Treffen“ erhält damit einen religiösen Stellenwert, der dem politischen Zweck dieses Treffens mit ziemlicher Sicherheit nicht entspricht. Denn die Umstände - die anstehende Hochzeit Licinius` mit Konstantia[6], der Halbschwester Konstantins, und der bedrohliche Aufmarsch des zweiten Ostkaisers Maximinus Daia, lassen vermuten, dass im Februar 313 andere Themen im Mittelpunkt der Konferenz gestanden haben als religiöse. Maximinus, der „seinen Hochmut bis zum Wahnsinn gesteigert hat“, wie Eusebius vermeldet[7], führt im Winter 312/313 seine Truppen in Gewaltmärschen von Syrien durch das winterliche Anatolien, überquert den Bosporus[8] und rückt nach der Kapitulation von Byzanz Licinius bedrohlich auf den Leib.
Licinius muß also aufs höchste alarmiert sein. Und was liegt unter diesen Umständen näher, als anzunehmen, dass sich Licinius unmittelbar vor der Schlacht auf Leben und Tod der Neutralität oder der Unterstützung des Westkaisers Konstantins zu versichern sucht und diese Erwartung der Hauptzweck des Treffens gewesen ist? Die Annahme, der heidnische Kaiser Licinius mache sich vor einer existenzbedrohenden Schlacht vor allem Gedanken über das zukünftige Wohlergehen des christlichen Gottes scheint also wenig realitätsnahe zu sein. Zumal ein reichsweites "Abkommen" als eine Wiederholung des Ediktes von 311, das den Christen religiöse Gleichberechtigung zuspricht, weitgehend überflüssig ist und Licinius wenige Jahre später zu Repressalien gegenüber den Christen greift. Der Historiker Erich Caspar meint daher in Übereinstimmung mit Paulys Realenzyklopädie, ein "Edikt von Mailand" sei völlig aus der Überlieferung zu streichen.[9] Und selbst die Theologische Realenzyklopädie mag sich nicht zu der Auffassung Girardets bekennen, das Treffen fordere gerade zu den Schluß heraus, dass Konstantin „den Christengott als den einzigen Gott akzeptierte“ und sieht in der "Mailänder Vereinbarung" lediglich das Bestreben, "römische Religion mit Toleranz gegenüber anderen religiösen Überzeugungen" zu verknüpfen, um einen "philosophisch begründeten Religionspluralismus" zum Wohle des Staates zu pflegen.[10] Womit sich eine Antwort auf die heiß diskutierte Frage erübrigt, ob Konstantin mit dem Erlaß die christliche Religion habe bevorzugen wollen, gar mit "weitgehenden, dem christlichen Monotheismus konsequent Rechnung tragenden Absichten", wie der Althistoriker H. Brandt, Girardet widerspruchslos zitierend, meint.[11]
Inzwischen steht Maximinus Daia vor den Toren und am 30. April 313 kommt es in Thrakien auf dem Campus Serenus zur Entscheidungsschlacht zwischen den beiden konkurrierenden Ostkaisern Licinius und Maximinus. Licinius entscheidet den Kampf für sich und der Sieg trägt ihm für die nächsten zehn Jahre die alleinige Herrschaft im Osten des Reiches ein. Und da sein Partner, der Westkaiser Konstantin, vor der Schlacht an der Milvischen Brücke eine Erscheinung hatte, steht sie Licinius auch zu: Laktanz berichtet von einem Engel, der Licinius das Gebet mitgeteilt habe, das ihm den Sieg bringen werde.[12]
Die folgende Nachkriegs-Phase von 313 bis 324 ist von einem Umbau des kaiserlichen Herrschaftssystems gekennzeichnet und kann mit wenigen Sätzen abgehandelt werden: Konstantin verlegt seinen Wohnsitz nach Trier und kehrt zwei Jahre später nach Rom zurück, um am 25. Juli 315 das zehnjährige Jubiläum seiner Machterhebung zu feiern.[13] Die prunkvollen Feierlichkeiten in Rom können allerdings nicht verdecken, dass Konstantin nach wie vor nur Kaiser der Westhälfte des Imperium Romanum ist. Noch steht ihm auf dem Weg zur Gesamtherrschaft der Ostkaiser Licinius im Wege. Ihn gilt es zu bekämpfen und mit Hilfe der Armenier gelingt dies in zwei Siegen im Juli und September 324 u.Z. Eusebius stilisiert dieses Kräftemessen in schwülstigem Jargon zum Religionskrieg hoch, da der gute Christ Konstantin den verworfenen Heiden Licinius besiegt habe, der Christen „vom Hof, aus der Verwaltung und vor allem aus dem Heer“ habe entfernen lassen.[14] Als Dank habe sich Konstantin nach dem Sieg als Drachentöter darstellen lassen, mit dem "siegbringenden Zeichen" über dem Haupt und dem Labarum, das das Untier tötet.[15]
Parallel zu den militärpolitischen Auseinandersetzungen hat sich innerhalb der christlichen Gemeinden ein handfester Streit eingenistet, der das gesamte vierte Jahrhundert bewegen soll. Es geht um Gott und um die Frage, ob Christus gottgleich ist. Der um 318 ausgebrochene Streit verwickelt fast alle oströmischen Provinzen in eine Kontroverse mit bedrohlichem Spaltungspotential.[16] Die beiden Hauptstreithähne, Arius und Athanasius, sind beide in Alexandria ansässig. Der erste, ein schlichter Presbyter, vertritt die Auffassung, dass Jesu nicht wesensgleich mit Gott sei, sondern ein „Geschaffener“ und der zweite Kampfhahn, Athanasius, Bischof von Alexandria, meint zu wissen, dass Gottvater und Gottsohn in jeder Beziehung wesensgleich seien. Der Zwist zwischen dem Presbyter und seinem Bischof ist zunächst ein regional begrenzter nordafrikanischer Streit, aber der empörte Athanasius kann nicht verhindern, dass sich die arianische Lehre rasch im Klerus verbreitet und in vielen Gemeinden breite Zustimmung findet. Also ruft Athanasius ein Konzil der ägyptischen Bischöfe nach Alexandria ein und stellt fest, dass einige Bischöfe und viele Priester mit Arius sympathisieren. Klerus und Gemeinden teilen sich offensichtlich in zwei Lager, "so dass man sehen mußte, wie nicht nur die Vorsteher der Kirchen mit Worten untereinander stritten, sondern auch das Volk gespalten war".[17]
Kaiser Konstantin hält diesen Streit für unnütz. Theologengeschwätz sei es und so sendet er im Oktober 324 einen Brief an die beiden Querulanten.[18] Darin fordert er die Adressaten als "Friedensbringer", "Mitknecht" und „Mitdiener“ auf, so Eusebius, den Streit beizulegen. Arius erhält in dem Brief noch eine Ohrwatsche in Form einer kaiserlichen Belehrung, er hätte erst gar nicht darüber nachdenken dürfen oder „wenn schon gedacht, dann hätte [es] totgeschwiegen werden sollen“. Eine quellenkritische Analyse des im schwülstigen Theologenstil abgefaßten Briefes läßt den Historiker allerdings vorsichtig werden: Der angebliche kaiserliche Brief wird von Eusebius zitiert und stammt aus der Hinterlassenschaft des orthodoxen Athanasius. Und beide verstehen sich nicht als Historiker.
Der kaiserliche Brief bleibt ohne Wirkung. Der Zwist breitet sich rasch aus und versetzt die christlichen Gemeinden des Osten in Aufruhr. Kaiser Konstantin ruft nunmehr im Frühjahr 325 alle 1.800 Gemeindevorsteher (Bischöfe) zu einem Konzil in seinen Palast nach Nicäa (heute türkisch Iznik) ein.[19] Das erste reichsweite Großkonzil tritt im Mai 325 im kaiserlichen Palast zu Nicäa zusammen. Von den 1.800 eingeladenen Bischöfen sind etwa 200-300 Bischöfe[20] aus den ägyptischen und asiatischen Provinzen, zwei aus Armenien, einer aus Persien und fünf aus dem Westen mit Ossius von Cordoba[21] an der Spitze der Einladung gefolgt. Viele der anwesenden Bischöfe haben Verfolgungen erlitten und dem Schrecken und dem Tod ins Angesicht geschaut. Es sind also sicherlich keine Wischi-Waschi-Kleriker, die sich in Nicäa versammeln.
Der Bischof der Zentralgemeinde von Rom, später "Papst" genannt, Silvester, entsendet, ähnlich wie zur Synode in Arles im August 314, lediglich zwei Legaten.[22] Er selbst erscheint nicht. Eine Initiative zur Einberufung der Konferenz durch ihn oder einen anderen Gemeindeführer ist nicht überliefert und wird in der Literatur fast einstimmig verworfen. Vermutlich gibt es auch keine vorhergehende Konsultation mit Silvester im Stile einer gemeinsamen „Kaiser- und Bischofssynode“.[23] Jedenfalls weisen die Quellen nicht auf eine Abstimmung zwischen Kaiser und Papst hin. Zwar versucht das Protokoll der 6. Allgemeinen Synode von Konstantinopel aus dem Jahre 680 u.Z. den Eindruck zu erwecken, Konstantin und Silvester hätten das Konzil gemeinsam einberufen[24], zwar wird die spätere Silvesterlegende den Papst in den Vordergrund schieben - "auf seinen Befehl" habe die Synode von Nicäa stattgefunden[25] - aber das ist angesichts der schwachen Position des römischen Bischofs gegenüber den dominierenden kleinasiatischen und alexandrinischen Bischöfen und der bisherigen Zurückhaltung der weströmischen Gemeinden in allen dogmatischen Fragen unwahrscheinlich und wird auch nicht durch zeitgenössische Quellen bestätigt.
Sozomenos erklärt das Fehlen des römischen Bischofs mit dessen Alter[26], aber das ist ganz und gar unglaubwürdig, da Silvester sich noch weitere zehn Jahre seines Lebens erfreut, der Papst nicht zum erstenmal fehlt, wenn es um die Deutung des Christentums geht und der "wohlgeeignete" Konzilsort Nicäa nicht zuletzt wegen der bequemen Schiffsanfahrt für die italienischen Bischöfe gewählt worden ist.[27] Will Durant behauptet, Papst Silvester sei durch eine Krankheit verhindert gewesen[28], aber dafür gibt es keinerlei Belege, auch hat der Papst keinen Vertreter im Bischofsrang entsendet. Erich Caspar spekuliert, eine kluge und vorsichtige Haltung erkennen zu können, die gebot, die Würde des Papstes gegenüber dem „kaiserlichen Befehlsregiment“ wahren zu müssen.[29] Aber zu diesem Zeitpunkt hat der Bischof von Rom noch gar keine herausgehobene Würde, die ihn vor den anderen führenden Patriarchen ausgezeichnet hätte. Im Gegenteil. Er muß seine Ansprüche mit den Patriarchen von Antiochia und Alexandria teilen, die über eine relativ umfangreiche christliche Klientel verfügen, während der Bischof von Rom um jede christliche Seele in einer fast vollständig heidnischen Stadt ringen muß. Im übrigen ist während des Geburtsaktes des trinitarischen Dogmas vornehme Zurückhaltung sicherlich das letzte, was einen Kirchenführer auszeichnet.
So weist das Fehlen des unbedeutenden, in der Geschichte vor allem wegen der widerlegten „Konstantinischen Schenkung“ und der ebenso umstrittenen angeblichen Taufe Konstantins durch den Bischof von Rom bekannt gewordenen Papstes eher darauf hin, dass Silvester im fernen Rom die Bedeutung der anstehende theologischen Fragen nicht richtig erkennt. Der Bischof von Rom, der in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts keineswegs der „anerkannt erste Bischof der Christenheit“ ist, wie der Kirchenhistoriker und Bischof v. Hefele in grober Verzerrung der historischen Tatsachen meint[30], hat in diesem Streit einfach nichts zu bestellen. Offenbar ruht im ersten Quartal des vierten Jahrhunderts der Westen noch in einem „tiefen dogmatischen Schlummer“ (Kant über sich selbst, aus dem er durch David Hume erweckt worden sei).
So also lädt Kaiser Konstantin mit Hilfe der kaiserlichen Post, die eigentlich für die zivile Administration und für wichtige militärische Angelegenheiten reserviert ist, zu dem Konzil ein. Die Bischöfe können damit das gesamte Transportsystem unter dem Schutz der römischen Armee frei nutzen, seien es Schiffe, Kutschen, Pferde oder was immer der Staat zu bieten hat. Konstantin sorgt für die Unterkunft, verpflegt die Teilnehmer und stellt seinen Palast als Konferenzort zur Verfügung.
Als Kind seiner Zeit kann Konstantin gar nicht anders, er muß handeln. Als römischer Kaiser mit rund siebzig Legionen und nicht abreißendem Ärger mit friedlosen Nachbarn, als Wahrer der Einheit des Reiches, als oberster Priester (Pontifex Maximus) aller heidnischer Priestergemeinschaften und erster Bischof der christlichen Gemeinden muß Konstantin ex professo dafür Sorge tragen, dass der Ärger mit den Christen ein Ende findet.
Schon die nordafrikanischen Donatisten haben ihn genervt. Sein Versuch, diese halsstarrigen Christen zu bändigen, scheitert und so überantwortet der Kaiser sie dem "Gericht Gottes". Und nun auch noch dieser arianische Streit. Der Kaiser muß die Initiative ergreifen und einen Weg finden, das inzwischen unauflösbar gewordene Dickicht von christlichen Konfessionen, Mönchsrevolten, Aktionen und Gegenaktionen aufzulösen. „Aus eigener Kraft hatte sie [die Kirche] das nicht vermocht, und gerade am Anfang des 4. Jahrhunderts war sie am allerwenigsten auf dem Wege [] Da hat sie der Staat aus dem politischen Einheitsbedürfnis heraus in diese Richtung gezwungen“, schreibt Hans Lietzmann, Kirchenhistoriker und Spezialist für die Geschichte der Alten Kirche.[31]
[...]
[1] Auf die umstrittene Bibelinterpretation (Genesis 1,26; 11,17; 2 Kor 13,13; Eph 1,3-14; Mt 28,19) wird hier nicht eingegangen. Nur soviel: Wären Altes und Neues Testament in Bezug auf den wesensgleichen „Gottessohn“ interpretationssicher, dann hätte es nicht fast vier Jahrhunderte Streit über das Wesen Jesu bedurft.
[2] R. Bergmeier, Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums. Die Legende vom ersten christlichen Kaiser, 350 S., Aschaffenburg, November 2010. Die Studie untersucht die Frage, was eigentlich „Christentum“ in der ersten Hälfte des 4. Jh. ist, prüft in einer Quellenkritik - unter Einbezug der Überlieferungspraxis des frühen Mittelalters - die einschlägigen Quellen und bewertet die „Christlichkeit“ Konstantins unter kirchengeschichtlichen, numismatischen, archäologischen, epigraphischen und textlichen Aspekten und unter Hinzuziehung der Ergebnisse der Symbolforschung neu.
[3] Die Aufteilung der Herrschaft rührt von Diokletians (um 245-312) „Tetrarchie“ her, der das Reich in vier Regierungseinheiten aufteilt, die von zwei „Hauptkaisern“ (Augusti) und zwei nachgeordneten Kaisern (Caesares) regiert werden.
[4] Eusebius, Kirchengeschichte 10,5; Laktanz, de mortibus persecutorum 48,2-12. Die Parallelfassungen sind nicht identisch. Der Erlaß kann kaum als ein Bekenntnis Konstantins zum Christentum aufgefasst werden. Es nimmt die Christen in den Kreis der anerkannten Religionen auf u. dient damit dem inneren Frieden. Vgl.u.a.: A. Lippold, Die Historia Augusta, S. 248/249.
[5] K.M. Girardet, Die Konstantinische Wende, S. 103.
[6] Laktanz, de mortibus persecutorum 43, 2; Zosimos 2,17, 2.
[7] Eusebius, Kirchengeschichte 9,10. Eusebius tituliert Maximinus als "überfordert", "wahnsinnig", "feige", "mutlos", "bar edler Gesinnung".
[8] Laktanz, de mortibus persecutorum 45.
[9] E. Caspar, Die Geschichte des Papsttums, Bd. 1, S. 105. Caspar folgt damit Seeck, der bereits 1891 bezweifelt, dass das Treffen überhaupt stattgefunden hat (Das sogenannte Edikt von Mailand, S. 381-386). R. Knipfing, meint ebenfalls, die Existenz dieses "Mailänder Erlasses" müsse verneint werden. Bei den von Laktanz aufgezeichneten Urkunden handele es sich um zwei Versionen einer von Licinius nach Mailand veröffentlichten Konstitution (Das angebliche Mailänder Edikt v. J. 313 im Lichte der neueren Forschung, 1922). So auch RE, Bd. 13,1, s.v. "Licinius" 31a: "Ein Edikt von Mailand, das ihm [dem Christentum] die Toleranz gewährt hätte, ist nie ergangen. Es war eben überflüssig, weil die gleiche Bestimmung schon 311 durch Galerius getroffen war". J. Wittig hält dagegen, bei Eusebius handele es sich um einen authentischen Text des Mailänder Erlasses (Das Toleranzreskript von Mailand 313). Vgl. auch: V. Keil, der ebenfalls eine Bevorzugung der Christen erkennt (Quellensammlung zur Religionspolitik Konstantins des Großen). Zum Forschungsstand zuletzt: E. Herrmann-Otto, Konstantin der Große, S. 77-78, die den Text der RE aufgreift: "ein reichsweites Edikt ist nie verkündet worden".
[10] Theolog. Realenzyklopädie, Bd. 33, 2002, S. 648.
[11] H. Brandt, Konstantin der Große, S. 70; Girardet, Die Konstantinische Wende, S.66.
[12] Laktanz, de mortibus persecutorum 36,1 (Krieg); 46,6 (Gebet) und 48,3.
[13] Die Regierungsjubiläen werden stets am "dies Caesaris" gefeiert, also am Tag der Ernennung zum Caesar, dem "Kaiser 2. Ranges".
[14] Eusebius, Vita Constantini 1,51 f u. 54; Eusebius, Kirchengeschichte 10,8,10; Hieronymus, chronicon z.J. 320.
[15] Eusebius, Vita 3,3,1.
[16] Zur Bedeutung des Arianismus vgl. R. Bergmeier, Kaiser Konstantin und die wilden Jahre des Christentums, 2010, S. 15-50.
[17] Eusebius, Vita 2,61.
[18] Eusebius, Vita 2, 64-72. Zur Authentizität des Briefes vgl. H. Kraft, Kaiser Konstantins religiöse Entwicklung.
[19] Das Eröffnungsdatum ist strittig. J. Ulrich datiert den Beginn in Übereinstimmung mit Sokrates 1,13 auf den 20. Mai (Die Anfänge der abendländischen Rezeption des Nizänums); das Datum ist nach Auffassung von Charles Pietri/Christoph Markschies überholt (Die Geschichte des Christentums- Altertum, Bd. 2). Zum Konzil siehe Eusebius, Vita 3,6-23; auch K.M. Girardet, Kaiser Konstantin d. Gr. als Vorsitzender von Konzilien. Die historischen Tatsachen und ihre Deutung.
[20] Sokrates spricht von 300 Bischöfen (Kirchengeschichte 1,8), Eusebius von mehr als 250 Teilnehmern und einer unermeßlichen Menge von Begleitern (Vita 3,7;8), Theodoret von 270 (Kirchengeschichte 1,8,1), Athanasius von ungefähr 300 (Apologia sec.23,2), an anderer Stelle von 318 (Arian.ad mon. c.66; ad afros c.2). H. Chadwick spricht von 220 Teilnehmern (Die Kirche in der antiken Welt), ebenso E. Schwartz, Kaiser Konstantin und die christliche Kirche. R. Lorenz weist auf neueste Untersuchungen hin, die 197-220 Teilnehmer bestätigen (1992, S. C 131). Die immer wieder erwähnte Zahl von 318 Bischöfen (Sokrates) ist eine idealisierte Zahl nach Gen. 14,14 ("318 Knechte Abrahams").
[21] Ossius taucht in der Literatur auch unter den Namen Hosius oder Osius auf. Nach C.H. Turner ist nur
Ossius korrekt (Ecclesiae Occidentalis Monumenta Iuris Antiquissima, Oxford, S. 532).
[22] Eusebius, Vita 3,7. Papst Silvester I. war nach Gelasius (Hist. Conc. Nic. II 5) durch Ossius und die zwei römischen Priester Bito und Vincentius vertreten.
[23] E. Schwartz, Über die Reichskonzilien von Theodosius bis Justinianus. Baus/Ewig meinen, es sei "sicher, dass Konstantin mit Rom weder Verhandlungen [...] geführt, noch die Zustimmung des römischen Bischofs erbeten" habe (Handbuch der Kirchengeschichte, Bd. 2/1).
[24] Siehe dazu: C.J. von Hefele, Conciliengeschichte, S. 289.
[25] Liber pontificalis I, 34.
[26] Sozomenos, Kirchengeschichte 1,17,2. Sozomenos spricht fälschlich von Papst Julius.
[27] Eusebius, Vita 3,6. Vgl. auch Baus/Ewig, Handbuch der Kirchengeschichte, 1985, Bd. 2,1.
[28] W. Durant, Caesar und Christus. Eine Kulturgeschichte Roms und des Christentums von den Anfängen bis zum Jahre 325 n.Chr..
[29] E. Caspar, Geschichte des Papsttums, Bd. 1, S. 115.
[30] C. J. von Hefele, Conciliengeschichte, S. 290.
[31] H. Lietzmann, Die Anfänge des Problems Kirche und Staat, S. 9.