Examensarbeit, 2010
68 Seiten, Note: 1,0
1. Einleitung: Bedeutung und Ziele der Arbeit
2. Der Wirtschaftsraum Lutherstadt Eisleben
3. Der wirtschaftsräumliche Strukturwandel der Lutherstadt Eisleben
4. Die Darstellung des Themas im Lehrbuch
5. Entwicklung einer virtuellen Exkursion zum wirtschafts- räumlichen Strukturwandel der Lutherstadt Eisleben
6. Resümee
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
Wird in der Zeitung von der Lutherstadt Eisleben berichtet, so fallen meist Begriffe wie „hohe Arbeitslosenrate“, „Strukturschwäche“ oder „ökologische Belastung“. Niemand denkt an die, mit dem Kupferschieferbergbau verbundene, einstige wirtschaftliche Vormachtstellung. Zeu- gen dieser Tätigkeit sind bis heute vorhanden. Vor allem die sogenannten „Pyramiden“, die Abraumhalden des Landkreises, werden oftmals mit Eisleben in Verbindung gebracht. Sie erinnern an eine längst vergangene Zeit, in der die Stadt noch von intensiver bergbaulicher Tätigkeit geprägt war, an eine Zeit, in der sie bis weit über ihre Grenzen hinaus bekannt war.
Doch was bringt diese Thematik an Neuigkeitswert? Warum lohnt es sich eine Wissenschaft- liche Hausarbeit über diese Region zu schreibe n? Diese Frage soll an den Beginn gestellt wer- den.
Es mag sicherlich Fakt sein, dass der Landkreis und die Stadt zu einer der größten Problemregionen der neuen Bundesländer gehören. Weniger bekannt ist es jedoch, wie diese Probleme historisch entstanden sind und wie die gegenwärtige Situation tatsächlich aussieht.
Ohne die Geschichte der Stadt würde es die heutigen strukturellen Probleme nicht geben. Gerade deswegen wird die Entwicklung des Raumes Eislebens von Anfang an in Form einer Sachstrukturanalyse vorgestellt. Danach schließt sich das Phänomen des wirtschaftsräumlichen Strukturwandels der Stadt an: Hierbei sollen Aspekte der Ursachen und Folgen in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt werden.
Die wesentlichen Kernpunkte dienen anschließend als Voraussetzung zur Erarbeitung einer virtuellen Exkursion. Zudem werden die vorangegangen Inhalte über den Wirtschaftsstandort und seiner Geschichte so ausgewählt, dass sie durch eine hohe Aktualität und Bedeutsamkeit gekennzeichnet sind. Hieraus lassen sich dann Inhalte für den Geographieunterricht ableiten.
Der nächste Schritt erfordert einen Blick in die Lehrpläne des Landes Sachsen-Anhalt und in die Bildungsstandards. Es soll geprüft werden, für welches Niveau die Thematik des wirt- schaftsräumlichen Strukturwandels geeignet ist. Darüber hinaus wird analysiert, welche Kompetenzen sich die Schülerinnen und Schüler mithilfe der virtuellen Exkursion aneignen können.
Das bereits in den Rahmenrichtlinien des Landes Sachsen-Anhalt in Klasse 5 verankerte Thema „Industrieräume im Wandel“ wurde auch in die seit 2009 geltenden neuen Lehrpläne übernommen: „Wirtschaftsräume im Wandel“ heißt es ebenfalls in Klasse 5 im Kompetenzschwerpunkt: Ein Land themenorientiert beschreiben.
Ebenso wichtig ist es dabei, zu jeder Zeit einen Aktualitätsbezug herzustellen, um die Schüle- rinnen und Schüler für eine Thematik zu sensibilisieren. Sie sollen sich besser in eine Proble- matik einfühlen können, indem darüber hinaus ein regionales Beispiel im Unterricht konkreti- siert wird.
Bis zum heutigen Zeitpunkt gab es in Sachsen-Anhalt lediglich eine Thematisierung von Großstädten oder Ballungsräumen wie z. B. dem Ruhrgebiet, München, Stuttgart oder Hal- le/Saale. Im Hinblick darauf erscheint es umso wichtiger ebenso Räume einzubeziehen, die weniger groß sind. Hierzu bietet sich die Lutherstadt Eisleben an. Sie unterlag genau wie alle anderen Städte einem wirtschaftlichen Strukturwandel, der weitreichende Folgen hatte.
Diese Mittelstadt besitzt ein solch großes Potenzial, als Industrieraum analysiert zu werden und deren Wandel zu erläutern: Eisleben ist geprägt von einer jahrhundertlangen Bergbauge- schichte. Doch die „Wende“ brachte für den monostrukturierten Raum umfassende Verände- rungen mit sich. Dennoch sind heute noch Zeugnisse der einstigen wirtschaftlichen Vor- machtstellung der Region wie in keinem zweiten Raum Deutschlands zu finden. Aus diesem Grund wurde der Stadt in der Vergangenheit wie in der Gegenwart ein großes öffentliches Interesse eingeräumt.
Der Schüler soll an dem Beispiel der Lutherstadt Eisleben aktueller denn je die Merkmale, Strukturen und den Wandel eines Wirtschaftsraumes kennen lernen und zudem verstehen, dass die Gestaltung dieses eine Herausforderung für die in dem Raum wirtschaftenden Men- schen ist. Am besten lässt sich der Prozess des Strukturwandels anhand digitaler Medien, spe- ziell in Form einer virtuellen Exkursion, verdeutlichen, mit welcher die Schülerinnen und Schüler lernen sollen, einen derartigen Entwicklungsgang zu beschreiben und zu analysieren. Dabei soll die virtuelle Exkursion als eine Ergänzung zum Unterricht dienen. Die Vorausset- zung dafür stellt die Analyse des „traditionellen“ Mediums dar: Dem Lehrbuch. Daneben soll der Frage nachgegangen werden, wie die Thematik des wirtschaftsräumlichen Strukturwan- dels der Lutherstadt Eisleben im Lehrbuch dargestellt ist. Nach dieser quantitativen und qua- litativen Erfassung der Ergebnisse können mögliche Formen der Exkursion erarbeitet werden.
Um eine umfassende Einsicht in diesen Raum geben zu können, erfolgt zuerst eine naturgeographische Sachstrukturanalyse: Hierzu werden insbesondere die für die Stadt und das Umland prägenden Geofaktoren in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt. Darüber hinaus soll im Folgenden mit einer stadtentwicklungsgeschichtlichen Zusammenfassung die vergangene und gegenwärtige wirtschaftliche Bedeutung Eislebens erörtert werden.
Das einstige bedeutende Wirtschafsgebiet liegt im südwestlichen Teil des Landes SachsenAnhalt und gehört zum Regierungsbezirk Halle. Im Zuge von etwaigen Gebietsreformen im Jahr 2007 zählt die Lutherstadt Eisleben zum Landkreis Mansfeld-Südharz, der sich aus den ehemaligen Kreisen Sangerhausen und Mansfelder Land zusammensetzt. Letzterer galt einst als einer der weltweit bedeutendsten Zentren des Kupferschieferbergbaus (vgl. LANDKREIS MANSFELD-SÜDHARZ, 2010, S. 11 ff.).
Einen entscheidenden Beitrag für die regionale Entwicklung sowie für die Wirtschafts- und Siedlungsgenese leisteten natürliche Ressourcen: Hochwertige Böden und zahlreiche Bodenschätze lieferten nicht nur günstige Bedingungen für die Entstehung von fruchtbaren LössSchwarzerden, sondern auch die sukzessive Ausprägung einer großflächigen, intensiven und produktionsstarken Landwirtschaft wurde dadurch begünstigt. Vor allem aber lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Bodenschätzen und der Oberflächengestalt der Lutherstadt erkennen (vgl. FRÜHAUF, 2005, S. 35 ff.).
Die Lutherstadt Eisleben und ihr unmittelbares Umland liegen im Übergangsbereich zweier Naturräume - dem Harz und seinem östlichen Vorland. Entscheidend für die Ausbildung der- artiger Naturräume war die vor rund 60 Millionen Jahren in den Erdzeitaltern Kreide und Ter- tiär stattfindende Saxonische Gebirgsbildung: Während dieses Prozesses zerbrach der Unter- grund in einzelne Schollen, wobei besonders die Harzscholle angehoben wurde. Auf diese Weise entstanden durch den Einfluss des tertiären Abtrags Rumpfflächen mit unterschiedli- chen geologischen Charakteristika. Während im Ostteil des Harzes die streichenden Schichten aus Schiefer und Grauwacke der Erdzeitalter Silur, Devon und Karbon bestehen, setzen sich die im Südosten liegenden Gesteinsschichten aus oberkarbonen und rotliegenden Schieferto- nen, sowie Sandstein und Konglomeraten zusammen (vgl. SCHWANECKE, 1998, S.2 ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Geologie der Lutherstadt Eisleben und Umgebung Quelle: WAGENBRETH u. STEINER, 1990, S. 79
aus Rotliegendgesteinen begrenzt: Im Nordosten ist Eisleben durch die Halle-Hettstedter Ge- birgsbrücke, im Südwesten durch den Hornburger Sattel umsäumt. Die Gesteine gelten als Verwitterungsprodukte der Variskischen Gebirgsbildung. Mit der Heraushebung dieser Sättel wurden ebenso die Schichten des Zechsteins angehoben (vgl. FRIEDRICH u. FRÜHAUF, 2006, S. 257 ff.).
Die Mulde senkte sich weiter ab, weil die über den (heutigen) Sätteln lagernden jüngeren Schichten abgetragen wurden. Auf diese Weise drang an den Störungen Wasser in den Unter- grund, welches mit dem Zechstein reagierte. Fortlaufend bildete sich eine 16 km lange und 3 km breite Auslaugungssenke, die Mansfelder Mulde, in welche die Lutherstadt Eisleben ein- gebettet ist. Dieser Prozess war nicht zuletzt die Bedingung für den Abbau von Kalisalzen in der Gegend in und um Eisleben (vgl. FRIEDRICH u. FRÜHAUF, 1998, S. 258 ff.).
Der Kupferschiefer bestand zumeist aus einer nicht weniger als 0,5m mächtigen Mergelschicht. Zudem war er aufgrund starker organischer Beimengungen schwarz eingefärbt. Infolge kurzzeitiger Sedimentationsbedingungen im Zechsteinmeer enthält der Kupferschiefer etwa 1-3% Kupfer, aber auch Zink, Blei, Nickel, Platin, Gold und vor allem Silber, welches im Mittelalter das wichtigste Währungsmetall war. Schließlich begann der Bergbau an jener Stelle, wo der Kupferschiefer zu Tage trat. Dies war im Zentrum des damaligen Mansfelder Landes der Fall: Entlang des Zechsteinbandes entwickelte sich eine dicht besiedelte Stadt, die für den Abbau und die Verhüttung von Kupferschiefer bis weit über die Grenzen des Landes hinaus bekannt wurde (vgl. SCHWANECKE, 1998, S. 4ff.).
Folglich veränderte der intensive Abbau von Kupferschiefer innerhalb der Mansfelder Mulde das Landschaftsbild nachhaltig: Der Wald als Wirtschaftsfaktor war sehr lange Zeit aufs Engste mit dem aufstrebenden Bergbau verknüpft. Doch mit der Industrialisierung kam eszu einer Abnutzung und Besiedelung der Wälder. Heute ist das Gebiet der Lutherstadt zum größten Teil waldfrei, sodass lediglich die vorhandenen fruchtbaren Ackerebenen agrarisch genutzt werden (vgl. Ebd., S. 19ff.).
Vor allem der Kreis Eisleben gehört zum Naturraumtyp des Schwarzerde-Gebietes: Hierzu führten günstige klimatische Bedingungen, wie beispielsweise eine Vegetationszeit von 220- 230 Tagen. Bedingt durch eine fruchtbare Lößdecke resultierte daraus ein hoch produktiver Ackerbau mit einem starken Anteil an pflanzlichen Marktprodukten, wie z. B. Zuckerrüben, Getreide, Kartoffeln und Obst. (vgl. NEUß u. ZÜHLKE, 1982, S. 121 ff.).
Außerdem gedeihen heute in der Gegend allein 1.000 der in Deutschland 2.000 nachgewiese- nen Pflanzenarten. Kaum ein anderer Ort des Landes weist einen derartig vergleichbaren Reichtum an einheimischen, aber auch „fremden“ Florenelementen auf (vgl. FRÜHAUF, 2005, S. 36ff.).
Nicht zuletzt wirkt sich das Übergangsklima der Lutherstadt Eisleben darauf positiv aus: Der Harz steht unter subozeanischem Einfluss. Das Harzvorland hingegen, ist vom subkontinentalen Klima geprägt. Abhängig von der Höhenlage und der zusätzlichen Leewirkung im Regenschatten des Harzes ist ein Jahresgesamtniederschlag von etwa 450mm anzunehmen. Die Jahresdurchschnittstemperaturen schwanken an diesem Standort von 6,5°C -8,9°C (vgl. SCHWANECKE, 1998, S. 6ff.).
Wie zuvor erwähnt hat der Bergbau das Landschaftsbild in dieser Gegend in besonderem Ma- ße beeinflusst. Jahrhundertelange Traditionen verschwanden nach und nach. Schließlich brachte die deutsche Einheit den Kupferschieferbergbau in der Mansfelder Mulde vollends zum Erliegen. Mit der Stilllegung jeglicher bergbaulicher Tätigkeit wurde die Lutherstadt in eine tiefe Strukturkrise gebracht, deren Nachwirkungen bis in die Gegenwart andauern.
Gegen Ende des Jahres 2007 zählte Eisleben mit 23.595 Einwohnern zur größten Stadt des Landkreises Mansfeld-Südharz. Sie pflegt darüber hinaus zu vier Städten (Raismes, Memmingen, Herne und Weinheim) eine partnerschaftliche Beziehung. Zudem zählt sie als Mittelstadt zum kulturellen, administrativen und wirtschaftlichen Zentrum des Landkreises (vgl. SCHLENKER u. LAUENROTH u. EBRUY u. LAUENROTH, 2008, S. 91ff.).
Eisleben zeichnet sich derzeitig durch eine Lage an der unmittelbaren Peripherie des wirtschaftlichen Ballungsraumes Halle-Leipzig und durch eine günstige Verkehrsanbindung (Knoten B80/B180 und Autobahnzubringer zur A38) aus. Zudem besteht eine Anbindung an das Schienennetz der Deutschen Bahn AG (Kassel-Nordhausen-Halle) (vgl. STADTVERWALTUNG LUTHERSTADT EISLEBEN, 2007, S. 25 ff.).
Auch wenn Eisleben derzeitig als das wirtschaftliche Zentrum des Landkreises gilt, hat die Stadt mit einer durch den langjährigen Kupferschieferbergbau begründeten Monostruktur zu kämpfen. Diese gilt es in Zukunft langfristig umzustrukturieren und damit die einseitig ausgebaute Wirtschaft abzubauen.
Die Lutherstadt Eisleben ist ein Ort mit einer sehr langen Geschichte und Tradition. Zeugnis- se einer frühen Besiedelung auf dem Gebiet der heutigen Stadt reichen mehr als 200.0000 Jahre zurück. Sie wurde erstmalig im Jahr 994 urkundlich erwähnt. Zum selben Zeitpunkt erhielt sie ihr Markt-, Münz- und Zollrecht (vgl. STADTVERWALTUNG EISLEBEN, 1992, S. 4 f.).
Der Raum Eisleben gehörte bereits seit 919 mit der Wahl Heinrich I. zum deutschen König zum inneren Territorium des sich entwickelnden Deutschen Reiches. Der Ort liegt zudem in der Grafschaft Mansfeld. Wirtschaftliches Rückgrat der Grafschaft bildete der Bergbau: Ohne ihn ist die Bedeutung aller dort gelebten Grafen sowie die strukturelle Entwicklung der Stadt nicht nennenswert.
Das für diese Region so einflussreiche Aufleben des Bergbaus ist erstmalig 1199 durch Cyriakus Spangenberg nachweisbar: Der Sage nach sollen die Bergleute Nappian und Neucke nahe Eisleben auf Kupferschiefer gestoßen sein (vgl. EBRUY, ca. 1996 (Nr. 22), S. 1 ff.). Dies war der Beginn für den jahrhundertelangen wirtschaftlichen Segen der Stadt. Doch diese Blütezeit war im Laufe der Entwicklung des Kupferschieferbergbaus ebenso von tiefgreifenden Rückschlägen und Veränderungen geprägt.
Insgesamt lässt sich die Geschichte des Bergbau- und des damit verbundenen Hüttenwesens in vier Etappen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen, nachvollziehen.
Die entwicklungsgeschichtliche Bergbautradition nahm ab 1199 seinen Lauf und dauerte bis 1990/91 an.
Die Grundlage für eine derartige Montantätigkeit bildete das in der Eisleber Gegend anstehende 30-50cm mächtige Kupferschieferflöz, welches auf die Zeit der Bildung des Zechsteinmeeres zurückzuführen ist.
Die erste Phase dauerte von 1199 bis 1648/49 an.
Anhand der Abbildung er- kennt man die Verbrei- tungsgrenzen von Kupfer- schiefer sowie Kalisalzen im südlichen Harzvorland und in der Region Eisleben.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Vorkommen von Kupferschiefer in der Mansfelder Mulde und Umgebung Quelle: KNITZSCHKE u. SPILKER, 2003, S. 173
Um das Jahr 1200 wurde in der Grafschaft Mansfeld, insbesondere in Eisleben nach Kupfer gegraben: Dies geschah zunächst dort, wo es an der Erdoberfläche sichtbar wurde. Durch die- sen oberflächennahen Abbau entstanden Pingen und Grablöcher. Doch zu jener Zeit sprach man in keinem Fall von Bergleuten, vielmehr haben die Bauern auf ihrem eigenen Hab und Gut nach Kupfer gegraben. Etwa zur gleichen Zeit bildete sich in der Stadt das Verhüttungs- wesen von Kupfer heraus: Da der Schiefer auch andere Bestandteile, wie z.B. Silber enthielt, wurde dieses ausgeschmolzen und zur Münzherstellung verwendet. Nach und nach entwickel- te sich der Bergbau zu einem sogenannten Flözbergbau, der heute als der älteste in Deutsch- land datiert wird. Man musste immer tiefer graben, um an das schieferhaltige Gestein zu ge- langen. Demzufolge ermöglichten um die Wende des 15. zum 16. Jahrhundert verbesserte Wasser- und Wetterhaltung sowie neue Abbau- und Fördermethoden ein tieferes Vordringen in den Untergrund und damit eine größere Kupferausbeute. Um 1500 wurden in Eisleben be- reits 14.188 Zentner Kupfer von 1.815 Bergleuten gefördert (vgl. EBRUY, ca. 1996 (Nr. 22), S. 1 ff.).
Bis dahin haben sich der Mansfelder Bergbau und sein Hüttenwesen sowie die damit verbun- dene Metallverarbeitung zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen im Deutschen Reich entwi- ckelt. Darüber hinaus gelang es durch zahlreiche technische Neuerungen in der Geschichte der Montanwirtschaft, eine folgenreiche wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu setzen (vgl. Ebd.).
Unter anderem entwickelten sich die Grablöcher und Pingen in sicherere Stollen- und Kunstbaue, welche in eine Tiefe von bis zu 2 Metern vordrangen. Auch die ersten Schächte in Nähe der vielen Hütten in Eisleben entstanden vornehmlich im 15. Jahrhundert. Die ersten Hütten siedelten sich unweit der Bösen Sieben an, ein Fluss der inmitten von Eisleben fließt. Hier wohnte ein Großteil der in Wohnquartieren untergebrachten Bergleute (vgl. VEREIN MANSFELDER BERG- UND HÜTTENLEUTE, 1999, S. 48 ff.).
Eisleben wurde zum Zentrum des Kupferbergbaus. Das Kupfer des Mansfelder Reviers wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts in alle Himmelsrichtungen Deutschlands und sogar bis nach Antwerpen, Portugal und Amerika verkauft. Die damit notwendige enorme Produktionssteigerung lockte zahlreiche Bergleute nach Eisleben. Der sich ständig erweiternde Bergbau und die zunehmend größer werdenden Hütten, die sich bereits als „Gewerken“ zusammengeschlossen haben, erforderten jedoch stets steigende Investitionen, dass die Hüttenmeister zum Großteil nicht aus eigener Kraft bezahlen konnten. Das dazu benötigte Kapital stammte von Kaufleuten aus dem gesamten Reich, den Kupferhändlern, welche die Hüttenmeister fortan vertraglich verpflichteten, das gewonnene Rohkupfer in einem bestimmten Zeitraum zu einem festgelegten Preis abzuliefern. Auch die Mansfelder Grafen beteiligten sich daran, den Abbau, den Verkauf und die Preise von dem so wertvollen Kupferschiefer regulieren zu können (vgl. EBRUY, ca. 1996 (Nr.11), S. 2 ff.).
In dieser Zeit des aufblühenden Bergbaus kam im Jahr 1483 Hans Luther mit seiner Frau Margarete in die Stadt: Noch im selben Jahr gebar sie den wohl bekanntesten Sohn der Stadt - Martin Luther (1483-1546). Sein Vater entschied sich für einen Umzug, um der Tätigkeit als Bergmann des Mansfeldischen Kupferschieferbergbaus nachzugehen (vgl. Ebd.).
Ende des 15. Jahrhunderts erlebte der Kupferschieferbergbau in der Mansfelder Mulde einen derartigen Aufschwung, dass die Stadt bereits Anfang des 16. Jahrhunderts nicht ausreichend Platz für alle Zuwanderer, meist Bergleute mit ihren Familien, bot. Die Grafen waren ge- zwungen, das damalige Stadtfeld zu erweitern. Somit entstanden die ersten Wohnquartiere der Stadt, welche nur für Bergarbeiter gebaut wurden. Noch heute erinnern in der Sangerhäuser Straße Fragmente an diese vorindustrielle Vergangenheit der Region (vgl. BETZ, 2006, S. 15 f.).
Der Knappenbrunnen (vgl. Abbildung 32) wurde beispielsweise zum Gedenken an die zahlreichen Berg- und Hüttenleute der ersten Betriebsperiode des Mansfelder Kupferschieferbergbaus errichtet. Ebenso das Denkmal des Kamerad Martin zeugt von der damaligen wirtschaftlichen Prosperität: Das sogenannte „Alte Dorf“, welches sich innerhalb des ersten Stadtmauerrings Eislebens befand, und das „Neue Dorf“, das sich außerhalb befand, wurden vereint. Auch die Vorsiedlungen wurden eingegliedert. Es entstand ein einheitliches Stadtbild. Der Grund war eine unwiderrufliche Erweiterung der Stadtgrenzen, infolge des immer problematischeren Wohnungsmangels (vgl. TREU, 2000, S. 21 ff.).
Desgleichen hatten die Mansfelder Grafen Schwierigkeiten: Waren sie im 14. Jahrhundert noch einflussreiche Fürsten, die ihr Territorium bis zur Reformationszeit ausdehnten, so brachte die wirtschaftliche Blütezeit des Bergbaus Misswirtschaft und ebenso die Verschuldung der Grafenhäuser mit sich (vgl. Ebd.).
Doch nicht nur Bergleute siedelten sich in der Stadt an: 1420 waren im Werderbuch 39 ver- schiedene Handwerkszweige aktenkundig. Neben Fleischern, Schuhmachern, Kürschnern, Maurern, Seilern, Wagnern und Steinmetzen fertigten ebenso Winzer, Bäcker, Müller, Glaser, Köhler und Töpfer Waren in Handwerkerzünften für den Bedarf in Eisleben und den umlie- genden Dörfern nicht ausschließlich für den Bergbau an (vgl. EBRUY, ca. 1996, (Nr.22)).
1618 war ein außerordentlich bedrohliches Jahr, welches das Bergbau- und Hüttenwesen durch den Dreißigjährigen Krieg in und um Eisleben fast zum Erliegen brachte. Im nächsten Kapitel werden daher die Folgen des Krieges näher betrachtet und die daraus resultierenden Veränderungen für die Mansfeldische Montanwirtschaft dargestellt.
Die zweite Phase dauerte ca. 200 Jahre: Von 1648/49 bis 1852. Hierbei hatte insbesondere der Dreißigjährige Krieg schwerwiegende Folgen: Ganze Landstriche waren entvölkert - so auch Eisleben, nicht zuletzt durch verheerende Pestepedemien. Von 2.000 tätigen Bergleuten zählte man 1648 gerade 20 Bergarbeiter, keiner jünger als 50 Jahre. Die Produktion hatte seit Beginn der Förderung von Kupferschiefer ihren Tiefstand erreicht. Der Zustand aller Stollen, Hütten und Schächte war erschreckend. Alle waren niedergeführt oder verfallen, sodass die Einwoh- ner der Stadt an den immensen finanziellen und technischen Aufwendungen scheiterten. Erst 1651 begann man allmählich mit der Wiederaufnahme des Bergbaus, der durch sächsische Kurfürsten finanziell unterstützt wurde. Die Mansfelder Grafen waren in dieser Periode hin- gegen soweit verschuldet, als dass sie fortan keine nennenswerte Bedeutung mehr hatten. Den Kurfürsten blieb keine andere Wahl, den Wirtschaftszweig dem jungen aufstrebenden Bürger- tum zu überlassen. Dieses erwirkte am 28.04.1671 eine bedeutende Wendung: Mit der Freier- klärung aller in der Mansfelder Mulde tätigen Bergleute war es fortan möglich, sich in der Region frei zu entfalten. Das Freilassungspatent lockte in der Folge zahlreiche finanzkräftige Un- ternehmen nach Eisleben. Dies war der Beginn der kapitalistischen Entwicklung (vgl. HEBESTEDT u. EISENÄCHER u. LANGELÜTTICH, 1996, S. 1 ff.).
In dieser Zeit entstand ein Großteil der Hütten in der Region Eisleben: Sie sind auf der folgenden Abbildung einzusehen. Vor allem die seit 1500 existierenden Ober- und Mittelhütte nahe der Stadt sind von Bedeutung und wurden in diesem Zeitab- schnitt effektiv gangbar gemacht. Die produkti- onsstärkste Hütte war die Krughütte, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Betrieb ging. Sie lag am äußersten westlichen Stadtrand an der Grenze zu Wimmelburg. Auf der Abbildung ist sie nicht vermerkt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Verteilung der Hütten in der Region Eisleben
Quelle: HEBESTEDT u. EISENÄCHER u. LANGELÜTTICH, 1996, S. 6
Durch die Freilassung des Bergbaus wurden wagemutige und kapitalkräftige Unternehmer dazu ermuntert, sich zu Gewerkschaften zusammenzuschließen, welche hauptsächlich für die Entsilberung des Schwarzkupfers, den Bezug von Holz und Kohle für umliegende Hütten und den Verkauf jeglicher Produkte verantwortlich waren. Doch je tiefer die Schächte wurden, desto größer wurden die Probleme der Wasserhaltung. Somit war eine Ausbildung qualifizier- ter Arbeitskräfte unumgänglich geworden: Infolgedessen wurde 1798 die Bergschule auf Ini- tiative Ludwig Plümickes gegründet. Diese hat bis zur Stilllegung des Bergbau- und Hütten- wesens einen eigenständigen Beitrag zur Entwicklung der Bergbauwissenschaften in Deutsch- land beigetragen. So wurde beispielsweise die erste Dampfmaschine des Landes in Eisleben in Betrieb ge- nommen. Es wurden zudem Pumpen entwickelt, die einen besseren und qualita- tiv wertvolleren Tiefbau ermöglichten (vgl. TREU, 2000, S. 21 ff.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Ehemalige Bergschule
Quelle: Eigene Aufnahme, aufgenommen am 02.05.2010
Nach einer weiteren Krise des Bergbaus und städtischer Entwicklungen in der napoleonischen Zeit, die nicht zuletzt durch Steuererhöhungen und Kriegsdienstleistungen verursacht wurden, gab es seit den 1820er Jahren wieder eine stetige Aufwärtsentwicklung. Die Einwohnerzahl Eisleben wuchs rasant an: 1849 zählte die Stadt noch 10.000 Einwohnern, während 1885 be- reits 23.000 Menschen hier lebten. Ein Grund dafür war die Zusammenlegung aller Gewerk- schaften zur Mansfeldischen Kupferschieferbauenden Gewerkschaft. Zahlreiche Abbauorte in der Region in und um Eisleben wurden beseitigt und es entstanden wenige, jedoch sehr große Schachtanlagen, die mehrere tausend Arbeitskräfte benötigten (vgl. Ebd.).
Damit wurde der Grundstein für eine weitere, die wohl bedeutendste Phase der Entwicklung des Bergbau- und Hüttenwesens, gelegt.
Die dritte Phase setzte mit der Gründung der Mansfeldischen Kupferschieferbauenden Gewerkschaft im Jahr 1852 ein und dauerte bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Die neue Gewerkschaft setzte sich aus den fünf Gewerkschaften zusammen, die für die Ge- winnung und Verhüttung des Kupferschiefers zuständig waren. Sie besaß einen konzernähnli- chen Charakter und vereinte verschiedene Industriezweige in einem Unternehmen. Rasch entwickelte es sich zu einem Großbetrieb im mitteldeutschen Gebiet: Bereits zehn Jahre nach der Gründung waren in der Gewerkschaft 4.672 Mann, darunter 3.750 Bergleute tätig. Ebenso schnell wurde durch technisch bessere Einrichtungen ein Teufen in tiefere Schichten des Un- tergrundes möglich. Zugleich wurden weitere Schächte, Hütten und Drahtseilbahnen für ver- kürzte Transportwege errichtet. Ebenso waren an der Schwelle zum 20. Jahrhundert saisonbe- dingt 800-1.000 Personen in der Landwirtschaft tätig. Insgesamt belief sich die Einwohner- zahl Eislebens um 1900 auf rund 24.000 (vgl. LINDNER, 1985 Band 2, Teil 1, S. 51 ff.).
Im engen Zusammenhang damit stand die Inbetriebnahme der Mansfelder Bergwerksbahn im Jahr 1880, die alle Gruben- und Hüttenwerke der Region miteinander verband. Während diese erst zum Transport von Kupferschiefer diente, beförderte sie zwei Jahre später auch die Be- schäftigten zwischen ihren Wohnorten und den Schächten sowie Hütten (vgl. LOBERENZ, ca. 1995).
Der Anschluss Eislebens an das Schienennetz im Jahr 1886 brachte eine bedeutsame Entwicklung für Hand- werk, Gewerbe, Industrie und Handel der Stadt. Es ent- standen Elektrizitätswerke, Laboratorien und medizini- sche Institutionen, unter anderem das 1876 eröffnete Bergbaukrankenhaus. Demzufolge entwickelten sich neue Handwerkszweige, wie z.B. der des Mechanikers oder Elektrikers (vgl. TREU, 2000, S. 21ff.).
Die nebenstehende Abbildung zeigt die wichtigsten Schächte, die während der dritten Betriebsperiode
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Verteilung der Schächte in der Mansfelder Mulde
Quelle: JANKOWSKI, 1987, S. 1
im Großraum Eisleben entstanden sind Mit zahlreichen Schächten, von denen heute nur noch Halden an das einst rege Leben erin- nern, sind sowohl revolutionäre als auch technikgeschichtliche Höhepunkte verbunden: So z.B. der Fortschrittschacht I bei Eisleben, der 1906 in Betrieb genommen wurde. Er galt um 1920 als die modernste Großschachtanlage, die vollständig mit elektrischen Geräten ausgerüs- tet war. Zudem konnte er mehrere tausend Mann Belegschaft aufnehmen (vgl. JANKOWS- KI, 1987, S. 5ff.).
Weiterhin standen der Max-Lademann Schacht in Eisleben als eine der ältesten Schachtanlagen der Mansfelder Mulde und die Otto-Schächte bei Eisleben auf der Hüneburg an der Spitze der Produktion für Kupferschiefer. Zu letzteren ist auch die bedeutende Krughütte zu zählen, die in der Lage war, tausende Bergarbeiter zu beschäftigen (vgl. Ebd., S. 27 ff.).
Um die Jahrhundertwende entfielen hinsichtlich der Kupferweltproduktion 6,3% auf den Mansfelder Bergbau - nur Nordamerika hatte einen größeren Anteil von 16,2%. Darüber hinaus waren zum selben Zeitpunkt 35,5% der Beschäftigten in Eisleben im Bergbau- und Hüttenwesen tätig (vgl. LINDNER, 1985 Band 2, Teil 1, S. 94 ff.).
Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Bergbau- und Hüttenwesens bildet das Jahr 1909: Trotz zahlreicher technologischer Neuerungen arbeiteten alle Bergleute unter widrigen Bedingungen, sodass sie infolge eines Streiks zu Zehntausenden gute Mindestlöhne und eine Arbeitszeit von acht Stunden täglich „erkämpften“. Der darauffolgende Erste Weltkrieg hatte für Eisleben keine nennenswerten Folgen (vgl. LINDNER, 1985, Band 2, Teil 2, S. 30 ff.).
1921 ging aus der Mansfeldischen Kupferschieferbauenden Gewerkschaft die Aktiengesell- schaft der MANSFELD AG für Bergbau- und Hüttenbetrieb hervor, welcher sich zu einem vollends modernen und rationell arbeitenden sowie gewinnbringenden Unternehmen entwi- ckelte. Die Umstrukturierungen beschränkten sich auf die Produktion der Metallgewinnung und -verarbeitung. Doch dann warfen die Weltwirtschaftskrise und der Zweite Weltkrieg die blühende wirtschaftliche Entwicklung um ein Vielfaches zurück: Die letzte Betriebsperiode des Berg- und Hüttenwesens brach an und „stand zudem unter keinem guten Stern“ (vgl. LINDNER, 1986, S. 55 ff.).
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