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Bachelorarbeit, 2009
52 Seiten, Note: 2,7
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
2.1 Begrifflichkeiten und Definitionen der Reverse Logistics
2.2 Begriffe zur Demontageplanung und Abgrenzung zur Montageplanung
2.3 Darstellungsmöglichkeiten der Demontagevorgänge
2.4 Zusammenhang zwischen Demontagetiefen- und Demontagereihenfolge- planung
2.5 Der Einfluss von Unsicherheit bei der Informationsgewinnung für die Planung der Demontage
2.6 Einordnung der ausgewählten Modelle in den wissenschaftlichen Kontext
3 Bestimmung der optimalen Demontagetiefe nach Penev und De Ron
3.1 Formulierung des Problems
3.2 Anwendung der Graphentheorie auf das Problem
3.3 Ansatz zur Bestimmung der optimalen Demontagetiefe
4 Bestimmung der optimalen Demontagetiefe nach Krikke et al
4.1 Voraussetzungen und Überblick über das Problem
4.2 Annahmen und Modellformulierung
4.3 Mathematische Optimierung des Demontageplans
4.4 Optimierung des Recyclings
5 Erzeugung des optimalen Demontageplans nach Johnson und Wang
5.1 Voraussetzungen und Ziele des Ansatzes
5.2 Ökonomische Analyse der möglichen Handlungsoptionen
5.3 Erstellung des optimalen Demontageplans
5.4 Optimierung des Demontageprozesses
6 Vergleich und Beurteilung der Modelle
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.1 Komponenten eines Kugelschreibers (nach De Fazio und Whitney 1987, S.644)
2.2 Verbindungsgraph eines Kugelschreibers (nach De Fazio und Whitney 1987, S.644)
2.3 AND/OR-Graph des Kugelschreibers (nach Lambert und Gupta 2004, S 187)
4.1 Demontagebaum eines Fernsehers des Typs X (nach Krikke et al. 1998, S 117)
5.1 Die Bedeutung der Demontagesequenz (nach Johnson und Wang 1995, S. 3124)
5.2 Zunahme des Materialwertes bei der Demontage (nach Johnson und Wang 1995, S. 3124)
5.3 Die optimale Demontagesequenz für kompatible Materialien (nach Johnson und Wang 1995, S. 3130)
5.4 Darstellung der Erträge und des Demontageaufwands (nach Johnson und Wang 1995, S. 3134)
5.5 Ermitteln von Möglichkeiten für DFD (nach Johnson und Wang 1995, S. 3134)
Beschränkte natürliche Ressourcen und Umweltbelastungen durch unzureichende Ab- fallentsorgung haben ein Umdenken in der Abfallwirtschaft erforderlich gemacht. Auch die permanente Weiterentwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen in Deutschland und der EU verpflichten u. a. Hersteller aus der Elektro- und Automobilbranche zur Rücknahme von Produkten, die am Ende ihres Produktlebenszyklus stehen. Dies führt zu einer verstärkten Bedeutung von Reverse Logistics in der Wissenschaft und der Praxis. Die fachgerechte Entsorgung gefährlicher Substanzen liegt in der Verantwor- tung des Herstellers. Dadurch sind diese zu einer sorgfältigen Planung der Demon- tage gezwungen mit dem Ziel, die Umwelt zu schützen und wertvolle Bestandteile der Altprodukte zurückzugewinnen. Dies können verwendete Materialien oder ganze Baugruppen sein, die mit Hilfe verschiedener Handlungsoptionen im Rahmen von Re- verse Logistics wiederverwendet werden können. Dazu wird nach der Sammlung der Altprodukte auch ihre Demontage notwendig. Das wesentliche Ziel für Unternehmen beinhaltet dabei die wirtschaftliche Gestaltung des Demontageprozesses. Somit rücken neben o. g. ökologischen Aspekten auch ökonomische Aspekte, wie die Maximierung der Erträge und die Minimierung der Kosten in den Fokus der Demontageplanung. Dazu muss eine umfassende Strategie implementiert werden, die verschiedene Aspekte berücksichtigt. Zunächst muss im Rahmen der Demontagelosgrößenplanung eine opti- male Menge der zu beschaffenden Altprodukte bestimmt werden. Danach muss im Zuge der Demontagetiefenplanung festgelegt werden, welche Komponenten zu demontieren sind. Die Demontagereihenfolgeplanung zielt darauf ab, einen für die festgelegten Ziele optimalen Demontageablaufplan zu erstellen. Im Laufe der vorliegenden Arbeit wird sich zeigen, dass die Planung der Demontagetiefe und die Planung der Demontagerei- henfolge eng miteinander verbunden sind. Auf die Demontagelosgrößenplanung wird in dieser Arbeit nicht eingegangen, da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Planung der Demontagetiefe liegt.
Diese Arbeit lässt sich in zwei Teile gliedern, die wiederum in sieben Kapitel unter- gliedert werden. Den Einstieg in diese Arbeit bildet eine kurze Einleitung, die die Notwendigkeit einer umfassenden Demontageplanung herausstellt. Im zweiten Kapi- tel dieser Arbeit ist es zunächst das Ziel, Begriffe der Reverse Logistics und der De- montageplanung zu definieren. Danach sollen die Unterschiede zur Montage herausge- stellt werden und auf den Zusammenhang zwischen Demontagetiefen- und Demonta- gereihenfolgeplanung eingegangen werden. Des Weiteren werden verschiedene Darstel- lungsmöglichkeiten von Demontagevorgängen beschrieben. In diesem Kontext werden der Verbindungsgraph und der AND/OR-Graph erklärt. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden Entscheidungsprobleme der Demontageplanung erläutert. Dabei wird der Faktor Unsicherheit anhand von nicht vorhersehbaren Mengen, Zuständen und Va- rianten der Altprodukte erläutert. Im letzten Teil dieses Kapitels werden verschiedene Modelle der Demontagetiefenplanung kategorisiert.
Nach dieser Vorbetrachtung liegt der Schwerpunkt im Hauptteil dieser Arbeit auf der Erläuterung der Modelle zur Demontagetiefenplanung. Das Ziel ist es, verschiedene Ansätze vorzustellen und anschließend ihre Besonderheiten zu diskutieren. Daher soll in Kapitel drei zunächst ein Modell unter Verwendung der Graphentheorie zur Zerle- gung eines komplexen Produkts von Penev und De Ron vorgestellt werden. Innerhalb dieses Ansatzes wird ein Demontageplan generiert mit der Zielsetzung, den Nettoertrag zu maximieren und dabei gleichzeitig ökologische Aspekte zu berücksichtigen. In die- sem Ansatz ist es notwendig, den Endzustand des zurückgeführten Altprodukts vor der Erstellung des optimalen Demontageplans festzulegen. Weiterhin kann ein bevorzugt zu demontierendes Bauteil bzw. eine Fraktion gewählt werden. Ferner wird in Kapitel vier ein Modell von Krikke et al. vorgestellt, in dem bestimmt wird, in welchem Umfang ein Altprodukt zerlegt werden soll und welche Kreislaufwirtschaftsoptionen angewandt werden, um den Nettoertrag zu maximieren. Ein besonderer Aspekt ist hierbei, dass es sich um ein wahrscheinlichkeitstheoretisches Modell handelt, das die qualitativen Zustände der Altprodukte berücksichtigt. Das in Kapitel fünf vorgestellte Modell von Johnson und Wang erzeugt einen optimalen Demontageplan für selektive Demontage. Dazu wird zunächst der optimale Demontageplan für vollständige Zerlegung eines Alt- produkts erzeugt. Danach wird mit dem Ziel der Maximierung des Nettoertrags und größtmöglicher Ausbeute aus dem Demontageprozess ein optimaler selektiver Demon- tageplan erzeugt, der die Demontage bevorzugter Bauteile ermöglicht. Abschließend sollen in Kapitel sechs die drei Modelle verglichen und beurteilt werden.
Folgende Leitfragen sollen in dieser Arbeit beantwortet werden:
- Was ist Demontage und welche Handlungsoptionen gibt es im Rahmen von Re- verse Logistics?
- Wie lässt sich der Demontageprozess grafisch darstellen?
- Welcher Zusammenhang besteht zwischen Demontagetiefen- und Demontagerei- henfolgeplanung?
- Wie lassen sich bestehende Ansätze zur Demontagetiefenplanung kategorisieren?
- Wie können allgemeine Modelle zur Demontagetiefenplanung formuliert werden und welche Aussagen können bzgl. Berechnungsaufwand und Qualität der gefun- denen Lösung getroffen werden?
Um einen Einblick in das Thema zu erlangen, ist es zunächst notwendig, auf theoreti- sche Grundlagen einzugehen. Aus diesem Grund werden die in dieser Arbeit verwen- deten Begriffe und Definitionen in diesem Abschnitt erläutert. Zur erneuten Verwen- dung von Altprodukten sowie deren Bauteilen oder Materialien gibt es verschiedene Handlungsoptionen. Diese werden im Folgenden Kreislaufwirtschaftsoptionen (KWO) genannt.1 Dazu zählen die folgenden Strategien: Im Rahmen der Reuse Strategie kann ein Produkt ohne jegliche Aufarbeitung wiederverwendet werden. Beim Remanufac- turing wird das Altprodukt auf einen (annähernd) neuwertigen Zustand aufgearbei- tet. Dazu wird es demontiert, inspiziert und defekte Bauteile ausgetauscht. Auch der Austausch von technologisch überholten Bauteilen kann hier stattfinden (Upgrade).
Anschließend wird das demontierte Altprodukt wieder zusammengesetzt und erneut in den Kreislauf gebracht. Das Refurbishing funktioniert ähnlich wie das Remanu- facturing mit dem Unterschied, dass das Altprodukt nur bis zu einem festgelegten Qualitätsniveau aufgearbeitet wird. Dabei kann auch das Upgraden enthalten sein. Im Gegensatz zur Reparatur, bei der ausschließlich defekte Bauteile ausgetauscht wer- den. Auch das Recycling wird als KWO verstanden. Dabei werden Materialien oder Stoffe aus dem Altprodukt zu Sekundärrohstoffen aufbereitet unter Zerstörung der Produkt- und Funktionsstruktur. Dem Recycling werden auch damit in Zusammen- hang stehende Transformations- oder Separationsprozesse zugeordnet. Transformati- onsprozesse beinhalten die Umwandlung eines Bauteils mit Hilfe von Demontage in Baugruppen und/oder Komponenten oder aber in ein Gemenge aus seinen verschiede- nen Materialien durch z. B. Schreddern.2 Separationsprozesse umfassen die Isolierung eines oder mehrerer Materialien aus diesem Gemenge. Zu den KWO i. w. S. zählen die Energiegewinnung und die Entledigung. Bei der Energiegewinnung werden Materialien verbrannt. Dadurch wird die in ihnen enthaltene Energie gewonnen z. B. zur Stromer- zeugung. Unter dem Begriff Entsorgung werden alle Maßnahmen verstanden, die das Ziel beinhalten, einen Stoff aus dem Kreislauf zu entfernen und ihn in keiner Form wieder nutzbar zu machen.3
Demontage ist die Gesamtheit aller (geplanten) Vorgänge, die der Vereinzelung von ” Mehrkörpersystemen zu Baugruppen, Bauteilen und/oder formlosen Stoff durch Tren- nen dienen“.4 In dieser Arbeit wird außerdem der Begriff Komponente verwendet. Darunter sollen Bauteile verstanden werden, aus denen zwar Material gewonnen wer- den kann, die aber nicht weiter zerlegt werden können. Eine Baugruppe besteht so- mit aus Unterbaugruppen und/oder Komponenten. Die o. g. Definition für Demontage berücksichtigt neben der Auflösung lösbarer Verbindungen auch zerstörende Demonta- ge. Darunter ist die Trennung von nicht lösbaren Verbindungen unter Zerstörung umlie- gender Bauteile zu verstehen. Diese kann notwendig werden, wenn lediglich bestimmte Bauteile oder Materialien aus dem Altprodukt wieder gewonnen werden sollen.5 Eine zerstörende Demontage ist weniger aufwendig und damit kostengünstiger, sodass ihre Berücksichtigung bei der Generierung des optimalen Demontageplans unerlässlich ist. Weiterhin kann es auch sinnvoll sein, lösbare Verbindungen zerstörend zu demontie- ren, wenn dadurch die Kosten im Vergleich zur zerstörungsfreien Demontage reduziert werden können.6
Demontage wird nicht nur als umgekehrte Montage gesehen. Durch die Nutzung des Produkts können sich u. a. Beschädigungen, Verschleiß, Verschmutzungen oder Korro- sion ergeben, sodass lösbare Verbindungen nicht mehr getrennt werden können und zerstörende Demontage notwendig wird. Weiterhin können sich fehlende, modifizier- te oder zusätzliche Komponenten ergeben. Folglich können sich identische Typen eines Produkts nach Gebrauch stark voneinander unterscheiden.7 Dadurch wird auch eine au- tomatisierte Demontage erschwert und es wird häufig manuell demontiert unter mecha- nischer Unterstützung.8 Weiterhin ist der Ausgangspunkt und der Endzustand bei einer Montage exakt definiert. Es liegen verschiedene Einzelteile vor, die durch Fügeprozesse vollständig zu einem Produkt zusammengesetzt werden. Bei der Demontage ist zwar der Ausgangspunkt in Form des zu demontierenden Altprodukts festgelegt, allerdings muss erst bestimmt werden, in welchem Ausmaß dieses Altprodukt demontiert wird. Dies ist abhängig von der zur Verfügung stehenden Technologie und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das Altprodukt wird demnach nur bei vollständiger Demontage wieder in seine ursprünglichen Komponenten zerlegt. Dieser Fall ist jedoch häufig un- wirtschaftlich, da nicht jedes Bauteil für eine Wiederverwendung interessant und der Arbeitsaufwand zu groß ist. Daher werden bestimmte Bauteile nicht komplett sepa- riert, sondern verbleiben in recycelbaren Einheiten. Wenn z. B. verschiedene Bauteile aus kompatiblem Material eine Baugruppe bilden und die KWO Recycling angewandt werden soll, ist eine weitere Zerlegung nicht notwendig. Daher entspricht auch die An- zahl der demontierten Bauteile oft nicht der der montierten Bauteile.9 Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Ort der Demontage. Die Demontage wird fast durch- weg von anderen Unternehmen ausgeführt und nicht vom Originalhersteller. Dadurch ergibt sich für das Demontageunternehmen ein Mangel an Informationen über das Alt- produkt bzgl. der Einzelteile, der Baugruppen, der Werkstoffe und der zu entsorgenden Schadstoffe.10 Auch die Informationen über eingehende Mengen der Altprodukte sind unsicher. Als Orientierung können die früheren Absatzzahlen des jeweiligen Produkts herangezogen werden. Diese Informationen stehen jedoch ausschließlich dem Hersteller zur Verfügung. Durch diese unsicheren Informationen werden an den Demontagepro- zess erhöhte Anforderungen bzgl. der Flexibilität gestellt. Um den Einfluss des Faktors Unsicherheit zu minimieren, ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Demontageunternehmen elementar.11
Ausgehend von einer fixen Menge an Altprodukten umfasst die Demontageplanung zwei Teilprobleme: Die Demontagereihenfolgeplanung und die Demontagetiefenplanung.12 Durch die Demontagetiefe wird festgelegt, in welchem Umfang ein Altprodukt de- montiert wird. Dabei wird durch rechtliche Rahmenbedingungen die minimale De- montagetiefe festgelegt. Diese umfasst alle Demontageoperationen (DO), die für ei- ne vollständige Schadstoffentfrachtung notwendig sind.13 Die maximale Demontage- tiefe bildet die vollständige Zerlegung eines Altprodukts. Die optimale Demontage- tiefe liegt zwischen diesen beiden Extrema und erzeugt maximalen Nettoertrag. Im Rahmen der Demontagereihenfolge zur Zerlegung eines Altprodukts gibt es zahlrei- che Möglichkeiten. Um die optimale Demontagereihenfolge zu ermitteln, müssen alle Möglichkeiten gegeneinander abgewogen werden. Voraussetzung dafür ist ein detai- liertes Wissen über die Produktstruktur, die Verbindungstechniken sowie Verfahren zur Lösung dieser Verbindungen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Zeitbedarf der möglichen Verfahren.14 Die Begriffe Demontagereihenfolge und Demontagesequenz wer- den in dieser Arbeit synonym verwendet. Mit Hilfe der optimalen Demontagetiefe und -reihenfolge kann der optimale Demontageplan erstellt werden. Dieser enthält neben der Information, welche Teile in welcher Reihenfolge demontiert werden müssen, auch die Werkzeuge und Hilfsmittel, die dafür erforderlich sind.
Der erste Autor, der eine systematische Herangehensweise vorstellte, um den Demonta- geprozess zu organisieren, war Bourjault.15 Er ermittelte anhand eines Kugelschreibers (Bourjault’s Ballpen) Bedingungen und stellte diese in einem Verbindungsgraph dar. De Fazio und Whitney griffen seinen Ansatz auf und erweiterten ihn, um mögliche Monta- gesequenzen zu generieren.16 Auf dem gleichen Weg können mögliche (zerstörungsfreie) Demontagesequenzen erzeugt werden. Die Abb. 2.1 zeigt einen Kugelschreiber, der aus
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Abbildung 2.1: Komponenten eines Kugelschreibers (nach De Fazio und Whitney 1987, S.644)
sechs Komponenten besteht (n = 6). Dazu zählen die Kappe, der Kopf, der Körper, die Tinte, das Tintenröhrchen und der Knopf, um den Kugelschreiber auf der hinteren Seite zu verschließen. Durch die sechs Komponenten ergeben sich 3.797 mögliche Demonta- gesequenzen. Die Anzahl der möglichen Demontagesequenzen steigt überproportional mit der Anzahl der Komponenten. Bei n = 10 ergeben sich z. B. 314.726.297 mögliche Demontagesequenzen.17 Die Anzahl der möglichen Demontagesequenzen kann durch topologische, geometrische und technische Restriktionen reduziert werden. Dadurch ergeben sich die tatsächlich möglichen Demontagesequenzen.18 Topologische Restriktio- nen sichern, dass der Verbindungsgraph zusammenhängend bleibt, indem unmögliche Komponentenverbunde ausgeschlossen werden. Bezogen auf die Abb. 2.1 macht diese Restriktion z. B. einen Verbund aus AC unmöglich. Geometrische Restriktionen erge- ben sich durch die Zugänglichkeit zu den Komponenten. Dadurch kann z. B. die Kom- ponente B nicht aus dem Verbund ABF demontiert werden. Das bedeutet, dass jede Baugruppe, die A und F enthält, auch B enthalten muss. Eine Baugruppe AF ohne B ist geometrisch nicht machbar. Technische Restriktionen ergeben sich durch die tech- nische Machbarkeit einer DO. Bezogen auf das angesprochene Beispiel kann die Tinte
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Abbildung 2.2: Verbindungsgraph eines Kugelschreibers (nach De Fazio und Whitney 1987, S.644)
Derst aus C entfernt werden, wenn B vorher demontiert wurde.19 Der Verbindungs- graph in Abb. 2.2 ergibt sich aus der Zeichnung des Kugelschreibers aus Abb. 2.1 und den o. g. Restriktionen. Die Teilvorgänge 2 und 5 sind unabhängig voneinander. Somit ist die Reihenfolge der Ausführung unerheblich. Allerdings müssen die Teilprozesse 2 und 5 vor der Ausführung des Teilprozesses 1 ausgeführt werden. Teilvorgang 1 ist also abhängig von den Teilvorgängen 2 und 5. In dem Beispiel bedeutet das, dass der Körper des Kugelschreibers erst demontiert werden kann, nachdem die Kappe und der Knopf demontiert wurden. Die weitere Demontagesequenz ist durch Vorrangbeziehungen und die Teilprozesse 3 und 4 festgelegt.20
Durch den AND/OR-Graph können alle machbaren Demontagesequenzen innerhalb ei- nes Graphen dargestellt werden. Dabei stellen die Linien (oder Pfeile) die DO dar. Diese zeigen jeweils von einem übergeordneten Knoten zu einem oder mehreren Unterknoten. Die Knoten des AND/OR-Graphs stellen die Baugruppen und die in ihnen enthalte- nen Komponenten dar. In Abb. 2.3 ist der AND/OR-Graph des oben beschriebenen
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Abbildung 2.3: AND/OR-Graph des Kugelschreibers (nach Lambert und Gupta 2004, S. 187)
Kugelschreibers unter Beachtung der topologischen, geometrischen und technischen Restriktionen dargestellt.21 Der erste Knoten besteht aus dem kompletten Altprodukt und damit aus allen sechs Komponenten A bis F. Die Zahlen an den Pfeilen stellen die jeweilige Nummer der DO dar. Beim Ausgangszustand ergeben sich daher zwei Möglichkeiten zum Start der Demontage. Entweder wird das Altprodukt ABCDEF durch Operation 1 in die Baugruppe ABCDE überführt oder durch Operation 2 in die Baugruppe ABCDF. Operation 1 bedeutet also die Demontage der Komponen- te F, Operation 2 demontiert die Komponente E. Weitere Möglichkeiten, ausgehend von ABCDEF, gibt es in diesem Fall nicht. Zu beachten ist, dass Knoten, die Ein- zelteile darstellen, in dieser Abbildung nicht dargestellt sind. Außerdem wird jeder mögliche stabile Komponentenverbund höchstens einmal im AND/OR-Graph darge- stellt, egal durch welche Operation oder durch welche Baugruppe er entstanden ist.22 Ein AND/OR-Graph für komplexe Produkte wird schnell unübersichtlich. Sind jedoch die Kosten aller DO und die möglichen Erträge der Bauteile bekannt, lassen sich die optimale Demontagesequenz und optimale Demontagetiefe bestimmen.
Durch Identifizierung der zu entsorgenden sowie der wertvollen Bauteile und Materiali- en eines Altprodukts kann die Demontagetiefe festgelegt werden. Jedoch wird aus dem AND/OR-Graph ersichtlich, dass die Bestimmung der optimalen Demontagereihen- folge damit einher geht. Es kann sich ergeben, dass eine wertvolle Komponente zwar identifiziert wird, aber der Arbeitsaufwand für die Demontage sehr hoch ist. Somit steigen auch die Demontagekosten für diese Komponente. Daraus kann sich ergeben, dass es nicht wirtschaftlich ist, diese Komponente zu demontieren, obwohl sie einen hohen Ertrag verspricht. Durch diese Betrachtung ergibt sich eine optimale Demonta- getiefe, die ohne diese genaue Analyse nicht gefunden werden könnte. Das Ziel für ein Unternehmen ist es, alle Prozesse wirtschaftlich zu gestalten, so auch den Demontage- prozess. Daher muss der optimale Demontageplan für die Demontage eines Altprodukts vor der Demontage erstellt werden. Dazu müssen auf der taktischen Managementebene für sämtliche Bauteile alle möglichen KWO betrachtet und gegeneinander abgewogen werden.23 Weiterhin müssen alle möglichen Erträge der Bauteile sowie die Kosten für alle DO bekannt sein.24
Für die Planung des Demontageprozesses müssen alle relevanten Einflüsse berücksichtigt werden. Dazu zählen gesellschaftliche, wirtschaftliche und betriebliche Rahmenbedin- gungen sowie die Eigenschaften des Altprodukts. Der letztgenannte Einflussfaktor hat eine sehr hohe Bedeutung für die Planung des Demontageprozesses, da er einen erheb- lichen Unsicherheitsfaktor beinhaltet.25 Dazu zählen die Mengen, die Varianten und die Zustände der Altprodukte. Bei der Herstellung eines Produkts stellt der Absatz- markt einen relevanten Unsicherheitsfaktor dar. Um dieses Problem zu lösen, werden voraussichtliche Absatzzahlen prognostiziert. Bei der Demontage ist zusätzlich der Be- schaffungsmarkt von Unsicherheit gekennzeichnet, da die Lebensdauer eines Produkts weitgehend unvorhersehbar ist. Außerdem kann das Ende des Produktgebrauchs auch durch technologischen Wandel herbeigeführt werden wie z. B. in der Computerbranche. Dieser kann sogar so schnell sein, dass zu demontierende Altprodukte gar nicht ver- kauft wurden und somit neuwertige demontiert werden. Diese Aspekte sorgen dafür, dass die Menge der zurückgeführten Altprodukte nur abgeschätzt oder durch statisti- sche Mittel vorhergesagt werden kann.26 Da sich schon die Menge der Altprodukte nur schwer vorhersagen lässt, ist es für das Recyclingunternehmen noch schwieriger, das zurückgeführte Aufkommen in die jeweiligen Varianten zu unterteilen. Die Hersteller müssen Kundenbedürfnisse befriedigen. Daher vollzieht sich in einigen Bereichen ein Wandel von Variantenfertigung hin zu Mass Customization. Dabei werden die unter- schiedlichen Bedürfnisse jedes einzelnen Nachfragers berücksichtigt.27 Eine so große Anzahl an Varianten stellt das Recyclingunternehmen zusätzlich vor eine große Her- ausforderung und erschwert eine Automatisierung des Demontageprozesses. Weiterhin können sich die technischen Zustände von gleichen Varianten nach der Gebrauchspha- se derart unterscheiden, dass diese Produkte doch als einzigartig betrachtet werden müssen. Dies ist auf die verschiedenen Einflüsse während des Gebrauchs zurück zu führen. Gleichermaßen muss mit unsachgemäßem Gebrauch seitens des Verbrauchers gerechnet werden. Dadurch entstehen weitere unvorhersehbare Produktveränderungen wie z. B. durch Aufkleber auf dem Gehäuse.28 Zusätzlich sind Entwicklungen der wirt- schaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in zukünftigen Perioden unsicher. Daher müssen die Absatzbedingungen regelmäßig überprüft werden wie das Angebot und die Nachfrage von Werkstoffen und Bauteilen sowie Preisschwankungen.
Es gibt reichlich Fachliteratur, die sich mit der Planung von Demontageabläufen und der Bestimmung des optimalen Demontageplans beschäftigt. Auch Bestandsaufnahmen mit kritischer Würdigung bereits vorhandener Ansätze existieren. Zu erwähnen sind hier die Werke von Gungor und Gupta29, von Lee et al.30 und von Lambert31. Zunächst lassen sich Modelle zur Planung der Demontage hinsichtlich des Motivs einteilen. Dabei kann zwischen der Demontage zur Wartung eines Altprodukts und der Demontage am Ende des Produktlebenszyklus unterschieden werden. Wichtig ist bei erstgenanntem Motiv, dass zerstörende Demontage in diesen Modellen nicht berücksichtigt werden kann. Weiterhin können die Modelle bzgl. ihrer Zielsetzung kategorisiert werden. In der Literatur werden Ansätze zur Verfolgung wirtschaftlicher und ökologischer Ziele dargestellt. Dabei können vorrangig vier wirtschaftliche Ziele verfolgt werden: (a) die Maximierung des Gesamtertrags der demontierten Fraktionen bzw. der Bauteile, (b) die Minimierung der Kosten des Demontageprozesses bzw. der einzelnen Teilprozesse, (c) die Maximierung des Nettoertrags und (d) die Minimierung der Anzahl der De- montagestationen. Ökologische Zielsetzungen sind vorrangig: (e) die Maximierung der Anzahl der wiederverwendeten Komponenten des Altprodukts und (f) die Minimierung des zu deponierenden Abfalls.32 Zusätzlich kann zwischen verschiedenen Methoden zur Modellbildung unterschieden werden. Dabei wird in der Literatur zwischen grafischen, mathematisch optimierenden und heuristischen Methoden unterschieden.33
Eines der ersten Modelle zur Bestimmung des optimalen Demontageplans wurde von Navin-Chandra34 vorgestellt. Der Autor nutzt dazu einen AND/OR-Graph, der al- le möglichen Demontagepläne abbildet. Die Ermittlung der optimalen Lösung erfolgt als kombinatorisches Optimierungsproblem mit einer Modifikation des Problems des Handlungsreisenden mit dem Ziel, die Kosten des Prozesses zu minimieren und da- bei Umweltaspekte zu berücksichtigen. Zu den grafischen Methoden zählt der in Ka- pitel drei vorgestellte Ansatz von Penev und De Ron.35 Die Autoren nutzen einen AND/OR-Graph, um den optimalen Demontageplan zu bestimmen. Die Zielsetzung ist es, den Nettoertrag zu maximieren und dabei gleichzeitig ökologische Aspekte zu berücksichtigen. Dazu beschreiben die Autoren ein statisches Modell und bestimmen einen optimalen Demontageplan, indem die Kosten der verschiedenen KWO verglichen werden und die rentabelste Option gewählt wird. Einen ähnlichen Ansatz gibt es von Pnueli und Zussmann36, die mit Hilfe von AND/OR-Graphen und einem mathemati- schen Modell den optimalen Demontageplan generieren und damit den Wert des Altpro- dukts berechnen. Die Autoren stellen fest, dass lediglich 10-20% der Demontagekosten durch Optimierung des Recyclingprozesses eingespart werden können. Die restlichen Kosten sind abhängig von der konstruktiven und technischen Gestaltung des Altpro- dukts.37 Daher nimmt dieser Ansatz auch Bezug auf Design for Disassembly“ (DFD), ”
indem Schwachstellen in der Produktgestaltung aufgedeckt und Lösungsvorschläge er- bracht werden. Ein ähnliches Modell, das auch diesen Aspekt berücksichtigt, ist von Johnson und Wang38 und wird in Kapitel fünf vorgestellt. Das Modell von Lambert39 baut auf den Voraussetzungen von Navin-Chandra auf und zählt zu den grafischen Methoden.40 Lambert generiert aus dem Verbindungsgraph einen Demontageprozess- graph. Der Endzustand des Demontageprozesses wird nicht vorher definiert, sondern bleibt als Ergebnis der Bestimmung der optimalen Demontagetiefe die zu bestimmende Variable. Auch das Modell von Johnson und Wang41 erzeugt einen optimalen Demon- tageplan mit dem Ziel, den Nettoertrag zu maximieren. Innerhalb dieses mathema- tischen Modells wird das Altprodukt mit seinen Bauteilen und Fraktionen zunächst als Demontagebaum dargestellt. Im nächsten Schritt wird die PLM-Matrix eingeführt und vereinfacht. Dies geschieht durch das Zusammenfassen von ähnlichen Demontage- aktivitäten, sodass die jeweiligen Zeilen und Spalten aus der Matrix gestrichen wer- den können. Auch Bauteile oder Fraktionen, die aus ähnlichen Materialien bestehen, können zusammengefasst werden. Danach wird das Problem als kombinatorisches Op- timierungsproblem formuliert und mit Hilfe des Ansatzes des Problems des Handlungs- reisenden gelöst. Der Ansatz von Spengler et al.42 verfolgt zwei wesentliche Ziele: das Recycling industrieller Nebenprodukte und die Demontage von Gebäuden am Ende ih- res Produktlebenszyklus. Die Autoren nutzen dafür Vorrangbeziehungen und lösen das Problem mit Hilfe eines MILP-basierten Planungsmodells.43 Eine Besonderheit bildet der Ansatz von Krikke et al.44, der in Kapitel vier vorgestellt wird. Die Autoren erklären ein taktisches, wahrscheinlichkeitstheoretisches Modell, das zunächst Vorrangbeziehun- gen zwischen den Demontageaktivitäten aufzeigt. Neben der optimalen Demontagetie- fe wird hier auch die jeweilige KWO der demontierten Bauteile berücksichtigt.
[...]
1 Vgl. Schmid 2009, S. 12.
2 Vgl. Krikke/van Harten/Schuur 1998, S. 119.
3 Vgl. Schmid 2009, S. 13.
4 VDI Richtlinie 2343 2001, Blatt 1, S. 3.
5 Vgl. Hentschel 1996, S. 9.
6 Vgl. Ehrenstein 2004, S. 35.
7 Vgl. Kühn 2000, S. 12.
8 Vgl. Kühn 2000, S. 14.
9 Vgl. Kühn 2000, S. 13.
10 Vgl. Kühn 2000, S. 12f.
11 Vgl. Hentschel 1996, S. 34f.
12 Vgl. Schmid 2009, S. 43.
13 Vgl. von Werder 1996, S. 105.
14 Vgl. Walther 2005, S. 97.
15 Vgl. Lambert 2003, S. 3725 und Bourjault 1984.
16 Vgl. De Fazio/Whitney 1987.
17 Vgl. Lambert 1997, S. 2521.
18 Vgl. Inderfurth et al. 2004, S. 254.
19 Vgl. Inderfurth et al. 2004, S. 254f.
20 Vgl. De Fazio/Whitney 1987, S. 644ff.
21 Vgl. Lambert/Gupta 2005, S. 184.
22 Vgl. Homem de Mello/Sanderson 1990, S. 193.
23 Vgl. Dinge 2000, S. 139f.
24 Vgl. Spengler 1994, S. 42.
25 Vgl. Hentschel 1996, S. 17.
26 Vgl. Hentschel 1996, S. 22ff.
27 Vgl. Piller 2006, S. 160.
28 Vgl. Hentschel 1996, S. 27f.
29 Vgl. Gungor/Gupta 1999.
30 Vgl. Lee/Kang/Xirouchakis 2001.
31 Vgl. Lambert 2003.
32 Vgl. Lee/Kang/Xirouchakis 2001, S. 698.
33 Vgl. Lambert 2003, S. 3731f.
34 Vgl. Navin-Chandra 1994.
35 Vgl. Lambert 2003, S. 3746 und Penev/De Ron 1996.
36 Vgl. Pnueli/Zussmann 1997.
37 Vgl. Lambert 2003, S. 3740.
38 Vgl. Johnson/Wang 1995.
39 Vgl. Lambert 1997.
40 Vgl. Lambert 2003, S. 3746.
41 Vgl. Johnson/Wang 1998.
42 Vgl. Spengler et al. 1997.
43 Für weiterführende Informationen siehe: Spengler et al. 1997.
44 Vgl. Krikke/van Harten/Schuur 1998.