Masterarbeit, 2010
191 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung
2. Zum Hintergrund der Fragestellung: Arzt-Patient-Beziehung und vorinformierte Patienten
2.1. Ärzte und Patienten - eine Beziehung im Wandel
2.1.1. Komponenten der Arzt-Patient-Beziehung
2.1.2. Ursachen und Rahmenbedingungen des Wandels
2.1.3. Modelle der Arzt-Patient-Beziehung
2.1.4. Alltag der Arzt-Patient-Beziehung: Erwartungen und Erfahrungen
2.1.4.1. Zwischen Selbstverantwortung und Abhängigkeit: Die Perspektive der Patienten
2.1.4.2. Zwischen Empathie und Effizienz: Die Perspektive der Ärzte
2.1.5. Problemfelder und Potentiale der Arzt-Patient-Beziehung
2.2. Patienten und ihr Umgang mit Gesundheitsinformationen
2.2.1. Motive - Warum Patienten Gesundheitsinformationen suchen
2.2.2. Quellen - Wo sich Patienten informieren
2.2.3. Themen - Worüber sich Patienten informieren
2.3. Vorinformierte Patienten in der Sprechstunde
2.3.1. Wirkungen in der Arzt-Patient-Beziehung
2.3.2. Wirkungen auf Therapie und Prävention
2.3.3. Problemfelder: Informationsqualität, Nutzerkompetenz und soziale Barrieren
2.4. Zusammenfassung und Ableitung der Fragestellung
3. Zur Methode der empirischen Untersuchung
3.1. Begründung des qualitativen Ansatzes
3.2. Die Befragungsmethode: Leitfadengestützte Experten-Interviews
3.3. Entwicklung des Leitfadens
3.4. Rekrutierung der Befragten
3.5. Zur Auswertungsmethode
4. Darstellung der Ergebnisse
4.1. Beschreibung der Stichprobe und des Interview-Materials
4.2. Vorinformationen als Thema in der Sprechstunde
4.3. Bewertung der Qualität der Vorinformationen und der Quellen
4.4. Konfliktträchtige Effekte der Vorinformationen
4.4.1. Überforderung und Verunsicherung der Patienten
4.4.2. Misstrauen und Spannungen in der Arzt-Patient-Beziehung
4.4.3. Dissens über Diagnostik und Therapie
4.4.4. Höhere Ansprüche der Patienten - mehr Arbeit für Ärzte
4.5. Positive Effekte der Vorinformationen
4.5.1. Erleichterte Arzt-Patient-Kooperation
4.5.2. Selbstverantwortung und Kontrolle für Patienten
4.5.3. Anregung und Herausforderung für Ärzte
4.5.4. Ökonomische Potentiale
4.6. Ambivalent beurteilte Effekte der Vorinformationen
4.7. Handlungsmuster: Wie Ärzte mit vorinformierten Patienten umgehen
4.7.1. Handlungsmuster „selber informieren“
4.7.2. Handlungsmuster „steuern“
4.7.3. Handlungsmuster „korrigieren und streiten“
4.7.4. Handlungsmuster „deuten“
4.7.5. Handlungsmuster „integrieren“
4.8. Patientenbild und berufliches Selbstverständnis
5. Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse
6. Literaturverzeichnis
Anhang
Informationspapier für die Interviewpartner
Merkmale der Befragten
Leitfaden für die Interviews
Beispiel-Interview Gyn D
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Modelle der Arzt-Patient-Beziehung
Tabelle 2: Beispiel für die Schritte der Kategorienbildung
Tabelle 3a: Merkmale der Befragten Gyn B bis Gyn G
Tabelle 3b: Merkmale der Befragten HA H bis HA L
Der Wandel der Arzt-Patient-Beziehung ist in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht worden. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass sich zum einen in der Interaktion von Medizinern und Patienten[1] wie in einem Brennglas die Wirkungen der vielfältigen sozialen, politischen und ökonomischen Einflüsse auf das Gesundheitssystem zeigen und dass zum anderen gesundheitspolitische Konzepte sich hier durchsetzen oder scheitern können. Den Ärzten selber kommt dabei eine Schlüsselposition zu, da sie als „wichtiges, wenn nicht das wichtigste Bindeglied zwischen dem Gesundheitssystem und den Bürgern bzw. Patienten“ gelten können (Schmöller 2008, 15).
Ein wichtiger Einfluss der letzten Jahrzehnte im beschriebenen Sinn ist die fortschreitende Medialisierung des gesellschaftlichen Lebens, die sich mit dem Siegeszug des Internets noch einmal massiv verstärkt hat. Diese Medialisierung hat auch den Umgang mit Gesundheit und Krankheit erfasst und - im Verbund mit anderen Einflüssen politischer und ökonomischer Natur - zu einer neuen Rollenvielfalt in der Arzt-Patient-Beziehung geführt.
Viele Akteure des Gesundheitswesens propagieren dabei mittlerweile partnerschaftliche Konzepte der Interaktion zwischen Medizinern und Patienten. Expertengremien wie der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen messen in diesem Zusammenhang dem Ideal des „informierten Patienten“ eine große Bedeutung bei und betonen die Notwendigkeit entsprechender Informationsangebote:
„Inhaltlich korrekte und verständliche Informationen zu allen Aspekten des Gesundbleibens, der Bewältigung von Krankheit und des Lebens mit ,bedingter Gesundheit’ sind notwendige (wenngleich meist nicht hinreichende) Bestandteile einer zeitgemäßen Prävention und Krankenversorgung sowie Voraussetzung für die Umsetzung von Konzepten, die auf ,Selbstverantwortung’, auf den ,Patienten als Koproduzenten von Gesundheit’ sowie auf empowerment’ abzielen.“ (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 103).
Der „informierte Patient“ ist in diesem Verständnis das Pendant zum mündigen Bürger und wird als eine wichtige Voraussetzung für ein modernes und zukunftsfähiges Gesundheitssystem bewertet. Zudem zeigen Studien, dass die Arzt-Patient-Beziehung einen wichtigen Faktor für Erfolg und Effizienz von Prävention und Therapie darstellt: So kann eine gelungene patientenorientierte Kommunikation Outcomes wie Lebensqualität und Compliance der Patienten, aber auch ihr Inanspruchnahmeverhalten sowie einzelne physiologische Parameter und Krankheitssymptome positiv beeinflussen.
Damit wird aus gesundheitspolitischen wie versorgungspraktischen Erwägungen die Frage wichtig, wie sich das Ideal des „informierten Patienten“ im Versorgungsalltag realisiert. Dies hängt angesichts der erwähnten Schlüsselposition der Ärzte wesentlich davon ab, ob diese fähig und bereit sind, offen und kompetent mit den Informationen umzugehen, die sich Patienten außerhalb der Sprechstunde zu Diagnostik, Therapie, Prävention und zum Versorgungssystem verschaffen.
Allerdings zeigt der Blick auf die Forschung, dass die Perspektive der Patienten - ihre Erfahrungen, Erwartungen und Bewertungen im Zusammenhang mit Gesundheitsinformationen - bislang deutlich umfangreicher untersucht wurde als die der Ärzte. Der so genannte „physician factor“ ist vor allem in der deutschen Forschung zu versorgungsrelevanten Fragen wie der nach dem ärztlichen Umgang mit vorinformierten Patienten bislang eher unterbelichtet geblieben (vgl. Gothe et al. 2007; Lehmann et al. 2009; Rockenbauch 2009). Die vorliegende Arbeit verfolgt daher das Ziel, jene Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen von Medizinern genauer zu erfassen, die den Umgang mit eigenständig informierten Patienten prägen. Dabei geht es auch darum zu erkennen, welche Faktoren die Integration dieser externen Informationen in die Arzt-Patient-Interaktion fördern oder hemmen könnten.
Es darf als offene Frage gelten, ob sich im Umgang mit vorinformierten Patienten das Fazit einer aktuellen Untersuchung zum Selbst- und Rollenverständnis deutscher Mediziner bestätigt, in dem es heißt: „Den ,neuen Patienten’ treten (...) zunehmend ,neue Ärzte’ gegenüber.“(Schmöller 2008, 58).
Denn das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten ist traditionell ein hierarchisches, in dem Veränderungen hin zu mehr Partnerschaftlichkeit eine nicht zu unterschätzende Herausforderung für alle Beteiligten bedeuten - ganz besonders aber für die Mediziner, weil der Wandel ihrer Expertenrolle auch einen potentiellen Machtverlust in sich trägt. Es ist vor diesem Hintergrund naheliegend, dass entsprechende Veränderungen auch Gegenkräfte mobilisieren. Daher dürfte es nicht überraschen, dass in der gesundheitspolitischen Diskussion neben den positiven auch kritische Bewertungen zum Phänomen des „informierten Patienten“ anzutreffen sind, in denen zum Beispiel beklagt wird, dass
„... in den Laienköpfen akademisches Halbwissen [gedeiht], genährt durch Gesundheitsmagazine, Ratgebersendungen, Bücher, notorische Arztserien, Selbsthilfegruppen oder das Internet. Zugespitzt könnte man sagen: Viele Menschen wissen heute nicht zu wenig über Medizin, sondern zu viel - nur leider das Falsche. Wo sich früher in der Praxis ein Studierter und ein Laie gegenübersaßen, begegnet man sich heute als Experte und Halbexperte. Diese Konstellation garantiert Missverständnisse und Enttäuschungen.“ (Albrecht 2006, 17)
Die Ergebnisse dieser Arbeit sollen die Einschätzung erleichtern, ob solche Urteile der Mehrheitsmeinung derer entsprechen, die als behandelnde Ärzte in ihrem Berufsalltag mit allen Varianten des „informierten Patienten“ konfrontiert werden. Die Formulierung „in der Praxis“ aus dem Titel dieser Arbeit hat dabei eine doppelte Bedeutung: Zum einen soll das Ideal mit dem konfrontiert werden, was aus ärztlicher Sicht davon in der Alltagsrealität ankommt. Zum anderen geht es konkret um das, was sich im Rahmen der Sprechstunde in den Arzt-Praxen abspielt, denn im Mittelpunkt des empirischen Teils der Untersuchung stehen Interviews mit niedergelassenen Medizinern.
Im Hintergrundteil wird aber zunächst mit Blick auf die einschlägige Forschung der Rahmen dargestellt, in den die Interaktion von Ärzten und vorinformierten Patienten eingebettet ist. Dazu gehört grundlegend der Wandel der ArztPatient-Beziehung in den vergangenen Jahrzehnten, seine Ursachen und Folgen (Abschnitt 2.1.). Daran anknüpfend steht der Forschungsstand zum Umgang der Patienten mit dem breiten, unterschiedlich qualitätvollen Angebot an Gesundheitsinformationen im Mittelpunkt, das ihnen mittlerweile zur Verfügung steht; dabei geht es um die Motive der Informationssuche, die Quellen und die bevorzugten Themen (Abschnitt 2.2.). Schließlich ist von Interesse, welche Wirkungen des eigenständigen Informationshandelns der Patienten auf die Arzt-Patient-Beziehung, sowie auf Therapie und Prävention in entsprechenden Studien nachzuweisen sind und welche Problemfelder sich dabei auftun (Abschnitt 2.3.).
Nach einer Zusammenfassung des bisherigen Forschungsstandes und der Ableitung der konkreten Fragestellungen der vorliegenden Arbeit (Abschnitt 2.4.) werden die Methoden des empirischen Teils beschrieben (3. Kapitel): Für diesen wurden qualitative leitfadengestützte Experten-Interviews mit insgesamt elf ambulant tätigen Gynäkologen und Hausärzten geführt und anschließend einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Als Resultat der Auswertung werden die aus den Interviews rekonstruierten Erfahrungen, Bewertungs- und Handlungsmuster der befragten Ärzte im Umgang mit vorinformierten Patienten ausführlich dargestellt (4. Kapitel). Die Ergebnisse werden zuletzt abschließend zusammengefasst, mit Aspekten des bisherigen Forschungsstandes in Beziehung gesetzt und mögliche praktische Konsequenzen beschrieben (5. Kapitel).
Mein besonderer Dank gilt den Interviewpartnern, die sich für die Gespräche in ihrem dicht gedrängten Alltag Zeit genommen haben und mir sehr offen und konzentriert Rede und Antwort standen.
Die Beziehung zwischen Arzt und Patient entfaltet sich als soziale Beziehung unter dem Einfluss vielfältiger Einflussfaktoren und ihrer Wechselwirkungen (vgl. zum Folgenden Buddeberg 2004, 75-94, 330-359, 375-382, 557-559; Siegrist 2005, 225-272). Von außen auf diese Beziehung wirken etwa gesetzliche Vorgaben und vertragliche Vereinbarungen, aber auch ethische Prinzipien und Standesregeln der Ärzte. Darüber hinaus bilden die organisatorischen und finanziellen Strukturen des Gesundheitssystems den äußeren Rahmen, in dem sich die einzelne Arzt-Patient-Beziehung realisiert. Sowohl Ärzte als auch Patienten sind außerdem soziokulturellen Prägungen unterworfen, die ihre Interaktion beeinflussen, z.B. durch soziale oder ethnisch-kulturelle Unterschiede, die sich auf das Krankheitsverständnis, den Sprachcode und nicht zuletzt auch auf Kompetenzen im Bereich Kommunikation und Information auswirken.
Die Arzt-Patient-Beziehung ist weiter bestimmt durch die Rollen, die Ärzte und Patienten darin ausfüllen bzw. die ihnen zugewiesen sind. Kennzeichen dieser Rollen und der sie konstituierenden Anforderungen sind auf der Seite der Ärzte u.a. ihre fachliche Kompetenz, der ethisch verantwortungsvolle Umgang mit den Patienten und die Bereitschaft zu fachgerechter Hilfe unabhängig von Sympathie, Antipathie oder sozialer Stellung des Gegenübers. Die Rolle eines Patienten ist meistens, aber nicht immer die eines Kranken (im Bereich Prävention und Früherkennung geht es oft um gesunde Patienten). Dieser hat Recht auf Schutz bzw. Versorgung und ist befreit von bestimmten sozialen Pflichten (z.B. zur Arbeit). Gleichzeitig wird von ihm erwartet, zur Genesung beizutragen und Hilfe in Anspruch zu nehmen.
In der Arzt-Patient-Beziehung herrscht eine grundsätzliche Asymmetrie, die nicht vollständig und dauerhaft aufzulösen ist, aber sich verschieben kann. Sie speist sich aus strukturellen Macht-Diskrepanzen, die eng mit den beschriebenen Rollenverteilungen zusammenhängen. Wesentlich ist dabei die Expertenmacht des Arztes, die sich aus seinem fachlichen Wissensvorsprung ableitet, während der Patient als Laie wie als Hilfsbedürftiger latent in einer schwächeren Position ist. Doch auch die gesellschaftliche Definitionsmacht (u.a. durch die Zuweisung des Krankenstatus und damit zusammenhängender Rechte) und die Steuerungsmacht (durch die Ausgestaltung der konkreten Interaktionssituation z.B. im Sprechzimmer) verschaffen den Ärzten eine prinzipiell stärkere Machtposition als ihren Patienten.
Kommunikation spielt in der Arzt-Patient-Beziehung eine zentrale Rolle. Dabei verschränken sich Inhalts- und Beziehungsebene. Außerdem mischen sich verbale mit non-verbalen, symmetrische mit asymmetrischen Formen der Kommunikation. Auch der für die vorliegende Arbeit zentrale Aspekt des Umgangs mit Informationen berührt sowohl die Inhalts- als auch die Beziehungsebene und entfaltet dabei emotionale, kognitive (d.h. verständnisbetonte) und pragmatische (d.h. handlungsbetonte) Effekte. Gleichzeitig unterliegt der Umgang mit Informationen all jenen Einflüssen auf die Arzt-Patient-Beziehung, die oben skizziert worden sind.
Die hier nur knapp dargestellten Komponenten der Arzt-Patient-Beziehung sind konstitutionell, d.h. sie bilden den Rahmen, der diese Beziehung grundsätzlich kennzeichnet. Doch gleichzeitig unterliegen diese Komponenten dem historischen Wandel (vgl. Hillebrand 2008, Schmöller 2008) und haben sich in ihrer konkreten Ausprägung in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Im Folgenden sollen diese Veränderungen und ihre Auslöser beschrieben werden.
Der Wandel der Arzt-Patient-Beziehung ist mit monokausalen Ursache- Wirkungs-Beschreibungen nicht zu erfassen. Denn ihm liegt ein ganzes Geflecht gesellschaftlicher, politischer und ökonomischer Ursachen zugrunde, aus dem sich vielfältige Effekte, Wechsel- und Rückwirkungen ergeben. Diese Vielfalt erschwert eine eindeutige Beschreibung des Wandels und seiner Folgen. Dabei ist diese Schwierigkeit selbst Abbild jener Entwicklung, die neben anderen gesellschaftlichen Systemen und Beziehungen auch die Arzt-PatientBeziehung verändert hat. Denn typisch dafür ist die abnehmende Eindeutigkeit von Wissen, Werten und Normen. Dieses „Ende der Eindeutigkeit“ (Baumann 1992) verbindet unterschiedliche gesellschaftliche Phänomene, die unter Schlagworten wie „Demokratisierung“, „Pluralisierung“ oder auch „Individualisierung“ vielfach beschrieben worden sind (z.B. Gumbrecht 1978; Beck 1986; Beck/Beck-Gernsheim 1994). In sozialen Beziehungen wie der zwischen Arzt und Patient vervielfältigen sich unter solchen Einflüssen die Gestaltungsoptionen - Rollen und Beziehungsmuster sind weniger vordefiniert, sondern verhandelbar, also immer neu auszuloten und zu begründen.
Phänomene dieser Art sind charakteristische Kennzeichen der Moderne und haben sich in verschiedenen Entwicklungsschritten historisch immer deutlicher herausgebildet (Gumbrecht 1978). In der Gesellschaft der Bundesrepublik bewirkte die 68er-Bewegung mit ihren demokratisierenden, autoritätskritischen Impulsen in diesem Sinn einen besonders deutlichen Modernisierungsschub. Parallel zum Bildungssystem, der Familie, der Arbeitswelt und dem Verhältnis der Geschlechter änderte sich unter diesen Einflüssen auch das Gesundheitssystem nachhaltig (Dieterich 2006; Dierks et al. 2001; Klemperer 2003). In allen genannten Bereichen wurden hierarchische, asymmetrische Beziehungen hinterfragt, emanzipatorische Forderungen nach Mitbestimmung erhoben und in vieler Hinsicht auch nach und nach erfüllt. Für die Arzt-PatientBeziehung ist dabei die Entwicklung von paternalistischen zu partnerschaftlicheren Konzepten zentral (dazu genauer in Abschnitt 2.1.3.).
Diesen Wandel haben auch veränderte Paradigmen innerhalb der Medizin selbst befördert. So ist das biomedizinische Modell, das von einem rein naturwissenschaftlichen, eher mechanistischen Verständnis von Krankheit und Gesundheit geprägt ist, durch das biopsychosoziale Konzept nicht ganz abgelöst, aber stark zurückgedrängt worden (Klemperer 2003, Egger 2005). Darin spielt die subjektive Perspektive der Patienten eine wichtige Rolle und erhält damit auch in der Arzt-Patient-Beziehung einen größeren Stellenwert.
Auch der medizinische Fortschritt hat der Arzt-Patient-Beziehung neue Ansprüche aufgeladen und paradoxerweise einen „partiellen Vertrauensverlust“ gegenüber der Medizin bewirkt (Klemperer 2003, 9). Denn die rasante
Zunahme therapeutischer und diagnostischer, oft zunächst gleichwertig erscheinender Optionen führt immer wieder zur „Qual der Wahl“, bei der viele Entscheidungen mit Unsicherheit behaftet sind. Parallel und in Reaktion auf die Zunahme der Optionen haben Wissenschaftler exaktere Instrumente entwickelt, um medizinische Methoden kritisch zu bewerten. Die evidenzbasierte Medizin ist der deutlichste Ausdruck dieser Entwicklung (Klemperer 2003; Badura/Strodtholz 2003; Helou 2003; Perleth 2003; Sänger 2005; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2002, 65-73). Auch sie ist Teil des medizinischen Fortschrittes - und hat ähnlich paradoxe Wirkungen: Denn ihre Methoden können (und sollen) neues Vertrauen schaffen, zerstören aber für Ärzte und Patienten auch traditionelle Sicherheiten - weil die Ansprüche an die Legitimation von medizinischem Wissen und medizinischen Entscheidungen steigen.
Weitere den Wandel der Arzt-Patient-Beziehung beeinflussende Faktoren aus dem engeren Bereich der Medizin selbst betreffen das veränderte Krankheitsspektrum: Der höhere Anteil alter und hochbetagter Menschen an der Bevölkerung und die damit verbundene wachsende Zahl multimorbider und chronisch Kranker (Robert-Koch-Institut 2009) bewirkt andere Beziehungen zwischen Ärzten und Patienten (auch wenn der Zuwachs möglicherweise moderater ausfällt als oft prognostiziert, vgl. Schwartz/Walter 2003, 172f.). Die kontinuierliche Begleitung nicht vollständig therapierbarer Krankheiten wird wichtiger - und wirft in der Arzt-Patient-Kommunikation immer neue Fragen zu präventiven und therapeutischen Optionen auf.
Einflüsse auf die Arzt-Patient-Beziehung aus dem medizinischen Feld selber ergänzen und verstärken sich durch solche aus der Politik. Patientenorientierung ist dabei zu einem Leitbild geworden, das mittlerweile die meisten gesundheitspolitischen Akteure propagieren und das zunehmend in die Gesetzgebung eingeflossen ist. (Dierks et al. 2001; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2002, 20, 40-46, 80; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 87-130; Trojan 2003; Hart 2003; Härter et al. 2005, 53-135; Dieterich 2006). Wichtige konkrete Folgen sind erweiterte Patientenrechte, eine Aufwertung der Patientenperspektive im
Rahmen der Qualitätssicherung, die Berufung einer Patientenbeauftragten der Bundesregierung seit 2004 und die verstärkte Beteiligung von Patientenvertretern in gesundheitspolitischen Gremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss. (Bundesministerium für Gesundheit, Bundesministerium der Justiz 2007; zur Qualitätssicherung Sozialgesetzbuch 2008, V, §§ 135-139c).
Auch die seit 2000 gesetzlich vorgeschriebene Förderung von Patientenberatungsstellen durch die Krankenkassen (Sozialgesetzbuch 2008, V, § 65b) ist hier zu nennen. Darüber hinaus werden von allen Akteuren bessere Informationsangebote mittlerweile als wichtiger Schritt auf dem Weg zu verstärkter Patientenorientierung angesehen und bereitgestellt . Hinzu kommt ein vor allem durch das Internet gewachsenes Angebot in den Medien (Hurrelmann/Leppin 2001; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 96, 102f.; Dierks et al. 2001, 119-147; Dierks et al. 2003; Roski/Schikorra 2009;). Die somit stark erweiterten Informationsmöglichkeiten sind ein weiterer (und für diese Arbeit zentraler) Faktor für den Wandel im Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten.
Dabei ist auch die explizite Forderung nach einer veränderten Arzt-PatientBeziehung zunehmend auf die politische Agenda gerückt. So formulierte bereits 1992 der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen: „An die Stelle des ,benevolenten Paternalismus’ muss als zeitgemäße Form der Arzt-PatientBeziehung ein ,Partnerschaftsmodell’ treten“ (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 1992, 363) und präzisierte entsprechende Vorschläge in späteren Gutachten. Dabei spielte die verbesserte Information der Patienten eine wichtige Rolle (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2002, 40-46, 80; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 91-94, 102-130).
Auffallend ist, dass die Demokratisierung der Arzt-Patient-Beziehung zunächst vor allem von den Betroffenen auf der Mikroebene - also vielen Patienten und wenigen besonders engagierten Ärzten - forciert wurde. Gesundheitspolitische Akteure der Meso- und Makroebene griffen diese Impulse erst auf, als der Kostendruck im Gesundheitswesen zunahm und dadurch die Ökonomisierung des Systems voran schritt. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Patienten sich seit Ende der achtziger Jahre zunehmend an den steigenden Behandlungskosten beteiligen müssen (Robert-Koch-Institut 2009; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2002, 20 f.)[2] Dadurch haben ihre Forderungen nach mehr Rechten, politischer Beteiligung und einer gleichberechtigteren Arzt-Patient-Beziehung eine neue Legitimation erfahren.
So sind mittlerweile im Zuge der Umstrukturierung des Gesundheitswesens demokratisierende mit ökonomischen Impulsen eng miteinander verzahnt. Die zunehmende Patientenorientierung und der Wandel der Arzt-Patient-Beziehung haben dadurch ein ambivalenteres Gesichte bekommen (Dierks et al. 2001, 1421; Dieterich 2006): Neben vielen Chancen für eine qualitativ verbesserte Versorgung tragen die neuen Leitbilder die Gefahr in sich, für eine radikale Marktorientierung des Gesundheitssystems funktionalisiert zu werden, wenn die wachsende Mit-Verantwortung der Patienten nicht von strukturellen Maßnahmen unterstützt und damit zu stark individualisiert würde.
Modelle der Arzt-Patient-Beziehung sind zwar idealtypische Konstruktionen und beschreiben daher nicht die Realität. Dennoch sind sie hilfreich zum Verständnis des realen Wandels - denn die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihnen (und vor allem die Entwicklung neuer Modelle) ist gleichermaßen Abbild wie Motor der Veränderungen der Interaktionsmuster. Daher sollen die Grundzüge der wichtigsten in der Forschung diskutierten Modelle kurz dargestellt werden.
Auch wenn es in der Flut der Literatur zu diesem Thema mittlerweile diverse neue Varianten der Systematik gibt (z.B. Krones/Richter 2008; Klemperer 2005a)[3], lassen sich - mit leichten Abwandlungen Charles et al. folgend - drei Grundmodelle beschreiben, die bezogen auf den Umgang mit Informationen und mit Entscheidungen am deutlichsten voneinander abzugrenzen sind (Charles et al. 1997, 1999a, 1999b; Klemperer 2003, 2005a)[4]:
- Das paternalistische Modell
- Das autonome (bzw. informative) Modell
- Das partnerschaftliche Modell bzw. Shared Decision Making (SDM; auch Partizipative oder Partnerschaftliche Entscheidungsfindung; PEF)
Paternalistisches Modell
Dieses Modell entspricht am stärksten dem alten Bild des „Halbgottes in Weiß“. Die Beziehungskonstellation ist hierarchisch und extrem asymmetrisch: Der Arzt ist ganz Herr des diagnostischen und therapeutischen Geschehens. Entscheidungen fällt er allein und nur nach Maßgabe seines Experten-Wissens, der Patient ist passiver Empfänger der Hilfe, der Fürsorge[5] und aller diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, die der Arzt für richtig hält.
Implizit fußt dieses Modell besonders entschieden auf dem biomedizinischen Konzept - denn grundlegend ist hier die Annahme objektiv feststellbarer Krankheitsursachen und ebenso objektiver Kriterien für die daraus abzuleitenden Behandlungsschritte. Subjektive psychosoziale Faktoren von Patientenseite spielen ebenso wenig eine Rolle wie die Werte und Präferenzen des Patienten. Dementsprechend liegt auch die Informationshoheit beim Arzt: Er wertet
Informationen aus, die er für relevant hält und selektiert sie für den Patienten, wie es ihm sinnvoll erscheint. Insgesamt ist das Verhalten des Arztes direktiv. Das paternalistische Modell gilt heute den meisten Akteuren angesichts der oben beschriebenen Entwicklungen als anachronistisch und hat somit als Leitbild ausgedient. Allerdings gibt es durchaus Patienten, die grundsätzlich oder situationsbezogen (z.B. je nach Behandlungsanlass und/oder Krankheitsverlauf) eine paternalistisch gestaltete Beziehung zu ihrem Arzt bevorzugen (Bertelsmann Stiftung/Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen 2005; vgl. dazu ausführlicher 2.1.4.1.). Nicht zuletzt gibt es für den Arzt in Nofallsituationen oft keine andere sinnvolle Möglichkeit, als paternalistisch zu entscheiden und zu handeln.
Autonomes (bzw. informatives) Modell
Das informative Modell nach Charles et al. (Charles et al. 1997, 1999a, 1999b) ist bezogen auf den Umgang mit Entscheidungen das spiegelbildliche Extrem zum paternalistischen Konzept: Der Arzt informiert, der Patient entscheidet allein. Wie im paternalistischen Modell fehlt also auch hier ein (Informations-) Austausch im eigentlichen Sinn.
Im Zentrum stehen dabei objektive wissenschaftlich-medizinische Informationen, die nicht in Beziehung gesetzt werden zur individuellen Situation des Patienten oder eventuell schwankender Werte und Präferenzen auf seiner Seite. Auch in diesem Modell dominiert also das biomedizinische Konzept. Auffallend ist zudem ein sehr idealisiertes, eindimensionales Verständnis der Effekte von Informationen: nämlich die Vorstellung, dass ein qualitatives und quantitatives Maximum an Information automatisch zu klaren Entscheidungen des Patienten führt. Die Rolle des Arztes wird dabei stark auf die eines Technikers reduziert, der als eine Art Info-Broker im Dienste seines Patienten steht; Empathie und eine über das rein Medizinische hinausgehende Beratung sind dabei nicht vorgesehen.
Die Stellung des Patienten ist im informativen Modell dagegen durch sehr widersprüchliche Tendenzen charakterisiert: Seine Rolle im Entscheidungsprozess ist äußerst aktiv und autonom, im Umgang mit Informationen aber sehr passiv und von großem Vertrauen auf das Expertenwissen des Arztes geprägt. Doch ein Patient, der dem Arzt keine Autorität in Sachen Entscheidungen zugesteht, wird auch dessen Informationen kaum voll vertrauen und sie immer intensiv aus anderen Quellen ergänzen. Dieser Gegensatz scheint daher schon auf der theoretischen Ebene fragwürdig und dürfte praktisch eine besonders geringe Rolle spielen.
Realitätsnäher und damit präziser ist daher eine leichte, aber entscheidende Abwandlung des informativen Konzeptes, das als „autonomes Modell“ bezeichnet werden kann. Es geht von einem auch in Sachen Informationen autonom orientierten Patienten aus: Er entscheidet zwar allein, bedient sich dafür aber sowohl der ärztlichen als auch der Informationen Dritter (über die er sich allerdings mit dem behandelnden Arzt nicht weiter austauscht).[6]
Das partnerschaftliche Modell bzw. Shared Decision Making (SDM)
Das partnerschaftliche Modell stammt ursprünglich aus der Bildungsarbeit und wurde ab Mitte der achtziger Jahre auf die Medizin übertragen, wo es zunächst vor allem für Patienten mit chronischen Krankheiten weiter entwickelt wurde (Rockenbauch et al. 2009). Mittlerweile gilt Partnerschaftlichkeit grundsätzlich als Leitbild der Modernisierung im Gesundheitswesen im Allgemeinen und für den Umgang von Arzt und Patient im Besonderen (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 87-130).[7]
Was den Prozess der Interaktion und der Entscheidung angeht, steht das Konzept des Shared Decision Making zwischen den beiden bisher beschriebenen Modellen. Charles et al. beschreiben dafür vier grundsätzliche Charakteristika (Charles et al. 1999a, 685-688):
1. Arzt (oder mehrere Ärzte) und Patient (und eventuell Angehörige bzw. andere Vertraute) sind gleichermaßen am Entscheidungsprozess beteiligt
2. Beide Seiten unternehmen aktiv Schritte, um zu einer Entscheidung zu gelangen[8]
3. Austausch von und über Informationen ist eine Grundvoraussetzung für SDM
4. Am Ende des Prozesses steht eine Entscheidung, der beide Seiten zustimmen
SDM ist prinzipiell das flexibelste der drei beschriebenen Beziehungsmuster. Denn situations- bzw. krankheitsbedingte Schwankungen der Patientenpräferenzen können und sollen hier auch in Bezug auf die Entscheidungsform berücksichtigt werden: Wünscht ein Patient prinzipiell, beteiligt zu werden und möchte trotzdem bei bestimmten Teilentscheidungen, dass der Arzt diese für ihn trifft, ist dies dennoch eine partnerschaftliche Entscheidung (sie bezieht sich nur auf die nächst höhere Ebene, sozusagen auf die Entscheidung über die Entscheidungsform). In diesem Sinne ist im SDM-Prozess der Austausch darüber zentral, wie viel Beteiligung der einzelne Patient jeweils situations- und krankheitsbezogen wünscht. Da diese Präferenzen gerade bei längeren Krankheitsverläufen nicht konsistent sind, sollen sie immer wieder ausgelotet werden (Charles et al. 1999a; Dierks/Seidel 2005; Merten/Bührung 2007).
Für den Umgang mit Informationen sind im SDM-Konzept mehrere Punkte wichtig: Zum einen fließen die Informationen im partnerschaftlichen
Entscheidungsprozess in beide Richtungen - vom Arzt zum Patienten, aber notwendig auch vom Patienten zum Arzt. Außerdem ist der Begriff der Information breiter gefasst: Relevant sind nicht nur medizinische Informationen im engeren Sinn, sondern auch solche über psychische oder soziale Fragen. Ausdrücklich nennen Charles et al. in diesem Zusammenhang auch einen Punkt, den man „Information über Informationen“ nennen könnte (Charles et al..1999b, 654):
Teil eines gelungenen SDM-Prozesses ist demnach, dass Patienten ihren Ärzten von den Informationen rund um ihr Beschwerdebild berichten, die sie aus anderen Quellen als der des behandelnden Arztes bezogen haben. Und auch die Vorstellungen, Ängste, Hoffnungen der Patienten in Bezug auf Behandlungsoptionen, Krankheitsursachen und -folgen sollen hier zur Sprache kommen.
Geteilte Informationen sind also ein wesentliches Merkmal der partnerschaftlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient, die dem Modell des SDM zugrunde liegt. Der Austausch darüber ist Dreh- und Angelpunkt der hier angestrebten größtmöglichen Gleichberechtigung beider Seiten, mit deren Hilfe die Asymmetrie der Beziehung so weit wie möglich reduziert werden soll.
Die folgende Tabelle fasst noch einmal die wichtigsten Merkmale der oben beschriebenen Modelle zusammen (Tabelle 1):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 1: Modelle der Arzt-Patient-Beziehung (ergänzt nach Charles et.al. 1999a, 781)
Anhang der beschriebenen Modelle zur Arzt-Patient-Beziehung soll im Folgenden genauer beleuchtet werden, wie sich die Realität dazu verhält. Dabei wird sich zeigen, dass von der Realität hier nur eingeschränkt die Rede sein kann, weil sie sich für Ärzte und Patienten zum Teil sehr unterschiedlich darstellt. Im Mittelpunkt steht die Frage, was Ärzte und Patienten jeweils von der Arzt-Patient-Interaktion erwarten und inwiefern sie diese Erwartungen erfüllt oder nicht erfüllt sehen. Für das Thema dieser Arbeit sind dabei insbesondere mögliche Spannungsfelder im Umgang mit Informationen wichtig. Denn Defizite in diesem Bereich dürften einen wesentlichen Einfluss darauf haben, ob und wie Patienten Informationsquellen außerhalb der Arzt-Patient-Begegnung nutzen.
In der Forschung zur Arzt-Patient-Beziehung nimmt das Konzept des SDM seit einigen Jahren breiten Raum ein. Im Mittelpunkt steht dabei meist die Frage: Wie viele und welche Patienten wünschen sich eine partnerschaftliche Beziehung zu ihren Ärzten und was verstehen sie darunter?
In den Antworten zeigt sich seit einigen Jahren eine gewisse Konstanz (Nebling/Fließgarten 2009; Coulter/Magee 2003, 46-48; Dierks/Seidel 2005; Isfort et al. 2004; Isfort et al. 2007): Mehr als die Hälfte der deutschen Patienten - je nach Umfrage zwischen 57 und 77 Prozent - wünschen sich demnach eine Interaktion mit ihrem Arzt, in der sie in den Entscheidungsprozess einbezogen werden; im europäischen Vergleich sind diese Werte besonders hoch. Das autonome Modell der alleinigen Patientenentscheidung bevorzugen je nach Umfrage 11 bis 29 Prozent der Befragten, das paternalistische Modell des allein entscheidenden Arztes 6 bis 27 Prozent. Die Werte für das paternalistische Konzept haben dabei in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und liegen oft unter 10 Prozent, die Werte für das autonome Modell sind tendenziell gestiegen.
Jüngere und höher gebildete Befragte bevorzugen häufiger partnerschaftliche Konzepte als Ältere und Menschen mit schlechterer Bildung (Klemperer/Rosenwirth 2005a). Was den krankheitsspezifischen Einfluss angeht, sind die Ergebnisse uneinheitlich. Insbesondere die Frage, ob chronisch Kranke sich häufiger an Entscheidungen beteiligen wollen, ist nicht eindeutig geklärt. Hier spielt eventuell eine Rolle, dass Entscheidungspräferenzen schwanken und dabei abhängig sind vom Anlass für den jeweiligen Arztbesuch, vom Krankheitsverlauf und anderen situationsbezogenen Faktoren (Butzlaff et al. 2003; Klemperer/Rosenwirth 2005a, Dierks/Seidel 2005; Nebling/Fließgarten 2009; Simon/Härter 2009).[9] Da bei chronisch Kranken diese Faktoren besonders stark variieren können (u.a. wegen der höheren Zahl an Arztbesuchen) sind eventuell auch die Entscheidungspräferenzen entsprechend variabel.
Grundsätzlich sind partnerschaftliche Modelle jedenfalls für die Mehrheit der Patienten attraktiv. Doch die Zahlen müssen auch anders herum gelesen werden: Eine relativ große Gruppe steht demnach partnerschaftlichen Konzepten zumindest reserviert gegenüber - nämlich ein Viertel bis knapp die Hälfte der jeweils Befragten. Wichtig ist außerdem, dass die jeweiligen Präferenzen in Sachen Informationen und Mitbestimmung nicht Hand in Hand gehen - der Wunsch nach Informationen ist deutlich verbreiteter als der nach Beteiligung an Entscheidungen (Krones/Richter 2008). Das heißt, auch Patienten, deren Präferenzen eher dem paternalistischen Modell entsprechen, wollen oft umfassende Aufklärung. Die am häufigsten genutzte Informationsquelle bleibt allerdings der Arzt selbst, und zwar unabhängig von der jeweiligen Entscheidungspräferenz: Drei von vier Patienten lassen sich (zumindest auch) von ihrem Arzt informieren; Informationen aus den Medien oder dem sozialen Umfeld werden dagegen weit weniger genutzt (Dierks/Seidel 2005).
Insgesamt zählen sowohl die gelungene Kommunikation als auch das Bedürfnis nach Informationen zu den wichtigsten Erwartungen, mit denen fast alle (also auch die autonom oder paternalistisch orientierten) Patienten in die Sprechstunde kommen. Die Zustimmungswerte zu den entsprechenden Aussagen schwanken in verschiedenen Befragungen zwischen 75 und 90 Prozent (Klemperer/Rosenwirth 2005a, Bertelsmann Stiftung/Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen 2005). Auch wenn dahinter je nach Patiententyp verschiedene konkrete Inhalte stecken dürften (z.B. was als „wissenswert“ beurteilt wird), drücken sich in solchen Ergebnissen Grundanliegen aus: Patienten wünschen sich von ihren Ärzten vor allem, dass sie genug Zeit haben, gut zuhören können, alles Wissenswerte über Krankheit, Behandlungsoptionen und Nebenwirkungen vermitteln und dem Patienten alle Fragen beantworten. Deutlich weniger Patienten empfinden offenbar die im engeren Sinn medizinischen Aspekte der Arzt-Patient-Interaktion als zentral; so erwarten Umfragen zufolge nur 64 Prozent der Befragten eine körperliche Untersuchung und sogar nur 25 Prozent, dass der Arzt ihnen Medikamente verschreibt (Klemperer/Rosenwirth 2005a, Bertelsmann Stiftung/Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen 2005).
Die Erfahrungen der Patienten entsprechen nur zum Teil ihren Erwartungen an die Arzt-Patient-Beziehung. Dies beginnt bereits beim bevorzugten Entscheidungsmodell: Deutlich weniger als die Hälfte der Patienten gibt in Deutschland an, dass sie ihre Präferenz bei Arztbesuchen in den letzten 12 Monaten verwirklichen konnten; im europäischen Vergleich ist das ein relativ geringer Wert (Dierks/Seidel 2005).
Vor allem Information und Kommunikation bekommen in der realen ArztPatient-Interaktion nicht den gewünschten Stellenwert. Im internationalen Vergleich sind deutsche Patienten damit besonders unzufrieden, wobei Frauen die entsprechenden Defizite häufiger bemängeln (vgl. auch zum Folgenden Sawicki 2005): Schlecht oder gar nicht aufgeklärt fühlt sich deutlich mehr als die Hälfte aller Befragten (61 Prozent) über Behandlungsoptionen, fast jeder Zweite (46 Prozent) über Behandlungsziele und 38 Prozent über die Nebenwirkungen ihrer Medikamente. Andere Untersuchungen bestätigen Mängel vor allem in der ärztlichen Aufklärung über die Medikamenteneinnahme (Mühlhauser/Lenz 2008).
Insgesamt zeigen sich nur 50 Prozent der deutschen Patienten wirklich zufrieden mit den Informationen, die sie von ihrem Arzt erhalten (Coulter/Magee 2003, 42). In einer Umfrage mit rund 3600 Teilnehmern in Bremen zu gesundheitlicher Beratung und Information geben zwei Drittel der Patienten an, sich gut informiert zu fühlen; der Rest beklagt auch hier vor allem fehlende Informationen zu Medikamenten und ihren Nebenwirkungen, aber auch über Krankheitsursachen und die Möglichkeiten, durch eigenes Verhalten Krankheiten zu vermeiden bzw. die Genesung zu fördern (Stroth et al. 2007).
Deutsche Patienten kritisieren, dass Ärzte zu wenig auf ihre individuelle Situation eingehen und wünschen sich, dass mehr gesprochen und weniger verschrieben wird. Außerdem beklagen sie den Zeitmangel in der Sprechstunde (Coulter/Magee 2003, 37f., 42). Tatsächlich behandeln deutsche Ärzte im internationalen Vergleich im Schnitt erheblich mehr Patienten pro Woche als die Kollegen anderswo (243 gegenüber 102 bis 154 in den verglichenen Ländern) und haben mit durchschnittlich acht Minuten deutlich weniger Zeit für den einzelnen Kontakt (Schnitt der Vergleichsländer elf bis neunzehn Minuten) (Koch et al. 2007).
Auch die Zahl der Arztkontakte ist international gesehen überdurchschnittlich hoch; nach Auswertung der Daten des Jahres 2008 wird sie auf 18 Kontakte pro Versicherten pro Jahr geschätzt (Grobe et al. 2010). Eine Untersuchung von 137 Konsultationen zeigt die logische Konsequenz solcher Zahlen für die Arzt-Patient-Kommunikation: Je nach Gesprächsanlass wurden die Patienten bereits nach 11 bis 24 Sekunden von ihren Ärzten unterbrochen (Wilm et al. 2004).
Grundsätzlich hat die Qualität der Arzt-Patient-Beziehung auch für Ärzte einen hohen Stellenwert: Für die Motivation und die Berufszufriedenheit spielt sie eine zentrale Rolle (Horowitz et al. 2003; Daghio et al. 2003; Gothe et al. 2007). Im Vergleich zu den Erwartungen und Erfahrungen der Patienten ist allerdings die ärztliche Perspektive - vor allem im deutschsprachigen Raum - deutlich weniger erforscht, auch wenn in den letzten Jahren die Aufmerksamkeit für den „physician factor“ im Versorgungsgeschehen langsam wächst und dabei eine befriedigende Arzt-Patient-Beziehung als wichtigster nicht-monetärer Anreiz für Ärzte bewertet wird (Bundesärztekammer 2005, Gothe et al. 2007).[10]
In entsprechenden Studien wird klar, dass auch Ärzte heute mehrheitlich das partnerschaftliche Modell der Arzt-Patient-Beziehung bevorzugen: Rund zwei Drittel der Befragten geben dies in Umfragen zu Protokoll (Butzlaff et al. 2003, Klemperer/Rosenwirth 2005b, Schmöller 2008). Immerhin jeder fünfte Arzt möchte allerdings nach wie vor die Entscheidung allein treffen und nicht einmal jeder zehnte (8 Prozent) ist dafür, dass der Patient allein entscheidet (Butzlaff et al. 2003). Nur 4 Prozent der befragten Ärzte machen ihre Präferenz vom Einzelfall bzw. der spezifischen Situation abhängig, in der eine Entscheidung zu treffen ist (ebd.).
Vorbehalte gegen eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und Patient haben vielfältige Gründe (Klemperer/Rosenwirth 2005b; Rockenbauch et al. 2009): Viele Ärzte glauben, dass dieses Konzept nicht dem Willen ihrer Patienten entspricht. Zum Teil lassen Umfragen zu den Patientenpräferenzen diese Skepsis berechtigt erscheinen (vgl. Abschnitt 2.1.4.1.). Allerdings unterschätzen Ärzte dennoch in der Regel den Wunsch ihrer Patienten nach partnerschaftlicher Interaktion und Kommunikation (Klemperer/Rosenwirth 2005b; Krones/Richter 2008; Schmöller 2008).
Aus Ärztesicht sind viele Patienten mit der Entscheidungsbeteiligung überfordert. Wichtigste Gründe für diese vermutete Überforderung: Ärzte glauben, dass ihre Patienten sich nur sicher fühlen, wenn der Arzt die volle Entscheidungsverantwortung übernimmt, dass sie intellektuell oder seelisch nicht fähig sind, selbst zu entscheiden und dass sie zu wenig oder zu schlecht informiert sind.
Hinzu kommen rechtliche Bedenken angesichts der juristisch festgelegten ärztlichen Verantwortung für die Behandlungsfolgen (Caspari et al. 2003, Rockenbauch et al. 2009; zum informed consent vgl. Parzeller et al. 2007).[11]
Aber Ärzte beschreiben auch eigene Barrieren (vgl. zum Folgenden Klemperer/Rosenwirth 2005b; Rockenbauch et al. 2009, Schmöller 2008; Caspari et al. 2003): So steht der kommunikationsintensive, abwägende partnerschaftliche Entscheidungsprozess in Spannung zu der stark ausgeprägten Handlungsorientierung, die zum Selbstbild der meisten Mediziner, aber auch zu den an sie heran getragenen Erwartungen gehört. Vor diesem Hintergrund kann der partnerschaftliche Stil als lähmendes Hemmnis empfunden werden. Einige Mediziner fühlen sich zudem angesichts der kommunikativen und emotionalen Kompetenzen, die eine stärkere Patientenbeteiligung von ihnen verlangt, überfordert und nicht dafür ausgebildet. Und auch die fachlich fundierte Bewertung aller aktuellen Therapieoptionen kann angesichts des rasanten medizinischen Fortschrittes zur Überforderung führen. Nicht zuletzt fehlt aus der Sicht einiger Ärzte geeignetes laienverständliches Material (Informationsbroschüren, Decision Aids etc.), mit dessen Hilfe sich das Arzt-PatientGespräch patientenorientierter gestalten ließe.
Als eines der größten strukturellen Hindernisse für eine partnerschaftlichere Interaktion zwischen Arzt und Patient sehen Mediziner den Zeitdruck, unter dem sie stehen (Klemperer/Rosenwirth 2005b; Koch et al. 2007; Schmöller 2008; Rockenbauch et al. 2009). Wie oben ausgeführt (Abschnitt 2.1.4.1.) ist dieser Zeitdruck objektiv vorhanden; bestimmte Faktoren können seine Wirkung allerdings noch verstärken: So überschätzen Ärzte häufig die Zeit, die sie für die Information ihrer Patienten brauchen und unterschätzen, dass sie mit entsprechenden kommunikativen Fertigkeiten auch Zeit sparen können (Geisler 2004; Krones/Richter 2008; Merten/Bühring 2007).
Zeitdruck ist für die Mediziner auf jeden Fall ein zentraler Konfliktpunkt in der Arzt-Patient-Beziehung: Jeder zweite deutsche Arzt beklagt, dass er dem einzelnen Patienten zu wenig Zeit widmen kann; international ist das ein überdurchschnittlicher Wert (Koch et al. 2007). Je stärker der Zeitdruck, desto geringer ist offenbar die Gesamt-Berufszufriedenheit betroffener Ärzte (Solomon 2008).
Neben wachsendem wirtschaftlichem Druck machen Mediziner für den Zeitmangel vor allem die Zunahme der bürokratischen Aufgaben verantwortlich, die ihnen abverlangt werden (Koch et al. 2007; Kassenärztliche Bundesvereinigung 2005). Eine Umfrage von Schmöller unter knapp 700 niedergelassenen deutschen Medizinern zu ihrem Selbst- und Rollenverständnis und den damit zusammenhängenden Erfahrungen zeigt, dass gut zwei Drittel dieser Ärzte der Meinung sind, dass die Zeit für das persönliche Gespräch und damit der individuelle Bezug zu ihren Patienten in den letzten Jahren abgenommen hat (Schmöller 2008).[12] Weniger als ein Drittel der befragten Ärzte glaubt daher, dass sie künftig noch ausreichend auf Fragen und Sorgen ihrer (gesetzlich versicherten) Patienten eingehen bzw. sie gründlich beraten können (29,3 bzw. 26,1 Prozent); nicht einmal jeder fünfte sieht dann noch Spielraum für die individuelle Betreuung des einzelnen Patienten (18,1 Prozent).
Zentrale Ursache für diesen Pessimismus ist die zunehmende Regulierung durch inhaltliche und finanzielle Vorgaben aus der Gesundheitspolitik, durch die viele der an dieser Umfrage beteiligten Mediziner ihre Entscheidungsmöglichkeiten stark einschränkt sehen: 92,7 Prozent der Befragten bestätigen, dass sich dadurch in den vergangenen Jahren ihr Rollenverständnis grundlegend verändert hat. Interessant ist dabei die Frage nach der Richtung dieser Veränderung. Dass diese nicht eindeutig ist, machen die deutlich ambivalenten ärztlichen Einstellungen zum mündigen Patienten anschaulich, die in Schmöllers Studie erkennbar sind (zum Folgenden Schmöller 2008; vgl. dazu Dieterich 2006; Dieterich 2007). Danach befürwortet einerseits eine große Mehrheit der Mediziner das Ideal des mündigen Patienten (87 Prozent) und charakterisiert dieses Ideal vor allem mit der Bereitschaft und Fähigkeit, sich an Entscheidungen zu beteiligen. Dementsprechend sehen die meisten der befragten Mediziner es als ihre Aufgabe an, die Autonomie der Patienten durch Aufklärung und Informationen zu stärken (88,8 Prozent).
Andere Antworten zeigen allerdings hinter diesen Idealen ein deutliche Skepsis: Immerhin 56,1 Prozent der Mediziner lehnen es ab, Patienten an „medizinischen Urteilen“ zu beteiligen.[13] Grund dafür ist vor allem das Misstrauen gegenüber den Kompetenzen der Patienten: Die Informationsasymmetrie zwischen Experten und Laien wird aus unauflösbar angesehen. Dazu passt, dass nur ein gutes Drittel der befragten Ärzte (35,5 Prozent) der Meinung ist, dass ihre Patienten zunehmend gut informiert über ihr Krankheitsbild sind.
Insgesamt sehen sich die in dieser Studie befragten Mediziner mit höheren Erwartungen ihrer Patienten konfrontiert, die sie auf ein verändertes Rollenverständnis auf Patientenseite zurückführen. Verantwortlich dafür ist aus Ärztesicht unter anderem die zunehmende finanzielle Eigenbeteiligung der Patienten, aber auch der Einfluss zusätzlicher Informationsangebote. Die große Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass die Patienten dadurch in den letzten Jahren fordernder geworden sind (68,7 Prozent) und ihre Ärzte stärker unter Druck setzen, Entscheidungen zu rechtfertigen (76,5 Prozent).
Befunde wie die aus der Studie Schmöllers stützen die These von Dieterich, dass mündige (bzw. durch ihr Informationsverhalten nach Mündigkeit strebende) Patienten in der Arzt-Patient-Beziehung zu neuen Konfliktmustern führen können, die durch den aus Medizinersicht „drohenden Bedeutungsverlust als Experten“ und den damit zusammenhängenden „ärztliche[n] Statusverlust“ entstehen (Dieterich 2006, 48-50, Zitat 49). Ergebnisse aus den wenigen empirischen Arbeiten zu diesen Fragen bestätigen diese Tendenz (Rockenbauch et al. 2009; Chisholm et al. 2006).
Zur „generellen Rollenverunsicherung“ (Rockenbauch et al. 2009, 7) trägt offenbar auch ein von vielen Ärzten empfundener Imageverlust bei. In mehreren Befragungen beklagen Mediziner das als zu kritisch empfundene Bild der Ärzte in Medien und Gesellschaft (Rockenbauch et al. 2009; Bestmann 2005). Tatsächlich ist in der öffentlichen Meinung eine Tendenz zu erkennen, vermeintliche oder tatsächliche Defizite ärztlicher Arbeit auf griffige Thesen zugespitzt zu skandalisieren (beispielhaft dafür Bartens 2007, Blech 2007). Korruption, ärztliche Kunstfehler, aber auch Burnout unter Medizinern sind öffentlich diskutierte Themen, die am Nimbus der Unantastbarkeit kratzen. Hinzu kommen auch von Ärzteseite unterstützte Initiativen wie das Aktionsbündnis Patientensicherheit, das die Fehlbarkeit von Ärzten enttabuisiert und damit die (Selbst-)Kritik - wenn auch auf konstruktive Weise - unterstützt (Aktionsbündnis Patientensicherheit 2008; Stollorz 2009; Albrecht 2009).
Dennoch kann von einem pauschalen gesellschaftlichen Imageverlust der Ärzte bisher kaum die Rede sein. So genießen sie unter allen Berufgruppen nach wie vor das höchste Ansehen (Allensbach 2008). Die forsche Thematisierung ärztlicher Fehlbarkeit in den Medien ist daher eher zu verstehen als „Rückseite der Medaille“ der traditionellen und teilweise fortbestehenden Idealisierung der Ärzte, aus der heraus an Mediziner besonders hohe Ansprüche an Integrität und Moral gestellt werden (und entsprechend heftige Reaktionen entstehen, wenn diese Ansprüche enttäuscht werden). Die ärztliche Klage über das schlechte öffentliche Image lässt sich daher vor allem als Zeichen der beschriebenen Rollenverunsicherung deuten, weniger als Spiegel objektiver Realität.
Real sind die Rollen der Ärzte zwar heute sicher diffuser weil vielfältiger, die Autorität der Ärzte ist dadurch aber keineswegs automatisch verschwunden. Sie muss allerdings zunehmend mit neuen Formen und Inhalten gefüllt und begründet und dafür das Gleichgewicht zwischen Empathie und Effizienz neu austariert werden. Der Umgang mit patientenseitigen Informationen in der ArztPatient-Beziehung ist dabei ein Feld, in dem die damit verbundenen Konflikte, Chancen und Potentiale dieser Veränderungen sich konkret nachvollziehen lassen.
In den vorhergehenden Abschnitten ist bereits deutlich geworden, dass Patienten und Ärzte oft keine deckungsgleichen Erwartungen an die Arzt-Patient-Be- ziehung haben und ihre Wahrnehmungen der realen Interaktion voneinander abweichen. Problematisch werden solche Diskrepanzen vor allem, wenn sie nicht erkannt und also auch nicht thematisiert werden. Dies ist immer wieder der Fall.
So zeigen Butzlaff et al. deutlich, dass Ärzte und Patienten ihre Kontakte besonders im Bereich Kommunikation und Information oft sehr unterschiedlich wahrnehmen (Butzlaff et al. 2003): Bezogen auf die jeweils zuletzt erlebte Entscheidungssituation war die große Mehrheit der im Rahmen des BertelsmannGesundheitsmonitors befragten Ärzte überzeugt, Vor- und Nachteile verschiedener Behandlungsoptionen erklärt, Alternativen vorgeschlagen, die Vorstellungen der Patienten einbezogen und sie zu Fragen ermuntert zu haben (Werte zwischen 66 und 89 Prozent). Auf Patientenseite dagegen lagen die entsprechenden Werte alle (und zum Teil deutlich) unter der 50-Prozent-Marke. Noch wieter strebte die Wahrnehmung beider Seiten auseinander, wenn es darum ging, ob der Arzt den Patienten Informationsmaterial mitgegeben und sie ermuntert hätte, weitere Informationsquellen zu nutzen. In entsprechenden Auswertungen der Folgejahre des Gesundheitsmonitors fanden sich ähnliche Werte und entsprechende Diskrepanzen (Isfort et al. 2007). Andere Studien bestätigen diese auseinanderklaffenden Wahrnehmungen (Lehmann et al. 2009; Bürger 2003).
Dass Ärzte und Patienten auch in der Frage der partnerschaftlichen Entscheidung nicht immer überein stimmen, ist bereits dargestellt worden (Abschnitt 2.1.4.). Doch unterschiedliche Einstellungen gibt es nicht nur zur Form der Entscheidungsfindung sondern ebenso zu den Inhalten der zu treffenden Entscheidungen: Mehrere Studien zeigen, dass Ärzte und Patienten die Risiko-NutzenAbwägung und damit die Indikation für bestimmte Behandlungen oft sehr unterschiedlich beurteilen (Klemperer 2005b).
Je unterschiedlicher solche Einstellungen und Urteile ausfallen, umso wichtiger wäre es, sich darüber auszutauschen. Nur dann besteht für den Arzt eine Chance, als Grundlage des Arzt-Patient-Arbeitsbündnisses „eine gemeinsame Wirklichkeit mit seinem Patienten aufzubauen“ (Geisler 2004, 4). Vor diesem Hintergrund bekommen die Defizite im Bereich Information und Kommunikation noch größeres Gewicht.
Die „gemeinsame Wirklichkeit“ herzustellen, ist auch erschwert, weil Ärzte und Patienten in mehrfacher Hinsicht keine gemeinsame Sprache sprechen: Patienten verstehen oft medizinische Begriffe nicht oder deuten sie falsch (Lehmann et al. 2009). Dazu kommt, dass Mediziner und Patienten im Gespräch auf unterschiedliche Themen fokussiert sind (medizinisch objektive versus subjektivere Faktoren wie das Krankheitserleben) und oft nicht einmal übereinstimmen, welches das zentrale Gesundheitsproblem des Patienten ist (Geisler 2004; Krones/Richter 2008).
Zu den Spannungsfeldern der Arzt-Patient-Beziehung gehört heutzutage auch die Frage der Finanzen. Die bereits erwähnte zunehmende finanzielle Eigenbeteiligung bei gleichzeitigen Einschränkungen des Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. Abschnitt 2.1.2.) birgt auch für die Kommunikation neues Konfliktpotential.
Besonders deutlich wird das an den Auswirkungen der individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL), die vor allem präventiven Charakter haben und von den Patienten privat bezahlt werden müssen (Zok/Schuldzinski 2005). Der Anteil der Patienten, die angeben, in den jeweils vergangenen 12 Monaten solche Leistungen angeboten bekommen zu haben, stieg von 8,9 Prozent im Jahr 2001 auf 26,7 Prozent im Jahr 2008. Für die Arzt-Patient-Beziehung ein konfliktträchtiger Anstieg: Rund ein Drittel dieser Patienten sieht dadurch das Vertrauensverhältnis zum Arzt gestört (Zok 2005, WIdO 2008).
Dies dürfte sich auch auf den Umgang mit Informationen auswirken: Denn je mehr Patienten den Arzt als Unternehmer wahrnehmen, der etwas verkaufen will (oder muss), desto misstrauischer werden sie seine Informationen bewerten.
Was das Problembewusstsein der Ärzte für die beschriebenen Spannungsfelder und Defizite angeht, ergibt sich ein zwiespältiges Bild. Einerseits zeigen sich Mediziner selbstbewusst und zufrieden, was die Qualität ihrer Gespräche mit den Patienten angeht, sind sich also häufig der patientenseitig empfundenen Defizite nicht bewusst (Merten/Bühring 2007, Butzlaff et al. 2003, 50f.). Andererseits bekunden sie zumindest in Umfragen ein großes Interesse an Fortbildungen zum Thema Kommunikation und bewerten dementsprechend mehrheitlich die Vermittlung entsprechender Kompetenzen in ihrer Ausbildung als mangelhaft (Jungbauer et al. 2004).[14] In der Realität spiegelt sich das bekundete Interesse allerdings nicht wider: Für gezielte Fortbildungen zur Arzt-Patient-Kom- munikation finden sich oft nur wenige Teilnehmer (Hepe 2007, Merten/Bühring 2007).
Die bisher beschriebenen Defizite und Spannungsfelder der Arzt-PatientBeziehung vermindern mögliche positive Effekte einer gelungenen Interaktion zwischen Medizinern und ihren Patienten. Zu diesen Effekten ist allerdings festzustellen, dass es nicht einfach ist, sie empirisch messbar nachzuweisen und dass die Frage, wie das methodisch überzeugend zu leisten wäre, nicht gelöst ist (Klemperer 2005b; Detmer et al. 2003; Berger et al. 2008; Hannöver et al. 2000; Mühlhauser/Lenz 2008; Aust 1994; siehe dazu auch 2.3.2.). Klemperer führt es darauf zurück,
„... dass innerhalb der stets komplexen Arzt-Patient-Beziehung eine große Zahl teils schwer zu messender und schwer zu isolierender Faktoren wirken. Methodisch ist es schwierig, kausale Zusammenhänge zwischen einzelnen Komponenten der Interaktion und einzelnen Komponenten des Behandlungsergebnisses herzustellen.“ (Klemperer 2005b, 119)
Zugleich zieht sich die Annahme, dass eine gelungene Arzt-Patient-Beziehung therapeutische Effekte hat, durch die Geschichte der Medizin und wird als Erfahrungswissen kaum prinzipiell in Zweifel gezogen (Klemperer 2005b; Hillebrand 2008).
Eine Metastudie von Di Blasi et al. spiegelt die methodischen Probleme, gibt aber doch Hinweise auf gesundheitsrelevante Effekte der Arzt-PatientBeziehung: Die Autoren des systematischen Reviews stellen fest, dass zwar die Hälfte der von ihnen berücksichtigten 25 Studien (mit insgesamt rund 3600 Patienten) solche Effekte belegt, halten sich aber wegen der großen Unterschiede der Studiendesigns mit Aussagen zu eindeutigen Ursache- Wirkungs-Beziehungen zurück. Doch immerhin zeige sich, dass die Kombination sowohl emotionaler als auch kognitiver ärztlicher Zuwendung (zu letzterem zählen Informationen über Krankheit, Therapie usw.) am wirksamsten subjektive und zum Teil auch objektive Behandlungsergebnisse (etwa den Blutdruck) verbessere (Di Blasi et al. 2001).
Di Blasi et al. beziehen sich in ihrer Arbeit auf das Konzept unspezifischer Kontextfaktoren, das die Idee einer Placebo-Wirkung der „Droge Arzt“ aufnimmt und erweitert. Kontextfaktoren umfassen dabei alles, was über die rein (körper-) medizinische Behandlung hinaus geht: individuelle Charakteristika auf Arzt- und Patientenseite ebenso wie solche des Settings und der Beziehung zwischen beiden Seiten (Di Blasi et al. 2001, 757f.)
Den Effekt dieser Faktoren untersuchen auch Kaptchuk et al. Dabei zeigt sich in ihrer Studie mit 262 Patienten mit Reizdarmsyndrom nicht nur, dass eine empathiegeprägte und patientenorientierte Arzt-Patient-Beziehung die Ergebnisse der körpermedizinischen Behandlung signifikant verbessert, sondern dass sich diese Wirkung auch ähnlich der Dosissteigerung eines Medikamentes verstärken lässt, wenn die Kontextfaktoren intensiviert werden - z.B. über größere Aufmerksamkeit und mehr zeitliche Zuwendung des Arztes (Kaptchuk et al. 2008).
Einen ähnlichen Einfluss des Zeitfaktors bestätigten Howie et al.: Die Einschätzung der Patienten, mit Krankheit, Therapie und den Folgen gut umgehen zu können (enablement) wächst mit der Dauer der Arzt-Patient-Gespräche und der Kontinuität der Arzt-Patient-Beziehung (Howie et al. 1999).
In den letzten Jahren widmen sich Untersuchungen und Modellprojekte verstärkt den Effekten einer am SDM-Konzept orientierten partnerschaftlichen Arzt-Patient-Beziehung und entsprechender Behandlungsentscheidungen (Loh et al. 2007; Härter et al. 2005). Auch hier sind die Ergebnisse keineswegs einheitlich; es zeigt sich allerdings, dass neben der Zufriedenheit von Patienten und Ärzten[15] offenbar vor allem informationsabhängige Faktoren durch die partnerschaftliche Interaktion positiv beeinflusst werden. Dazu gehören die Therapietreue (Klemperer 2005b), das krankheitsrelevante Wissen der Patienten und realistischere Erwartungen an die Therapie (Loh et al. 2007). Effekte können sich aber auch zeigen im sinkenden Bedarf an Analgetika nach Operationen, in verbesserten physiologischen Parametern wie Blutzucker- und Blutdruckwerten und einer geringeren Anzahl von Überweisungen und Laboruntersuchungen (Krones/Richter 2008; Klemperer 2005b, Klemperer 2003). Darüber hinaus steigt offenbar die Bereitschaft zur Teilnahme an präventiven Maßnahmen wie Screenings (Loh et al. 2007).
Die Ergebnisse von Studien, die speziell die konkreten Effekte von ärztlichen Informationen in der Arzt-Patient-Beziehung untersuchen, sind ebenfalls nicht eindeutig. Einige Studien zeigen, dass eine patientenorientierte ärztliche Aufklärung ängstliche und depressive Reaktionen vermindern und die Lebensqualität der Patienten erhöhen, andere Untersuchungen können diese Effekte nicht bestätigen (Lehmann et al. 2009). In einer besonders umfangreichen prospektiven Studie haben Kerr et al. allerdings belegt, dass der Umgang mit ärztlichen Informationen innerhalb der Arzt-Patient-Beziehung die Lebensqualität stark beeinflussen kann: Knapp die Hälfte (45 Prozent) der fast 1000 von ihnen befragten Brustkrebspatientinnen waren unzufrieden mit den Informationen, die sie von ihren Ärzten im Lauf ihrer Behandlung erhielten.
Diese schlecht informierten Patientinnen hatten auch Jahre nach der Diagnose noch eine signifikant schlechtere Lebensqualität (Kerr et al. 2003). Interessant ist dabei, dass möglicherweise ein höheres Informationsbedürfnis korreliert mit stärkerer Ängstlichkeit und Depressivität (Lehmann et al. 2009).
Wie bereits dargestellt, ist die Arzt-Patient-Beziehung von gesellschaftlichen Faktoren beeinflusst, unter denen sich die Einstellungen zur Medizin und zum Gesundheitssystem ebenso wandeln wie die gegenseitigen Rollenerwartungen von Ärzten und Patienten. Einer dieser Faktoren ist die Medialisierung des Alltags, die auch den Umgang mit Gesundheit und Krankheit betrifft (vgl. Höflich 2009).
Patienten kommen daher heutzutage oft mit Vorstellungen in die Sprechstunde, die mit beeinflusst sind von Gesundheitsinformationen, die ihnen in kaum überschaubarem Umfang in Medien, aber auch in Beratungsstellen, Selbsthilfeorganisationen und bei Krankenkassen zur Verfügung stehen.[16] Parallel zum wachsenden Gesundheitsbewusstsein und zur zunehmenden Bereitschaft, für Wellness, Fitness und Prävention Geld auszugeben, ist das Interesse an Informationen über medizinische Themen gestiegen und hat sich in den letzten Jahren auf hohem Niveau stabilisiert: 80 bis 85 Prozent der erwachsenen Bevölkerung geben in Umfragen an, entweder gezielt nach Gesundheitsinformationen zu suchen oder diese zumindest interessiert zu nutzen, wenn sie darauf stoßen (Baumann 2006, Isfort et al. 2004, Coulter/Magee 2003).
Dass Frauen dabei ein größeres Interesse zeigen und aktiver Informationen suchen als Männer, ist in der Forschung unumstritten (u.a. Lehmann et al. 2009; Baumann 2006; Sawicki 2005; Isfort et al. 2004; Coulter/Magee 2003, 245).[17] Nicht immer einheitlich ist dagegen die Bewertung des Einflusses von Faktoren wie dem Alter oder dem Gesundheitszustand. So suchen z.B. laut Coulter/Magee Jüngere besonders oft und gezielt nach Gesundheitsinformationen, Borch/Wagner zufolge sind es dagegen die Älteren, die diese Suche häufiger betreiben (Coulter/Magee 2003, 245; Borch/Wagner 2009).
Heterogene Befunde solcher Art zeigen die Schwierigkeit, das tatsächliche Informationsverhalten realitätsgerecht und differenziert genug zu erfassen. Diese Problematik ist unter anderem darin begründet,
„... dass Informationsstrategien in der Realität immer als mehrdimensionale Konstrukte aus unterschiedlichen Einstellungen und Verhaltensweisen vorliegen und dass sich hinter den für die breite Masse gültigen Trends mitunter sehr unterschiedliche und sogar gegenläufige Handlungsmuster verbergen.“ (Baumann 2006, 128)
Diese Einstellungen und Verhaltensweisen gilt es im Folgenden anhand der Motive, Quellen und Themen der patientenseitigen Suche nach Gesundheitsinformationen genauer einzukreisen.
Wie oben beschrieben (Abschnitt 2.1.4.1.) sind viele Patienten nicht zufrieden mit den Auskünften und Erklärungen ihrer Ärzte. Diese empfundenen Defizite sind natürlich ein wichtiges Motiv für die selbstständige Suche nach weiteren Informationen, sie lassen sich aber nicht pauschal als Hauptauslöser identifizieren.
So zeigte sich in einer Befragung von rund 1300 Versicherten der Barmer Ersatzkasse, dass „Unzufriedenheit mit den Informationen des Arztes“ zwar für 35 Prozent der Befragten Anlass zu ergänzenden eigenen Recherchen war; doch dieser Grund wurde zugleich am seltensten (von sechs möglichen) genannt (Roski/Schikorra 2009; vgl. ähnlich Marstedt 2003).
[...]
[1] Hier wie im ganzen folgenden Text sind in der männlichen Form weibliche Personen grundsätzlich mitgemeint. Aus Gründen der Lesbarkeit wird auf die doppelte Form verzichtet.
Zwischen 1989 und 2004 wurden fünfmal neue Zuzahlungsmodalitäten für Patienten beschlossen, gleichzeitig aber immer wieder Leistungen der Gesetzlichen Krankenkassen reduziert (Robert-Koch-Institut 2009, 12 f.).
[3] Klemperer 2005a beschreibt in seiner Systematik fünf Modelle und fasst dabei Konzepte von Emanuel/Emanuel 1992 (dargestellt bei Klemperer 2003, 13-16) und von Charles et al. 1997, 1999a zusammen. Die Trennschärfe dieser kombinierten Systematik ist aber zum Teil unbefriedigend.
[4] Die Charakteristik und Bezeichnung der Modelle bei Charles et al..1997 unterscheidet sich noch etwas von denen in den nachfolgenden Arbeiten, enthält aber bereits wesentliche Grundzüge.
[5] Oft wird daher auch vom „benevolenten Paternalismus“ gesprochen (vgl. Dierks et al. 2001,79)
[6] Vgl. zum Konzept des autonomen Patienten Dierks et al. 2001,2-21; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2003, 88f.; außerdem Dierks/Seidel 2005, 39 (dort wird deutlich, dass Patienten, die autonom entscheiden wollen, nicht-ärztliche Informationsquellen am intensivsten nutzen).
[7] Das kam unter anderem in dem Förderschwerpunkt „Patient als Partner“ zum Ausdruck, mit dem das Bundesgesundheitsministerium ab 2001 eine Reihe von Modellprojekten zum Shared Decision Making initiierte (Härter et al. 2005); in anderen europäischen Ländern ist die politische Unterstützung für partnerschaftliche Konzepte allerdings größer (Coulter/Magee 2003).
[8] Zu den Schritten im Einzelnen vgl. Charles et al..1999b und Loh/Härter 2005.
[9] Dies ist auch einer der Gründe, weshalb Aussagen über Präferenzen für bestimmte Interaktionsmodelle nicht immer identisch sind mit dem Verhalten in konkreten Arzt-PatientBegegnung. Vor diesem Hintergrund geben diese Aussagen Tendenzen wieder, sind aber als Abbild der Realität vorsichtig zu bewerten (vgl. Dierks/Seidel 2005)
[10] Gothe et al. weisen allerdings darauf hin, dass es immer noch erstaunlich wenig empirische Arbeiten gibt, die sich des Zusammenhangs zwischen Arzt-Patient-Beziehung, ärztlicher Berufszufriedenheit und Versorgungsqualität intensiver annehmen (Gothe et al. 2007, A1397).
[11] Bedenkenswert ist dazu aber die bei Klemperer (2005b, 121) zitierte These von Coulter und Dunn, dass Patientenbeteiligung tatsächlich die Zahl der Rechtsstreitigkeiten vermindere, weil ihnen meist die unzureichende Kommunikation über mögliche Risiken zugrunde liege.
2 Von den für diese (im Folgenden mehrfach zitierte) Studie kontaktierten 3200 Haus- und Fachärzten beteiligten sich 687, die Responderquote lag damit bei 21,5 Prozent. Daher sind Bias-Effekte wahrscheinlich, z.B. dass sich eher die unzufriedenen Mediziner beteiligen, um „Dampf abzulassen“. Da die hier zitierten „Unzufriedenheits-Werte“ sehr hoch sind, ist aber anzunehmen, dass sie eine Grundtendenz in der Ärzteschaft wiedergeben. Vgl. zudem Koch et al. 2007 mit ähnlichen Tendenzen.
[13] Allerdings ist für die Befragten der Begriff „medizinische Urteile“ eventuell zu unscharf - er kann sowohl Diagnosen als auch Behandlungsentscheidungen meinen. Skepsis gegenüber der Beteiligung an diagnostischen Urteilen wäre in Bezug auf die Einstellung zur partnerschaftlichen Interaktion aber anders zu bewerten als Skepsis gegenüber der Beteiligung an Entscheidungen.
[14] Mittlerweile gibt es allerdings an vielen medizinischen Fakultäten stark verbesserte Angebote im Bereich Kommunikation, in deren Rahmen mit Schauspielpatienten, Videokontrolle und anderen Methoden professioneller Kommunikationstrainings gearbeitet wird Vgl. beispielhaft Petersen et al. 2005, Jünger 2007.
[15] In diesem Zusammenhang zeigen Grembowski et al. (2005), dass eine höhere Arztzufriedenheit wiederum die Zufriedenheit und das Vertrauen der Patienten erhöht.
[16] Ein umfassender Überblick über das Angebot ist im Rahmen dieser Arbeit nicht sinnvoll, siehe dazu z.B. Neverla et al. 2007b, 89-127; Hurrelmann/Leppin 2001 ; Dierks et al. 2001, 125140.
[17] Frauen zeigen sich außerdem unzufriedener mit den im Arzt-Patient-Gespräch erhaltenen Informationen (Sawicki 2005)
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